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Sonntag, 23. Juli 2017

ALLA RICERCA DEL PIACERE (1972)















HAUS DER TÖDLICHEN SÜNDEN
AMUCK (Alternativtitel)

Italien 1972
Regie: Silvio Amadio

DarstellerInnen: Farley Granger, Barbara Bouchet, Rosalba Neri, Umberto Raho, Peter Martinovitch, Nino Segurini, Patrizia Viotti, Dino Mele u.a.


Inhalt:
Die aus London stammende Greta Franklin zieht als Privatsekretärin in die Villa des Schriftstellers Richard Stuart. In Wirklichkeit geht es ihr nicht um den attraktiven Job in Venedig, sondern um die Suche nach ihrer verschwundenen Freundin Sally, die bis vor Kurzem ebenfalls Sekretärin im Hause Stuart war. Richard und seine Frau Eleanora verhalten sich von Anfang an so, als ob sie etwas vertuschen möchten. Leider glaubt der für den Vermissten-Fall zuständige Kommissar nicht an Gretas Hypothesen und Verdächtigungen. Deshalb muss die junge Frau ohne jegliche Unterstützung ermitteln...


Neri und Bouchet in einer der wenigen Stadt-Szenen


Nicht nur mit Waffe gefährlich: Eleanora (Neri)


"Haus der tödlichen Sünden" tanzt etwas abseits des großen Giallo Reigens. Wer die Vorzüge dieses Genres ausschließlich über Fetisch, Lederhandschuhe und Rasierklingen definiert, könnte sich bei diesem Film langweilen. Für alle anderen gilt es, eine feine italienische Thriller-Rarität zu entdecken.

In gewisser Weise können bei diesem Film handlungstechnisch Parallelen zu Mario Bavas Genre-Initialzündung La ragazza che sapeva troppo gezogen werden. Greta (Barbara Bouchet) ist wie die Protagonistin in Bavas Klassiker eine Frau, die einen Mord aufklären möchte, sich dabei der Gefahr ihres Vorhabens aber nicht immer völlig bewusst zu sein scheint.
Im Gegensatz zu den weitaus häufiger skizzierten Frauen-Stereotypen im Giallo, in denen die Darstellung der Frauen auf die Rolle des (potentiellen) Opfers oder der irren Täterin reduziert wird, betätigt sich Greta detektivisch. Dabei ist sie ganz auf sich allein gestellt und darf keinem Menschen trauen.
Dennoch ruft ihre "Ermittlungstaktik" etwas Kopfschütteln hervor.
Sie lässt sich mehrmals unter Drogen setzen, nimmt an den sexuellen Ausschweifungen im Haushalt des dekadenten Paars teil und zieht auch nicht von dannen, als auf sie geschossen wird.
Greta nistet sich in der Villa ein wie die Made im Speck, sammelt Informationen, beobachtet und wartet ab, was passiert.
Ihre Beharrlichkeit, mit der sie trotz der ihr entgegengebrachten subtilen und offenen Feindseligkeit im Stuart Haushalt verweilt, wirkt radikal, könnte in manchen Momenten aber auch negativ als "naiv" gedeutet werden.
Ähnlich wie bei Gregory Moore, der sich in Malastrana sehenden Auges in Lebensgefahr begibt, um das Verschwinden seiner Freundin aufzuklären, besteht auch bei Greta eine tiefere emotionale Bindung zu der vermissten Sally. Wie bei Gregory wird auch für sie die Suche nach der Wahrheit zu einer Obsession. Aktuelle Gefahren werden ausgeblendet oder sind nicht von Bedeutung.

Rosalba Neri ("Der Triebmörder") als Eleanora Stuart ist in diesem Film die absolute Wucht und stiehlt Frau Bouchet fast etwas die Show. Ihre Outfits, die größtenteils aus dem privaten Kleiderschrank der italienischen Diva entlehnt wurden, sind eine Augenweide.
Neris Mimik, die lüsternen Blicke, ihre aufreizende und zugleich Gefahr signalisierende Aura sind von beeindruckender Intensität. Sie hat das Aussehen einer Sphinx und lockt wie eine Sirene.
Daneben wirkt der routinierte Brite Farley Granger ("Cocktail für eine Leiche") als überheblicher Schriftsteller zwar in überzeugendem Maße distinguiert, aber beinahe etwas blass um die Nase.
Umberto Raho (Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe) schleicht als zugeknöpfter und dubioser Butler durch die Gänge.
Peter Martinovitch (Lady Frankenstein) spielt den Fischer, dessen körperliche Größe, Stärke und Potenz sich umgekehrt proportional zu seiner Intelligenz verhalten.

Dass die Hauptverdächtigen ein Schriftsteller und seine exzentrische Frau sind, bringt einen besonderen poetischen Bezug in den Film. Die Stuarts lassen sich allerlei durchtriebene, kreative Psycho-Spielchen einfallen, um der neugierigen Sekretärin das Spionieren zu vergällen. Damit wollen sie nebenbei die Überlegenheit ihres Intellekts demonstrieren.
Besonders interessant wird es, als der Autor beginnt, der schon etwas verstörten Greta eine Giallo Geschichte über einen Mord an einer Sekretärin auf Band zu sprechen.
Mit stilistisch blumigen Satzkonstruktionen und Redewendungen wie "Una solitudine senza nome" (ich schmelze bei diesen schönen italienischen Formulierungen dahin) erzählt er eine düstere Geschichte, die leider beängstigend real klingt.

"Haus der tödlichen Sünden" ist ein famoses Katz und Maus-Spiel, das sich hauptsächlich in einer stilvoll eingerichteten Villa irgendwo in der Lagune nahe Venedig abspielt. Die Stadt selbst kommt in einigen Szenen zwar vor, aber nicht auf eine prominente Art und Weise wie zum Beispiel in den klassischen Venedig-Gialli The Child – Die Stadt wird zum Alptraum oder Anima Persa.

Die Giallo-Perle "Haus der tödlichen Sünden" war über Jahrzehnte nicht offiziell in ungekürzter Fassung erhältlich und wurde nun vom Label "Camera Obscura" endlich entsprechend gewürdigt.
Die aktuelle Veröffentlichung lässt qualitativ keine Wünsche offen. Es wurden auch keine Kosten und Mühen gescheut, den Sohn des Regisseurs und die großen Damen des italienischen Kinos aus der guten alten Zeit, Barbara Bouchet und Rosalba Neri, zu interviewen. Der Soundtrack, der in all seiner Düsternis eher an einen Gotik-Horrorfilm erinnert, ist sogar als Extra auf CD enthalten.
Für mich handelt es sich bei dieser "Camera Obscura" Blu Ray um eine der schönsten Veröffentlichungen des Jahres.




