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Donnerstag, 17. Februar 2022

LA POLIZIA INCRIMINA LA LEGGE ASSOLVE (1973)








TOTE ZEUGEN SINGEN NICHT
STRASSE INS JENSEITS (Alternativtitel)

Italien, Spanien 1973
Regie: Enzo G. Castellari
DarstellerInnen: Franco Nero, James Whitmore, Delia Boccardo, Fernando Rey, Silvano Tranquilli, Ely Galleani, Victor Israel, Nello Pazzafini, Bruno Corazzari, Massimo Vanni u.a.

Inhalt:
Kommissar Belli macht in Genua Jagd auf Drogenhändler und gerät dabei auf die Spuren einer mafiösen Vereinigung mit Verbindungen bis in die höchsten Kreise von Industriellen und Politikern. Dadurch gerät nicht nur sein Weltbild ins Wanken, sondern auch sein Umfeld in Gefahr…


Belli (Nero) gerät schnell in Rage...



...Mirella (Boccardo) nimmt es mit Humor

Kommissar Belli (Franco Nero) ist wütend. Wegen seinem schier endlosen und leider aussichtlos scheinenden Kampf gegen die Drogenmafia in Genua. Er ist wütend auf die mafiösen Verbindungen der reichen Industriellen, er ist erbost über seinen Chef, der nicht in die Gänge kommt beim Aufdecken der einflussreichen Hintermänner des Drogenrings. Belli ist sauer auf seinen Informanten, den Mafiapaten Cafiero (Fernando Rey), weil sich dieser nach Bellis Geschmack zu sehr aus dem Geschäft zurückzieht und das Feld anderen, nämlich den Libanesen, überlässt.

Bellis Grundstimmung überträgt sich auch auf sein Privatleben. Er gerät in Rage, wenn er sich beim Rasieren schneidet und gibt seiner Freundin Mirella (Delia Boccardo) dafür die Schuld. Mirella wiederum scheint diese Ausbrüche ihres Freundes bereits zu kennen und kontert seine lächerlichen Vorwürfe gelassen mit dem Rat, dass er doch auch mal seine eigenen Rasierklingen in ihrem Bad deponieren kann.
Unser permanent gereizter Kommissar ist neben
 den absolut spektakulär inszenierten spannenden Verfolgungsjagden die treibende Kraft und seine Aktionen ein essentielles spannungsförderndes Handlungselement in Enzo Castellaris Polizeifilm.


Belli macht seinem Vorgesetzten (Whitmore) Vorwürfe


Als wandelbarer und hochprofessioneller Darsteller gelingt Franco Nero der Drahtseilakt zwischen dem raubeinigen Polizisten, der einer sachgemäßen Befragung gerne auch mal ein paar Faustschläge vorausschickt und einem trotz seiner kaum zügelbaren Impulsivität doch ernst zu nehmenden Charakter.
Gerade Franco Neros hier verkörperte Rolle des rabaukenhaften Kommissars diente wenige Jahre später als Blaupause für den Schauspieler Maurizio Merli (vgl. Verdammte, heilige Stadt oder Convoy Busters), der sich als jähzorniger Gesetzeshüter sowohl optisch als auch ermittlungstechnisch in vergleichbar brutaler Manier durch die Reihen der Gesetzesbrecher boxte. Jedoch mit einer solchen Inbrunst der Überzeugung und fehlendem Gespür für sanftere Zwischentöne, dass Merlis Radikalität immer etwas ins Gegenteilige des beabsichtigten Effekts abdriftet. Sprich: Merli konnte und kann man nie ganz Ernst nehmen, Franco Nero in dieser ähnlich gelagerten Rolle hingegen sehr wohl.


Verfolgungsjagden durch Genua...



... und Actionszenen kommen nicht zu kurz


Einer der üblichen Verdächtigen (Corazzari) 


Regisseur Enzo Castellari (Ein Bürger setzt sich zur Wehr, "Keoma", Racket) hat sich vor allem mit seinen actiongeladenen Filmen einen Namen gemacht. Die von ihm gerne verwendeten visuellen Stilmittel wie Zeitlupenszenen, für die damalige Zeit schnellen Schnitte und Rückblenden hat er in "Tote Zeugen…" voll ausgereizt.

Die besondere Erzählstruktur hebt diesen Polizeifilm auch aus der Masse hervor. Durch den geschickten Einsatz von Rückblenden und Wiederholungen (zum Beispiel prägnante Sätze, die im Kopf Bellis widerhallen) lässt die Handlung abseits der klassischen Actionszenen innovativer und interessanter wirken als bei vergleichbaren Filmen mit einer konventionelleren Montage bzw. Abfolge von Szenen.
Durch die prägnanten Einblicke in Bellis Privatleben wie seiner Beziehung zu seiner Tochter Anni und seiner Freundin Mirella, sieht man andere Facetten der Persönlichkeit des Polizisten und bekommt eine Ahnung davon, woher seine Verbissenheit bei der Verbrechensbekämpfung rührt.
Sein Kampf gegen Windmühlen wirbelt nicht nur viel Staub auf, sondern führt auch zu einem unvermeidlichen und leider tragischen Blutvergießen auf beiden Seiten.


Die Filmmusik, die von den talentierten Brüdern Guido und Maurizio De Angelis (auch bekannt unter deren Pseudonym Oliver Onions) komponiert wurde, ist mit seinen sanften melancholischen Tönen und der gleichzeitig einprägsamen Melodie zu einem zeitlosen Soundtrack Klassiker geworden.
"Tote Zeugen singen nicht", dem bereits in den Siebzigern ein beachtlicher Erfolg an den Kinokassen beschieden war und der laut Pressespiegel allseits wohlwollend aufgenommen wurde, hat bis zum heutigen Tag einen hohen Stellenwert in der Fangemeinde des italienischen Polizeifilms.
Als ich "Tote Zeugen..." im Rahmen des Italocinema Festivals Norimberga violenta 2017 zum ersten Mal im Kino gesehen habe, musste ich mit Bedauern feststellen, dass es leider keine adäquate Möglichkeit gibt, den Film zuhause nochmal anzuschauen.
Mit der Veröffentlichung des Labels filmArt ist er nun endlich in einer qualitativ hochwertigen Fassung für den Heimkinomarkt verfügbar.




Foto: Blu Ray von filmArt



Sonntag, 30. Mai 2021

NAPOLI VIOLENTA (1976)



CAMORRA – EIN BULLE RÄUMT AUF

Italien 1976
Regie: Umberto Lenzi
DarstellerInnen: Maurizio Merli, John Saxon, Guido Alberti, Giovanni Cianfriglia, Luciano Rossi, Gabriella Lepori, Ivana Novak, Tommaso Palladino, Massimo Deda, Barry Sullivan u.a.

