Freitag, 26. Juni 2015

AUTOSTOP ROSSO SANGUE (1977)














WENN DU KREPIERST - LEBE ICH

Italien 1977
Regie: Pasquale Festa Campanile
DarstellerInnen: Franco Nero, Corinne Cléry, David Hess, Joshua Sinclair, Carlo Puri, Ignazio Spalla, Angelo Ragusa u.a.


Inhalt:
Walter und Eva Mancini verbringen einen Camping-Urlaub, unterwegs mit ihrem Wohnwagen. Das frustrierte Ehepaar hat sich nicht mehr viele Nettigkeiten entgegen zu bringen und Eva scheint dem protestierenden Walter durch das Mitnehmen eines Anhalters lediglich eins auswischen zu wollen.
Der Fahrgast entpuppt sich leider als wenig angenehmer Zeitgenosse. Adam Konitz ist nämlich ein Schwerverbrecher auf der Flucht vor der Polizei. Einer der ganz üblen Sorte, der vor Nichts zurückschreckt.
Mithilfe der Mancinis möchte er sich und seine Beute (ein Koffer, in dem sich zwei Millionen Dollar befinden) sicher und unerkannt über die mexikanische Grenze bringen.
Der Soziopath liefert sich mit dem verzweifelten Ehepaar beängstigende Psycho-Spielchen. Werden Walter und Eva diesen Todes-Trip (Alternativtitel) überleben?


Walter hat mehr als schlechte Laune


Die Männer zanken sich, Eva denkt "Oh je!"


"Stell dir vor: Ich habe vorhin deinen Kopf vor meinem Zielfernrohr gehabt. Mindestens eine halbe Minute lang. Bumm! Aber ich hab ja nicht abgedrückt. Weißt du, warum nicht? Als ich den Hirsch sah, hab ich mir gesagt, ich möchte wissen, ob Evas süßes Fleisch auf dem Spieß gebraten genau so gut schmeckt wie das von dem Hirsch. Das ist noch die Frage. Aber Eins weiß ich, der Hirsch fickt nicht so gut wie du. Keine fickt so gut wie meine kleine Eva. Das ist der einzige Grund, weshalb du jetzt nicht da hinten liegst."

Walter zu Eva


Ohne Umschweife führt uns Regisseur Campanile direkt zum Dreh- und Angelpunkt seiner Erzählung: die zerrüttete Ehe von Walter und Eva. Die Kommunikation der beiden wird dominiert von gegenseitigen Vorwürfen und Kränkungen.
Walter bereitet es augenscheinlich Vergnügen, seine Frau zu demütigen, vor fremden Menschen bloß zu stellen (auch schon mal durch ihre unfreiwillige Entblößung), und am liebsten fällt er nach solchen Aktionen über sie her und scheint ihre Gegenwehr zu genießen.
Mit seinem Hillbilly Outfit, ständig eine Flasche mit Hochprozentigem griffbereit, präsentiert sich der legendäre Franco Nero in seiner wohl widerwärtigsten Rolle.
Die verbalen Attacken in Richtung seiner resigniert wirkenden Ehefrau (Corinne Cléry aus "Die Geschichte der O") sind auch für Außenstehende nicht leicht zu ertragen.
Man ist versucht, sich immer und immer wieder zu fragen, warum sich Eva das alles gefallen lässt.
Die Ekelhaftigkeiten von Walter finden ihren Höhepunkt, als Eva trotz seiner Einwände den Kriminellen Adam Konitz am Straßenrand aufgabelt.
Gegen den Ungustl Walter erscheint der Schwerverbrecher auf dem Rücksitz, zumindest anfänglich, beinahe sympathisch.
Von nun an werden die ehelichen Konflikte über eine dritte Person ausgetragen, wodurch sich die Perfidität Walters steigert. Das funktioniert so lange, bis er den "Nebenbuhler" als ernsthafte Bedrohung registriert und sich mit dem mittlerweile als Mörder und Räuber enttarnten Konitz direkte Wortgefechte liefert.

