Samstag, 25. Juli 2015

VAI GORILLA (1976)














DER GORILLA BEGLEICHT DIE RECHNUNG

Italien 1976
Regie: Tonini Valerii
DarstellerInnen: Fabio Testi, Renzo Palmer, Claudia Marsani, Saverio Marconi, Antonio Marsina, Luciano Cantenacci, Giuliana Calandra, Salvatore Billa u.a.


Inhalt:
Marco Sartori, ein ehemaliger Stuntman, verdient seinen Lebensunterhalt als Bodyguard des millionenschweren Bauunternehmers Gaetano Sampione. Als reicher Mann lebt es sich gefährlich im Italien der Siebziger-Jahre. Schon seit geraumer Zeit wird Sampione, wie viele andere Mitglieder der "High Society" von einer unbekannten Verbrecherbande erpresst.
Er soll einen bestimmten Betrag zahlen, damit ihm und seiner Familie nichts zustößt.
Bei jeder Weigerung Sampiones, sich auf die Forderungen der Erpresser einzulassen, wird der Betrag erhöht und die Drohungen und Einschüchterungsversuche immer furchteinflößender.
Marco, der von Sampione ziemlich herablassend behandelt wird, von Sampiones Tochter Vera allerdings sehr geschätzt wird, lässt sich von Nichts und Niemandem davon abbringen, herauszufinden, wer die Verbrecher sind.
Da die Polizei unfähig scheint, den Erpressungen Einhalt zu gebieten, versucht Marco (ua. mit Hilfe seines Bruders Piero) selbst, die Ganoven zu stoppen...


Testi in Action


Diese Augen... Marconi


"Der Gorilla begleicht die Rechnung" ist nicht, wie es der Titel vielleicht vermuten lässt, ein Film mit einem Affen in der Hauptrolle. Wobei der Hüne Fabio Testi (in der Rolle des Marco) mit seinem durchtrainierten gestählten Körper, der hier mal richtig gut zur Geltung kommt, durchaus als "Tier" bezeichnet werden könnte.

Der damals gerade populär werdende Beruf des "Gorillas" war eine logische Konsequenz der hohen Verbrechensrate und des Sicherheitsbedürfnisses reicher Leute.
Die Thematisierung der wachsenden Verunsicherung der Bevölkerung und des immer mehr verloren gehenden Vertrauens in die Fähigkeiten der Polizei, ist typisch für viele Poliziotteschi.
Allerdings kommt die Polizei in diesem Film nur am Rande vor.

Der eigentliche Star und Haupt-Ermittler ist Marco, der zwar immer wieder Anläufe nimmt, mit Kommissar Vannuzzi zusammenzuarbeiten, sich aber schließlich eingestehen muss, dass die Polizei nicht nur wenig hilfreich, sondern sogar kontraproduktiv agiert.
Glücklicherweise bekommt er etwas Unterstützung von seinem Bruder Piero - toll gespielt von Saverio Marconi, dessen von dunklen Schatten umrandeten Augen und stechender Blick auch den etwas später entstandenen Das Syndikat des Grauens bereichern.
In weiteren Rollen die "üblichen Verdächtigen", die in keinem Genre-Film fehlen dürfen: Renzo Palmer (u.a. Racket, Ein Bürger setzt sich zur Wehr), Luciano Catenacci (Der Berserker oder Die toten Augen des Dr. Dracula) und einige andere bekannte Gesichter.

"Der Gorilla begleicht die Rechnung" ist ein sehr actionlastiger Film, in dem der ehemalige Stuntman Fabio in der Rolle des ehemaligen Stuntmans Marco zeigen konnte, was er wirklich drauf hatte.
Das Drehbuch und die Charaktere sind eher oberflächlich, Letztere dennoch nicht so platt als dass sie kein Identifikationspotential bieten würden.
Die wirklichen Highlights sind (neben sexy Fabio) die Schießereien und Stunts.
Besonders hervorzuheben ist dabei die klaustrophobische Szene in einem kleinen Lift, in dem Marco festgehalten wird und im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen verliert und minutenlang in der Luft hängt.
Egal, ob rasante Motorradfahrten, Autoverfolgungsjagden, Explosionen oder der Versuch, eine Geiselnahme in einem fahrenden Zug zu stoppen- FreundInnen von temporeichem Italo-Kino kommen bei "Der Gorilla begleicht die Rechnung" bestimmt auf ihre Kosten.

Zitat (Sampione zu Marco):
"Ich will dir mal was sagen: du bist jünger als ich und das stinkt mir!
Du bist stark, schlank und kernig. Und das stinkt mir noch mehr!
Und du kriegst alle Frauen, die du willst. Und das stinkt mir am allermeisten!"