Inhalt:
Kommissar Betti prügelt sich durch die neapolitanische Unterwelt und legt sich mit dem obersten Camorra Boss und seinen Schergen an. Es geht nicht nur um die Bekämpfung des Verbrechens, sondern schließlich auch um Leben und Tod…


Kommissar Betti (Merli) mit entschlossenem Blick



Ganz vorne mit dabei in der Mafia (John Saxon)


Kaum einer der italienischen Regisseure seiner Zeit bediente so viele verschiedene Genres wie Umberto Lenzi (Der Berserker, Spasmo). "Napoli Violenta" entstand zur Blütezeit des italienischen Polizeifilms und war in Italien, gemessen an den Einspielergebnissen, wohl auch einer der erfolgreichsten Poliziotteschi.
Kein Wunder, wenn man den Film kennt.

„So lange ich atme entkommt mir keiner!“ (Kommissar Betti)


Kommissar Betti (Maurizio Merli, u.a. bekannt aus Verdammte, heilige Stadt oder Die Gewalt bin ich) lässt sich von nichts und niemandem einschüchtern und verfolgt die Verbrecher wie ein Bluthund. Für einen Mann wie ihn wurde das Wort "Draufgänger" vermutlich erfunden.
Frisch nach Neapel versetzt, wird Betti schon am Bahnhof persönlich vom ortsansässigen Camorra Boss, der sich von seinen Untergebenen "Generale" nennen lässt, begrüßt. Nachdem sich die beiden Kontrahenten tief, feindselig und bedeutungsschwanger in die Augen gesehen haben, geht es so richtig zur Sache in der süditalienischen Stadt und das Blut fließt auf beiden Seiten des Gesetzes.


Halsbrecherische Fahrten...



... und das Ganze aus Ego-Perspektive



Bereits diese erste Szene des Vorspanns, in dem der Generale sich von seinem Chauffeur durch den neapolitanischen Stadtverkehr kutschieren lässt, katapultiert das Publikum direkt ins Geschehen.
Auch im weiteren Verlauf gibt es 
sowohl für die Protagonisten als auch das Filmpublikum kaum Atempausen. Das actionreiche Drehbuch kommt mit nur wenigen Dialogen aus, die Szenen sind selbsterklärend. Niemand sagt einen Satz oder ein Wort zu viel. Wir werden konfrontiert mit einer Aneinanderreihung von dramatischen Ereignissen, in denen teils grausame Verbrechen begangen werden und Menschen wegen kleinen Beträgen Leid zugefügt wird.

Das Herausragende an "Napoli Violenta" ist, dass er abseits des Genremainstreams nicht nur eine geradlinige Milieustudie präsentiert, sondern auch, dass die Seite der Opfer beinahe empathisch beleuchtet wird. Diese Menschen, die beraubt, vergewaltigt und verletzt wurden, haben einen Namen und eine Geschichte. Das ihnen zugefügte Leid ist nicht nur materiell, sondern es wird sichtbar, dass sie einen viel höheren Preis bezahlen als einen Vermögensschaden.
Sie fühlen sich nicht mehr sicher, sind körperlich aber vor allem auch seelisch verwundet. Man kann nur erahnen, welche Auswirkungen die Traumatisierung der vergewaltigten Frau oder der alten wehrlosen Dame, die wegen eines Rings die Treppe hinuntergestoßen wird und im Krankenhaus landet, hat.
Am eindrücklichsten und sehr bewegend ist das Schicksal des kleinen Gennarino, dessen Vater sich weigert, Schutzgeld für seine Autowerkstätte zu zahlen. Kommissar Betti begegnet dem Jungen mehrmals. Offensichtlich gefällt ihm die unbekümmerte freche Art des kleinen Rabauken, der nie ein Blatt vor den Mund nimmt. Doch nachdem die Mafiosi mit Gennaro und seinem Vater abgerechnet haben, ist auch der kleine Junge deutlich für sein restliches Leben gezeichnet.
All das wird ohne übertriebenen Pathos in einer komprimierten Weise dargestellt und dient vielleicht auch ein wenig der Legitimation der oft übertriebenen Gewalttätigkeiten, die Betti gegenüber den Verbrechern einsetzt. 


Unverkennbar unser Parade-Schurke - L. Rossi


Wie man es von Merli und seinen Rollen als Polizist erwartet, prügelt er ohne Rücksicht auf Verluste auf die Verdächtigen ein, bevor er sie verhört und nicht immer liefert er die Schurken der Justiz aus, sondern spielt sich bisweilen sogar als Personalunion zwischen Richter und Henker auf.
Die unverhohlene Drastik, mit der sowohl das Vorgehen der fiesen Kleinkriminellen und Mafiosi als auch die Gewaltbereitschaft des Kommissars dargestellt wird, beschönigt weder die Seite der Verbrecher noch die der Polizei. Die Taten werden nüchtern gegenübergestellt und dem Publikum die persönlichen Bewertung bzw. moralische Einordnung überlassen.


Merli macht auf Belmondo


Neben ausgezeichnet gecasteten Darstellern (die weibliche Endung lasse ich mal absichtlich weg, denn es ist in erster Linie ein Männerfilm) bietet "Napoli Violenta" Stunts und Actionszenen, spektakulär gedrehte halsbrecherische Verfolgungsjagden durch den Stadtverkehr Neapels und einen wunderbar groovigen Soundtrack ("A man before your time…"), der zu den besten aus dem Polizeifilmgenre gezählt werden kann.
Die deutsche Synchronisation trägt noch ordentlich auf und setzt dem rasanten Treiben durch markige und politisch unkorrekte Sprüche noch die Krone auf.
"Napoli Violenta" ist ein Film, der eindeutig ein Kind seiner Zeit ist und im historischen Kontext als brachialer und testosterongeladener Action Film eingeordnet, auch heute noch beste Unterhaltung und Zerstreuung bieten kann.





Foto: DVD von KochMedia



Sonntag, 8. Juli 2018

L'ISTRUTTORIA E` CHIUSA: DIMENTICHI (1972)















DAS VERFAHREN IST EINGESTELLT: VERGESSEN SIE'S!

Italien 1971
Regie: Damiano Damiani
DarstellerInnen: Franco Nero, Riccardo Cucciolla, George Wilson, John Steiner, Patrizia Adiutori, Vincenzo Basile, Claudio Nicastro u.a.