Foto: Die lohnenswerte Camera Obscura Blu Ray




Dienstag, 4. Oktober 2016

LA DAMA ROSSA UCCIDE SETTE VOLTE (1972)














DIE ROTE DAME
HORROR HOUSE (Videotitel)

Deutschland, Italien 1972
Regie: Emilio Miraglia
DarstellerInnen: Barbara Bouchet, Sybil Danning, Marina Malfatti, Ugo Pagliali, Nino Corda, Marino Masé, Fabrizio Moresco u.a. 


Inhalt:
Kitty Wildenbrück hat ein dunkles Geheimnis. Sie hat versehentlich ihre Schwester Evelyn getötet, deren Leiche seitdem in einem Schrank im Keller des Wildenbrück-Schlosses vor sich hinmodert.
Eines Tages geschehen Morde in Kittys nahem Umfeld. Diese rätselhaften Tötungsdelikte wurden anscheinend von einer Frau in einem roten Umhang begangen. Will man den Beschreibungen von Zeugen Glauben schenken, hat Evelyn Wildenbrück die Morde begangen. Aber kann das wirklich sein? Kitty macht sich zunehmend Sorgen um ihr eigenes Leben, da auf ihrer Familie ein uralter Fluch lastet, der besagt, dass sie das siebte Opfer der „roten Dame“ sein wird.
Ist Evelyn tatsächlich wieder auferstanden und will ihrer Schwester ans Leder?


Schöne Cousinen: Kitty und Franziska (v.l.n.r.)


Besondere Kulisse: Schloss Neuenstein


"Die rote Dame" ist nach Die Grotte der vergessenen Leichen der zweite und letzte Giallo des Regisseurs Emilio Miraglia. Miraglia muss wohl ein besonderes Faible für den Namen "Evelyn" und die Farbe Rot gehabt haben.
Im Gegensatz zu Die Grotte der vergessenen Leichen, der auf kuriose aber vergnügliche Art etwas wirr erscheint, ist "Die rote Dame" ein Giallo von ernsterer Natur und verblüfft durch eine verschachtelte Geschichte.
Allein schon der Fluch, der auf der Familie Wildenbrück lastet, ist nicht mit einem simplen Einzeiler zu erklären.
Es geht darin nämlich um zwei Schwestern, von denen eine die andere umbringt. Die ermordete Schwester wird als "Rote Dame" wieder auferstehen und sechs Menschen (wie sie auf diese Zahl kommt und nach welchem Gesichtspunkt sie ihre Opfer erwählt, bleibt offen) töten. Das siebte Opfer soll dann die Schwester (die schwarze Dame) sein, die ihr einst das Leben nahm.
Laut dem gutmütigen, etwas ängstlichen Opa Wildenbrück ereilte dieses Schicksal bereits einige Generationen von Schwestern dieser Familie.
Dies erzählte er einst seinen minderjährigen Enkelinnen Kitty und Evelyn.
Einige Jahre später ist Kitty (Barbara Bouchet) erwachsen und Evelyn tot, offiziell allerdings nach Übersee verzogen. Als Opa Wildenbrück einen Herzinfarkt erleidet, lernen wir anlässlich der Testamentseröffnung Cousine Franziska (Marina Malfatti) kennen.
Franziska und ihr Mann Herbert sind die einzigen, die von dem Unfall Evelyns wissen und Kittys Geheimnis bewahren.

Kitty ist im Model Business als Fotografin tätig – ein Umfeld das – wie Fans von Bavas Ur-Giallo Blutige Seide wissen – geradezu prädestiniert ist für Lügen, Intrigen und Mord.
Genau in diesem Dunstkreis ermittelt nach dem ersten Mord der ehrgeizige Kommissar Toller (Marino Masé, u.a. Der Teufel führt Regie, Auge um Auge).
Kittys Vorgesetzter und Geliebter Martin wird dabei rasch zum Hauptverdächtigen des Ermittlers. Er hätte ein Motiv für den ersten Mord. Außerdem fragt man sich, warum seine (Noch-) Ehefrau in der geschlossenen Psychiatrie steckt und was der Gigolo Martin wohl damit zu tun hat.

Wie so oft bei Gialli gilt auch bei "Die rote Dame" das Prinzip "Alles ist möglich, nichts unwahrscheinlich." Jede und jeder könnte für die Morde verantwortlich sein und natürlich ist auch ein Komplott mehrerer Personen denkbar. Kein Story-Twist ist so verrückt, dass er nicht in einem Giallo-Drehbuch Platz finden könnte.
Das übernatürliche Element, der Fluch, wirft die Frage auf, ob der Geist Evelyns tatsächlich umtriebig und für das Ableben zahlreicher Charaktere verantwortlich ist. Dieses Story Element verleiht dem Drehbuch das gewisse Etwas und hebt "Die rote Dame" etwas von den klassischeren Kriminalgeschichten ab.

Doch all dies würde nicht auf so wunderbare Weise zusammenspielen, wenn nicht diese malerischen Drehorte wären.
Das Schloss der Wildenbrücks, das eine Aura von Erhabenheit, Stolz doch zugleich auch Verfall und Einsamkeit umgibt, ist der perfekte Schauplatz für das Mord-Drama, das sich zwischen den ungleichen Schwestern abspielt.
Die Modelagentur, die mit ihren sauberen gefliesten Gängen Modernität und Kälte suggeriert, ist eine ebenso stimmige Kulisse wie der Schlossgarten rund um die Würzburger Residenz, wo sich die mysteriöse rote Dame im Gebüsch versteckt.
Die Mörderin mit den langen dunklen Haaren im roten Kapuzenumhang, die nicht spricht, sondern ausschließlich schrill lacht, hat absolutes Kultpotential.


Das rote Telefon verkündet Unheil


Hot or not? Martin im Bademantel


Auch bei den Effekten wurde bei der Produktion nicht gespart. Sowohl was das eingesetzte Kunstblut (habe ich in manchen zeitgenössischen Filmen schon schlechter gesehen) als auch die stilecht ausgeleuchteten Kulissen betrifft.
Die Szene mit dem "Zaunsturz" erinnert sehr an Die toten Augen des Dr. Dracula und die Geschichte mit dem Fluch ist nicht besonders neu. Wie in die Die Grotte der vergessenen Leichen lässt sich auch hier eine gewisse stilistische Parallele Miraglias zu den Werken Mario Bavas nicht leugnen. Auch beim roten Telefon Kittys, das  in Blutige Seide ebenfalls eine wichtige Rolle spielt, können Bava KennerInnen einen gewissen Wiedererkennungswert nicht leugnen.

Barbara Bouchet und Sybil Danning sind eine Augenweide und jede für sich strahlt mehr Sex-Appeal und Persönlichkeit aus als Ugo Pagliali (in der Rolle des Frauenhelds Martin Hoffmann) es verdient hat. Immerhin ist er ein etwas selbstverliebter Fremdgänger.
Doch sowohl Kitty als auch Lulu werden von seinem Charakter und beruflichen Erfolg magisch angezogen und wohl eher nicht von seiner Figur im Bademantel oder seinen eigenartigen am Kopf pappenden strohigen Haaren. Doch gerade der untreue Martin ist es, der zum Held und Lebensretter wird, als er zufällig eine Information erhält, die zur Auflösung der Mordfälle führen könnte...