Ein sehenswerter äußerst unterhaltsamer und kurzweiliger Poliziottesco aus der "zweiten Reihe", für den sich womöglich auch eure Frauen begeistern könn(t)en.



Freitag, 17. Juli 2015

IL TEMPO DEGLI ASSASSINI (1975)














DIE WILDE MEUTE

Italien 1975
Regie: Marcello Andrei
DarstellerInnen: Joe Dallesandro, Martin Balsam, Magali Noel, Rossano Brazzi, Guido Leontini, Cinzia Mambretti, Gianluca Farnese u.a.


Inhalt:
Piero und seine Bande verdingen sich mit Einbruchdiebstählen. Wenn sie nicht gerade in Sachen Geldbeschaffung unterwegs sind, leben sie locker in den Tag hinein und machen anderen Menschen das Leben schwer. Manchmal vergnügen sie sich wie unschuldige spätpubertierende Jugendliche am Strand, an anderen Tagen zerren sie eine Frau aus dem Auto, um sie zu vergewaltigen.
Vor allem Piero hat es offenbar satt, sich an irgendwelche Regeln zu halten und durch seine sich steigernde kriminelle Energie und seine Brutalität gerät er immer mehr außer Kontrolle...


Immer cool auf der Leinwand - Dallesandro


Herumalbern am Strand


Unser kleiner Joe Dallesandro (als Piero) mit seinem amerikanischen Waschbrettbauch, den durchtrainierten Schenkeln und der schönen, symmetrischen Nase, mimt wieder mal den Schurken.
Man muss ihn einfach überzeugend finden in so einer Rolle, denn die Darstellung von Brutalität und Gefühlskälte gelingt ihm jedes Mal aufs Neue ausgezeichnet. Und seine Biographie lässt erahnen, dass er sich für diese Rollen nicht allzu heftig verbiegen musste. Immerhin ist er in den gefährlichen Ecken von Brooklyn aufgewachsen und sammelte bereits als Jugendlicher Knast-Erfahrung.
Ein schlimmer Finger, doch die Leinwand liebt ihn.
Wer Joey etwas abgewinnen kann, wird sich auch sicher diesen Film gerne bis zum Ende ansehen.
Mit der Besetzung der Hauptrolle hat Regisseur Andrei schon mal etwas richtig gemacht. Allzu viele Highlights bietet "Die wilde Meute" im weiteren Verlauf leider nicht.

Die Erzählung dümpelt ohne großartige Ausreißer nach oben oder nach unten irgendwie vor sich hin, ohne zu langweilen, ohne zu begeistern. Das Potential der Gesellschaftskritik und des emotionalen Aufwühlens durch die Gewaltspitzen wurde eben so wenig ausgeschöpft wie das unseres Joey.
In dem viele Parallelen zu "Die wilde Meute" aufweisenden hervorragenden Fango Bollente wirkt das kleine Muskelpaket wesentlich eindringlicher, in "Toy" skrupelloser und schmieriger.
Die Rolle des Polizisten (Martin Balsam), der gegen die Verbrecherbande ermittelt, verläuft ebenso ins Leere wie die bestimmt gut gemeinte Rolle des Priesters.
Und die kleine schüchtern-naive Sandra, die von ihrer durchtriebenen Freundin Marisa in die Verbrecher-Clique eingeführt wird, erscheint ebenso lustlos heruntergekurbelt wie die unnötige Rolle der einsamen Mutter von Pieros Kind.
Zu wenig Charaktertiefe kann oft durch ambitionierten Drehbuch-Übermut und heftigen Sleaze ausgeglichen werden. Doch es scheint fast so, als ob Andrei einen Film mit ernsthafteren Untertönen als Konzept gehabt hätte und dieses Kunstwerk ist ihm leider nicht gelungen.
Ein weitaus eleganteres und nachdenklich stimmenderes Werk mit ähnlicher Thematik hat in dieser Hinsicht Leopoldo Savona mit seinem 1959 entstandenen "Die Nächte sind voller Gefahren" vorgelegt.

"Die wilde Meute" ist in meinen Augen ein eher halbgares Filmchen, das man sich als Genrefan natürlich ansehen kann und soll.
Weil Joe Dallesandro und seine Kumpanen coole enge Schlaghosen tragen, weil er in Rom gedreht wurde und eine Seite der italienischen Gesellschaft der Vororte zeigt, die zeitgeschichtlich interessant ist und (zwar wenig ausgefeilte, aber) durchaus interessante sozialpolitische Ansätze bietet.
Mit etwas heruntergeschraubten Erwartungen einen Blick wert.




