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Donnerstag, 17. Februar 2022

LA POLIZIA INCRIMINA LA LEGGE ASSOLVE (1973)








TOTE ZEUGEN SINGEN NICHT
STRASSE INS JENSEITS (Alternativtitel)

Italien, Spanien 1973
Regie: Enzo G. Castellari
DarstellerInnen: Franco Nero, James Whitmore, Delia Boccardo, Fernando Rey, Silvano Tranquilli, Ely Galleani, Victor Israel, Nello Pazzafini, Bruno Corazzari, Massimo Vanni u.a.

Inhalt:
Kommissar Belli macht in Genua Jagd auf Drogenhändler und gerät dabei auf die Spuren einer mafiösen Vereinigung mit Verbindungen bis in die höchsten Kreise von Industriellen und Politikern. Dadurch gerät nicht nur sein Weltbild ins Wanken, sondern auch sein Umfeld in Gefahr…


Belli (Nero) gerät schnell in Rage...



...Mirella (Boccardo) nimmt es mit Humor

Kommissar Belli (Franco Nero) ist wütend. Wegen seinem schier endlosen und leider aussichtlos scheinenden Kampf gegen die Drogenmafia in Genua. Er ist wütend auf die mafiösen Verbindungen der reichen Industriellen, er ist erbost über seinen Chef, der nicht in die Gänge kommt beim Aufdecken der einflussreichen Hintermänner des Drogenrings. Belli ist sauer auf seinen Informanten, den Mafiapaten Cafiero (Fernando Rey), weil sich dieser nach Bellis Geschmack zu sehr aus dem Geschäft zurückzieht und das Feld anderen, nämlich den Libanesen, überlässt.

Bellis Grundstimmung überträgt sich auch auf sein Privatleben. Er gerät in Rage, wenn er sich beim Rasieren schneidet und gibt seiner Freundin Mirella (Delia Boccardo) dafür die Schuld. Mirella wiederum scheint diese Ausbrüche ihres Freundes bereits zu kennen und kontert seine lächerlichen Vorwürfe gelassen mit dem Rat, dass er doch auch mal seine eigenen Rasierklingen in ihrem Bad deponieren kann.
Unser permanent gereizter Kommissar ist neben
 den absolut spektakulär inszenierten spannenden Verfolgungsjagden die treibende Kraft und seine Aktionen ein essentielles spannungsförderndes Handlungselement in Enzo Castellaris Polizeifilm.


Belli macht seinem Vorgesetzten (Whitmore) Vorwürfe


Als wandelbarer und hochprofessioneller Darsteller gelingt Franco Nero der Drahtseilakt zwischen dem raubeinigen Polizisten, der einer sachgemäßen Befragung gerne auch mal ein paar Faustschläge vorausschickt und einem trotz seiner kaum zügelbaren Impulsivität doch ernst zu nehmenden Charakter.
Gerade Franco Neros hier verkörperte Rolle des rabaukenhaften Kommissars diente wenige Jahre später als Blaupause für den Schauspieler Maurizio Merli (vgl. Verdammte, heilige Stadt oder Convoy Busters), der sich als jähzorniger Gesetzeshüter sowohl optisch als auch ermittlungstechnisch in vergleichbar brutaler Manier durch die Reihen der Gesetzesbrecher boxte. Jedoch mit einer solchen Inbrunst der Überzeugung und fehlendem Gespür für sanftere Zwischentöne, dass Merlis Radikalität immer etwas ins Gegenteilige des beabsichtigten Effekts abdriftet. Sprich: Merli konnte und kann man nie ganz Ernst nehmen, Franco Nero in dieser ähnlich gelagerten Rolle hingegen sehr wohl.


Verfolgungsjagden durch Genua...



... und Actionszenen kommen nicht zu kurz


Einer der üblichen Verdächtigen (Corazzari) 


Regisseur Enzo Castellari (Ein Bürger setzt sich zur Wehr, "Keoma", Racket) hat sich vor allem mit seinen actiongeladenen Filmen einen Namen gemacht. Die von ihm gerne verwendeten visuellen Stilmittel wie Zeitlupenszenen, für die damalige Zeit schnellen Schnitte und Rückblenden hat er in "Tote Zeugen…" voll ausgereizt.

Die besondere Erzählstruktur hebt diesen Polizeifilm auch aus der Masse hervor. Durch den geschickten Einsatz von Rückblenden und Wiederholungen (zum Beispiel prägnante Sätze, die im Kopf Bellis widerhallen) lässt die Handlung abseits der klassischen Actionszenen innovativer und interessanter wirken als bei vergleichbaren Filmen mit einer konventionelleren Montage bzw. Abfolge von Szenen.
Durch die prägnanten Einblicke in Bellis Privatleben wie seiner Beziehung zu seiner Tochter Anni und seiner Freundin Mirella, sieht man andere Facetten der Persönlichkeit des Polizisten und bekommt eine Ahnung davon, woher seine Verbissenheit bei der Verbrechensbekämpfung rührt.
Sein Kampf gegen Windmühlen wirbelt nicht nur viel Staub auf, sondern führt auch zu einem unvermeidlichen und leider tragischen Blutvergießen auf beiden Seiten.