"Die rote Dame" ist ein Giallo von ganz bemerkenswerter Ästhetik, dessen Handlung kaum Leerlauf aufweist und uns deswegen keine Verschnaufpausen gönnt. Wer der Rahmenhandlung nach zahlreichen Plot-Twists und Zusammenhängen, die plötzlich aus dem Nichts herbeigeschafft werden, noch folgen kann, wird feststellen: Am Ende gibt (fast) alles wieder Sinn. Zumindest wenn man sich nicht zu sehr von der Fluch Geschichte verwirren lässt.
Die exquisit selektierten Drehorte in Deutschland heben diesen Film deutlich aus der Masse anderer italienischer Genrefilme hervor und die Killerin ist wie bereits erwähnt eine nachhaltig beeindruckende Erscheinung.

Bruno Nicolai hat für "Die rote Dame" ein musikalisches Thema kreiert, das meiner Meinung nach nicht nur perfekt auf den Film abgestimmt ist, sondern auch gemeinsam mit seiner Komposition für "Die Farben der Nacht" und einigen anderen berühmten Giallo Soundtracks (wie z.B. Morricones Musik zu Una lucertola con la pelle di donna) mit zu den Besten gehört, die das Genre zu bieten hat.

Besonders in der seit Mai verfügbaren sehr guten Bildqualität der Arrow Veröffentlichung kommt die kunstvolle Szenengestaltung und Beleuchtung dieses unterschätzten Werks erst richtig zur Geltung. Für mich ist "Die rote Dame" eines der noch viel zu wenig gewürdigten Highlights des Genres.


Fotos der Drehorte findet ihr hier.




Foto: No Shame USA, Eyecatcher DVD




Foto: Arrow Video VÖ (England)




Foto: Dagored Locandina und Plattencover



Foto: Dagored OST



Mittwoch, 1. April 2015

SPECIAL: TERZA VISIONE - 2. FESTIVAL DES ITALIENISCHEN GENREFILMS














27. - 29. März 2015
Nürnberg, KommKino und Filmhaus


Bin nun seit wenigen Tagen zurück und immer noch ganz verzaubert von der sympathischen, beinahe familiären Festival-Wohlfühl-Atmosphäre, den vielen netten Begegnungen und Gesprächen mit anderen Italo-Nerds und last but not least natürlich von den gesehenen Filmen.
Man fühlt sich irgendwie sofort zuhause im Kino und unter diesen herrlich verrückten Menschen, die offenbar einen ähnlichen Humor und Filmgeschmack haben wie man selbst.
Schön ist das. Aber ich beginne mal von vorne:


TAG 1

Anreise mit dem Zug. Neben uns plötzlich befremdliche Geräusche. Es ist unser Sitznachbar, der mit einem Plastiklöffel in gelblichem Joghurt herumgatscht, das er versucht, mit Haferflocken zu vermischen.
Zum Glück haben wir gut gefrühstückt und einen festen Magen.
Ankunft in Nürnberg am frühen Nachmittag, erst mal einchecken und nach einem kurzen Abstecher in den Müller führt unser Weg schnurstracks ins Kino, um die Dauerkarten abzuholen.




Wir steigen die Treppen hoch, bewundern im Vorbeigehen das coole Terza Visione Plakat, das im Schaukasten Bestens zur Geltung kommt und betreten den Vorraum.
Lila Wände. Ich fühle mich sofort wie zuhause, immerhin hatte ich in meiner ehemaligen Wohnung selbst einige Jahre Wände in diversen Lila-Variationen.
Von einigen Filmen ("Escalation", "Rächer der Meere", "Das nackte Cello") hängen Plakate da, die mit kurzen Filmbeschreibungen ausgestattet sind.




Nicht nur, wenn man die Deko bewundert, sondern auch bei den einleitenden Reden spürt man das Engagement und den Enthusiasmus, die in die Organisation und Umsetzung des Terza Visione geflossen sind.
Von der gemütlichen Wohlfühl-Lounge aus geht es dann mal die Treppen rauf und wir starten mit


NON SI SEVIZIA UN PAPERINO



Italien 1972
Regie: Lucio Fulci










Dieses Meisterwerk, über das ich hier bereits ausführlich philosophiert habe, auf großer Leinwand erleben zu dürfen, war die Anreise bereits wert.
"Paperino" gehört zu meinen Lieblingsfilmen und für jeden Festivalbesucher, der den Film kennt, wird heute offensichtlich, dass sich dessen Intensität und Grandiosität im Kino erst vollends entfaltet.
Obwohl ich den Film bereits mehrmals gesehen habe, stechen mir jedes Mal neue Aspekte ins Auge. Besonders die Szene, in der die Mutter eines getöteten Kindes die Trauerfeierlichkeiten in der Kirche mit den panisch und inbrünstig intonierten Worten "L' assassino è qui!" (Der Mörder ist hier!) jäh unterbricht und nacheinander alle Verdächtigten und deren Verhalten von der Kamera eingefangen werden, sorgt dieses Mal bei mir für Gänsehaut.


ESCALATION



Italien 1968
Regie: Roberto Faenza










Der beruflich erfolgreiche Vater will seinen Hippie-Sohn Luca in die Geschäftswelt einführen. Der Sohnemann (Lino Capolicchio, ich hätte ihn niemals erkannt in dieser Rolle) hat ganz Anderes im Sinn.
Er möchte sein Bewusstsein erweitern, frönt der freien Liebe, meditiert und hat Pläne, nach Indien zu reisen.
Ganz nach dem bewährten Erlkönig-Motto "Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt" unternimmt der liebe Papa einige radikale und zugleich peinliche Versuche, den zunehmend verwirrten und verstörten Luca zurechtzubiegen.
Da alles andere scheitert, engagiert er die ehrgeizige, unterkühlte und skrupellose Psychologin (zugegebenermaßen nicht gerade die Eigenschaften, die man mit diesem Berufsstand verbindet) Carla Maria.
Sie verspricht, Luca so zu manipulieren, dass er zum würdigen Nachfolger seines Vaters mutiert.
Der Plan scheint zu gelingen. Er gelingt sogar zu gut und Carla Maria hat den ein oder anderen Aspekt der Persönlichkeitsveränderung Lucas offenbar nicht mitbedacht...