Inhalt:
Architekt Vanzi wird wegen eines Verkehrsdelikts inhaftiert und wartet im Gefängnis auf seinen Prozess. Da er sowohl über ausreichend Geld als auch gute Kontakte verfügt, werden ihm zu Beginn seines Aufenthalts gewisse Gefälligkeiten zuteil. Doch diese Sonderbehandlung findet ein jähes Ende als er sich mit seinem vermeintlich paranoiden Zellengenossen Pesenti anfreundet. Vanzi gerät ins Visier mächtiger und gefährlicher Drahtzieher und an den Rande eines Nervenzusammenbruchs...


Vanzi (Nero) ist am Ende 


Sig. Rosa (Nicastro) hat die besten Verbindungen zur Unterwelt


Regisseur Damiano Damiani wird besonders geschätzt für seine erstklassigen politischen Filme.
"Das Verfahren ist eingestellt..." ist hervorragend strukturiert. Lange Zeit hat man den Eindruck, dass die Handlung etwas vor sich hin dümpelt zwischen der Darstellung des Gefängnisalltags mit all seinen (gemeinhin bekannten) Tücken wie korrupten Wachebeamten, gewaltbereiten Insassen und der Ungleichbehandlung der Gefangenen, die mit dem sozialen und natürlich finanziellen Status der jeweiligen Person zu tun hat.

Gemeinsam mit Architekt Vanzi (Franco Nero) lernt man nach und nach die gefängnisinternen Hierarchien und Tücken des Alltags kennen. Vanzi bemüht sich möglichst adäquat auf die schlechten Witze und Drohungen seiner Zellengenossen zu reagieren. Denn innerhalb dieser Mauern muss man sich natürlich anpassen und fügen, aber auch zum richtigen Zeitpunkt Respekt verschaffen, wenn man überleben will.
Dass dies eine gefährliche Gratwanderung ist, ist wohl Vanzis erste Lektion. Denn Mithäftling Biro (herrlich fies: John Steiner), den auch die schwedischen Gardinen nicht von (weiteren) Morden abhalten, ist unberechenbar und hat es innerhalb kurzer Zeit auf den Architekten abgesehen.
Franco Neros Darstellung des unbescholtenen Bürgers, der zwischen die Mühlen der Justiz geraten ist, pendelt zwischen Dramatik und Melodramatik. Wie in manch anderen Rollen dieses bewundernswert wandlungsfähigen Mimen sieht er auch in "Das Verfahren..." bisweilen wieder einmal aus, als hätte er sich Zwiebelringe über die Augen gewischt und trägt darstellerisch ganz dick auf. Doch dann nimmt er sich doch rechtzeitig wieder etwas zurück und wirkt dadurch gleich etwas authentischer und auch sympathischer.
Die anderen Häftlinge und natürlich auch die Wärter sind ebenfalls etwas klischeenahe charakterisiert, doch gerade deshalb dem Unterhaltungswert des Films äußerst zuträglich.

Mit einem leichten Augenzwinkern wird zum Beispiel der einflussreiche Mafiapate Salvatore Rosa (Claudio Nicastro, u.a. bekannt aus Der Teufel führt Regie oder "Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?") als wichtige Figur in die Handlung eingebettet ohne dass die tatsächliche Tragweite seiner Verbindungen zur Mafia und Einflussnahme auf das Geschehen in den Vordergrund gerückt werden. Wenn er morgens in seiner Einzelzelle gut gelaunt im Bademantel den besten Kaffee zum fürstlichen Frühstück schlürft während die anderen Gefangenen leer ausgehen, wirkt er anfangs noch wie ein skurriler Nebencharakter.
Doch man darf sich in Wirklichkeit in diesem Film von Nichts und Niemandem täuschen lassen und vor allem keine voreiligen Schlüsse ziehen!
Das gilt selbstverständlich auch für den vermeintlich von paranoiden Wahnvorstellungen getriebenen Häftling Pesenti (Riccardo Cucciolla, u.a. bekannt aus dem Polit-Drama Betrachten wir die Angelegenheit als abgeschlossen oder Mario Bavas Wild dogs).


Biro (Steiner) beim Fußballspiel


Der britische Schauspieler John Steiner (Goodbye und Amen, Schock), der durch seine zwielichtigen Rollen in vielen italienischen Produktionen bekannt war, verkörpert den unberechenbaren Mörder Biro. Mit seinen schiefen Beißerchen und seiner hageren großgewachsenen Statur wirkt er dabei wie aus dem Leben gegriffen. Besonders das Hof-Fußballspiel, das Biro nutzt, um möglichst viele Mitspieler zu verletzen, ist eine der ganz großen und unvergesslichen Szenen in diesem Film.
Eine kleine Anekdote am Rande: John Steiner hat sich übrigens ein adrettes schneeweißes Hollywood Gebiss machen lassen und verdient seine Brötchen heutzutage als seriöser Makler von Luxus Immobilien in Amerika.

Dadurch, dass man als Zuschauer gemeinsam mit dem zunehmend verzweifelten Architekten Vanzi durch emotionale Höhen und Tiefen getrieben wird und gewisse Aktionen Einzelner über einen längeren Zeitraum nicht interpretierbar sind, ist man erst am Schluss des Films wirklich in der Lage, das Gesehene zu einem großen Ganzen zusammenzufügen.
Etwas geplättet muss man sich dann fragen, was in welcher Form schon von den Drahtziehern im Hintergrund geplant war und wann sie welche Gelegenheit erkannt und spontan für ihre Zwecke genutzt haben. Ich tendiere zu der Annahme, dass hier nichts, aber auch rein gar nichts dem Zufall überlassen wurde und sogar die Verhaftung Vanzis Teil eines perfiden geheimen Plans gewesen sein könnte.

"Das Verfahren ist eingestellt: Vergessen Sie's!" ist in seiner Kernaussage durch und durch politisch. Damiani zeigt den naiven unbescholtenen Bürger, der in den Fängen der mächtigen Drahtzieher aus Politik und Mafia zum Spielball wird. Selten wurde in vergleichbaren Filmen aus dieser Zeit Korruption und Machtmissbrauch in kleinen (innerhalb der Mauern) und großen Zusammenhängen so pointiert und dabei gleichzeitig doch ungemein unterhaltsam dargestellt.




