BLUTIGER SCHATTEN
SCHATTEN DES TODES (Alternativtitel)
SCHATTEN DES TODES (Alternativtitel)
Italien 1978
Regie: Antonio Bido
DarstellerInnen: Lino Capolicchio,
Stefania Casini, Craig Hill, Massimo Serato, Juliette Mayniel, Luigi
Casellato u.a.
Inhalt:
Der junge Universitätsprofessor
Stefano fährt mit dem Zug nach Venedig, um auf der kleinen Insel Murano seinen Bruder
Paolo zu besuchen. Dieser weiht ihn sogleich in die gottlosen
Umtriebigkeiten der Inselbewohner ein. Besonders moralisch verwerflich: eine
Hebamme, ein Arzt und ein exzentrischer Graf suchen angeblich
regelmäßig ein Medium auf, um Séancen abzuhalten.
Kurz nach Stefanos Ankunft wird das
Medium in einer regnerischen Nacht erwürgt. Don Paolo wird Zeuge des
Mordes, kann aber den Täter nicht erkennen.
Fortan fühlt sich der Priester nicht nur verfolgt, sondern erhält auch immer eindeutigere Droh-Botschaften. Diese sind offensichtlich ernst zu nehmen, denn die Morde auf der kleinen Insel mehren sich täglich...
Fortan fühlt sich der Priester nicht nur verfolgt, sondern erhält auch immer eindeutigere Droh-Botschaften. Diese sind offensichtlich ernst zu nehmen, denn die Morde auf der kleinen Insel mehren sich täglich...
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Verdächtig? Sandra (Casini) |
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Das Medium sitzt hinter ihm - da schaut Paolo grimmig |
Als Vorbereitung auf den alljährlichen
November-Urlaub in "meinem" Venedig (Erklärung im Venedig-Special) ist "Blutiger Schatten" eine vorzügliche Filmwahl.
Auch wenn man nicht gerade einen Besuch
der spätherbstlichen Lagunenstadt plant, sollte man "Blutiger
Schatten" zumindest ein Mal über die heimische Leinwand flimmern
lassen.
Dieser klassische Giallo steht nämlich,
wie Regisseur Antonio Bido selbst betont, ganz in der Tradition von Dario Argento (im Speziellen "Profondo Rosso" und "Suspiria") und
Pupi Avati ("Das Haus der lachenden Fenster").
Angefangen vom auffallend ähnlichen Artwork des Filmplakats
über die "Profondo Rosso" ähnliche Thematik (der
zufällig beobachtete Mord an einem Medium, das Gemälde als
Schlüssel zum Rätsel), die Wahl der
Filmmusik (Bido engagierte die durch Argento zu Ruhm gelangte italienische Band Goblin für die Vertonung der Komposition Stelvio Ciprianis) bis hin zu den Hauptdarstellern.
Lino Capolicchio, der bereits zwei Jahre vorher die Rolle des namensgleichen Protagonisten Stefano in "Das Haus der lachenden Fenster" spielte, betätigt sich wieder als Amateur-Detektiv. Stefania Casini, die als Tanzschülerin in "Suspiria" ihren großen Moment hatte, mimt die Künstlerin Sandra, mit der Stefano eine Romanze verbindet.
Lino Capolicchio, der bereits zwei Jahre vorher die Rolle des namensgleichen Protagonisten Stefano in "Das Haus der lachenden Fenster" spielte, betätigt sich wieder als Amateur-Detektiv. Stefania Casini, die als Tanzschülerin in "Suspiria" ihren großen Moment hatte, mimt die Künstlerin Sandra, mit der Stefano eine Romanze verbindet.
Stefano versucht sich als Zugereister,
sprich als Außenseiter in einer kleinen eingeschworenen
Gesellschaft, in der jeder jeden kennt, zurechtzufinden. Die
Inselbewohner sind ihm gegenüber relativ zugeknöpft und begegnen
ihm eher misstrauisch als freundlich. Diese spezielle, feindselige Stimmung weckt neuerlich Erinnerungen an "Das Haus der lachenden Fenster".
Die Aufnahmen der nebelverhangenen leeren Plätze,
düsteren, schmalen und zugleich pittoresken Gassen Muranos erzeugen
unweigerlich eine geheimnisumwitterte Atmosphäre.
In großzügig bemessenen Rationen
werden die roten Heringe nach und nach über die gesamte Handlung
ausgestreut und miteinander verknotet.
Jede und jeder erscheint in manchen
Situationen verdächtig, alle könnten ein Motiv haben.
Sogar der sympathische Stefano selbst
erweckt unser Misstrauen mit seinen wiederkehrenden (noch) nicht erklärbaren Flashbacks,
kurzen geistigen Absenzen und dem verträumten Blick, mit dem er ein
bestimmtes Gemälde mustert. Oder wie er seiner Neo-Bekanntschaft
Sandra nachstellt, sie dabei beinahe zu Tode erschreckt und scheinbar naiv vorgibt,
er wollte sie überraschen.
