Sonntag, 15. Dezember 2019

THE FOG (1980)














THE FOG – NEBEL DES GRAUENS

USA 1980
Regie: John Carpenter
DarstellerInnen: Adrienne Barbeau, Jamie Lee Curtis, Janet Leigh, John Houseman, Tom Atkins, Nancy Kyles (als Nancy Loomis), Hal Holbrook u.a.

Inhalt:
Im beschaulichen kleinen Küstenort Antonio Bay stehen die Feierlichkeiten anlässlich des 100 Jahre Jubiläums der Stadtgründung an. Diese werden überschattet von unerklärlichen Todesfällen und vermissten Einwohnern, rätselhaften gespenstischen Phänomenen und einer sich kontinuierlich nähernden geheimnisvoll leuchtenden Nebelwand. Als Pater Malone herausfindet, dass ein Fluch auf dem Ort liegt, ist es beinahe schon zu spät...


Sympathische Charaktere: Nick (Atkins) und Elizabeth (Curtis)


Radiomoderatorin Stevie - Heldin des Films


Ich würde ja gerne schreiben, dass ich ein Fan erster Stunde dieses wunderbaren Gruselfilms bin. Dies wäre jedoch eine glatte Lüge. In Wahrheit kam mir "The Fog" sogar ziemlich langweilig vor. Im Vergleich zu dem damals von mir favorisierten Effekt-lastigen Poltergeist machte diese Grusel-Story auf mein kindliches Ich einen schlichtweg biederen und ordentlich angestaubten Eindruck. Ich hatte anno dazumal auch meine liebe Mühe mit den Charakteren, die so gar nicht zu mir zu sprechen schienen.
Erst im Erwachsenenalter öffnete sich mein Bewusstsein für die wahre Virtuosität und admirable düstere Ästhetik dieser zeitlosen Gespenstergeschichte.
Und mit jeder Generation neuer Technik (Video-DVD-Blu Ray und nun UHD bzw. Mono-Stereo-Dolby Digital-DTS HD) erlebe ich "The Fog" nicht nur neu, sondern auch eindrücklicher.


Der titelgebende Nebel - widernatürliches Naturphänomen


Die Aufnahmen der unnatürlich weiß glühenden, dichten Nebelwand und die von John Carpenter komponierte treibende Synthesizer Melodie illustrieren eine perfekte gespenstische Symbiose.
Zugleich kann der Nebel als versinnbildlichte Vertuschung eines Verbrechens und die Vernebelung der Vergangenheit interpretiert werden.
Die wahre Geschichte der gefeierten Gründerväter Antonio Bays fußt auf Habgier, Ausbeutung und blutigem Verrat. Doch als Pater Malone die Vergehen seiner Vorfahren ans Tageslicht bringen möchte, will es die First Lady des Ortes zunächst nicht hören.
Sein berechtigter Einwand, dass die Festivitäten eine Farce sind und die Stadt Mörder feiert, verpufft wie im Nebel. Alles läuft gemäß dem bewährten Grundsatz "The show must go on". Immerhin steht das Programm schon und wer interessiert sich für krude alte Geschichten?
Mit dieser Storyline rückt "The Fog" unangenehm nahe heran an die dunkle Natur des Menschen und die Abgründe der vorgeblich zivilisierten Gesellschaft. Näher jedenfalls, als man dies bei einem Genrefilm auf den ersten Blick vermuten würde.
Der Eroberung neuer Lebensräume und der Entwicklung von reichen Gemeinden bzw. Nationen gingen bzw. gehen bekanntlich nur allzu oft die schrecklichsten Gräueltaten voraus.
Wie sich herausstellt, haben die ersten Siedler in Antonio Bay vor hundert Jahren alles andere als ein Kavaliersdelikt begangen.
Sie nahmen das Gold der kranken Menschen und boten ihnen im Gegensatz einen Ort zum Leben an. Bis zum bitteren Ende gaukelten sie ihnen vor, sie willkommen zu heißen und lockten sie auf hoher See durch das Aussenden von falschen Leuchtsignalen in eine tödliche Falle.
Sie mussten sich dadurch nicht einmal selbst die Hände schmutzig machen.
Das grausame Kalkül, mit dem die Siedler einst vorgingen, sorgt bei empathischen Zuschauern neben den bedrohlich in Szene gesetzten aktuellen paranormalen Phänomenen in der Stadt für weiteres Unbehagen.

Der Nebel und was auch immer sich genau darin befinden mag (darüber lässt uns Carpenter bis kurz vor Ende im Unklaren) wirkt wie ein verbindendes Element zwischen den zunächst parallel präsentierten Abenteuern mehrerer ProtagonistInnen. Obwohl die wichtigsten handelnden Personen im Film erst gegen Ende aufeinander treffen scheint eine Szene nahtlos in die nächste überzugreifen und sich in der Zusammenschau, ähnlich wie der kontinuierlich näher fließende Nebel, immer mehr zu verdichten.


