LIEBE UND TOD IM GARTEN DER GÖTTER
Italien 1972
Regie: Sauro Scavolini
DarstellerInnen: Erika Blanc, Peter Lee
Lawrence, Ezio Marano, Orchidea de Santis, Rosaria Borelli, Franz von
Treuberg, Vittorio Duse u.a.
Inhalt:
Ein Ornithologe mietet sich in einer
etwas abgelegenen Villa ein, um das Verhalten der dort ansässigen
Vogelarten zu erkunden. Eines Tages findet er nahe einem Baum ein
Tonband, das er nach sorgfältiger Reinigung in Betrieb nimmt.
Es handelt sich um eine Aufzeichnung psychoanalytischer Sitzungen einer gewissen Azzurra, die den Professor sichtlich faszinieren und Einblicke in tiefe menschliche Abgründe eröffnen.
Es handelt sich um eine Aufzeichnung psychoanalytischer Sitzungen einer gewissen Azzurra, die den Professor sichtlich faszinieren und Einblicke in tiefe menschliche Abgründe eröffnen.
Er beginnt nach den Besitzern der Villa zu
forschen und bringt damit sein Leben in ernsthafte Gefahr...
Der Professor |
Azzurra und Manfredi - Geschwisterliebe? |
Ich habe "Liebe und Tod im Garten der Götter" heute zum zweiten Mal gesehen und bin überzeugt, dass ich beim nächsten Anschauen noch weitere, hier nicht erwähnte Aspekte, entdecken werde. Denn der Film ist vordergründig einfach, doch auf der Meta-Ebene komplex.
"Liebe und Tod im Garten der Götter" gehört wohl ähnlich wie "Das Haus der lachenden Fenster" (man beachte: auch hier ist das Tonband-Thema zentraler Bestandteil der Geschichte) in die Kategorie von Gialli, die einigen Fans des Genres als eher
schwer zugänglich erscheinen.
Denn er weicht ganz klar von allseits
beliebten Mustern (Killer mit schwarzen Handschuhen,
Rasiermessermorde, Serienmorde, rote Heringe und kuriose Plot-Twists) ab.
Mich fasziniert er dennoch sehr.
Kann man im Zusammenhang mit so einem Film überhaupt von "gefallen" sprechen? Ich bin mir nicht ganz sicher.
Die dargebotene Intensität von
Tristesse, Morbidität und Hoffnungslosigkeit wurde nur selten in
einem Genrefilm erreicht, am ehesten kann man diesbezüglich wohl einen Vergleich zu Anima Persa ziehen.
Von der Grundstimmung und Thematik sind sich "Liebe und Tod im Garten der Götter" und letztgenannter Giallo in der Tat
ähnlich.
"Ein Giallo?" werden manche von euch zu
Recht fragen. Auch an dieser Definition werden sich die Geister
scheiden und es liefert sicherlich einigen Stoff für Diskussionen,
auf die ich aber nicht näher eingehen möchte, weil ich sie für
zweitrangig halte.
Innerhalb meines persönlichen Filmuniversums ist der Grundplot jedenfalls gialloesk genug: Ein deutscher Wissenschaftler reist nach Italien, um dort
unfreiwilligerweise in einen Kriminalfall verwickelt zu werden, der
bald lebensbedrohliche Ausmaße annimmt.
Der Film spielt sich auf unterschiedlichen Ebenen ab: Einerseits geht es um die Erlebnisse des Professors, der sich gerade mit
dem Inhalt der Tonbänder und in weiterer Folge mit den früheren Bewohnern der Villa beschäftigt. Andererseits erzählt er die Geschichte der
eigentlichen Protagonisten, nämlich der durchtriebenen Azzurra und
ihrem Bruder Manfredi, die eine inzestuöse Beziehung verbindet.
Der Wissenschaftler, der in dem Haus
lebt, in dem sich der Großteil des Erzählten abgespielt hat, wandert von
Raum zu Raum. Dadurch wirkt er Azzurra in manchen Szenen beinahe auch körperlich nahe - er sitzt im Wohnzimmer in einem Sessel, der sich in der gegenüberliegenden Position von Azzurra (in der Vergangenheit) befindet.
Das Spiel mit Raum und Zeit hat in "Liebe und Tod..." seinen besonderen Reiz.
Das Spiel mit Raum und Zeit hat in "Liebe und Tod..." seinen besonderen Reiz.
"Liebe (über mhd. liep, „Gutes, Angenehmes, Wertes“ von idg. *leubh- gern, lieb haben, begehren) ist im Allgemeinen die Bezeichnung für die stärkste Zuneigung und Wertschätzung, die ein Mensch einem anderen entgegenzubringen in der Lage ist."
entnommen aus Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Liebe in der Fassung vom 19. Oktober 2014
Der Titel des Films führt uns genau genommen in die Irre, denn absolut gar nichts dreht sich in diesem Film um Liebe.
Vielmehr karikiert er das Thema.