Die Filmmusik, die von den talentierten Brüdern Guido und Maurizio De Angelis (auch bekannt unter deren Pseudonym Oliver Onions) komponiert wurde, ist mit seinen sanften melancholischen Tönen und der gleichzeitig einprägsamen Melodie zu einem zeitlosen Soundtrack Klassiker geworden.
"Tote Zeugen singen nicht", dem bereits in den Siebzigern ein beachtlicher Erfolg an den Kinokassen beschieden war und der laut Pressespiegel allseits wohlwollend aufgenommen wurde, hat bis zum heutigen Tag einen hohen Stellenwert in der Fangemeinde des italienischen Polizeifilms.
Als ich "Tote Zeugen..." im Rahmen des Italocinema Festivals Norimberga violenta 2017 zum ersten Mal im Kino gesehen habe, musste ich mit Bedauern feststellen, dass es leider keine adäquate Möglichkeit gibt, den Film zuhause nochmal anzuschauen.
Mit der Veröffentlichung des Labels filmArt ist er nun endlich in einer qualitativ hochwertigen Fassung für den Heimkinomarkt verfügbar.




Foto: Blu Ray von filmArt



Sonntag, 29. August 2021

MILANO TREMA: LA POLIZIA VUOLE GIUSTIZIA (1973)


VIOLENT PROFESSIONALS

Italien 1973
Regie: Sergio Martino
DarstellerInnen: Luc Merenda, Richard Conte, Silvano Tranquilli, Carlo Alighiero, Martine Brochard, Bruno Corazzari, Luciano Rossi, Carla Mancini, Antonio Casale, Chris Avram u.a.

Inhalt:
Kommissar Giorgio Caneparo macht sich auf die langwierige und gefährliche Suche nach den mächtigen Drahtziehern und kleinen Handlangern, die mutmaßlich für die Ermordung seines Vorgesetzten Del Buono verantwortlich waren. Dabei scheinen ihm die Verbrecher immer einen Schritt voraus zu sein. Gibt es einen Maulwurf in den eigenen Reihen?


Kommissar Giorgio Caneparo (Luc Merenda)



Ein ehrenwerter Mann? (Richard Conte)


Mit Das Syndikat fiel im Jahr 1972 quasi der offizielle Startschuss für das italienische Polizeifilmgenre. "Violent professionals" war, wie viele der bald darauf erscheinenden Polizei-Filme aus Cinecittà, nicht nur von der Struktur des Drehbuchs her vergleichbar, sondern auch deutlich an die damaligen politischen und sozialen Verhältnisse in Italien angelehnt.
Wie der Originaltitel "Milano trema: la polizia vuole giustizia" nahe legt, geht es um den angesichts der Verbrechensrate teils korrupten, desillusionierten und ohnmächtigen Polizeiapparat.
Kommissar Caneparo (Luc Merenda) strebt nach Gerechtigkeit. Einerseits tut er das im Zuge seines polizeilichen Auftrags für die Zivilbevölkerung, die unter den brutalen Verbrechen in Mailand zu leiden hat. Sein oberstes Bestreben ist, im Namen der unschuldigen Opfer und deren Familien, die Mörder und Diebe zur Strecke zu bringen. Koste es, was es wolle.
Andererseits wird es für ihn sehr bald schon zu einer ganz persönlichen Angelegenheit. Denn der Kommissar beabsichtigt, auch für seinen ermordeten Freund und Vorgesetzten Del Buono blutige Rache zu üben.

An genau diesem Punkt nimmt sozusagen die ganze Misere ihren Anfang. Denn Giorgio Caneparos Definition von Gerechtigkeit widerspricht offensichtlich nicht nur in Nuancen derjenigen des Gesetzgebers. Bei seinen Aktionen bleiben Unschuldige, die er eigentlich aufgrund seines Berufs schützen müsste, auf der Strecke.
Caneparo ist so heftig von seiner persönlichen Rachemission verblendet, dass er jegliche Skrupel in die Abgründe seiner Psyche verbannt und in der letzten Phase seines überhand nehmenden Vergeltungsdrangs nicht mehr nur anderen Menschen, sondern auch sich selbst massiven Schaden zufügt.

Der Film ist nicht nur – wie man es vielleicht auf den ersten Blick mutmaßen könnte – reines Exploitationkino. Er wirft beim philosophisch veranlagten und soziologisch interessierten Publikum durchaus interessante Fragen auf. "Milano trema" verdeutlicht, dass der Zweck nicht unbedingt die Wahl der Mittel heiligt und das Konzept der Rache ein Teufelskreis ist, bei dem die Abgrenzung zwischen Täter und Opfer mitunter gar nicht mehr so simpel ist.
Nachdem Regisseur Sergio Martino mit der Besetzung von Luc Merenda in seinem vielbeachteten Giallo Torso dem Schauspieler zu einer gewissen Popularität und weiteren Rollenangeboten verhalf, handelt es sich bei "Violent Professionals" um die zweite Zusammenarbeit der beiden.
Merenda, der auch in den Poliziotteschi Shoot first, die later oder Auge um Auge eine gute Figur (nicht nur sprichwörtlich) machte, war vielleicht etwas weniger wandelbar als manche seiner damaligen Berufskollegen, aber eine sichere Bank als Darsteller besonders ambivalenter Charaktere.
Ähnlich wie der korrupte Polizist, den er in Shoot first, die later spielt, zeigt er auch in "Milano trema" konträre Facetten einer Persönlichkeit. Denn Caneparo ist weder ein eindeutig guter noch durch und durch böser Bulle.
Sein persönliches Dilemma ist, dass er zu viel gesehen und erlebt hat. Er ist geblendet von seiner selbst auserkorenen Mission und lieber bereit, alles in seinem Leben aufzugeben, als die Mörder Del Buonos lebendig davon kommen zu lassen.