"Escalation" bietet angenehmes End-Sechziger Jahre Hippie-Flair, vermengt mit zynisch-humorigen Seitenhieben auf den Kapitalismus bzw. die Menschen, die sich dieses System zunutze machen.
Keine Granate von Film, da er handlungstechnisch bis Zuletzt etwas unentschlossen wirkt, dafür gibt's aber einen Granatensoundtrack aus der Feder des unvergleichlichen Ennio Morricone zu hören.
"Dies irae" rockt den Saal!
Die im Film verwendete Symbolik (besonders gut gefallen hat mir der Eisklotz) lässt wenig Spielraum für Interpretationen. Vielmehr sendet Faenza seine Message auf eine plakative Weise in bewährter sympathischer Holzhammer Manier.
Dabei wirft er neben der bereits erwähnten Thematik ethische und philosophische Fragen auf.
Besonders augenscheinlich moralisierend und erwähnenswert sind hierbei folgende Fragen:
Wer ist geistig gesund? Der, der gelernt hat, sich dem vorherrschenden System und der Gesellschaft anzupassen oder der versucht auszubrechen? Jemand, der Psychologie studiert hat und jegliche Humanität vermissen lässt? Oder jemand, der als vermeintlich psychisch krank eingestuft wird, aber über ein soziales Gewissen verfügt?
Das alles wird aber nicht statisch dargestellt, sondern verändert sich im Laufe der Handlung.
Das Ende des Films ist wieder skurril, ein Begräbnis am Strand, im Hintergrund Fabriken und...
Moment mal!!! Was ist das? Tanzen die da etwa gerade an einem bekannten Strand in der Toskana herum?

An dieser Stelle will ich euch natürlich meine Urlaubsfotos nicht vorenthalten und einen kleinen Bildvergleich machen:


Man beachte den Hintergrund


Begräbnis-Szene in Escalation


gut erkennbar: die Zwillings-Schornsteine und das schmale Gebäude


Und jetzt meine Fotos aus dem Jahr 2009


Na, erkennt ihr die Schornsteine und das Gebäude wieder?


Heute ist da ein Naturschutzgebiet


Blick Richtung Fabriken


Der idyllische Strand - wenn man sich nicht umdreht zu den
Fabriken kommt fast Karibik-Feeling auf...


Die Geisterstunde auf dem Terza Visione war auch die Stunde der Melissa Graps...


DIE TOTEN AUGEN DES DR. DRACULA



Italien 1966
Regie: Mario Bava










Schon oft gesehen, doch natürlich noch nie so. Mit dem heimeligen Projektor-Rattern im Hintergrund erstrahlt Die toten Augen des Dr. Dracula in vollem Agfacolor-Glanz auf der Leinwand. Diese Farben!
Ich schwebe und bin ganz ehrfürchtig.
Dieser Film ist einfach nur wunderschön, Balsam für die Augen, düstere Ästhetik in Reinform und einer der wichtigsten Gotik-Filme seiner Zeit, der nicht nur Dario Argento ganz offensichtlich als Inspiration diente.
Danke liebes Terza-Programm-Team für diese exquisite Filmauswahl!


An Schlaf ist natürlich nach so einem Programm noch nicht zu denken. Erstmal wirken lassen und auf einen "Absacker" in eine Metal/Punk Kneipe, wo wir bei Bier, Iron Maiden und Tischfußball ein bisschen Zerstreuung finden.


TAG 2

Nach einem Menü im Burger King (ja ich weiß, das klingt barbarisch und das ist es auch, aber es war das Einzige, was sich zeitlich noch ausging) geht's weiter mit einer schönen Trailershow und schließlich beginnt...


RÄCHER DER MEERE



Italien 1962
Regie: Domenico Paolella










Nach "Der schwarze Korsar" mache ich nun heute die Bekanntschaft mit meinem zweiten Piratenfilm.
Es geht darin um die Abenteuer des David Robinson (Richard Harrison), der als Soldat der britischen Marine nach Australien reist, wo widerspenstige Perlentaucher der dort ansässigen Strafkolonie sich beharrlich weigern, ihre Abgaben zu bezahlen.
Sein Vorgesetzter weigert sich, David von diesem Auftrag zu befreien und so macht sich der arme David bei seinem Vater und Bruder, die ihr Dasein als Perlentaucher fristen, unbeliebt.
Kurze Zeit später hat es sich mit seiner militärischen Karriere sowieso erledigt, da David seinem Bruder zur Flucht verhilft und so den Zorn seines Kommandanten auf sich zieht.
Der arme David kann es wirklich Niemandem Recht machen. Auch bei den Piraten, die ihn vor dem Tod bewahren, kann er nicht punkten, doch immerhin hat er bei der schönen Tochter des Piratenoberhaupts (gespielt von Michelle Merciér) von Anfang an einen Stein im Brett...

"Rächer der Meere" ist ein locker-flockig-spaßiges ungemein humoriges Filmchen, das sich nie zu ernst nimmt, sondern auf angenehme Weise unterhält.
Richard Harrison darf seinen trainierten Körper in einigen Szenen zur Schau stellen (was er vermutlich auch nicht ungern tat, man erinnert sich auch schmunzelnd an ihn als Kommissar mit offenem Hemd in Der Tollwütige) und die Handlung wimmelt nur so vor unfreiwillig komischen Dialogen und Absurditäten.
Nicht zu vergessen der politisch unkorrekte Humor, und Szenen, die einfach nur zum Wundern sind, unter anderem die mit der riesigen fleischfressenden Pflanze oder die Tänze des primitiven Eingeborenenstamms. Ebenfalls verzückend-wunderlich: die dunkelbraun angeschmierte Schauspielerin Marisa Belli, die die Liebhaberin des Kommandanten spielt.
Der Schweizer Paul Muller (den mochte ich bereits sehr in Lady Frankenstein) sorgt für den ein oder anderen Lacher mit seiner Rolle als Pirat (und ehemaliger Banker) Hornblut.
In einem voll besetzten Kinosaal mit heiteren und humorvollen Menschen bereitet ein Film wie "Rächer der Meere" natürlich besonders viel Freude.


Als wir den Kinosaal über die Treppe verlassen, stehen schon viele Eltern mit Kleinkindern da und warten auf die nächste Vorstellung. Einige halten ihre Sprösslinge fest und schieben sie sanft beiseite, als sie sehen, was für Gestalten da die Treppe herunterkommen.
Jedenfalls geht's jetzt rüber in den schönen KommKino Saal,




 wo wir der kurzweiligen, viel versprechenden und treffenden Einleitung von Pelle Felsch zum nächsten Film lauschen:


DER KAMPFGIGANT



Italien 1987
Regie: Bruno Mattei










Der hochdekorierte Vietnam Veteran Bob Ross (Miles O'Keeffe) möchte seinen zehnjährigen Sohn, den er während eines Einsatzes mit einer Vietnamesin gezeugt hat, zu sich nach Amerika holen. Der arme Junge ist Halbwaise, die Mutter starb in einem Konzentrationslager.
Da kommt dem guten Ross der Auftrag vom asthmatischen Senator Blaster (Donald Pleasance), Deckname Mad Bomber (!!!), gerade gelegen. Dieser führt ihn nämlich just in die Gegend, in der er das Ziel seiner privaten Pläne lokalisiert hat, also zu seinem Sohn.
Auf dem Weg dorthin kann man doch nebenbei ein paar russische Terroristen erschießen oder noch besser sprengen. Gesagt, getan...