David Hess, der 1972  in "Das letzte Haus links" bereits eindringlich und drastisch den Sadisten mimte, war als Besetzung für die Rolle des Adam Konitz eine sichere Bank.
Die Wahl von Corinne Cléry für die Rolle der Eva war jedoch mindestens genau so exzellent, wenn nicht sogar meisterhaft.
Ihre Leinwand Präsenz ist beeindruckend. Die Französin ist nicht nur in jeder Nahaufnahme (was für faszinierende Augen!) und in jeder Nacktszene atemberaubend schön, sondern auch schlichtweg schauspielerisch überzeugend.

Der Drehort ist sowohl für Amerika-KennerInnen als auch versierte Italien-Reisende schnell als charmante Mogelpackung identifizierbar. Die Wohnwagen-Odyssee der Mancinis führt nämlich nicht durch Amerika, sondern über die Gebirgsstraßen rund um den Campo Imperatore, gelegen in den landschaftlich malerischen Abruzzen.

"Wenn du krepierst..." ist kein billiger Exploitation Film, sondern eine Art extravagantes psychologisches Roadmovie, das in erster Linie durch die auf den ersten Blick vielleicht banale, aber ausgefeilte und gut durchdachte Konstellation seiner Hauptfiguren funktioniert.
Wir beobachten ein Paar, das sich in einer krank machenden und desaströsen Beziehungssituation befindet und plötzlich in eine Extremsituation gerät. Die Frage, die sich dadurch aufwirft, ist, ob und wie dieses Ereignis und der Einfluss der neu hinzu gekommenen Person Walter und Eva verändert.
Ob die widrigen Umstände und schrecklichen Erfahrungen zu einer emotionalen Wiederannäherung des Paars führen und sie sich wieder auf bessere Zeiten besinnen oder ob sie ein für alle Mal entzweit werden.

Aufgrund des eindeutigen Fokus handelt es sich bei diesem fesselnden Film trotz einiger Gewaltspitzen nicht um einen Action Reißer. Seine Spannung bezieht er vorwiegend aus den subtilen, manchmal auch ganz dicht unter der Oberfläche schwelenden Aggressionen der männlichen Protagonisten, die wie ein Vulkan jederzeit zu einer Eruption führen können.
Walter und Adam sind sich in Wirklichkeit viel ähnlicher als die beiden es wahrhaben wollen.
Beide sind tickende Zeitbomben: starke Ich-Zentrierung bei gleichzeitigem mangelndem Selbstwert, impulsiv, cholerisch, launenhaft, leicht kränkbar mit einer Tendenz zum Sadismus und in ihren Handlungen schlichtweg kaum vorhersehbar.
Die unglückselige Eva macht einen Ausflug mit gleich zwei Pulverfässern im Auto: eines auf dem Beifahrersitz, das andere auf dem Rücksitz. In manchen Momenten hat man den Eindruck, dass ihr diese Misere durchaus bewusst ist.
Immer wieder gerät sie unvermittelt zwischen die Fronten der beiden Männer.

Wie eine bitterböse Parodie legt sich der "Happy Peppy Flower Power" Soundtrack Morricones über die Bilder, die Gewalt zeigen und suggeriert statt "Love and Peace" ein Gefühl der Ausweglosigkeit und Abscheu.
Nie wieder werde ich den Moment vergessen, in dem Eva mit leerem Blick nackt in der Wohnwagentür steht, das Gewehr am Anschlag. Sie wirkt verletzlich, verwundbar und machtvoll zugleich. (Und ist optisch einfach eine Wucht!)
So viel sei verraten: das Ende ist etwas heftig, doch erfreulich konsequent und stellt keinen Bruch dar zu den nihilistischen Tendenzen der Geschichte.

"Wenn du krepierst - lebe ich" ist ein schwer einzuordnender, jedoch in mancherlei Hinsicht herausragender Film aus Bella Italia, der die ein oder andere Länge durch das hochgradig intensive Schauspiel von Corinne Cléry und Franco Nero mit Eleganz ausgleicht.




Foto: VÖ von Anchor Bay mit Einleger




Foto: Empfehlenswerte Blu Ray VÖ der ofdb Filmworks im Digipack




Sonntag, 14. Juni 2015

SPECIAL: KULTKINO DILLINGEN














KULTKINO IM FILMCENTER DILLINGEN 
Ein kleiner Erlebnisbericht


Das Schloss in Dillingen. Noch ist alles ruhig...
Es ist Samstag, der 13. Juni 2015, circa 15.30 Uhr.
Im beschaulichen Dillingen an der Donau sammeln sich unter den teils neugierigen, teils misstrauischen Blicken der Dillinger in der Gegend rund um das örtliche Kino immer mehr seltsame Gestalten.