Maria (Martine Brochard) sieht...



... keine Zukunft für sich


Die talentierte französische Schauspielerin Martine Brochard, die man aus Betrachten wir die Angelegenheit als abgeschlossen oder Die Grausamen Drei kennt, spielt Maria. Caneparo begegnet der schönen jungen Frau mit der melancholischen Aura zum ersten Mal in einer Billard-Bar. Maria ist wegen ihrem Freund, der auch zu den von Caneparos beschatteten Gangstern gehört, dort.
Giorgio Caneparo gibt vor, sich für Maria zu interessieren. Er umgarnt sie, lädt sie zum Essen ein und Maria, für deren Geschichte sich wahrscheinlich nie jemand ernsthaft interessiert hat, erzählt ihm bereitwillig aus ihrem Leben. Sie war Model und sie war Studentin, doch hat beide Wege nicht weiterverfolgt.
Die Drogen kamen wohl dazwischen. Aus diesem Grund gibt Caneparo ihr einen ironischen Namen, nämlich "Maria Ex". Ob er sie damit ob ihrer Vertrauensseligkeit nur verhöhnt oder er Verständnis suggerieren möchte, bleibt unklar. Maria zeigt sich gegenüber ihrem neuen Namen ziemlich gleichgültig. So wie ihr auch egal ist, in einer Kommune für Junkies und Hippies zu übernachten. Sie hat trotz ihrer jungen Jahre mit ihrem Leben mehr oder weniger abgeschlossen, ihre einstigen Träume und Ziele längst zu Grabe getragen.
Caneparos und Marias Wege kreuzen sich zwangsläufig immer wieder. Auch sie bringt er wissentlich in Gefahr. Die Frau wird zum Spielball zwischen Gangster und Polizei, wofür sie teuer bezahlen wird.
Menschliche Kollateralschäden in diesem Spiel von Gewalt und Vergeltung gibt es in "Milano trema" mehrere zu beklagen. Maria ist nur eine(r) von Vielen.


Kann dieser Mann (Luciano Rossi) ein Kind erschießen?


Die Darsteller-Riege wartet mit den angesichts des Polizeifilmgenres und Entstehungsjahr üblichen Schurken vom Dienst wie Luciano Rossi (Death walks at midnight, Verdammte, heilige Stadt), Bruno Corazzari (Rätsel des silbernen Halbmonds, Der Mann ohne Gedächtnis) oder Antonio Casale (Das Verfahren ist eingestellt… Vergessen Sie’s!, Das Geheimnis der grünen Stecknadel) auf.
Richard Conte (Django - Unbarmherzig wie die SonneDer Teufel führt Regie), der als erfolgreicher amerikanischer Schauspieler mit italienischen Wurzeln zu dieser Zeit immer wieder Produktionen aus Cinecittà beehrte, mimt einen in der Unterwelt unter einem Decknamen dubios agierenden Mann, der in seinem offiziellen Leben in einflussreichen und angesehenen Kreisen verkehrt.

Auch wenn die Spannung der Geschichte nach einiger Zeit etwas abflaut und die für das Publikum undurchsichtigen Ermittlungen Caneparos etwas zu weitschweifig veranschaulicht werden, schmälert es das Filmerlebnis nur marginal, da im Gegenzug das Auge mit spektakulären Stunts (manche Szenen wurden sogar in Der Berserker und "Die Viper" wiederverwendet) und die Ohren mit einem wunderbaren, melodisch angemessenen Soundtrack der De Angelis Brüder besänftigt werden.


Zahlreiche Alfa Romeo Giulias wurden beschädigt


Merenda, der auch Rennfahrer war, benutzte seinen eigenen Porsche am Set und für die waghalsigen Verfolgungsjagden durch den Mailänder Stadtverkehr gab es, wie damals üblich, selbstverständlich keine offizielle Drehgenehmigung.

Der Film ist nie mit deutscher Synchronisation erschienen und bei der ersten Sichtung in englischer Sprache vor einigen Jahren fand ich ihn, um ehrlich zu sein, etwas mühsam.
Umso überraschender und erfreulicher war das Wiedersehen am vergangenen Wochenende in schönster HD Bildqualität und mit italienischem Originalton.
In dieser Fassung werde ich "Milano trema" sicherlich nicht zum letzten Mal gesehen haben.




Foto: DVD vom Label Alan Young



Foto: Blu Ray von 88 Films 






Sonntag, 30. Mai 2021

NAPOLI VIOLENTA (1976)



CAMORRA – EIN BULLE RÄUMT AUF

Italien 1976
Regie: Umberto Lenzi
DarstellerInnen: Maurizio Merli, John Saxon, Guido Alberti, Giovanni Cianfriglia, Luciano Rossi, Gabriella Lepori, Ivana Novak, Tommaso Palladino, Massimo Deda, Barry Sullivan u.a.

