Sonntag, 14. März 2021

GANGSTERS '70 (1968)















GANGSTER STERBEN ZWEIMAL

Italien 1968
Regie: Mino Guerrini
DarstellerInnen: Joseph Cotten, Franca Polsello, Giampiero Albertini, Giulio Brogi, Bruno Corazzari, Franco Ressel

Inhalt:
Destil riecht nach einem Jahrzehnt Aufenthalt hinter schwedischen Gardinen endlich wieder Frischluft. Der etwas in die Jahre gekommene Gangster möchte sich nun in Griechenland zur Ruhe setzen. Natürlich nicht, ohne vorher noch den ganz großen Coup seines Lebens zu landen. In Windeseile stellt er sich eine Truppe von Spezialisten zusammen, die ihn dabei unterstützen sollen. Doch hat er bei seinem (vermeintlich) genialen Plan nicht etwas Wichtiges übersehen?


Noch zuversichtlich - Destil (Joseph Cotten)


Kameramann Delli Colli mag Spiegelungen


Update zur Veröffentlichung (ab 19.03.2021 im Handel erhältlich)
Als ich "Gangster sterben zweimal" im Jahr 2017 auf dem Italocinema Festival Norimberga Violenta passend zum Filmtitel zum zweiten Mal gesehen habe, war ich der Meinung, dass ich diesen kurzweiligen Heist Movie nie in besserer Qualität zu Gesicht bekommen werde.
Diese Annahme entpuppte sich jedoch als Trugschluss.
Dank dem auf dem Festival ebenfalls anwesenden Labelbetreiber Konstantin Hockwin von Forgotten Film Entertainment ist "Gangster sterben zweimal" in Kürze im Handel erhältlich.
Und zwar in einer Bildqualität, die keine Wünsche offen lässt.
Im Gegensatz zu anderen Veröffentlichungen in diesem Segment lässt man bei "Forgotten" wie gewohnt das Filmkorn (hoch)leben. Das Bild wirkt ungefiltert und lebendig, sodass es eine wahre Freude für das Auge ist.
Wie von "Forgotten Film Entertainment" erwartbar, handelt es sich bei dem zweiten Film aus der Reihe Italocinema Collection um eine absolut hochwertige Veröffentlichung, was sich nicht nur äußerlich an der Stabilität und dem ansprechenden Design des Schubers bemerkbar macht, sondern auch durch die beträchtliche Menge an Bonusmaterial.
Es handelt sich dabei um die deutsche und italienische Schnittfassung, Deleted Scenes, ein umfangreiches Booklet mit Texten von Christian Keßler und Roberto Curti, zwei Audiokommentare, eine Bildergalerie mit zahlreichen Aushangfotos, Trailer zum Film und ein paar Fotos von einem der Drehorte.


Schuber und Wendecover


Eine Augenweide: Die Italocinema Collection 


Zum Film (Text aus dem Jahr 2017):
Sein kriminelles Projekt hat er jahrelang ausgeklügelt und sorgfältig durchdacht. Doch ein nicht unwesentliches Detail wird vom ambitionierten Destil (Joseph Cotten) schlichtweg übersehen: die Zuverlässigkeit seiner Helfer.
Er rekrutiert unter Anderem einen ehemaligen Olympiaschützen, der heute ein abgebrannter Junkie ist, einen ehemals guten Pokerspieler mit schwachem Nervenkostüm, einen arroganten Schachmeister mit einem Überschuss an krimineller Energie, eine suizidale Schauspielerin und einen überengagierten Chemiker-Jungspund.
Mensch, das kann doch niemals gut gehen! Es liegt auf der Hand, wie fehleranfällig und daher gewagt Destils Vorhaben mit dieser Truppe ist. Noch dazu gefährdet er selbst den Erfolg des geplanten Überfalls durch einen Anflug von Sentimentalität. Entgegen den von ihm selbst als Alibi mittels akribischer Planung provozierten Medienberichten, er sei in einer Klinik in der Schweiz, lässt er sich bei seiner ehemaligen Geliebten in Rom blicken.