Foto: Blu Ray von Koch Media



Sonntag, 19. Februar 2017

BUCHTIPP: De Cataldo, Giancarlo und Bonini, Carlo: Suburra














"Ein brutaler Bandenkrieg erschüttert die Straßen Roms. Kommissar Malatesta ahnt den wahren Grund der Fehde: Ein gigantisches Bauvorhaben, das die Peripherie der Stadt bis zur Küste von Ostia mit Casinos, Hotels und Clubs zubetonieren soll. Dabei ziehen nicht nur korrupte Behörden, Mafia und Zigeunerclans am selben schmutzigen Strang, sondern auch Würdenträger aus Kirche und Politik. Allen voran Samurai, ein eiskalter Neofaschist."
Klappentext


Nur wenige Stunden nachdem ich den großartigen Milano Kaliber 9 in bombastischer Qualität (FilmArt BD) genießen durfte, habe ich mich an die Lektüre des thematisch ähnlichen Romans "Suburra" gewagt.
Direkt fielen mir erste Parallelen zwischen dem genannten Film und der gedruckten Mafia Story auf: rasante Szenenwechsel von Beginn an. Ein Verbrechen, das längere Zeit zurückliegt, doch Auswirkungen auf die Gegenwart haben soll.
Mafia und Verbrecher-Clans, die sich gegenseitig über den Tisch ziehen und ermorden. Brutal, skrupellos und meistens unberechenbar.
Das erste Drittel des Buchs hat meine Aufmerksamkeit ordentlich gefordert, weil so viele Charaktere auf wenigen Seiten eingeführt werden und zum Teil urplötzlich wieder von der Bildfläche verschwinden. Die hierarchischen Strukturen der einzelnen Banden bzw. die Zugehörigkeiten der agierenden Kriminellen nehmen erst zu einem späteren Zeitpunkt klarere Formen an.

Doch schon nach wenigen Seiten bereitete mir dieser Roman großes Lesevergnügen.
Ohne sich mit ausufernden Beschreibungen von Äußerlichkeiten oder Landschaften aufzuhalten, kommen die Autoren rasch auf den Punkt und straffen die Handlung durch kurze Kapitel und ausdrucksstarke Dialoge.
Die stilistische und sprachliche Unverblümtheit (beispielsweise der Verzicht auf pathetische Metaphern) ist erfrischend. Das Mafia-Insider Wissen des in Rom lebenden und arbeitenden Richters De Cataldo (u.a. Autor von "Romanzo Criminale") und des Investigativjournalisten Bonini kommt der Geschichte auf jeden Fall merklich zugute.

Leider dürften sich durch die Übersetzung einige Fehler eingeschlichen haben und an gewissen Stellen wäre es meiner Meinung nach besser gewesen, die italienischen Bezeichnungen so stehen zu lassen und in einem Glossar im hinteren Teil des Buches zu erklären.
Wenn die ProtagonistInnen von "Suburra" zum Beispiel alle paar Seiten "geh scheißen" sagen, weckt dies bei mir (als Österreicherin sowieso) immer Assoziationen zur Wiener Umgangssprache und diese Wortwahl wirkt im Zusammenhang mit der italienischen Mafia befremdlich.
Sprachlich hätte man wohl Manches eleganter formulieren können. Italienische Redewendungen, die man nicht eins zu eins übersetzen kann, wurden offenbar phantasielos ins Deutsche übertragen.
Trotz dieses (vermutlich besonders für pingelige Personen wie mich) Mankos ist "Suburra" ein spannender Roman mit ausdifferenziert dargestellten Persönlichkeiten jenseits der kitschigen Schwarz-Weißmalerei, über die ich mich manchmal bei der Lektüre von Bestseller Romanen ärgere.

"Suburra" ist ein Buch, das Mafia-Interessierten jedenfalls einige kurzweilige Stunden der Unterhaltung bietet. Wahrscheinlich ist die Kino-Adaption (Regie: Stefano Sollima) auch einen Blick wert. Erfreulicherweise wird "Suburra" im  Mai von Koch Media erhältlich sein.

Samstag, 7. März 2015

CITTA' VIOLENTA (1970)














BRUTALE STADT

Frankreich, Italien 1970
Regie: Sergio Sollima
DarstellerInnen: Charles Bronson, Jill Ireland, Michel Constantin, Telly Savalas, Umberto Orsini, George Savalas, Ray Saunders u.a.


Inhalt:
Jeff Heston ist ein Einzelgänger. Ein eiskalter und gewissenloser Profikiller mit einer Schwäche für eine besondere Frau - die schöne Vanessa.
Dies wird ihm allerdings zum Verhängnis... Er gerät in einen Hinterhalt und kann seine Ermordung gerade noch verhindern, indem er auf offener Straße ein kleines Massaker unter seinen Angreifern anrichtet.
Zwei Jahre landet er dafür im Gefängnis.
Frisch entlassen muss er feststellen, dass er immer noch ein begehrter Mann ist. Er erhält auf eindringliche Art und Weise sowohl vom Mafiaboss Weber als auch von einem dubiosen Anwalt Jobangebote. Jeff gerät alsbald zu einem Spielball zwischen rivalisierenden (Möchtegern-) Bossen. Und das Wiedersehen mit Vanessa, die mittlerweile mit dem Mafia-Paten Weber verheiratet ist, wird durch sein (berechtigtes) Misstrauen getrübt.
Welchen geheimen Plan verfolgt der kaltblütige Jeff selbst und wer sind seine wirklichen Feinde?


Jeff, der Profi


Verführerisch und gefährlich: Vanessa


"Brutale Stadt" war der erste Gangsterfilm des bis dahin vorrangig als Italowestern-Regisseur bekannten Sergio Sollima (ua. verantwortlich für Italowestern-Klassiker wie Von Angesicht zu Angesicht, "Der Gehetzte der Sierra Madre" oder den grandiosen Thriller Die perfekte Erpressung).
Die an sich etwas banale Geschichte kann eigentlich mit einem einzigen Satz skizziert werden:
Es geht um einen Profikiller, der sich aus dem Geschäft zurückziehen möchte, den die Unterwelt aber nicht ziehen lassen will und dem seine Schwäche für eine ganz bestimmte Frau immer wieder zum Verhängnis wird.