"Der Kampfgigant" ist einer dieser Filme, die ich zuhause vermutlich nicht einmal zu Ende geschaut hätte, aber in einem gemütlichen, leicht stickigen voll besetzten Kinosaal einfach bestens funktionieren.
Miles O' Keeffe sieht man den Tarzan (seine erste Rolle, die ihm quasi zum Durchbruch verhalf) immer noch an.
Er ist ein geleckter Schönling mit Drei-Tage-Bart im Kampfanzug und sieht einerseits blendend, andererseits zum Schreien komisch aus mit seinen halblangen Haaren. Egal, was der gute Bob gerade macht und in jeder erdenklichen Lebenssituation meint man in seinem Gesicht förmlich die Frage "Seh ich nicht schön aus"? lesen zu können. Einfach herrlich, dieser selbstverliebte Typ!
Besonders bewundernswert fand ich seine in jeder Lebenslage perfekt sitzende Frisur. Da war keine Locke an einem Ort, an dem sie nicht sein sollte.
Ein guter Kandidat für einen 3-Wetter Taft Werbespot. Der könnte dann in etwa so lauten:

Saigon. Explosionen und Wind. Das Haar sitzt. 3 Wetter Taft.
Mit dem Kampfhubschrauber über unwegsames Gelände, Nahkampfeinsatz gegen eine große Anzahl von Gegnern. Die Frisur hält. 3 Wetter Taft.
Der Dschungel brennt. Das Haar bleibt geschützt. 3 Wetter Taft.


Das prädestinierte Haarspray-Werbemodell


Verschnaufpausen gönnt Mattei seinem Publikum so gut wie gar nicht. Ein unfreiwillig komischer Dialog jagt den nächsten, Donald Pleasance, der ständig an seinem Inhalator zieht und sich in vermeintlich unbeobachteten Momenten auch noch Nasenspray reinpfeift, übertrifft sogar das Over-Acting eines Vincent Price und die Actionszenen sind auch nicht von schlechten Eltern.
Die Hintergrund-Gags wie zum Beispiel das "Friendly Butcher" Werbeschild oder die lachende Ronald Reagan Karikatur im Büro des Senator Blaster tragen ebenfalls sehr zum Amüsement des Publikums bei.
Und wenn der verwundete Kollege von Ross auf dem Boden sitzt, sich gefühlt minutenlang die verletzte Hand hält und währenddessen ständig die Worte: "Mein Bein, mein Bein! Mein Bein ist verletzt." wiederholt, dann halte ich respektvoll inne und verneige mich vor dem mutigen Regie-Giganten Mattei, der sich für kein Drehbuch zu schade war.
Danke, Bruno!
Besonders gefreut habe ich mich auch noch über den Auftritt von Luciano Pigozzi aka Alan Collins als bärtiger Vater der obligatorischen "Ich bin ein Dummchen, bitte großer starker Held rette mich-Blondine".

Einer meiner Lieblingsdialoge:
Sohn (der gar nicht gerettet werden will) zu seinem verhassten Vater:
"Alle rund um dich sterben immer. Nur du nicht.
(Verzweifelt:) WARUM?"

Ob sich die Macher der "Die nackte Kanone" Filme wohl ein Beispiel am Kampfgiganten genommen haben? Vielleicht ist dieser Film ja doch bahnbrechend, richtungsweisend und ein verkanntes Meisterwerk?
Wer weiß?

Mit verkrampften Lachmuskeln wanken wir fröhlich aus dem Kino raus, schnappen erst nach frischer kühler Luft und widmen uns dann dem nächsten Film:


RINGO KOMMT ZURÜCK
Italien 1965
Regie: Duccio Tessari

Ich kann von diesem Film leider keine Inhaltsangabe schreiben, da ich nur eine Dreiviertelstunde davon gesehen habe und diese Zeit nicht ausgereicht hat, um erfassen zu können, worum es eigentlich genau geht.
Fakt ist, dass Giuliano Gemma (für mich ist dieser Name ein Synonym für Langeweile, einzige rühmliche Ausnahme: Der Tod ritt dienstags) heißt Ringo, kehrt von irgendwoher zurück, färbt sich die blonden Haare dunkel und beobachtet die bösen Jungs in der Stadt. Einmal steht er da rum, einmal an einem anderen Ort, zwischendurch hat er kurz mal ne Schlägerei, dann unterhält er sich mit einem Pflanzenliebhaber, bei dem er wohnt und so weiter und so fort.
Die liebevoll aus zwei Fassungen zusammengestückelte dargebotene Version hat viele Genrekenner nicht nur erfreut, sondern regelrecht in Begeisterung versetzt. Leider konnte ich mich nicht für den Film erwärmen.


Also nutze ich die Gunst der Stunde, sehe mich ein bisschen in der Stadt um...




und mache interessante Einkäufe.
Nach einer Essenspause wurde das Programm fortgesetzt mit:


BORA BORA



Frankreich, Italien 1968
Regie: Ugo Liberatore










Der italienische Macho Roberto (Corrado Pani) reist nach Tahiti, um seine Frau Marita (Haydeé Politoff), die sich hier mit ihrem einheimischen Liebhaber Mani ein neues Leben aufbauen will, zurückzugewinnen.
Zuerst probiert er es mit Nettigkeiten, dann mit Prügel und schließlich klügelt er einen perfiden Plan aus, wie er die Aufmerksamkeit und den Respekt seiner Angetrauten wiedererlangen kann...

Einen gewissen Unterhaltungswert kann man "Bora Bora" nicht absprechen, über einen weiten Teil der Laufzeit besticht er durch böswillige, doch irgendwie naive xenophobe und politisch unkorrekte Sprüche und bedient diverse Klischees.
Corrado Pani (u.a. bekannt aus "Màtalo") ist ein Schauspieler mit einer markanten und einprägsamen Physiognomie, der eine faszinierende Ekelpaket-Aura in der Tradition eines Klaus Kinski verströmt.
Die wirklich gelungenen Karibik Aufnahmen erfreuen das Auge, doch irgendwann hat man sich an all dem satt gesehen.
Die Tiersnuff-Szene (die grauenvolle On-Screen-Ermordung einer unschuldigen dicken großen Schildkröte) trägt nicht zur Verbesserung der Handlung bei. Arme Morla!
Im letzten Drittel der Laufzeit wirken die ständigen Stimmungs-bzw. Partnerwechsel ermüdend, die Unentschlossenheit und Unmotiviertheit von Marita beginnt meine Nerven zu strapazieren und lässt meine Augenlider immer öfter kurz zufallen.
Die Quintessenz des Films scheint die zu sein, dass es Frauen gibt, die keine eigene Meinung haben und nicht wissen, was bzw. wen sie wollen und Männer, denen jedes (unlautere) Mittel Recht ist, um sie zurückzugewinnen. Und wenn sie sich genug anstrengen, dann klappt es auch wieder mit der Frau.
Und wenn sie nicht gestorben sind...