Viele von diesen dubiosen Individuen tragen schwarze Kleidung, einige stellen T-Shirts mit sonderbaren Motiven aus offenbar blutrünstigen Filmen zur Schau.
Trotz ihres für manche Einheimischen gewöhnungsbedürftigen Äußeren scheinen sich diese, zum Teil aus einigen hundert Kilometern angereisten Fremden, zivilisiert zu verhalten.
Sie pöbeln nicht herum, sondern stehen sogar ganz artig in der Schlange vor dem Filmcenter Dillingen und warten auf Einlass in den Saal.
Denn in diesem altehrwürdigem Lichtspielhaus findet das erste (und hoffentlich nicht letzte) Kultkino Dillingen statt. Gespielt werden vier Filme auf 35-mm.
Und ich war live dabei!



Das schöne Kino


Mit welcher Liebe zum Detail, mit welchem Enthusiasmus und Engagement der Veranstalter an dieses Projekt herangegangen ist, kann in einschlägigen deutschen Eurocult-Foren sowie auf facebook und der eigens für das kleine Festival erstellten Homepage nachgelesen werden.
"So viel Eifer muss belohnt werden!" dachte sich auch unsere kleine (Terza-)Runde von Filmfanatikern und Filmliebhaberinnen, die sich beinahe vollzählig in Dillingen eingefunden hat und angereist kam aus der Franken-Metropole Nürnberg, dem Ruhrpott, Österreich und der Schweiz.

Wir wurden nicht enttäuscht. Allein schon das Kino ist einen Besuch wert, so etwas Schönes findet man im Multiplexx-Zeitalter kaum noch.
Der Saal verfügt über rosarote (naja) Polstersessel, von denen ich behaupte, dass sie die bequemsten Kinositze sind, auf denen ich je gesessen bin.
Nach einer kurzen humorvollen  Begrüßung durch den Veranstalter beginnt hinter uns der Projektor zu rattern und zu surren, was bei mir immer automatisch die Ausströmung von Glückshormonen in Gang setzt.



Der Schaukasten


Das Programm in Kürze:

KING KONG GEGEN GODZILLA - sehr amüsant und kurzweilig mit herzerwärmend knuddligen Monstern (besonders der pelzige König Caesar hat es mir angetan) und witzigen Dialogen.
"An Ihrem Aufzug erkennt man, dass Sie kein Erdenbürger sind." (Mann zu anderem Mann in einem silbernen Anzug).

QUINTERO - DAS AS DER UNTERWELT - Obergangster  Klaus Kinski wütet sich durch die Unterwelt. Auf großer Leinwand konnte dieser Film mich nun doch etwas mehr überzeugen als bei der erstmaligen Sichtung.

SADOMONA - INSEL DER TEUFLISCHEN FRAUEN - ein netter Ami-Exploitationfilm mit ein bisschen Nudity und Gewalt, ein bisschen "Women in Prison" und eine Prise Blaxploitation, Rollenklischees und kreatives Spiel mit Geschlechter-Rollen.

FRANKENSTEIN 80 - Für mich das Highlight des Tages. Was für ein Drehbuch, was für eine kultige Synchro! Ein Angriff auf die Lachmuskeln mit wohl dosiertem Ekelfaktor.

Vor jedem Film gab es eine kleine Verlosung und zur Einstimmung Trailer von Kultfilmen wie "Die Klapperschlange", "Der weiße Hai", aber auch einige obskure Schmankerln wie "Schwarzwaldfahrt aus Liebeskummer", die Fortsetzung von "Die Lümmel aus der ersten Bank" oder "Frankensteins Monster jagen Godzillas Sohn".



Serum Schwarz, sogar mit Limitierungsnummer


Danke an den Veranstalter, die nette Crew vom Filmcenter Dillingen (ein äußerst sympathischer Familienbetrieb) und alle BesucherInnen, die zur Atmosphäre und zum Gelingen dieses coolen Events beigetragen haben!