Mit Charles Bronson in der Rolle des Auftragsmörders Jeff Heston konnte für die Produktion ein bekannter amerikanischer Schauspieler gewonnen werden.
Bronson war anno 1970 zwar noch nicht am Zenit seiner Karriere angelangt, hatte aber durch einige Nebenrollen in populären Filmen auf sich aufmerksam gemacht.
Die Rolle des Jeff Heston war ihm regelrecht auf den Leib geschneidert - mit seinem markanten Gesicht und seiner stoisch wirkenden Mimik war er die perfekte Besetzung für die Hauptrolle des Films.
Jeff Heston ist ein Einzelgänger, dessen Gedanken- und Gefühlswelt über die gesamte Filmlaufzeit so verschlossen bleiben wie das Goldreservenlager von Fort Knox.
Gerade die Unvorhersehbarkeit seiner Handlungen und das latente Aggressionspotential macht den Hauptdarsteller von "Brutale Stadt" auch so interessant - es ist nämlich schlichtweg nicht erkennbar, wer als nächstes auf seiner Opfer-Liste steht.
Zugleich ist Jeff kein klassischer Action-Superheld, sondern ein einsamer Mann mit einer tragischen Lebensgeschichte, dessen Vergangenheit keine ideologische Umkehr zulässt.
Ein Mann, der von seinen selbst heraufbeschworenen Dämonen immer auf's Neue heimgesucht wird.

Bronsons damalige Frau, die Schauspielerin Jill Ireland, wurde auf Wunsch des Ehepaars als Besetzung für die verführerische und durchtriebene Vanessa engagiert.
Sie war nicht nur eine schöne Frau, sondern besticht auch durch ihre zeitlose Eleganz und eine, zu ihrer Rolle passenden, geheimnisvollen Ausstrahlung.
Telly Savalas verkörpert den Mafiaboss Weber, der dem Luxusleben verfallen ist und seine Angelegenheiten gerne von seinem Mahagoni-Schreibtisch aus regelt. Savalas (aka Kojak) hat zwar nur eine Nebenrolle bekommen, aber füllt diese mit einer beeindruckenden Präsenz aus.


Die Actionszenen haben es in sich


Was "Brutale Stadt" neben der Action außerdem noch zu etwas Besonderem macht, sind die Schauplätze.
Die ersten rasanten 15 Minuten wurden auf einer malerischen kleinen Insel in der Karibik gedreht.
Wer hat schon einmal eine wilde Verfolgungsjagd mit einem stylischen Ford-Mustang über Stock und Stein (und Treppen) in so einer Landschaft gesehen? Fast alle anderen Szenen des Films wurden in Louisiana, genauer gesagt, New Orleans, aufgenommen.
Und wem das als Kaufargument noch nicht reicht, den überzeugt vielleicht ein außergewöhnlich spannendes Formel 1 Rennen in Michigan?!

Sollima hat in Bezug auf Kulissen und Cast wieder einmal ein gutes Händchen bewiesen und eine flotte Gangstergeschichte mit der ein oder anderen überraschenden Wendung und einem fatalistischen Finale, das man in einem Film dieser Art sonst nicht zu sehen bekommt, kreiert.

An einigen Stellen in der deutschen Synchronisation blitzt auf vergnügliche Weise der arg politisch unkorrekte Humor der damaligen Zeit durch, etwa als Weber seinem Gast Jeff einen in einer Kokosnusshälfte servierten Cocktail namens "Mulattentitten" anpreist. Auch das waren die Siebziger!
Maestro Ennio Morricone, der das musikalische Hauptthema des Films komponiert hat, bürgt in gewohnter Weise für Qualität und schuf einen zum Film passenden Soundtrack.

"Brutale Stadt" ist ein rasanter und spannender Actionfilm, der nicht mit Klischees geizt, aber auch nichts dezidiert falsch macht und durch seine exquisit ausgewählte Schauspieler-Riege dick auftrumpft, in erster Linie aber von der Leinwand-Präsenz eines Charles Bronson lebt.




Foto: Special Uncut Edition von Koch Media




Sonntag, 4. Januar 2015

AFYON OPPIO (1972)














THE OPIUM CONNECTION

Frankreich, Italien 1972
Regie: Ferdinando Baldi
DarstellerInnen: Ben Gazzara, José Greci, Malisa Longo, Silvia Monti, Fausto Tozzi, Luciano Catenacci, Luciano Rossi, Corrado Gaipa, Romano Puppo, Bruno Corazzari, Omero Capanna u.a.


Inhalt:
Joseph Coppola, ein Amerikaner mit italienischen Wurzeln, zieht sich aus dem Nachtclub-Business zurück, um sich fortan großen Deals im Drogenmilieu zu widmen. Schnell begreift er, dass in diesem Geschäftsfeld nichts ohne Kontakte läuft. Mit seinem Assistenten Tony reist er zuerst nach Istanbul. Vor Ort knüpft er Kontakte mit einem Opium-Hersteller, der ihm hilft, die Ware nach Sizilien zu schmuggeln.
In Italien erbittet Coppola Protektion vom Mafia Oberhaupt Don Calogero, der ihm verspricht, die Ware sicher nach New York zu verschiffen. Bald zeigt sich, dass Coppola niemandem trauen darf und allen Feinden und Neidern immer einen Schritt voraus sein muss, um den großen Drogendeal nicht mit seinem Leben zu bezahlen...


Opium auf dem Feld


Don Calogero (Gaipa) und Joseph (Gazzara)


Regisseur Ferdinando Baldi, der neben dem superben Genre-Klassiker "Blindman, der Vollstrecker" einige andere sehenswerte Italowestern auf die große Leinwand gezaubert hat, widmete sich im Jahr 1972 mit "The Opium Connection" intensiv der Mafia Historie.

Wir verfolgen den mühsamen Weg Joseph Coppolas (Ben Gazzara) vom kleinen Fisch zum großen Hecht (was sein Verhältnis zu Frauen betrifft wäre der Begriff "Hengst" passender) im Drogengeschäft.
Offenbar stand für die Produktion etwas mehr Geld zur Verfügung als in Anbetracht der Entstehungszeit und des Genres üblich. Gefilmt wurde neben Istanbul, Kappadokien und Sizilien auch in New York City.
"Klotzen, nicht kleckern" lautete wohl die Devise Baldis. Das ist zugleich auch das Motto des Hauptprotagonisten Coppola, der im großen Stil Opium kauft und dieses später in James Bond Manier vom Transportschiff klaut.

Neben einem Einblick in mafiöse Strukturen, undurchsichtige hinterlistige Machenschaften und hierarchische Verhältnisse innerhalb der Onorata Società erfährt man in "The Opium Connection" Details über die Herstellung und Verarbeitung von Mohn zu Opium und letztendlich zur hochwirksamen Droge Heroin.
Der ganze Prozess ist mitunter leider ein bisschen zäh inszeniert und manche Charaktere (beispielsweise der türkische Inspektor, der Coppola genaustens beobachtet) verlaufen ins Leere oder wirken befremdlich unmotiviert.
Die famos inszenierten Gewaltszenen und die Darstellung subtiler und offensichtlicher Bedrohung von konkurrierenden Mafiosi wären bei einer etwas strafferen Inszenierung sicherlich aussagekräftiger gewesen. Hätte sich Baldi doch ein Beispiel an Fernando Di Leo nehmen können...