Durch die informative und lustige Einführung (stilecht mit aufgeklebtem Schnauzbart) von Sano Cestnik zum nächsten Film werde ich jedoch wieder munter.
Merli Filme sind immer ein Vergnügen.



COP HUNTER



Italien 1976
Regie: Marino Girolami










Maurizio Merli gibt uns in diesem Film erneut den Kommissar Betti (siehe auch Verdammte, heilige Stadt). Er wühlt und prügelt sich durch den tiefen Sumpf des Verbrechens, befreit unschuldige Schulkinder aus der Geiselhaft (wofür er sich selbst heldenhaft bereitstellt) und schlägt zu, wenn seine Gegner es nicht erwarten.
Einen Merli Film auf großer Leinwand erleben zu dürfen, ist eine Erfahrung, die ich keinesfalls missen möchte. Sein schadenfreudiges Grinsen, wenn ein Delinquent einen Autounfall hat und sein verbissenes Gesicht, wenn er den Verbrechern nicht gleich habhaft wird, kommen hier noch besser zur Geltung.
Der Film wirkt handlungstechnisch wie ein etwas lose zusammengeschustertes Flickwerk und gehört meines Erachtens nicht zu den besten Genrevertretern mit Kommissar Eisen, aber das wird durch das Kinoerlebnis gut wettgemacht.
John Saxon (hier mal nicht als Cop wie in Die Killer der Apokalypse, sondern als Bösewicht im schicken Badehöschen) macht wieder einmal eine gute Figur und einige meiner Lieblings-Nebendarsteller sind ebenfalls mit von der Partie: Omero Capanna (der Taubenspucker aus Milano Kaliber 9) und unser allseits beliebter Nello Pazzafini (ebenfalls ein Merli-Widersacher in Convoy Busters) sind als Gefängnisinsassen in Poliziotteschi beinahe unentbehrlich.


TAG 3

beginnt statt mit einem Frühstück mit einer Trailershow (dank derer ich nun weiß, dass ich "Die Möwe Jonathan" sehen muss!), die den nächsten Film einleitet, nämlich...


IM NETZ DER GOLDENEN SPINNE



Italien, England, Frankreich 1966
Regie: Alberto DeMartino










Lady Chaplin (Daniela Bianchi) sucht gemeinsam mit ihrer Helferin (die wundervolle Ida Galli) für ihren Liebhaber und Bösewicht Zoltan nach einem gesunkenen Atom-Uboot.
Ein paar Atom-Raketen kann man doch immer brauchen, oder?
Agent 077 (!), ein gewisser Dick Malloy, sucht ebenfalls danach und will den Plan der Schurken, die Bomben zu bergen, vereiteln...

Die Story ist natürlich hanebüchener Unsinn und ehrlich gesagt fiel es mir schwer, ihr zu folgen. Das stellt sich aber als nebensächlich heraus, vielmehr scheint es bei dieser James Bond Kopie um die Schauwerte zu gehen - es wird geschnöselt und getusst, geschossen und geschlagen (Stichwort: "Hier wird gemacht, was ich sage!") und geflirtet, was das Zeug hält.
Eine fachkundige Meinung zu einem Film dieses Genres lässt sich bestimmt an anderer Stelle finden.
Ich habe mich blendend amüsiert, würde mir den Film aber nicht noch einmal ansehen.
Der Soundtrack kriecht als nachhaltiger Ohrwurm in die Gehörgänge und lässt Kinobesucher singend und pfeifend aus dem Saal laufen.


Jetzt gäbe es laut Programm "Das nackte Cello" zu sehen. Wir nutzen die Gunst der Stunde allerdings für die wohlverdiente Essenspause. Unser Appetit ist mittlerweile so groß, dass wir mit unseren Bestellungen sogar einen fränkischen Wirt in Erstaunen versetzen. "Jetzt seid ihr aber satt?" fragt er  uns staunend, nachdem wir unsere letzte Mahlzeit verspeist haben.
Oh ja, das sind wir. Und fit für


DIE NÄCHTE SIND VOLLER GEFAHREN



Italien 1959
Regie: Leopoldo Savona










Ohne eine konkrete Vorstellung, was uns jetzt eigentlich erwartet, saßen die Terza Visione-DauerkartenbesitzerInnen, einige zusätzliche Besucher und eine kleine Gruppe weißhaariger Herren und Damen, die sich in diese Vorstellung verirrt hatten, im Kinosaal.
Der laut Programmheft "rare, nie auf Video erschienene Vertreter" der Genregattung "Halbstarken-Filme" beginnt für meinen Geschmack etwas befremdlich.
Man sieht drei Jungs (unter ihnen der begnadete Corrado Pani, der uns bereits "Bora Bora" bis zum bitteren Ende ertragen ließ), die wohl einige Jahre zu viel die Schulbank gedrückt haben, an ihrem ersten Ferientag.
Auch wenn man es ihnen nicht unbedingt auf den ersten Blick ansieht, sie stecken noch mitten in der Pubertät, sind risikofreudig und signalisieren mit ihrem Gehabe so etwas wie "Mir gehört die Welt".
Als sie von einem Fest des Nächtens heim laufen, kommt ihnen eine Idee, wie sie die gähnende Freizeit-Langeweile aus ihrem Leben vertreiben können.
Sie überfallen Liebespaare, die sich in dunklen Ecken in die Autositze quetschen, knöpfen ihnen Geld ab (das die Erschreckten sofort herausrücken) und erpressen sogar einen Barbesitzer, der seiner dominanten Furie von Frau fremd geht.
Das alles bleibt natürlich nicht ohne Konsequenzen...

Das Schöne an "Die Nächte sind voller Gefahren" ist neben der liebevoll gemachten Synchro ("Ich hab da ein neues Beruhigungsmittel. Es heißt Trenki Leiser und kommt aus Amerika.") die immer sympathischer und authentischer wirkenden Charaktere der Bande.
Schon nach der ersten halben Stunde störe ich mich überhaupt nicht mehr daran, dass sie nicht unbedingt wie Schuljungs aussehen, sondern fiebere einfach mit der Handlung mit und schwimme atmosphärisch auf der Spaß-Stimmungswelle im Kinosaal.
"Die Nächte sind voller Gefahren" kann man schwer beschreiben, man muss ihn erlebt haben. Eine Veröffentlichung hätte der Film auf jeden Fall verdient.
Die Seniorenrunde neben uns zeigt sich etwas enttäuscht vom dargebotenen Werk und findet ihn eher "so lala", bemerkt aber mit einer ausladenden Rundum-Geste Richtung Kinopublikum "aber die Szenerie hier ist auf jeden Fall interessant".
So hatte jeder seinen Spaß.