Inhalt:
Kommissar Betti prügelt sich durch die neapolitanische Unterwelt und legt sich mit dem obersten Camorra Boss und seinen Schergen an. Es geht nicht nur um die Bekämpfung des Verbrechens, sondern schließlich auch um Leben und Tod…


Kommissar Betti (Merli) mit entschlossenem Blick



Ganz vorne mit dabei in der Mafia (John Saxon)


Kaum einer der italienischen Regisseure seiner Zeit bediente so viele verschiedene Genres wie Umberto Lenzi (Der Berserker, Spasmo). "Napoli Violenta" entstand zur Blütezeit des italienischen Polizeifilms und war in Italien, gemessen an den Einspielergebnissen, wohl auch einer der erfolgreichsten Poliziotteschi.
Kein Wunder, wenn man den Film kennt.

„So lange ich atme entkommt mir keiner!“ (Kommissar Betti)


Kommissar Betti (Maurizio Merli, u.a. bekannt aus Verdammte, heilige Stadt oder Die Gewalt bin ich) lässt sich von nichts und niemandem einschüchtern und verfolgt die Verbrecher wie ein Bluthund. Für einen Mann wie ihn wurde das Wort "Draufgänger" vermutlich erfunden.
Frisch nach Neapel versetzt, wird Betti schon am Bahnhof persönlich vom ortsansässigen Camorra Boss, der sich von seinen Untergebenen "Generale" nennen lässt, begrüßt. Nachdem sich die beiden Kontrahenten tief, feindselig und bedeutungsschwanger in die Augen gesehen haben, geht es so richtig zur Sache in der süditalienischen Stadt und das Blut fließt auf beiden Seiten des Gesetzes.


Halsbrecherische Fahrten...



... und das Ganze aus Ego-Perspektive



Bereits diese erste Szene des Vorspanns, in dem der Generale sich von seinem Chauffeur durch den neapolitanischen Stadtverkehr kutschieren lässt, katapultiert das Publikum direkt ins Geschehen.
Auch im weiteren Verlauf gibt es 
sowohl für die Protagonisten als auch das Filmpublikum kaum Atempausen. Das actionreiche Drehbuch kommt mit nur wenigen Dialogen aus, die Szenen sind selbsterklärend. Niemand sagt einen Satz oder ein Wort zu viel. Wir werden konfrontiert mit einer Aneinanderreihung von dramatischen Ereignissen, in denen teils grausame Verbrechen begangen werden und Menschen wegen kleinen Beträgen Leid zugefügt wird.

Das Herausragende an "Napoli Violenta" ist, dass er abseits des Genremainstreams nicht nur eine geradlinige Milieustudie präsentiert, sondern auch, dass die Seite der Opfer beinahe empathisch beleuchtet wird. Diese Menschen, die beraubt, vergewaltigt und verletzt wurden, haben einen Namen und eine Geschichte. Das ihnen zugefügte Leid ist nicht nur materiell, sondern es wird sichtbar, dass sie einen viel höheren Preis bezahlen als einen Vermögensschaden.
Sie fühlen sich nicht mehr sicher, sind körperlich aber vor allem auch seelisch verwundet. Man kann nur erahnen, welche Auswirkungen die Traumatisierung der vergewaltigten Frau oder der alten wehrlosen Dame, die wegen eines Rings die Treppe hinuntergestoßen wird und im Krankenhaus landet, hat.
Am eindrücklichsten und sehr bewegend ist das Schicksal des kleinen Gennarino, dessen Vater sich weigert, Schutzgeld für seine Autowerkstätte zu zahlen. Kommissar Betti begegnet dem Jungen mehrmals. Offensichtlich gefällt ihm die unbekümmerte freche Art des kleinen Rabauken, der nie ein Blatt vor den Mund nimmt. Doch nachdem die Mafiosi mit Gennaro und seinem Vater abgerechnet haben, ist auch der kleine Junge deutlich für sein restliches Leben gezeichnet.
All das wird ohne übertriebenen Pathos in einer komprimierten Weise dargestellt und dient vielleicht auch ein wenig der Legitimation der oft übertriebenen Gewalttätigkeiten, die Betti gegenüber den Verbrechern einsetzt. 


Unverkennbar unser Parade-Schurke - L. Rossi


Wie man es von Merli und seinen Rollen als Polizist erwartet, prügelt er ohne Rücksicht auf Verluste auf die Verdächtigen ein, bevor er sie verhört und nicht immer liefert er die Schurken der Justiz aus, sondern spielt sich bisweilen sogar als Personalunion zwischen Richter und Henker auf.
Die unverhohlene Drastik, mit der sowohl das Vorgehen der fiesen Kleinkriminellen und Mafiosi als auch die Gewaltbereitschaft des Kommissars dargestellt wird, beschönigt weder die Seite der Verbrecher noch die der Polizei. Die Taten werden nüchtern gegenübergestellt und dem Publikum die persönlichen Bewertung bzw. moralische Einordnung überlassen.


Merli macht auf Belmondo


Neben ausgezeichnet gecasteten Darstellern (die weibliche Endung lasse ich mal absichtlich weg, denn es ist in erster Linie ein Männerfilm) bietet "Napoli Violenta" Stunts und Actionszenen, spektakulär gedrehte halsbrecherische Verfolgungsjagden durch den Stadtverkehr Neapels und einen wunderbar groovigen Soundtrack ("A man before your time…"), der zu den besten aus dem Polizeifilmgenre gezählt werden kann.
Die deutsche Synchronisation trägt noch ordentlich auf und setzt dem rasanten Treiben durch markige und politisch unkorrekte Sprüche noch die Krone auf.
"Napoli Violenta" ist ein Film, der eindeutig ein Kind seiner Zeit ist und im historischen Kontext als brachialer und testosterongeladener Action Film eingeordnet, auch heute noch beste Unterhaltung und Zerstreuung bieten kann.