Glücklicherweise tut dies der Unterhaltung aber keinen besonders nachteiligen Abbruch.
Zu meiner Verzückung und Entschädigung für den ein oder anderen Leerlauf geben sich aber scharenweise populäre und legendäre DarstellerInnen des italienischen Genrekinos der Siebziger die Ehre.
Wer freut sich nicht über ein Wiedersehen mit Malisa Longo (Der Clan der Killer), Silvia Monti (Una lucertola con la pelle di donna), Corrado Gaipa (der schmierige Anwalt aus Das Syndikat gibt hier den großen Mafiaboss Don Calogero), Omero Capanna (der als der Taubenspucker in Milano Kaliber 9 in die Filmgeschichte einging), Luciano Rossi (der sadistische Hans Krutzer in La morte accarezza a mezzanotte), Romano Puppo (der Amokläufer von Mailand in Racket), Bruno Corazzari (wirkte in 63 Filmen mit, u.a. als dubioser Rotzkopf in Der Mann ohne Gedächtnis) oder Luciano Catenacci (der glatzköpfige Bürgermeister in Die toten Augen des Dr. Dracula)?
Bei dieser Besetzung würde ich mich von keinem Genre abschrecken lassen. Nicht einmal von einer seichten Liebeskomödie. Oder vielleicht doch? Egal.

"The Opium Connection" hat neben einem ernsten und realitätsnahen Grundtenor auch Originelles zu bieten.
Neben dem sehr eigentümlichen Soundtrack der De Angelis Brüder (nicht der Prog-Rock, sondern die undefinierbare Musik, die mit männlichem Grunzen oder Stöhnen unterlegt wurde) delektiert man sich an Absonderlichem (z.B. die Sahne-Szene...) und Amüsantem (z.B. die Mafiosi aus Marseille, die lieber eine französische Sauce gehabt hätten...).

Baldi zeigt dem geneigten Publikum auf realistische und zugleich dennoch leicht naive Weise den Werdegang (Aufstieg oder Untergang?) des Joseph Coppola.
Dieser ergötzliche Mafia-Film ist auf jeden Fall mehr als einen Blick wert und hätte definitiv eine Veröffentlichung verdient!
(Nachtrag vom Dezember 2020: Dank dem Label FilmArt ist "Opium Connection" nun in bester Qualität im Handel erhältlich)




Foto: Blu Ray vom Label FilmArt




Freitag, 2. Januar 2015

LUCA IL CONTRABBANDIERE (1980)














DAS SYNDIKAT DES GRAUENS

Italien 1980
Regie: Lucio Fulci
DarstellerInnen: Fabio Testi, Ivana Monti, Guido Alberti, Venantino Venantini, Ofelia Meyer, Saverio Marconi, Salvatore Billa, Romano Puppo, Luciano Rossi, Nello Pazzafini u.a.


Inhalt:
Luca und sein Bruder Michele gehören einem neapolitanischen Zigarettenschmugglerring an.
Als sie bei der Abholung einer Lieferung plötzlich von der Zollwache verfolgt werden, dämmert ihnen, dass es in ihrem direkten Umfeld einen Verräter geben muss.
Michele hat bereits einen Verdacht und wendet sich damit an den Nachtclubbesitzer und Schmuggler Perlante. Kurz darauf wird Michele im Beisein seines Bruders Luca auf offener Straße hingerichtet.
Luca, der sich an den Verantwortlichen für den grausamen Mord an seinem geliebten Bruder rächen möchte, findet heraus, dass es sich bei den Übeltätern um Konkurrenten handelt, aber auf einem ganz anderen Gebiet: dem "Mann aus Marseille" geht es um Drogenhandel im großen Stil und es gibt keine brutale Methode, die er nicht kennt.
Eine Nummer zu groß für Luca?


Abschied für immer? Luca und seine Frau


Der charismatische Perlante


Verantwortlich für "Das Syndikat des Grauens" ist niemand Anderer als der umstrittene exzentrische italienische Regisseur Lucio Fulci, verrufen wegen seiner Neigung zum Morbiden, zu Gewaltexzessen und seinem angeblichen Hass auf männliche Schauspieler (hartnäckigen Gerüchten zufolge soll seine Frau ihn für einen Mimen verlassen haben).

Fulcis Hang zum Extremen hat der Maestro mit seinen Horror-Klassikern Woodoo - Schreckensinsel der Zombies, Über dem Jenseits, Ein Zombie hing am Glockenseil und Haus an der Friedhofmauer (von manchen Kollegen auch "Die vier Evangelien des Fulci" genannt) unter Beweis gestellt. Jeder, der seine Filme kennt, weiß, dass der gute Mann nicht nur Effekte mit viel Blut, sondern auch Nahaufnahmen von Verstümmelungen und Wunden besonders schätzte.

Fulci, der sowohl für Gialli der höchsten Güteklasse (Non si sevizia un paperino, Una lucertola con la pelle di donna) als auch den herausragenden Spät-Italowestern Verdammt zu leben -  verdammt zu sterben verantwortlich war, hat mit "Das Syndikat des Grauens" einen Exploitation-Poliziottesco nach bewährter Manier geschaffen.
Mit einer Einschränkung allerdings: der Film fällt eher in die Kategorie "nicht zu empfehlen für Zartbesaitete". Ein radikaler Fulci-Film eben. Einige Szenen sind etwas härter und brutaler als man es sich gemeinhin vom Genre erwartet.

Es handelt sich bei "Das Syndikat des Grauens" um ein Spätwerk (1980), genauer gesagt um einen der letzten wichtigen Vertreter des italienischen Polizei- bzw. Mafiafilms, bevor das Genre mehr und mehr verflachte und schließlich ganz in den Sümpfen des Zelluloid-Friedhofs versank.

"Das Syndikat des Grauens" wirkt beinahe so, als ob sich alle Genre-Schauspieler (das "Who is Who" des italienischen Polizeifilms) noch einmal zu einem letzten großen Treffen versammelt hätten.
Die Besetzungsliste spricht für sich - Fabio Testi in der Hauptrolle, zahlreiche "prominente Schurken" wie Romano Puppo, Nello Pazzafini, Luciano Rossi, Guido Alberti -um nur einige wenige zu nennen- waren ebenfalls mit von der Partie.