Der permanent etwas überspannt
wirkende Priester Paolo (großartig: der aus Italowestern bekannte
Amerikaner Craig Hill) weiht seinen Bruder gleich zu Beginn in die
heidnischen Verstrickungen der seiner Meinung nach teuflischen Séance-TeilnehmerInnen
ein. Diese illustre Runde besteht aus einem zwielichtigen Medium,
einer Hebamme, die sich nebenbei als Engelmacherin betätigt, einem
Arzt und einem exzentrischen Grafen (Massimo Serato, bekannt aus Wenn die Gondeln Trauer tragen), dem der Ruf eines Pädophilen
anhaftet. Die genannten Charaktere sind doch schon mal per se mehr
als verdächtig. Oder?
Paolo selbst zählt selbstredend
ebenfalls zu den potentiellen Mördern, allein schon wegen seines
Berufs (ein Priester in einem Giallo führt in der Regel nichts Gutes
im Schilde) und seinem leichten Hang zur Hysterie wirkt er zuweilen
etwas kauzig-absonderlich.
Abgesehen davon stolpert der depressive
und dem Alkohol verfallene Signor Andreani (Luigi Casselato aus Der Todesengel), dessen Tochter vor vielen Jahren auf ähnliche Weise
ermordet wurde wie das Medium, scheinbar ziellos, aber nicht zu
verleugnend suspekt von einer Szenerie zur anderen. Auch Gasparre,
der Hausmeister des Priesters, wirkt nicht ganz astrein. Und es wäre
wohl nicht allzu weit hergeholt, wollte man der Künstlerin Sandra
ein Tatmotiv unterstellen...
Sämtliche BewohnerInnen der kleinen Insel-Gemeinde wissen so gut wie alles über den jeweilig anderen und dennoch stehen sie genau so wie die örtliche Polizei den brutalen Verbrechen ohnmächtig gegenüber. Sie scheinen nicht in der Lage zu sein, die Morde aufzuklären. Oder scheuen sie sich etwa vor der Wahrheit? Jedenfalls benötigen sie augenscheinlich Hilfe von Außen in Form des engagierten Stefanos.
Sämtliche BewohnerInnen der kleinen Insel-Gemeinde wissen so gut wie alles über den jeweilig anderen und dennoch stehen sie genau so wie die örtliche Polizei den brutalen Verbrechen ohnmächtig gegenüber. Sie scheinen nicht in der Lage zu sein, die Morde aufzuklären. Oder scheuen sie sich etwa vor der Wahrheit? Jedenfalls benötigen sie augenscheinlich Hilfe von Außen in Form des engagierten Stefanos.
Mit einer gewissen Giallo-Erfahrung
ausgestattete Menschen erkennen vermutlich, dass sie hier einen Film
vor sich haben, bei dem eigenes Mitraten und -rätseln nur bedingt
zielführend, aber natürlich ungemein lustig ist. Wer dabei den Faden
verliert, kann sich aber getrost von den Bildern und der Stimmung
treiben lassen ohne wichtige Hinweise zur Aufklärung der Mordserie
zu verpassen.
Letztere erhalten wir zum
traditionellen gialloesken Ende in Form eines gefühlt ewig langen
und verwirrenden Monologs.
Bei meiner ersten visuellen Begegnung
mit "Blutiger Schatten" war ich dezent frustriert, weil ich
glaubte, die Auflösung nicht verstanden zu haben.
Mittlerweile habe ich gelernt zu
akzeptieren, dass (wie in so manch anderem Film im Giallo-Genre) die ein oder andere Frage einfach unbeantwortet und vereinzelte Szenen unaufgeklärt bleiben.
Legt man seinen Fokus auf Atmosphäre,
Spannung und Unterhaltung erscheint eine rationale und bodenständige Erklärung für die
Mordserie eher zweitrangig. Zumindest in meinem persönlichen
Film-Universum.
Lieblingszitat (Dialog zwischen leicht unmotivierten Polizisten)
"Der Kommissar sagt, wir sollen patrouillieren."
"Der sitzt auf seinem fetten Arsch und wir kurven in der Gegend rum!"
Lieblingszitat (Dialog zwischen leicht unmotivierten Polizisten)
"Der Kommissar sagt, wir sollen patrouillieren."
"Der sitzt auf seinem fetten Arsch und wir kurven in der Gegend rum!"
"Blutiger Schatten" kann sich mit den
bereits genannten filmischen Vorbildern zwar nicht direkt messen, bietet aber
ausreichend denkwürdige Szenen und hinreißende Skurrilitäten
(beispielhaft: der versteckte geisteskranke Sohn und das grausame Malträtieren der
wehrlosen Miriam, einer Puppe), die auch beim wiederholten
Genuss noch für exzellente Unterhaltung sorgen.
Für Venedig-Fans ein Pflicht-Kauf.
Für Venedig-Fans ein Pflicht-Kauf.
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Kultig: Das VHS Cover |