Freitag, 12. Juni 2015

MACISTE ALL'INFERNO (1962)














MACISTE, DER RÄCHER DER VERDAMMTEN

Italien 1962
Regie: Riccardo Freda
DarstellerInnen: Kirk Morris, Hélène Chanel, Vera Silenti, Andrea Bosic, Remo De Angelis, Angelo Zanolli, Charles Fawcett, Gina Mascetti, u.a.


Inhalt:
Anno 1522. Die Hexe Martha Gant wird von ihrem Widersacher Richter Parris endlich dingfest gemacht und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Kurz vor ihrem Tod verflucht sie alle dem grausamen Spektakel beiwohnenden Dorfbewohner Looklakes.
Hundert Jahre später leiden die Einwohner immer noch unter der bösartigen Magie des Fluchs - die Frauen des Orts werden reihenweise verrückt und können nur durch Ketten und Einkerkerung vor ihrem Selbstmord bewahrt werden. Als dann plötzlich eine Nachfahrin der Hexe (die auch noch denselben Namen trägt) mit ihrem frisch angetrauten Ehegatten in Looklake auftaucht, hoffen die vom Schicksal gebeutelten Dörfler, dem Fluch durch die Ermordung der armen Martha Einhalt zu gebieten.
Wenige Tage vor der geplanten Hinrichtung taucht Maciste auf, der in die Hölle hinabsteigt, um der unschuldigen Frau zu helfen...


Maciste eilt zur Hilfe


Maciste hat sich die Händchen verbrannt


Mein erster Maciste Film. Und es traf mich vollkommen unvorbereitet. Das Einzige, was ich im Vorhinein wusste: die Unterwelt bzw. Höllenszenen wurden zum Teil in der Grotte di Castellana, der ich vor Kurzem einen Besuch abgestattet habe, gedreht. So weit so gut.
Der Film fängt ziemlich düster und stimmungsvoll an, weshalb ich bereits versucht war, mich zu fragen, warum er nicht bekannter ist. Malerische Freda-Gotik-Schauplätze, dunkelstes Mittelalter, ein todbringender Fluch sowie unheimliche und unerklärliche Phänomene in einem Schloss erfreuen das Auge.
Doch als dann plötzlich wie aus dem Nichts ein halbnacktes, lediglich durch einen lächerlichen braunen Lendenschurz bekleidetes Muskelpaket auftaucht und mehr als motiviert zur Tat schreitet, indem er einen Baum umwirft und in das Erdreich darunter (offenbar der Eingang zur Hölle) hüpft, war ich um ehrlich zu sein erst mal geplättet von so viel Drehbuch-Irrsinn.
Maciste passt in diese mittelalterliche Umgebung wie ein Nilpferd in einen Reitstall - nämlich gar nicht.
Der ungewöhnliche Anblick sorgt aber (zumindest bei mir) nicht nur für Staunen, sondern auch für herzhafte Lacher.
Der Film ist auf erfrischende und das Herz erwärmende Weise naiv.
Wenn unser unerschrockener Held sich beispielsweise alle gefühlte 5 Minuten ohne klar erkennbare Notwendigkeit unter einen Felsbrocken wirft, um ein bisschen seine Muskeln beim Stemmen des Gesteins spielen zu lassen oder Gesteinsbrocken wirft, die beinahe wie Gummibälle wieder vom Boden abprallen, dann hat das einen nicht zu verleugnenden Unterhaltungswert.
Sein treudoofer, etwas leerer Gesichtsausdruck und sein bemühtes Schauspiel lässt beinahe befürchten, dass er bei einem geistigen Duell mit einem der von ihm gestemmten Steine unterliegen würde.
(Böse Zungen behaupten, dass King Kong über ein ausgefeilteres Minenspiel verfügt. Die Körperhaltung ist aber des Öfteren verblüffend ähnlich.)