Die Geschichte um den Schmuggler Luca, der nach dem Mord an seinem Bruder zum verzweifelten Einzelkämpfer mutiert, bietet nicht nur actionreiche Unterhaltung, sondern auch inhaltlich realitätsnahe Aspekte.
Manche Zigarettenschmuggler in Neapel, deren Organisation eher familiären Charakter hatte, waren tatsächlich gegen illegale Rauschmittel und verweigerten den Drogenbaronen die Zusammenarbeit.
(Anmerkung: Gerüchten zufolge sollen Schmuggler nach dem Tod des Produzenten sogar einen finanziellen Beitrag zur Fertigstellung des Films geleistet haben.)

Einige Szenen in "Das Syndikat des Grauens" sind wirklich herausragend, wie zum Beispiel die Anfangssequenz, in der sich Testi und Co. eine wilde Boot-Verfolgungsjagd mit der Zollwache liefern.
Die Inszenierung des Begräbnisses von Michele auf dem Wasser, für das sich alle in der Organisation wichtigen Männer und deren engste Angehörige versammelt haben und Blumenkränze ins Wasser gleiten lassen, ist wahrlich eindrucksvoll.
Einen weiteren Pluspunkte sammelt dieser storytechnisch ausgeklügelte Mafia-Thriller klarerweise durch die überraschende Wendung am Ende, die sich zwar schon durch kurze Einblendungen während der gesamten Laufzeit langsam ankündigt, aber dennoch unvorhersehbar und dafür umso wirkungsvoller ist.

Alles in allem ist "Das Syndikat des Grauens" ein Film, der in das obere Drittel der Qualitäts-Klassifizierung des Genres gehört, aber zu stark in die Exploitation-Schiene abrutscht, als dass er sich mit einem Das Syndikat oder einem Milano Kaliber 9 messen könnte.
Dennoch handelt es sich hierbei um einen der wirklich sehenswerten Poliziotteschi.




Foto: XT und Blue Underground VÖ



Donnerstag, 19. Juni 2014

IL POLIZIOTTO È MARCIO (1974)














SHOOT FIRST, DIE LATER

Italien, Mexiko 1974
Regie: Fernando Di Leo
DarstellerInnen: Luc Merenda, Richard Conte, Delia Boccardo, Raymond Pellegrin, Vittorio Caprioli, Monica Monet, Marisa Traversi u.a.


Inhalt
Comissario Domenico Malacarne, der ehrgeizige Vorzeige-Polizist der Mailänder Exekutive, führt ein Doppelleben. Denn er steht nicht nur im Dienst der Gesetzeshüter, sondern nimmt auch Aufträge von hochrangigen Mafia-Mitgliedern an.
Dass dies auf Dauer nicht gut gehen kann, erklärt sich von selbst.
(Muss natürlich auch so sein, sonst könnte man keinen interessanten Film aus der Geschichte machen.)
Und so kommt der Tag, an dem Domenico für seine unlauteren Machenschaften büßt und um alles fürchten muss, was ihm lieb ist...


Die Fassade bröckelt...


Vittorio Caprioli blödelt mit dem Kommissar


Eines gleich vorweg: "Il poliziotto è marcio" reiht sich nahtlos in die besten Vertreter des Poliziottesco Genres ein. Umso verwunderlicher ist, dass der Film nicht entsprechend vermarktet wurde und so nie die Aufmerksamkeit bekam, die er eigentlich verdient.
Deshalb möchte ich ihm mit diesem kleinen Review wenigstens den wohlverdienten Tribut zollen.

Regisseur Fernando Di Leo, bekannt für seine besonders realistische Mafia-Trilogie, auch "Milieu-Studie" genannt (vgl. Milano Kaliber 9, Der Mafiaboss und Der Teufel führt Regie), wurde von seinen Zeitgenossen häufig als linksintellektueller Filmemacher charakterisiert.
So sah er sich auch selbst gerne.
Im Unterschied zu anderen Poliziotteschi waren seine Filme näher an der Realität angesiedelt.
So nahe, dass er nicht nur juristische Probleme mit namhaften Politikern, denen eine gewisse Nähe zur Mafia nachgesagt wurde, sondern auch mit hochrangigen Polizeibeamten bekommen sollte.
Letzteres hatte er laut eigener Aussage "Il poliziotto è marcio" zu verdanken.
Die Locandine (italienische Filmplakate bzw. Reklamezettel), auf denen der Originaltitel "Il poliziotto è marcio" (etwa: der Polizist ist korrupt) stand, lösten zudem auch einigen Unmut unter der Zivilbevölkerung aus.

Im Gegensatz zu den unschlagbaren Superbullen, wie sie in der Regel von Maurizio Merli (vgl. Roma violenta) verkörpert wurden, dessen rechte Faust jedem Verbrecher sogleich ein Geständnis entlockt (und wenn nicht, hat das Draufhauen wenigstens Spaß gemacht) oder unbeugsamen und ernsthaften Kommissaren wie der Charakter des Mario Bertone (in Das Syndikat) erfindet Di Leo keine stereotypen eindimensionalen Gesetzeshüter.
Eindrücklich zeigt er in "Il poliziotto è marcio" auf wenig kompromissvolle Art und Weise einen nicht sehr heldenhaften Vertreter der Berufsgruppe.

Dafür wählte er einen bis dato eher unbekannten Schauspieler, nämlich Luc Merenda (u.a. als Darsteller in Torso, Auge um Auge) mit seinem kantigen Charaktergesicht und seiner sportlich-muskulösen Figur.
Er wollte bewusst keinen ganz großen Namen als Zugpferd für seinen Film, weshalb er auf "Schnarchnase Franco Nero" (Zitat Di Leo) oder andere zur Blütezeit des italienischen Genre-Kinos erfolgreiche Mimen verzichtete.

Es gibt nur wenige Filme, die eine solche Magie besitzen, das Publikum bei Laune zu halten, obwohl der Hauptcharakter sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, sondern in erster Linie mit Adjektiven wie "gefühlsarm", "skrupellos" und "egoistisch" beschrieben werden kann.

Was auch immer es ist - die besonders tollen und spannenden Verfolgungsjagden oder die interessanten Wendungen in der Geschichte - oder vielleicht die Faszination, die trotz allem von der Figur des unberechenbaren Domenico ausgeht - es funktioniert fabelhaft. Zumindest bei mir.