Diese flotte Gangstergeschichte, bei der Maestro Fernando DiLeo (Milano Kaliber 9) als Drehbuchautor maßgeblich beteiligt war, erzeugt allein schon durch die interessante Konstellation der unterschiedlichen Charaktere Spannung.
Der mit großem Talent gesegnete Kameramann Franco Delli Colli (u.a. Der Tod trägt schwarzes Leder, La medaglione insanguinato oder Zeder – Denn Tote kehren wieder) verleiht der Handlung durch ungewöhnliche Kameraperspektiven und unkonventionelle Techniken das gewisse ästhetische Etwas.
Im letzten Drittel wird dann ohne Vorwarnung jegliches erzählerische Konstrukt und jeder Ansatz von Tiefgründigkeit für obsolet erklärt. Das Chaos regiert und alle überbieten sich gegenseitig in puncto Brutalität und Kompromisslosigkeit.

Dem einstigen Bühnenschauspieler und ehemals in Hollywood überaus erfolgreichen Joseph Cotten, der als Darsteller in namhaften Filmen wie "Citizen Kane" oder Alfred Hitchcocks "Im Schatten des Zwielichts" von sich Reden machte, blieb der ganz große Erfolg dennoch versagt. Er erhielt nie einen Oscar und irgendwann auch kaum mehr interessante Rollenangebote, weshalb er im fortgeschrittenen Alter scheinbar gezwungen war, in italienischen B- und C- Produktionen mitzuspielen. Dumm für ihn, gut für das Genrekino, das er mit seiner Mitwirkung beispielsweise in Lady Frankenstein, Baron Blood oder Insel der neuen Monster bereicherte.
Etwas deplatziert wirkt er in seinen späteren Rollen zwar schon, da er seine eigene Ausstrahlung und das Erscheinungsbild eines noblen Sirs durch hemmungsloses Over-Acting und lustige Auftritte wie zum Beispiel am Anfang von "Gangster sterben zweimal" mit einem originellen Wind-Iro etwas schmälert. Aber vielleicht hatte der Mann ja auch wirklich viel Sinn für Humor. Oder schlichtweg nichts zu verlieren. Über seine Motive darf spekuliert werden.

Eingefleischte Fans des Italokinos können sich bei der Sichtung dieses äußerst kurzweiligen Films neben den üblichen schmierigen Gestalten und finsteren Verbrechern über die altbewährten Italokino-Veteranen Giampiero Albertini (auch bekannt aus dem thematisch ähnlichen Sieben goldene Männer), Parade-Gangster Bruno Corazzari (sollte später in Der Mann ohne Gedächtnis ebenfalls einen Bösewicht mit Erkältungssymptomen mimen) und Franco Ressel (legendär als gruselig-fies aussehender glubschäugiger Schurke namens "Stengel" in "Sabata") freuen.

Rasante und unorthodoxe Kameraufnahmen, manchmal versetzt mit einem ironischen Augenzwinkern, spritzige Dialoge und bleigeschwängerte Luft lassen garantiert schönste 60er Jahre Heist-Movie Stimmung aufkommen.




Die ersten Minuten von "Gangster sterben zweimal" wurden übrigens (wie auch Il medaglione insanguinato oder Das Geheimnis des gelben Grabes) in der malerischen umbrischen Stadt Spoleto gedreht, deren antike Mauern und Bauwerke so markant sind, dass wir sie gleich wiedererkannt haben. Daher bietet sich noch ein kleiner Drehort-Vergleich an.


Blick auf die Festung, die tatsächlich einmal ein Gefängnis war...





... und heute ein Museum beherbergt



















Destils bescheidene Unterkunft der letzten 10 Jahre




















Über diese Brücke führt Destils Weg in die Freiheit

















Es handelt sich um die berühmte "Ponte delle torri"



Nochmal ein Foto von der Festung



Delli Collis Aufnahme der Brücke

















Meine Aufnahme der Brücke



Auch damals schon wild bewachsen




















Torbogen Richtung Gefängnis

















Destil sammelt seine sieben Sachen

















Wir standen auch dort



1968

















2012