Revenge is a dish best served cold


Angenehmerweise sind alle Figuren (mit Einschränkung des etwas schmierigen Meteorologen und den Säufern auf dem Boot) sympathisch und vor allem authentisch. Sie agieren einfach wie aus dem Leben gegriffen. Dies ist in Anbetracht der Entstehungszeit und des Genres, in dem häufig besonders bei weiblichen Charakteren immens übertriebene Hysterie, Hilflosigkeit und daraus resultierendes kopfloses Agieren vorherrscht, eher als Ausnahme zu sehen.
Manche Frauenfiguren wirken für einen Film, der Ende der Siebziger Jahre gedreht wurde, sogar regelrecht modern. Besonders die heldenhafte allein erziehende Mutter Stevie (Adrienne Barbeau), die einen Radiosender betreibt und angesichts der Gefahr auf ihrem Posten (dem Leuchtturm) bleibt, um die Bevölkerung zu warnen und Rettung für ihren Sohn zu organisieren. Natürlich muss hier auch die junge Elizabeth (Jamie Lee Curtis), die als Anhalterin durch die Lande reist und von einem selbstbestimmten und unabhängigen Leben träumt, erwähnt werden.
Nick Castle (Tom Atkins) ist zwar ein Mann der Tat, drängt sich jedoch nicht in den Vordergrund. Obwohl der Schauspieler Atkins über herausragende Merkmale wie ein eher grobschlächtiges Gesicht und einen sportlich-stämmigen Körperbau verfügt, wirkt er irgendwie sanftmütig.
Die Figuren-Konstellation in "The Fog" ist schön ausbalanciert. Man erfährt nur rudimentär Persönliches oder Biographisches und doch lernt man die ProtagonIstinnen gut genug kennen, um sie nicht beliebig und austauschbar wirken zu lassen.
Doch das wichtigste Element der Geschichte sind selbstverständlich der titelgebende Nebel und die Gefahr, die hinter dem weißen Schleier verborgen ist und für die es keine Hindernisse gibt.
Der Nebel schiebt sich in jede Straße, in jedes Haus von Antonio Bay. Es gibt kein Entrinnen, auch nicht für Stevie, die sich im Leuchtturm weit über der Stadt befindet. Es gibt keine Sicherheit und die Gespenster der Vergangenheit kennen kein Erbarmen.

Die Aufnahmen des in diesem Fall widernatürlichen Naturphänomens, das sich unerbittlich seinen Platz in der Landschaft erobert, sind ästhetisch und wirken so sonderbar eigentümlich zugleich.
Wie es sich für eine gute Gruselgeschichte gebührt.
Die unheimliche Lagerfeuergeschichte, die der alte Seemann zu Beginn den ehrfürchtig lauschenden Kindern erzählt, stellt für mich die Quintessenz des Films dar und ist zugleich eine Vorwegnahme dessen, was das Kind in jedem von uns bei "The Fog" erwartet.




Fotos: DVD von Kinowelt und darunter UHD-Disc, Blu Ray und OST von Studio Canal






Foto:  OST von Death Waltz als Coloured Vinyl



Sonntag, 1. Dezember 2019

PANICO EN EL TRANSIBERIANO (1973)














HORROR EXPRESS

GB, ES 1973
Regie: Eugenio Martin
DarstellerInnen: Christopher Lee, Peter Cushing, Alberto de Mendoza, Silvia Tortosa, Helga Liné, George Rigaud, Telly Savalas, Victor Israel, Alice Reinheart u.a.


Inhalt:
Professor Saxton glaubt, er hat bei einer Expedition in die Mandschurei eine bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckung gemacht. Nun fährt er zufrieden mit der transsibirischen Eisenbahn und seinem Fund im Gepäck, eine Art gefrorener Menschenaffe, zurück nach England. Unglücklicherweise taut das Vieh auf und ermordet einen Zugpassagier nach dem anderen. Der Professor und sein Landsmann Dr. Wells versuchen es zu stoppen...


Dr. Wells (Cushing) und Assistentin Miss Jones (Reinheart)


Unorthodoxe Autopsie bei schummriger Beleuchtung


In Anbetracht des Entstehungsjahrs 1973 und im Vergleich zu anderen Produktionen mit Christopher Lee und Peter Cushing ist "Horror Express" als relativ rasant zu bezeichnen.
Die Expedition, die Professor Saxton (Lee) unternimmt, stößt im Eis auf eine bis dato unbekannte Spezies eines Menschenaffen und kurz darauf steht der stolze Wissenschaftler mit seinem verpackten Fund schon am Bahnhof, wo sich dramatische Szenen abspielen.
Ein Dieb, der sich heimlich an der mit vielen Schlössern gesicherten Kiste Saxtons zu schaffen macht, kommt auf grausame Art zu Tode. Dies bringt wiederum den auf den Zug wartenden orthodoxen Mönch Pujardow (Alberto DeMendoza in seiner skurrilsten und lustigsten Rolle) komplett zum Ausflippen. Nicht einmal das Kreuz, das er mit Kreide auf die verpackte Kiste malt, kann helfen. Die Kreide schreibt einfach nicht auf dem verfluchten Ding. Er ist der Überzeugung, dass dies ein Werk des Leibhaftigen sein muss und versucht mit inbrünstigen Gebeten (am Bahnsteig kniend) Schlimmeres zu verhindern. Resigniert bringt er das Ergebnis mit seinem starken Akzent auf den Punkt: "Wääähr iiviel is, thär is no pleehs forr the cross!"