Ich gestehe an dieser Stelle, dass ich kein großer Fan von Dario Argento bin und in dieser Richtung noch die ein oder andere Lücke habe, aber ich war besonders neugierig auf "Opera".
Bereits im Vorfeld habe ich mir von einigen Leuten sagen lassen, dass sie absolut neidisch sind, dass ich diesen Film nun als persönliche Premiere im Kino erleben darf und lustigerweise ist Oliver Nöding in seiner einleitenden Rede auch auf diesen Aspekt nochmal eingegangen.

Meine Erwartungshaltung war groß und ich wurde (fast) nicht enttäuscht...


OPERA



Italien 1987
Regie: Dario Argento










Ich will mich gar nicht zu lange mit einer Inhaltsangabe oder Besprechung des Films aufhalten, da es mir bei diesem Blog-Eintrag mehr um die Schilderung des Festival-Erlebnisses geht und ich außerdem plane, "Opera" bald ein zweites Mal anzuschauen und mich dem Inhalt dann ausführlicher zu widmen.
Mein erster Eindruck vom Film war und ist, dass ihm eine gewisse Genialität nicht abzusprechen ist und die große Leinwand hat mich auf dieses Meisterwerk eingestimmt und definitiv angefixt.
Als alter und erfahrener Horror-Nerd entwickelt man so etwas wie einen siebten Sinn dafür, ob ein Film geschnitten ist oder nicht und bereits beim ersten Mord hatte ich diesbezüglich ein etwas ungutes Gefühl.
Die Scheren-Szene im zweiten Mord hat es nicht unbedingt besser gemacht und in der anschließenden Nachbesprechung und Analyse unter Argento-Kennern zeigten sich auch einige andere Festivalbesucher irritiert über die Schnittfassung.
Nichts desto trotz - es war mir eine Ehre, den Film erstmalig im Kino erleben zu dürfen und endlich weiß ich auch, was ich da anno 2006 im "Profondo Rosso" Laden in Rom (dazu gibt's vielleicht mal ein gesondertes Special) im Keller fotografiert habe...




Was? Ist es wirklich schon vorbei? Wir können es fast nicht fassen. Der Abschied vom Kino, von der Festival-Stimmung und von den lieben Menschen, mit denen wir die Pausen verbracht haben, fällt schwer.
Bei meinem FFF-Nights-Bericht vom letzten Jahr hatte ich noch fest angenommen, dass wir in diesem Jahr wieder nach Stuttgart fahren.
Unsere Pläne haben sich diesbezüglich ein für alle Mal verändert.
Terza Visione Drei? Da simma dabei!!!

Donnerstag, 12. Februar 2015

NON SI SEVIZIA UN PAPERINO (1972)














DON'T TORTURE A DUCKLING
QUÄLE NIE EIN KIND ZUM SCHERZ ... (Zusatz zum engl. Titel)

Italien 1972
Regie: Lucio Fulci
DarstellerInnen: Florinda Bolkan, Barbara Bouchet, Tomas Milian, Irene Papas, Marc Porel, Georges Wilson, Vito Passeri u.a.


Inhalt:
Ein abgelegenes Dorf im südlichen Italien Anfang der Siebziger Jahre. Das Verschwinden eines kleinen Jungens versetzt die BewohnerInnen in Unruhe. Als er kurze Zeit später tot aufgefunden wird, schlägt die Stimmung in Angst und Entsetzen um.
Ein Schuldiger ist schnell gefunden, doch ebenso schnell kommen Zweifel an seiner Täterschaft auf.
Auch nach der Festnahme werden weitere Kinderleichen gefunden. Die Polizei und ein zugereister Reporter ermitteln fieberhaft. Wer ist für die Morde verantwortlich und wie kann man den grausamen Killer stoppen?


Maciara (Bolkan) glaubt an Voodoo


Martelli (Milian) und Patrizia (Bouchet) suchen den Mörder


Der vom Label '84 unter dem gewöhnungsbedürftigen Titel "Don't torture a duckling - Quäle nie ein Kind zum Scherz..." erstmalig auf Deutsch veröffentlichte "Non si sevizia un paperino" zählt nicht nur unter Genre-Fans zu einem der besten Gialli, sondern wurde auch von Regisseur Lucio Fulci selbst wiederholt als sein Favorit unter seinen eigenen Werken genannt.
Auch für mich gehört er schon lange Zeit zu einem meiner persönlichen Lieblingsfilme im Giallo-Universum und die Vorfreude auf die Veröffentlichung ist dementsprechend groß. Das geht euch vermutlich nicht anders.
Wer allerdings einen "Killer mit schwarzen Handschuhen-Film" erwartet, wird enttäuscht sein.
Denn Maestro Fulci wollte sich im Jahr 1972 offenbar nicht einreihen in die Riege der Regisseure, die lediglich Adaptionen der stilistischen Vorlagen von Dario Argentos Genrefilmen ablieferten.
Er wendete sich ab von den Metropolen-Schauplätzen, der geschniegelten High Society, von schönen Frauen, die mit Rasiermessern aufgeschlitzt werden und drehte seinen dritten Giallo in der italienischen Provinz.

Die Rahmenhandlung


In "Non si sevizia un paperino" geht es ein bisschen bedächtiger zu als man es von den archetypischen Genrefilmen gemeinhin gewohnt ist.
Die Ermittlungen der Polizei und des aus Norditalien angereisten Reporters Andrea Martelli (Tomas Milian) führen immer wieder in rationale Sackgassen.
Ein minderbegabter Mann, die von der Dorfgemeinschaft geächtete Hexe Maciara (großartig: Florinda Bolkan) und eine junge Dame aus Mailand (Barbara Bouchet in einer provokanten Rolle), die ihre "Ferien" im Ort verbringt, verhalten sich verdächtig.
Doch auch der in schwarzer Magie bewanderte Einsiedler in seiner Berghütte, von allen nur Onkel Francesco genannt, erscheint suspekt.
Schlussendlich könnte es aber jeder x-beliebige Dörfler gewesen sein. (Eingefleischte Giallo-Fans wissen das natürlich genau!)

Besonders die Ereignisse rund um Maciara werden genaustens beleuchtet. Die Frau, die als Hexe gilt und um die viele Gerüchte ranken, fühlt sich offensichtlich von den Kindern, die sich immer wieder in der Nähe des Grabs ihres Babys herumtreiben, belästigt und malträtiert Voodoo-Puppen.
Jedes Mal wird kurze Zeit später ein Junge aus der Dorf aufgefunden. Todesursache: Strangulation. Ist die wirre Frau tatsächlich brutal genug, einen Mord mit ihren bloßen Händen zu verüben?
Maciara wird von der Polizei festgenommen und legt ein Geständnis ab. Doch dieses fällt anders aus als erwartet und verblüfft die Beamten. Sie ist nämlich der wahnwitzigen Überzeugung, dass sie die Kinder durch ihren Zauber getötet hat.
Einer der alteingesessenen Dorfpolizisten, der bestens mit den archaischen Riten und dem Irrglauben seiner Mitmenschen vertraut ist, versucht noch halbherzig, die Freilassung der "Hexe" zu verhindern. 
Als Maciara am hellichten Tag entlassen wird und durch die gespenstisch wirkenden beinahe leeren Gassen läuft, schlägt ihr unverhohlene Verachtung und abgrundtiefer Hass entgegen.
Ihr unvermeidliches Schicksal erfüllt sich.
Die darauffolgende Szene auf dem verwahrlosten Friedhof, auf den sich die verwirrte Frau zu retten versucht, gehört zu einer der brutalsten und verstörendsten, die je in einem Film dieser Art zu sehen war. Zugleich deutet sie an, wofür Fulci  ab dem Jahr 1979 (damals mit Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies) berühmt werden sollte.