Bereits im Vorspann brennt es


Die Macher des Films hatten offenbar großes Vergnügen mit Feuerspielchen und auch bei anderen Effekten hat man sich sichtlich ins Zeug gelegt. Außerdem wurde ein halber Zoo in die Höhle verfrachtet: Maciste kämpft gegen einen Löwen, große Schlangen, einen Adler und stemmt sich sogar gegen eine ganze Kuh-Herde.
Ich bin mir bei der ein oder anderen Szene nicht ganz sicher, hoffe aber sehr, dass beim Dreh keine Tiere zu Schaden gekommen sind...
Auch eine kleine Romanze mit der aparten Höhlenhexe (betörend: Hélène Chanel), die sich als Liebesgöttin ausgibt, darf in der Erzählung rund um unseren unerschrockenen Draufgänger und Retter der Welt nicht fehlen.

Die Figur des mit Superkräften ausgestatteten Maciste wurde vom italienischen Schriftsteller Gabriele D'Annunzio (1863-1938) erdacht. Die zahlreichen Filme mit dem sympathischen altruistischen Muskelprotz haben in Italien Tradition und sollten unter Peplum Fans bekannt sein.

Die schöne Tropfsteinhöhle (in der auch die amüsante Alien-Verwurstung "Alien, die Saat des Grauens kehrt zurück") gedreht wurde, kommt nur teilweise zur Geltung. Die nachgebauten Stalaktiten und Tropfstein-Formationen dominieren das Bild. Doch auch diese verkommen vor lauter Kämpfen und Action-Spektakel zur Marginalität.

Hier ein paar meiner Urlaubsfotos (man darf leider nur im vordersten Höhlenbereich fotografieren):






In guter, mit Humor ausgestatteter Gesellschaft verspricht "Maciste, der Rächer der Verdammten" angenehme Zerstreuung und steil nach oben gezogene Mundwinkel.
Muss man gesehen haben, um es zu glauben.



Donnerstag, 4. Juni 2015

LA MORTE HA FATTO L'UOVO (1968)














DIE FALLE

Frankreich, Italien 1968
Regie: Giulio Questi
DarstellerInnen: Gina Lollobrigida, Jean-Louis Trintignant, Ewa Aulin, Jean Sobieski, Renato Romano, Giulio Donnini u.a.


Inhalt:
Die geschäftstüchtigen Eheleute Anna und Marco betreiben eine Hühnerfarm. Abgesehen von Gesprächen über Profit-Maximierung haben sich die beiden jedoch nicht mehr viel zu sagen.
Umso mehr genießen sie die Gesellschaft von Gabrielle, die beide mit ihrem jugendlichen Aussehen und ihrem naiv wirkenden Gemüt bezaubert und betört. Die Cousine Annas hat es jedoch faustdick hinter den Ohren und schmiedet gemeinsam mit ihrem Verbündeten bereits hinter dem Rücken des nichts ahnenden Ehepaars Intrigen...


Undurchschaubar: Marco (Trintignant)


Anna (Lollobrigida) ist zärtlich zu Gabrielle (Aulin)


Der Film beginnt mit einem Vorspann, der uns leinwandfüllend in Eiern pulsierende Küken-Embryonen zeigt, und dessen verstörende Wirkung durch die disharmonischen Ton- und Instrumentenkombinationen intensiviert wird.
Regie-Exzentriker Questi (Töte, Django, "Arcana") leitet sodann unsere Aufmerksamkeit zu weiteren beklemmenden Sequenzen: Ein Mann, der in der sterilen, trostlos wirkenden Umgebung eines Hotelzimmers Selbstmord verübt. Ein anderer Mann, der auf sadistische Weise einen augenscheinlich sexuell motivierten Mord an einer Prostituierten begeht. Ein weiterer Mann als stummer Beobachter des Geschehens, der nicht eingreift, sondern passiv an Ort und Stelle verharrt.
Überleitung zum frustrierten Ehepaar Marco (der Mörder aus der Anfangssequenz) und Anna, die wie Kinder inmitten der trostlosen Szenerie von eingepferchten Hühnern (man denkt hier unweigerlich wieder an das unpersönliche Hotel, das seinen Bewohnern eine gewisse Quadratmeteranzahl und notdürftige Grundausstattung bietet) gemeinsam mit Gabrielle ein Fotoshooting machen und sich bestens zu amüsieren scheinen.