Die Emotionen, die bei Domenicos stoischer Mimik nur erahnt werden können, werden auf jeden Fall auf der gegenüberliegenden Seite der Leinwand geweckt.
Während Domenico immer ein bisschen wie ferngesteuert wirkt, zeigt zumindest sein Vater (beeindruckend gespielt von Salvo Randone) Emotionen.
Das Verhältnis zwischen den beiden ist zwar nicht besonders herzlich, aber der etwas ältere und kurz vor der Pensionierung stehende Polizist ist sichtbar stolz auf seinen erfolgreichen Sohn, der es in der Hierarchie der Mailänder Exekutive weiter nach oben geschafft hat als er selbst.
Umso größer ist die Verletzung seiner väterlichen Gefühle und seiner Polizisten-Ehre, als er realisiert, dass er von seinem Filius getäuscht wurde.

Nicht nur die Handlungsmuster der Vater-Sohn-Beziehung, sondern auch die komödiantischen Elemente in "Il poliziotto e´marcio" (Vittorio Caprioli als querulantischer und exzentrischer Neapolitaner) sind beseelt von einer unverkennbar italienischen Mentalität, die jedes italophile Herz einige Takte höher schlagen lässt.

Die Filmmusik von Luis Enríquez Bacalov wirkt - wenngleich ein Musikstück aus dem grandiosen Soundtrack aus Milano Kaliber 9 verwendet wurde - im Unterschied zu dem anderer großer Poliziotteschi nicht so eingängig und zeitlos, fällt aber auch nicht negativ auf. Sonst gibt es bei "Il poliziotto è marcio" nicht wirklich etwas zu meckern.

Fernando Di Leo macht wie immer keine Gefangenen. Ein harter Film. Nicht nur wegen dem beinharten Ende und weil er die harte Realität der 70er in Italien zeigt, sondern auch, weil er das Di Leo-typisch auf eine schmerzvoll-ungeschönte Art und Weise tut.

Die Blu Ray von "Raro Video" verfügt zwar leider nur über englische Dub-Titles, ist aber jeden Cent wert.
Empfehlenswert ist natürlich auch der Kauf der Fernando Di Leo Crime Box, in der sich zusätzlich die sehr guten Di Leo Werke Note 7 - Die Jungen der Gewalt und Auge um Auge befinden.


Foto: Raro Video Blu Ray



Sonntag, 4. Mai 2014

UN TIPO CON UNA FACCIA STRANA TI CERCA PER UCCIDERTI (1973)














DER CLAN DER KILLER

Italien, Spanien 1973
Regie: Tulio Demicheli
DarstellerInnen: Christopher Mitchum, Barbara Bouchet, Malisa Longo, Eduardo Fajardo, Arthur Kennedy, Ángel Álvarez, Víctor Israel u.a.


Inhalt
Ricco, soeben wegen guter Führung aus dem Gefängnis entlassen, kehrt zu seiner Schwester und Mutter heim.
Seit sein Vater durch einen Schuss mitten ins Gesicht ums Leben kam, beschäftigt sich die ältere Dame mit Rache.
Wäre sie nicht an den Rollstuhl gefesselt, würde sie wohl selbst noch zur Waffe greifen.
Sie bittet Ricco, den Mörder ihres Mannes zu eliminieren. Also macht sich der brave Sohnemann auf die Suche nach dem in dieser Angelegenheit höchst verdächtigen Mafia-Chef und Seifenfabrikant Don Vito.
Wenn das mal gut geht...


Ricco, gut getroffen


Barbara Bouchet, einfach schön


"Der Clan der Killer" ist ein italienischer Exploitationkracher, der im Mafia-Milieu spielt. Von der Geschichte darf man sich nichts Tiefgründiges erwarten, dafür gibt es nackte Menschen beiderlei Geschlechts, Gewalt und kultverdächtige Dialoge en masse.
Christopher Mitchum alias Ricco wurde für die Hauptrolle auserkoren.
Und das trotz der Tatsache, einer der hässlichsten Hauptdarsteller zu sein, der je auf einer Leinwand erblickt wurde.
Eines muss man dem Regisseur fairerweise lassen. Der Originaltitel "Un tipo con una faccia strana ti cerca per ucciderti" (in etwa: Ein Typ mit einem eigenartigen Gesicht sucht dich, um zu töten) hält eindeutig, was er verspricht.
Ob der Titel vor oder nach dem Engagement von Mitchum entstand, kann wohl nicht mehr eindeutig festgestellt werden.

Ricco, der auf dem Pannenstreifen einer Autobahn Richtung Zuhause (seine Familie wohnt über einer Tankstelle) entlang schlendert, wird von einem Streifenwagen aufgegabelt und ein Stück mitgenommen.
Seine Schwester und sein Schwager gehen gerade lautstark ihrer Lieblingsbeschäftigung nach, unterbrechen aber den Liebesakt, um sich vor lauter Freude über die Rückkehr Riccos mit ihm auf der Straße neben einer Zapfsäule herumzuwälzen.
Klingt komisch? So sieht es auch aus.

Der ganze Film ist voller bildgewordener Skurrilitäten wie zum Beispiel die Szene, in der Barbara Bouchet wie ein Seemann aus The Fog aus dichtem Nebel auftaucht und sich mit nichts Weiterem als kniehohen Stiefeln und einem dünnen Unterhöschen bekleidet vor ein paar Gangstern auf deren Windschutzscheibe räkelt.
Oder der Bodyguard, der sich mit der Mätresse von Don Vito einlässt und auf frischer Tat ertappt wird: der Ärmste wird, wie Gott ihn schuf, zu Boden gezerrt, geprügelt, kastriert (on screen) und in einen Behälter mit kochender Seifenlauge geworfen.
Oder Ricco in einer Kung Fu Szene, die so stümperhaft umgesetzt ist, dass man einfach nur über die fehlende Körperspannung und seinen gummiartigen Bewegungen lachen muss.
Und dann wären da auch noch die Gogo-Tänzerinnen in einem Club, die asynchron zur Musik wie Affen auf Ecstasy herum hüpfen und so weiter und so fort.

Lug und Betrug, viele Tote, Rache und das Fazit, dass Rache sich nie lohnt, runden den Filmgenuss noch entsprechend ab.

"Der Clan der Killer" ist einer dieser verrückten italienischen Filme mit dem unwiederbringlichen Charme der Siebziger, den man nur schwer beschreiben kann, man muss ihn einfach selbst erleben.

Zum ersten Mal für Zuhause auf Deutsch und ungeschnitten ist "Der Clan der Killer" vom Label Motion Picture in Zusammenarbeit mit FilmArt in einer hübschen kleinen Hartbox erhältlich und für jeden Exploitation-Fan ein Muss.


Hartbox von Motion Picture


DVD Cover von FilmArt