Foto: DVD von KochMedia



Sonntag, 5. August 2018

UOMINI SI NASCE POLIZIOTTI SI MUORE (1976)















EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN

Italien 1976
Regie: Ruggero Deodato
DarstellerInnen: Ray Lovelock, Marc Porel, Adolfo Celi, Claudio Nicastro, Bruno Corazzari, Franco Citti, Sofia Dionisio, Silvia Dionisio, Marino Masé, Renato Salvatori u.a.


Inhalt:
Fred und Tony gehören einer Undercover-Polizeieinheit an, die im Auftrag (oder der Duldung) ihres Vorgesetzten nicht nur Verbrecher eliminiert, sondern auch gerne Unruhe stiftet und oftmals über ihr eigentliches Ziel hinaus schießt. Mit Gangsterboss Pasquini verfolgen sie derzeit einen besonders gefährlichen Zeitgenossen...


Alfredo und Antonio auf der Jagd nach Verbrechern


Mit solchen Bösewichten machen sie kurzen Prozess


Fred (Alfredo) und Tony (Antonio) sind Bullen, wie man sie nur hassen kann. Sie haben es sich zur Faustregel gemacht, die Grenzen der Legalität weit zu überschreiten. Mit unglaublicher Arroganz und Gefühllosigkeit töten sie Verbrecher. Sogar wenn diese völlig am Ende sind und verletzt am Boden liegen, treten die beiden Rowdies nochmal ordentlich drauf. Folter gehört selbstverständlich zu ihren wichtigsten Verhör-Methoden und Frauen muss man einfach (verbal) belästigen.
Halbherzige Standpauken ihres Bosses (Adolfo Celi) "Also ich weiß nicht wie ich's euch klar machen soll... Wie wär's denn, wenn ihr mal verhaftet und nicht immer gleich losballert?" prallen völlig an ihnen ab und werden mit Sätzen wie "Die Burschen wollen halt nicht immer so wie wir" dreist gekontert.
Frauen mit großer Klappe wird erstmal mit großer Wucht ins Gesicht geschlagen und mit einem Spruch wie "Noch so 'n Scherz und du kannst dein Frühstück aus der Schnabeltasse lutschen" endgültig zum Schweigen gebracht. Schon in Ordnung so. Immerhin hat das vermaledeite Weibsstück gerade Antonios Mutter beleidigt!

Für diesen Spät-Poliziottesco benötigt man eine gewisse Toleranz gegenüber Gewalt auf dem Bildschirm, nicht vorhandener Political Correctness und wahrscheinlich auch einen etwas speziellen Humor.
"Eiskalte Typen..." ist eher als augenzwinkernde Karikatur des italienischen Polizeifilm-Genres zu verstehen.
Immer, wenn ich den Machos Fred (Marc Porel, Non si sevizia un paperino) und Tony (Ray Lovelock, Il delitto del diavolo, Invasion der Zombies) beim Brandschatzen und Töten zusehe und mich amüsiere, wie die beiden Darsteller mit ihren adretten Bubi-Gesichtern die wilden Kerle mit den dicken Eiern raushängen lassen, versuche ich mir dazu Drehbuchautor Fernando DiLeo vorzustellen. Ich male mir dabei aus, wie er sich beim Schreiben wohl selbst amüsiert hat und vielleicht sogar kichernd mit seinen Co-Autoren bei einem Glas Vino Rosso am Tisch saß.
Dem politisch links orientierten und intellektuellen DiLeo (Milano Kaliber 9, Oben ohne, unten Jeans) wurde, wie vielen seiner Regisseur Kollegen, die sich unter Anderem italienischen Polizeifilmen widmeten, gerne von der Presse unterstellt, reaktionäre und politisch rechte Aussagen in seinen Filmen zu verbreiten.
Er steht sinnbildlich für viele italienische Filmschaffende der Siebziger Jahre, mit denen sich in ihrer Heimat niemand seriös auseinandersetzen wollte und die neben den großen Künstlern des italienischen Kinos, denen der Feuilleton bei jedem Schritt die Füße küsste (Visconti, Fellini etc.), für viele ihrer Filme gar keine oder nur negative Rezensionen erhielten.

Ruggero Deodatos berühmteste Werke polarisieren aus nachvollziehbaren Gründen bis heute stark. "Eiskalte Typen auf heißen Öfen" wirkt im Vergleich zu seinen Filmen "Nackt und zerfleischt" oder "Der Schlitzer" sogar eher harmlos und dennoch geizt er nicht mit gewalttätigen Szenen heftigerer Natur.
Doch bevor es allzu derb und morbide wird, lässt Deodato Darsteller Ray Lovelock mit samtweicher Stimme seinen Song "Maggie" intonieren.
War es etwa pure Ironie des Zufalls oder doch eiskalte Kalkulation?
Ganz bestimmt jedenfalls ist die einlullende Musik mit Textzeilen wie "Violence wasn't so wild around the world..." im Zusammenhang mit den sadistisch veranlagten Polizisten, einfach eine unglaublich tollkühne Verquickung.