Foto: VÖ von Subkultur 




Mittwoch, 8. Juli 2015

SPASMO (1974)














SPASMO

Italien 1974
Regie: Umberto Lenzi
DarstellerInnen: Robert Hoffmann, Maria Pia Conte, Suzy Kendall, Ivan Rassimov, Monica Monet, Guido Alberti, Adolfo Lastretti u.a.


Inhalt:
Christian Baumann, seines Zeichens Sprössling aus reichem Hause (Beruf: "Aktienteilhaber in der Firma seines Bruders"), wird im Badezimmer seiner neuen Geliebten Barbara von einem Fremden attackiert. Der Eindringling hat eine Waffe dabei, mit der er von Christian nach einem Handgemenge erschossen wird.
Schwer geschockt von dem Vorfall flieht das Liebespaar aufs Land. Für die beiden erscheint es naheliegend, in das derzeit leer stehende Haus einer Freundin Barbaras einzubrechen. Das Haus wird jedoch bewohnt von einem geheimnisvollen Senioren namens Malcolm und der jungen Clorinda.
Christian hat den Eindruck, dass die beiden mehr über ihn wissen als ihm lieb ist. Als Barbara plötzlich verschwindet und der Mann, den er im Bad ermordet hat, vor ihm steht, glaubt er, den Verstand zu verlieren.
Sein Bruder Fritz, der immer für ihn da war, ist partout nicht zu erreichen und Christian findet sich mit seinem Schicksal, in einem nicht enden wollenden Alptraum gefangen zu sein, beinahe ab. Doch schließlich wittert er ein Komplott gegen ihn und macht sich auf die Suche nach den Menschen, die ihm offenbar nichts Gutes wollen.
Und was hat es eigentlich mit den auf grausame Art erhängten, erstochenen und malträtierten Schaufensterpuppen auf sich, die in der letzten Zeit an diversen Orten aufgefunden werden?


"Christian, da liegt eine tote Frau! Da unten!"


Führt natürlich Böses im Schilde: Adolfo Lastretti


Für mich war die Einstiegsdroge in die Welt des italienischen Kinos nach den obligatorischen Horrorfilmen der Italowestern und beinahe zeitgleich der Poliziottesco.
Mit Gialli hatte ich, außer bei den ganz großen Klassikern wie beispielsweise Das Geheimnis der grünen Stecknadel, Una lucertola con la pelle di donna oder meinem geliebten Non si sevizia un paperino anfänglich noch etwas Mühe.
Wenn man einen Film verfolgt, der anfänglich vorgibt, eine sinnvolle Handlung zu haben und dann feststellen muss, dass plötzlich alle Hypothesen wie eine Seifenblase zerplatzten, wenn Charaktere sich nervenstrapazierend hysterisch und irrational verhalten, wenn man vor lauter roten Heringen das Gefühl hat, die Blätter im Wald nicht mehr zu sehen, dann ist das einfach etwas gewöhnungsbedürftig.
Doch über die Jahre lernte ich auch die besonders kapriziösen Wendungen und schrulligen Verwirr-Taktiken zu schätzen, indem ich ihnen mit kindlichem Staunen und Humor begegnete.
Außerdem legte sich mein Fokus, anfänglich ohne dass es mir bewusst gewesen wäre, verstärkt auf die Bilder und die Musik. Heute kann ich mit Fug und Recht behaupten, ganz tief in die Welt des italienischen Kriminalfilms eingetaucht zu sein.
Manche Filme dieser Gattung ähneln den bunten Wundertüten aus vergangenen Zeiten und erfreuen deshalb vermutlich besonders das Kind in uns.
"Spasmo" gehört definitiv in diese Kategorie und alle, denen stringente Handlung wichtig ist und die gerne eifrig und mit unverhohlenem pedantischen Vergnügen "Logiklöcher" anprangern, werden an diesem Film wenig Freude haben.
(Sollte dies auf euch zutreffen, gebt dem Film eventuell in ein ein paar Jahren nochmal eine Chance...)

"Spasmo" ist zwar, was Zeigefreudigkeit in puncto Gewalt und Nacktheit anbelangt, etwas weichgespülter als manch anderer Giallo. Dafür setzt er auf die schönsten gängigen Genre Klischees wie die psychologischen Folgen von unverarbeiteten Kindheits-Traumata, Isolation von der Außenwelt, Zweifel an der eigenen Wahrnehmung und Paranoia.
Formvollendete wohlgestaltete Kamera-Einstellungen, stilvolle Original-Schauplätze und ein elegischer Soundtrack (natürlich Morricone), der wahre Trommelfell-Orgasmen hervorrufen kann – gelbes Herz, was willst du mehr?