Die Schauspielerriege


Obwohl Tomas Milian (Der Berserker, Der Todesengel) und Barbara Bouchet (Milano Kaliber 9) begabte, optisch ansprechende und im italienischen Kino populäre Darsteller waren, erhielten sie verhältnismäßig wenig Screen-Time.
Einerseits ist die Handlung etwas komplex und es besteht die Notwendigkeit, viele verschiedene Charaktere zu beleuchten. Andererseits liegt es vermutlich auch daran, dass keiner der im Film vorkommenden ProtagonistInnen besonders sympathisch erscheinen soll.
Nicht einmal die Kinder wirken nett und schon gar nicht unschuldig. Im Gegenteil. Sie quälen Tiere, rauchen, spannen und schikanieren vergnüglich die ohnehin schon unglückseligen Außenseiter des Dorfes.
Die perfekt gecasteten erwachsenen Dörfler erscheinen aufgrund ihres rohen äußeren Erscheinungsbilds ebenfalls authentisch. Ihre Handlungen sind offensichtlich geprägt von ihrem verschrobenen, rückständigen Weltbild und den darin zugrunde liegenden Wertvorstellungen. Die Charakterzeichnung dieser Menschen ist schonungslos nahe an der (vorstellbaren) Realität angesiedelt.
Weitere darstellerische Bonuspunkte gewinnt "Non si sevizia un paperino" durch eine intensiv spielende Florinda Bolkan (Una lucertola con la pelle di donna, Spuren auf dem Mond), eine wie immer charismatische Irene Papas (Un posto ideale per uccidere) und einen sich gut in seine Rolle einfügenden Marc Porel (Die sieben schwarzen Noten, Eiskalte Typen auf heißen Öfen).


Homo homini lupus.


Im Gegensatz zu vielen Gialli, die das Leben von (Geld-)Adeligen bzw. der High Society abbilden, verlagerte Lucio Fulci den Schauplatz seines Films in eine fiktive süditalienische Gemeinde, die nicht nur durch ihre geographische Lage abgeschieden vom Rest der modernen Zivilisation zu sein scheint.
Auch die Weltanschauungen und der trotz des katholischen Glaubens unter der Bevölkerung verbreitete Aberglaube grenzen die Bewohner des kleinen Orts vom nördlichen Italien ab.
Fulci zeichnet in "Non si sevizia un paperino" auf eindringliche Art und Weise ein misanthropes und nihilistisches Bild einer in sich geschlossenen Gesellschaft. Aus dieser Perspektive rührt ein beachtlicher Teil der morbiden Faszination, die der Film verströmt.
Der gialloeske Plot um die Suche nach dem Killer tritt zugunsten der Gesellschaftsanalyse und der dargestellten psychologischen Dynamik im Dorf in den Hintergrund.
Fulci, der an der Entstehung des Drehbuchs beteiligt war (wenn man den Credits Glauben schenken darf), analysiert messerscharf, was Vorurteile, Aberglauben und (katholische) Moralvorstellungen in der Lage sind anzurichten.
Was Menschen im Namen von Gerechtigkeit und im Glauben, das Richtige zu tun, imstande sind, anderen an physischer und psychischer Gewalt zuzufügen. Wie schnell jemand zum Sündenbock wird und wie grausam und menschenverachtend mit Individuen, die am Rande der Gesellschaft stehen, umgegangen wird.

Das Vorbild?


Die inhaltliche bzw. thematische Ähnlichkeit zu Brunello Rondis 1963 entstandenen Il Demonio erscheint mir frappierend.
In beiden Geschichten geht es um eine psychisch instabile Außenseiterin, sesshaft in einem kleinen süditalienischen Provinznest, in dem die BewohnerInnen trotz Christianisierung an diversen abergläubischen Riten und Überzeugungen festhalten.
In beiden Fällen gilt die Hauptprotagonistin als Hexe und wird von der Dorfgemeinschaft verstoßen. Und sowohl Maciara als auch Puri praktizieren schwarze Magie und glauben fest an deren Wirksamkeit.
Beide Frauen erleiden ein tragisches Schicksal.
"Non si sevizia un paperino" wurde sogar in der selben Gegend, an den selben Orten, wie Il Demonio gedreht. Ich vermute, dass Rondis grandioser, für die damalige Zeit provokanter und bahnbrechender Film eine wichtige Inspirationsquelle für Fulci gewesen sein muss.

Fulci, der Provokateur


Wie bereits anlässlich des Erscheinens von Fulcis Una lucertola con la pelle di donna (1971) verschaffte "Non si sevizia un paperino" (1972) dem exzentrischen Regie-Talent wieder einmal das zweifelhafte Vergnügen, vor Gericht erscheinen zu müssen und dem Kadi Rede und Antwort zu stehen.
Während im Jahr zuvor noch der Verdacht der Tierquälerei (die realistisch aussehende "Hunde-Szene" in Una lucertola...) Anlass zu einer offiziellen Untersuchung gab, war der Verdacht dieses Mal deutlich pikanter und schwerwiegender.
Die Szene, in der Patrizia nackt in ihrer Wohnung sitzt und einen kleinen Jungen sexuell zu reizen bzw. vielleicht auch zu verführen versucht, war nämlich der Stein des Anstoßes. Der Regisseur musste erklären, auf welche Weise diese Szene zustande gekommen ist und ob das Kind tatsächlich vor der splitternackten Schauspielerin stehen musste (was offenbar nicht der Fall war).

Das Fazit


Lucio Fulci ergänzt in seinem dritten Giallo bekannte und bewährte Elemente des Genres durch Tabuthemen sowie einen sozial- bzw. gesellschaftskritischem Subtext und setzt die Geschichte in einer schonungslosen visuellen Radikalität um.
"Non si sevizia un paperino" ist ein Ausnahme-Giallo, der eine Atmosphäre der Trostlosigkeit und Feindseligkeit kreiert wie nur wenige Exemplare dieser Filmgattung.


Einen Bildvergleich der Locations aus dem Jahr 1972 und 2015 gibt es hier.




Foto: DVD von Anchor Bay und Shameless





Foto: Arrow Video VÖ




Foto: OST auf Vinyl