Der leider im letzten Jahr viel zu jung verstorbene Raymond Lovelock war meiner Meinung nach der sympathischste und bodenständigste Darsteller des italienischen Genrekinos und ich werde immer noch ganz wehmütig und melancholisch, wenn ich meine Lieblingszahnlücke in "Eiskalte Typen..." auf dem Motorrad mit der Nase im Wind sehe und seine Lieder höre. Und das, obwohl er hier einen wahren Ungustl spielt, wie er im (österreichischen Wörter-) Buche steht.

Die Verfolgungsjagden, die wie damals durchaus üblich im fließenden Verkehr ohne Drehgenehmigung gedreht wurden, gehören meiner Meinung nach zu den waghalsigsten und spannendsten, die man im Genre je gesehen hat.

Wer das Gezeigte allzu ernst nimmt, ist selbst schuld.
"Eiskalte Typen auf heißen Öfen" ist somit geeignet für alle, die tief ins Genre abgetaucht sind und die im Film aufgezeigten Mechanismen zu deuten wissen.




Foto:  DVD von Raro Video und Blu Ray von FilmArt



Sonntag, 4. März 2018

IL CINICO, L'INFAME, IL VIOLENTO (1977)














DIE GEWALT BIN ICH

Italien 1977
Regie: Umberto Lenzi
DarstellerInnen: Maurizio Merli, Tomas Milian, John Saxon, Renzo Palmer, Guido Alberti, Bruno Corazzari, Gabriella Lepori, Gabriella Giorgelli, Claudio Nicastro, Tommaso Palladino, Omero Capanna, Salvatore Billa u.a.


Inhalt:
Bandenboss Luigi Maietto, besser bekannt unter dem Namen "Der Chinese", bricht aus dem Gefängnis aus und macht es sich in Rom gemütlich. Neben den üblichen kriminellen Machenschaften wie Schutzgelderpressung und Überfällen schickt er sogleich zwei Killer zum Ex-Polizisten Tanzi. Letzterer überlebt den Mordversuch und macht es sich nun zur Aufgabe, den Chinesen und seinen Kumpel Di Maggio, ebenfalls Bandenboss, zur Strecke zu bringen...


So guckt Tanzi (Merli) wenn er wütend ist


Schmierig und irgendwie cool: Der Chinese (Milian)


Ex Kommissar Tanzi (Maurizio Merli) hat sich vom Polizeibeamtentum verabschiedet und versucht sich im Zivilistendasein. Doch da ihm der Chinese (Tomas Milian) ans Leder respektive an die Brustbehaarung will, muss er sich bewaffnen und den Kampf gegen Maietto und seine Kumpane aufnehmen.
Doch ganz so schwer scheint ihm die Rückkehr in alte Verhaltensmuster nicht zu fallen, denn Leonardo Tanzi haut ganz offensichtlich immer noch gerne Gangstervisagen zu Brei. Seine Fäuste und Füße kommen dabei ebenso zum Einsatz wie zufällig ausgewählte Gegenstände, zum Beispiel ein herumstehender Fotoapparat.
Warum Tanzi kein Bulle mehr ist, wird nicht erklärt. Aber sein Hang zu roher Gewalt lässt doch gewisse Hypothesen zu.
Maurizio Merli (u.a. Verdammte heilige Stadt, Convoy Busters) gibt wie immer den radikalen (Ex-) Gesetzeshüter, dem alle Delinquenten schon auf den Ersten Blick den "Bullen" ansehen.
Obwohl der leider noch vor seinem 50. Geburtstag verstorbene Merli im Vergleich zu seinen Schauspielerkollegen in relativ wenigen Filmen mitspielt, zählt er zu einem der bekanntesten und markantesten Gesichter des italienischen Genrekinos.
Er besaß ein Händchen für Rollen, die ihn als chauvinistischen, jähzornigen und kompromisslosen Verteidiger des Gesetzes zeigen. Doch Halt. Es geht eigentlich nicht immer um Recht. Oft genug steht das subjektive Verständnis von Gerechtigkeit seiner Charaktere, das nicht unbedingt mit dem Gesetz in Einklang zu bringen ist, im Vordergrund. Er steht über dem Gesetz.
Dies kommt dann auch in Dialogen wie dem folgenden zum Ausdruck:

Inspektor Astalli zu Tanzi:
"(...) Aber denk daran, dass du jetzt keine amtlichen Befugnisse mehr hast! In keiner Beziehung! Du bist nur ein einfacher Bürger."
Tanzi daraufhin mit entschlossenem Gesichtsausdruck: "Na und? Ich hab auf Gangster geschossen, das werd ich auch wieder tun wenn's sein muss. Willst du mich deswegen verhaften lassen?"
Astalli: "Vielleicht."
Tanzi: "Das kann ich mir nicht vorstellen."

Ausnahme-Schauspieler Tomas Milian (Der Todesengel, Der Berserker) zieht als Chinese eine wirklich coole Show ab. Seine Seitenscheitel-mit-Schlurf-Zuhälterfrisur, die unregelmäßig abrasierten Augenbrauen, das Faible für extravaganten Schmuck und Kleidung verleihen ihm ein besonders fieses und schmieriges Aussehen.