Niemand in "Liebe und Tod..." liebt
einen anderen Menschen. Azzurras Mann redet von dem (unerfüllten) Wunsch,
seine Frau vollends zu besitzen, Manfredi pendelt mit seinen Gefühlen
für seine Schwester irgendwo zwischen Ekel, Wut und Begehren und
Azzurra selbst scheint generell nicht in der Lage zu sein, tiefere Gefühle für einen
Mann zu empfinden.
Vielmehr geht es um psychologischen
Machtmissbrauch, Hörigkeit, sexuellen Missbrauch und Abhängigkeit.
Dass dies krank macht und jemanden bis
zum Mord treiben kann, leuchtet natürlich ein. Schnell wird klar: die Geschichte muss dramatisch enden.
Auch die vom Titel mit den Worten "... im Garten der Götter" suggerierte Leichtigkeit verkehrt sich in der filmischen Handlung ins Gegenteil. Alles ist schwer, krank (machend) und die Hauptcharaktere zeichnen sich durch eine gewisse Strenge und Humorlosigkeit aus.
Auch die vom Titel mit den Worten "... im Garten der Götter" suggerierte Leichtigkeit verkehrt sich in der filmischen Handlung ins Gegenteil. Alles ist schwer, krank (machend) und die Hauptcharaktere zeichnen sich durch eine gewisse Strenge und Humorlosigkeit aus.
Wir beobachten den zunehmenden
psychischen Verfall und den inneren Druck, der Manfredi langsam aber sicher zermürbt.
Er kämpft mit sich selbst, will sich loslösen von seiner einengenden Schwester, die ihn
mit allen Mitteln zum Bleiben bewegen möchte.
Die Lebensgeschichte von Azzurra und
Manfredi erfahren wir in der Form von Rückblenden auf einzelne
Szenen ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Das Besondere daran ist, dass
Azzurra diese in den Sitzungen mit ihrem Psychoanalytiker selbst
erzählt (dabei auch Dinge weglässt oder beschönigt) und ihre Schilderungen im letzten Drittel des Films durch
Manfredis eigene subjektive Wahrnehmung ergänzt und verändert
werden.
Manche Szene wird erst verstehbar und
vollständig durch die Version von Manfredi, die unsere Perspektive
plötzlich enorm erweitert.
Dies macht den Film besonders reizvoll.
Er spielt mit unserer Wahrnehmung und mit unseren klischeehaften
Vorstellungen von Täter und Opfer.
Paradox erscheint, dass gerade der
Therapeut von Azzurra bis zum Ende nicht in der Lage ist, diese
Mechanismen zu durchschauen. Aber böse gesagt halte ich ihn sowieso
für einen "Kurpfuscher", der nämlich die ethischen Grenzen
zwischen Therapeut und Patientin nicht einhält und außerdem
befangen ist.
Vielleicht ist die Psychoanalyse auch nicht unbedingt das geeignete Instrument, seine etwas "spezielle" Patientin zu therapieren.
Wie war das nochmal mit Sigmund
Freud, der die Existenz von sexuellem Missbrauch und dessen Folgen
zuerst öffentlich thematisiert und nachdem er dafür verlacht wurde, sein
restliches Leben vehement geleugnet hat?
Huch. Wo bin ich denn jetzt gelandet
mit meinem Text? Ich will ja hier eigentlich keine Filme analysieren,
das überlasse ich lieber Anderen. Es geht mir mehr darum zu
veranschaulichen, was mich daran fasziniert und was vielleicht für
euch, liebe Leserinnen und Leser, ebenfalls interessant sein könnte.
Also neben der Handlung, die (wie euch bestimmt aufgefallen ist) Vieles
bietet, über das man sinnieren und vermutlich auch kontrovers diskutieren kann und der
bereits erwähnten Atmosphäre, die durch die simple aber besonders dramatische Musik unterstrichen wird, bietet "Liebe und Tod im
Garten der Götter": Ästhetische Landschaftsaufnahmen, ein wunderbar fotografiertes Spoleto und wirklich erstklassige
SchauspielerInnen.
Ohne die ausgezeichnete Besetzung
der ProtagonistInnen des Films wäre diese Art von Geschichte wohl zu
sehr ins unfreiwillig Komische abgedriftet, was das ganze Drehbuch
zunichte gemacht hätte.
Erika Blanc (u.a. bekannt aus Die toten Augen des Dr. Dracula oder Die Grotte der vergessenen Leichen) als Azzurra und der aus Lindau am Bodensee stammende Peter
Lee Lawrence ("Glut der Sonne" oder "Der lange Arm des Paten")
ergänzen sich perfekt und erzeugen wahre Gänsehaut-Momente (vor
allem im Finale!).
Der ebenfalls aus Deutschland stammende
Franz von Treuberg (Das Syndikat, "Blindman – Der
Vollstrecker") mimt den Ornithologen, der unwillentlich durch den
Tonband-Fund in das Geschwister-Drama hineingezogen wird. Er wirkt
dabei authentisch und sympathisch. Man sieht ihm einfach gerne zu,
wie er mit seiner Zigarette vor dem Tonband sitzt und gedanklich in
die seelischen Abgründe von Azzurra eintaucht.