Wer bis zu diesem Zeitpunkt durchgehalten hat und sich auf der Welle morbider Faszination mittragen lässt, hat gute Chancen, Gefallen an Giulio Questis avantgardistischem Giallo zu finden.
Eindeutig gehört "Die Falle" nicht zu der Kategorie von Film, die lockere Unterhaltung verspricht. Jedoch hat er inhaltlich unheimlich viel zu bieten. Er weckt Assoziationen, regt zu eigenen Interpretationen an und stimuliert unser limbisches System (das Hirnareal, das für Emotionen zuständig ist).
Die Morde, die Marco verübt, treten erzählerisch auf groteske Weise in den Hintergrund, geraten zur Nebensache.
Es verhält sich hierbei ähnlich dem routinierten und rationalisierten Töten der Hühner in der Farm, das ebenfalls wie beiläufig eingeschoben und detailliert gezeigt wird.
Im Zentrum der Geschichte steht scheinbar die Dreiecksbeziehung des Ehepaars und Gabrielle. Die sexuelle Anziehungskraft der jungen Blondine weckt sowohl Marcos als auch Annas Begierde.

Analog zu Questis Intention, zu keinem der ProtagonistInnen eine tiefere emotionale Bindung zu entwickeln, verfolgt man die bemerkenswert eigenwillig konstruierten Szenenabläufe und die Aneinanderreihung einzelner Handlungsstränge, deren teilweise Desorganisation wiederum eine stimmige Parallele zum Soundtrack markieren.
Sowohl Marco als auch Anna sind gewissenlose Ausbeuter, denen jegliche Empathie (sowohl für die von ihnen entlassenen Arbeiter als auch für die von ihnen gequälten Tiere) zu fehlen scheint. Doch dieselbe Emotionsarmut ist auch bei Gabrielle erkennbar, die wiederum ihre Unterkunftgeber ausbeutet, hinter deren Rücken sie einen eiskalten Plan verfolgt.
Marco und Anna befinden sich selbst – ohne es zu wissen – in einer Art Käfig unter Beobachtung.

"Homo homini lupus!" (Der Mensch ist des Menschen Wolf) schreit uns Questis desillusionierendes Werk förmlich entgegen.
Und auch das Schlagwort "Ausbeutung" wird in "Die Falle" groß geschrieben. Menschen benutzen Tiere für finanziellen Gewinn, Menschen benutzen Menschen, um zu Reichtum zu gelangen.
Stoff zum Analysieren und Interpretieren findet der geneigte Filmfreund und die Filmfreundin hier natürlich en masse. Ohne die einzelnen Handlungsstränge an dieser Stelle weiter entflechten zu wollen (das Schöne sind ja oft die eigenen Rückschlüsse, die sich nicht unbedingt mit den meinen decken müssen), reduziert sich "Die Falle" auf ein zurückbleibendes Gefühl der Irritation.
Dies geschieht nicht mithilfe expliziter Gewaltszenen (von der Grausamkeit den bemitleidenswerten Hühnern gegenüber abgesehen), sondern mehr durch seine psychologische Komponente.

Jean-Louis Trintignant (Marco) mimt wieder einmal den Undurchschaubaren und lässt aufgrund seiner nur dezent vorhandenen Mimikregungen kaum Affekte erkennen.
Gina Lollobrigida, aus zugegebenermaßen mir nicht nachvollziehbaren Gründen als Sexsymbol des italienischen Kinos der Nachkriegszeit deklariert, fügt sich gut in die Rolle der unzufriedenen Ehefrau.
Ewa Aulin, das Blondchen mit dem Schlafzimmerblick, gibt sich ebenfalls große Mühe mit der Interpretation ihrer Rolle als hinterhältige Gabrielle.

"Die Falle" ist nicht unbedingt ein vergnüglicher Krimi zum Mitraten, bietet aber dem Zuschauer am Ende doch ausreichend rätselhafte Aspekte, die den Denkapparat ankurbeln. Questi lehnte sich damit weit über die eng gesteckten Genre-Grenzen hinaus.
Der Film polarisiert und spaltet Genre Fans aus nachvollziehbaren Gründen in zwei Lager. Wer diesen schrägen Streifzug durch die Gefilde der niederen menschlichen Instinkte bis zum Finale gebannt verfolgt hat, weiß, wovon ich schreibe. 




Foto: italienische VÖ von Eagle Pictures und VÖ von Ascot Elite