Obgleich die Story - wohl dank der Beteiligung von drei Drehbuchautoren - sich manchmal etwas verfährt und in erzählerischen Sackgassen feststeckt, gelang Umberto Lenzi, dem Regie-Helden des italienischen Action-Kinos, eine spaßige und packende Umsetzung.
Ob wir uns jetzt gerade in Rom befinden oder Mailand – wen juckt's?
Immer, wenn man meint, dass eine Szene krass ist, wird noch ein Schäufelchen drauf gelegt in Sachen drastischer Grausamkeiten der Protagonisten. Der Ausspruch "Die Gewalt bin ich" könnte sowohl dem Chinesen als auch Di Maggio und nicht zuletzt unserem Ex-Kriminalisten Tanzi in den Mund gelegt werden.
Einige lustige Merkwürdigkeiten wie zum Beispiel dass der frisch ausgebrochene Chinese vorzugsweise in Gärten rumsitzt und auch nicht besonders intensiv von der Polizei gesucht wird, fallen nicht negativ auf. Manchmal scheinen sich die dargestellten Figuren sogar selbst über das alles zu wundern.

Sagt der Amerikaner (Di Maggio) zum Chinesen (Maietto):
"Ist es nicht riskant, so im Freien rumzusitzen? Die Bullen sind doch wie der Teufel hinter dir her."

Naaaja...

Abgesehen vom großartigen Merli und dem famosen Milian wurde für diesen Film eine ganze Armada an berühmten Genre-Schauspielern zusammengetrommelt: John Saxon (La ragazza che sapeva troppo, "Asphalt Kannibalen"), der sogar im Altherren-Strickpulli eine gute Figur macht, Renzo Palmer als Inspektor Guido Astalli (Racket, Goodbye und Amen), der sich wie immer von seiner sympathischen Seite zeigt, Guido Alberti (Spasmo) und sogar der berühmte Omero "Taubenspucker" Capanna aus Milano Kaliber 9 hat einen Kurzauftritt. Ergänzt wird die illustre Runde von der legendären "Rotznase" (Der Mann ohne Gedächtnis) Bruno Corazzari, Claudio Nicastro (Don Giuseppe D'Aniello in Der Teufel führt Regie), Tommaso Palladino (Das Syndikat des Grauens) und Salvatore Billa (Auge um Auge, Bewaffnet und gefährlich).

Die deutsche Synchro ist dem allgemeinen Unterhaltungswert natürlich ungemein zuträglich. Da werden am laufenden Band lustige Sprüche geklopft und denkwürdige Dialoge zum Besten gegeben.
Wie zum Beispiel als unser wackerer Ex-Polizist nach einem Verbrecher, der "Capuccino" genannt wird, sucht.

Tanzi zu einem Disco-Besucher: "Sagen Sie... Haben Sie Capuccino gesehen?"
Disco-Besucher: "Ja, ich hab ihn heute früh gesehen. (Pause) ...Und dann getrunken." (lacht sich scheckig)
Bei so einer Situationskomik schafft es nur Maurizio Merli, keine Miene zu verziehen.

Oder wenn der Chinese und seine Gefolgschaft wieder mal ihre mangelnde Bildung unter Beweis stellen:

Chinese: "Sehr geehrter Signor Frank" (sprich: Fränk oder Frenk).... "Sag mal, wie schreibt man eigentlich Frank? Mit E?"
Kumpel: "Nein, mit A."
Chinese: "Wieso sagt man dann Frenk?"
Kumpel: "Weiß ich nicht."

"Die Gewalt bin ich" hat vielleicht nicht das durchdachteste Drehbuch, zählt aber mit seinem eingängigen Soundtrack von Micalizzi, vergnüglichen Ideen und rasanten Wendungen, gut gelaunten DarstellerInnen und der knackigen Action zu den wichtigeren Beiträgen innerhalb des Poliziottesco-Genres.
Eine größerer Beliebtheitsstatus blieb ihm bisher eher verwehrt.
Dies könnte sich vielleicht durch die jüngste Veröffentlichung des Labels X-Rated ändern. Die Bildqualität der Blu Ray bietet gegenüber der bisher erhältlichen DVD eine deutliche Verbesserung, was dem Sehvergnügen absolut zuträglich ist.




Das weckt Erinnerungen... Mailand 1977 (aus dem Film) und 2015 (aus meinem Fotoalbum)








Foto: FilmArt DVD und Blu Ray von X-Rated (Eurocult Collection)



Donnerstag, 27. Oktober 2016

LA POLIZIA CHIEDE AIUTO (1974)














DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER

Italien 1974
Regie: Massimo Dallamano
DarstellerInnen: Giovanna Ralli, Claudio Cassinelli, Mario Adorf, Franco Fabrizi, Farley Granger, Marina Berti, Sherry Buchanan, Paolo Turco, Corrado Gaipa


Inhalt:
Die 15 Jahre alte Silvia Povesi wird im Dachgeschoss eines Mailänder Wohnhauses erhängt aufgefunden. Doch schon kurze Zeit später stellen der zuständige Kriminalbeamte Silvestri und Staatsanwältin Stori anhand von eindeutigen Beweisen fest, dass es sich bei der Todesursache nur um Mord gehandelt haben kann. Rätsel gibt den Ermittlern dabei besonders das Motiv auf. Ein Killer in schwarzer Motorrad-Kluft und Helm, bewaffnet mit einem Metzgerbeil, lässt sie von einem (Mord-)schauplatz zum nächsten hetzen. Wo er hinkommt, richtet er (unter potentiellen Mitwissern und Zeugen) ein wahres Blutbad an. Der ganze Fall riecht förmlich nach einer Verschwörung und schon bald entpuppt sich das Drama um sexuellen Missbrauch, Prostitution und Mord als ganz Große Sache mit vielen mächtigen Hintermännern...