Umberto Lenzi hat mit diesem bildgewaltigen und extravaganten Werk Mut bewiesen. Bereits in der ersten halben Stunde zieht er die Spannungs-Schrauben ordentlich an, indem er für die Handlung vorerst Unwichtiges kurzerhand unter den Tisch kehrt.
Christian (Robert Hoffmann) und seine Freundin Xenia treffen am Strand auf Barbara (Suzy Kendall), die sie zunächst für eine Leiche halten, da sie mit seltsam gespreizten Beinen flach mit dem Gesicht nach unten auf dem Sandstrand liegt. Etwas später statten sie der mysteriösen Fremden, die mit Bekannten auf einem Luxus-Liner eine Party feiert, einen Besuch ab.
Es ist warm, die Sonne scheint auf das Deck des Schiffs.
Christian, sichtlich angetan von Barbara, stellt ihr eine Frage. Sie antwortet. Klingt banal? Wenn die Antwort allerdings in der Nacht in einem Auto erfolgt, stellt dies schon einen etwas abrupten Szenenwechsel dar.
Die Freundin Christians, die ihm just noch mit unverhohlenem Zynismus verkündete, zum Glück schon wieder nicht schwanger zu sein, scheint plötzlich Schnee von gestern. Über ihren Verbleib erfahren wir die nächste Stunde nichts.
Christian will sich mit seiner Neo-Bekanntschaft in einem Motel vergnügen, wird von ihr aber zuvor ins Bad geschickt. Sie möchte, dass er sich vor dem Liebesspiel rasiert. Während er das Waschbecken mit Barthaaren verdreckt, tanzt sie im Nebenzimmer herum.
Dieser Film steckt voller skurriler Ideen und die (deutschen) Dialoge sind sozusagen das Sahnehäubchen auf der Überraschungstorte.
Kostprobe gefällig?

Aus der Rubrik "Dialoge zum Stirnrunzeln"

Strandszene (wie oben erwähnt)
Barbara: "Wieso dachtet ihr, ich sei tot?"
Christian: "Wir sprachen von einem Hund. Er wurde erwürgt."
Barbara: "Es war also nur die Macht der Phantasie."
Christian: "Vielleicht. Woher kommen Sie?"
Barbara: "Mh. Ich bin äh..."
Xenia: "Christian! Ich kann den Whiskey nicht finden!"

Barbara und Christian brechen in das Haus einer Bekannten ein und treffen im zappendusteren Keller auf Malcolm und Clorinda.
Malcolm: "Ich verlange von Ihnen eine Erklärung. Und zwar schnell!"
Christian: "Wer sind Sie? Was machen Sie hier?"
Malcolm: "Das erzählen Sie besser uns, bevor ich die Polizei hole. Dieses ist mein Haus!"
Barbara (energisch): "Nein, das ist nicht wahr. Es gehört Ihnen nicht!"
Malcolm: "Da haben Sie Recht. Wir... mieteten das Haus vor einem Monat. Nicht wahr, Clorinda?"
Clorinda: "Stimmt."
Malcolm: "Mein Name ist Malcolm. Sie sind zwar hier eingedrungen, doch jetzt sind Sie meine Gäste."

Natürlich wirken diese Konversationen noch ulkiger in Kombination mit den Bildern.

Robert Hoffmann ("Die Nacht der rollenden Köpfe") hat eine Ausstrahlung, die ihn geradezu prädestiniert für einen solchen Film und die Rolle des reichen Schnösels. Guido Alberti (eindrucksvoll in Der Berserker) als Malcolm ist ebenso eine exzellente Besetzung  wie der sinistre Adolfo Lastretti, dem man den Bösewicht natürlich auf den ersten Blick ansieht.
Die Britin Suzy Kendall, die in Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe und Torso bereits Giallo-Erfahrung sammelte, mimt eine nicht besonders charismatische, etwas spröde Barbara.
Rassimov-Fans freuen sich sicherlich über seine Rolle als Bruder Fritz. Einziger Wermutstropfen: Die deutsche Synchronisation wirkt störend, weil seine Stimme einen eigenartigen Eunuchen-Touch hat, der leider so gar nicht zu seinem ausdrucksstarken Gesicht und seiner Körpergröße passt.

Man muss "Spasmo" schon etwas Wohlwollen entgegenbringen und abwechselnd das linke und das rechte Auge zudrücken, um Gefallen daran zu finden.
Sollte euch dieses Unterfangen gelingen, werdet ihr, beglückt von den Bildern und dem wunderbaren Soundtrack, bestimmt auf vergnügliche gialloeske Weise unterhalten.




Foto: Shriek Show, Eyecatcher und X-Rated VÖ




Foto: Vinyl-OST von Dagored