Kommissar Silvestri (Cassinelli)


Staatsanwältin Stori (Ralli)


Die vier Poliziotteschi, deren italienische Titel sich quasi den Schwachstellen der Polizei widmen, sind: Das Syndikat ("La polizia ringrazia": Die Polizei bedankt sich), ,Der unerbittliche Vollstrecker ("La polizia sta a guardare": Die Polizei beobachtet), Killer Cop ("La polizia ha le mani legate": Der Polizei sind die Hände gebunden) und "Der Tod trägt schwarzes Leder" ("La polizia chiede aiuto": Die Polizei ruft um Hilfe).
Trotz unterschiedlicher Regisseure weisen die Werke einige Ähnlichkeiten auf.
Sie alle gehören zu den besten Filmen des gesamten Genres, haben die eingängigsten und hervorragendsten Soundtracks (dank Meister-Komponist Stelvio Cipriani) und sind mit hochkarätigen DarstellerInnen besetzt.
Jedes dieser genannten Werke verfügt über eine für die Handlung maßgebliche politische und systemkritische Komponente.
In der Entstehungszeit dieser Filme war die Bevölkerung Italiens aufgrund von diversen Attentaten und der hohen Kriminalitätsrate und Korruption unter politischen Funktionären mehr als verunsichert.
Diese Art von Kino, das jene Probleme kompromisslos veranschaulichte und die Ängste der "einfachen BürgerInnen" thematisierte, traf genau den Nerv der ItalienerInnen. Was in den Lichtspielhäusern über die Leinwand flimmerte, war inhaltlich sogar näher an der Realität, als damals Vielen bewusst war.

"Der Tod trägt schwarzes Leder" widmete sich unter anderem dem Tabuthema "Sexueller Missbrauch". Dies zu einer Zeit, in der die tatsächlichen psychischen Folgen für Opfer solcher Verbrechen noch kaum erforscht und wenig bekannt (tendenziell sogar eher umstritten und verleugnet) waren.
Es ist allerdings anzunehmen, dass es Regisseur Massimo Dallamano, der bereits 1972 in Das Geheimnis der grünen Stecknadel die Thematik von frühreifen promiskuitiven Mädchen aufgriff, vordergründig um die Schockwirkung auf das Publikum ging als um ein seriöses Problematisieren dieser Form von Gewalt.
Die Szene zu Beginn des Films, in der das nackte Mädchen an einem Seil, das an einem Holzbalken befestigt ist, von der Decke baumelt, erzeugt jedenfalls bereits in den ersten Minuten die intendierte Atmosphäre von Emotionalität und Betroffenheit.

Während Claudio Cassinelli als Kommissar gemeinsam mit Giovanna Ralli als Staatsanwältin die Ermittlungen vorantreibt, steigt die Spannung kontinuierlich.
Die Hinweise auf einen Mord verdichten sich nur langsam und über eine lange Laufzeit ist völlig unklar, was das Motiv für die grausame Tötung des jugendlichen Mädchens (Sherry Buchanan) war. Parallel dazu überschlagen sich die Ereignisse ständig.
Polizei und Staatsanwaltschaft hetzen quasi von einem Hinweis zum nächsten, fahren von einem Tatort zum anderen und werden schließlich selbst vom ominösen Killer mit Fleischerbeil bedroht und gejagt.
Dass dieser nicht einmal vor einem Mordversuch an der Staatsanwältin zurückschreckt zeugt entweder von purer Verzweiflung oder totaler Verrücktheit – man weiß es nicht genau.
Seine Funktion, die Handlung zu beschleunigen, erfüllt der schwarz gekleidete Killer jedenfalls mit Bravour.
Die absolut klaustrophobischen Verfolgungsszenen im Krankenhaus, einer Tiefgarage und einem Aufzug erzeugen schier Atemlosigkeit.

"Der Tod trägt schwarzes Leder" ist packend und geradlinig inszeniert. Er wird häufig als "Genre-Grenzgänger" bezeichnet, da er einige Giallo-Elemente (wenn man das Genre auf Killer mit scharfen Mordinstrumenten und schwarzen Handschuhen reduzieren will) aufweist.
Im Vergleich zu seinen oben genannten Polizei-Genre-Vettern tendiert er an manchen Stellen etwas stärker in die exploitative Ecke, was den Unterhaltungswert in diesem Fall jedoch nicht schmälert.
Sieht man über diese Facette der Inszenierung hinweg, stellt man fest:
"Der Tod trägt schwarzes Leder" ist nicht nur einer der blutigsten, sondern aufgrund seines überraschenden und konsequenten Fazits auch einer der grimmigsten und zynischsten Polizeifilme.
Desillusionierend auf mehreren Ebenen. Hier verlieren nicht nur die bemitleidenswerten Mädchen ihre Unschuld und Naivität.
Definitiv gehört dieses Werk Dallamanos zu denjenigen, an denen Polizeifilm-Fans der Siebziger nicht vorbeikommen.




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