Mönch Pujardow (de Mendoza) versucht...


... die Zuggäste zu warnen


Doch auch in der Eisenbahn gibt es rätselhafte Todesfälle und dabei geht es nicht gerade appetitlich zu. In einem Waggon wird ein Mensch seziert und dessen Schädeldecke gelüftet, um festzustellen, dass sein Gehirn seltsam glatt wirkt.
Manche unglückseligen Zugpassagiere bluten aus den Augen, die – wie der Arzt Wells beim Essen (!) eines Fischs fasziniert kombiniert, vermutlich ähnlich wie das tote glibbrige weiße Fisch-Sehorgan durch jemanden oder etwas erhitzt wurden.
Doch das ist nicht die einzige der absolut hanebüchenen wissenschaftlichen Thesen der beiden, trotz Chaos und Morden im Zug, immer die Contenance wahrenden Engländer Saxton und Wells.
Bald ist schon fast allen Zugreisenden klar – es geht ein Monster um in der transsibirischen Eisenbahn, das unerbittlich zuschlägt und die Zahl der Passagiere nach und nach dezimiert.
Es kann sogar Körper switchen, eine perfekte Tarnung, was das Problem natürlich etwas komplexer macht.

Zwischen den vereinzelt glibbrigen und blutigen Szenen sorgen ebenso interessante wie unglaublich schräge Charaktere für gediegene Unterhaltung.
Die teils erstaunlich opulent ausgestatteten Waggons (bei den Außenaufnahmen des Zugs darf man rätseln, wie das Interieur hier tatsächlich Platz hat) beherbergen so einige kauzige Gestalten.
Da wären eine polnische Gräfin und ihr Ehemann (der auch als ihr Vater durchgehen könnte), eine blinde Passagierin (die etwas im Schilde führt), die etwas biedere und über-korrekte, aber Zigarre rauchende Assistentin von Dr. Wells (die auch Gouvernante in einem Mädchen-Pensionat sein könnte) und der langhaarige finster aussehende Mönch Pujardow (der wie eine Reinkarnation Rasputins aussieht) zu nennen.
Zwischen all jenen treibt sich noch der ebenso humorlose wie ehrgeizige Inspektor Mirow herum und versucht, den Mörder ausfindig zu machen und aufzuhalten.
Dies ist natürlich auch das Ziel des Duos Saxton und Wells. Allerdings mit anderen Methoden.
Kein Geheimnis dieser Erde scheint vor den beiden schlauen Männern der Wissenschaft sicher zu sein – sogar ein Auge des Monsters wird per Mikroskop untersucht und gibt dabei preis, woher es stammt und was bzw. wen es als Letztes gesehen hat.


Ein herrlicher Auftritt: Der Kosake Kasan (Savalas)


Und wenn man beginnt zu mutmaßen, die Drehbuchautoren haben sich ein bisschen verrannt und die Geschichte gibt nichts mehr her, dann taucht plötzlich Telly Savalas als dominanter, rabiater und jähzorniger Kosaken-Hauptmann Kasan (stilecht im roten Jäckchen mit schwarzem Pelzkragen) auf. Er steigt mit seinen Untergebenen in einem sibirischen Bahnhof zu und möchte den vermeintlichen Mörder dingfest machen.
Ein lustiges Detail am Rande ist, dass er mit seinem Kragen und der wenigen Kleidung unter seinem Mäntelchen (hat er überhaupt etwas darunter an??) eher wie ein Typ, der gerade von einer Fetischparty hereinstolpert, als ein Kosake wirkt.
Jedenfalls kloppt er sich in seinem speziellen Morgenmantel erst mal quer durch die Passagiere (jeder, der aufmüpfig ist, ist immerhin verdächtig) und sorgt dann durch seine brachiale Intervention dafür, dass das Monster wieder mal den Körper wechselt und ein wahres Gemetzel unter den tapferen Kosaken anrichtet.

Diese kurzweilige englisch-spanische Co-Produktion, die auf ähnlichen Storyelementen wie (man mag es kaum glauben) "Das Ding aus einer anderen Welt" basiert, ist ein absolut obskurer und liebenswerter Film, in dem nicht nur Christopher Lee und Peter Cushing brillieren, sondern auch der in den meisten Rollen ansonsten sehr zurückhaltende und ernsthafte Alberto de Mendoza (Der Killer von Wien, Nackt über Leichen) mal so richtig am Rad dreht. Er ist für mich der heimliche Star des Films. Sein Look, verstärkt durch dunkle Augenringe und seine over the top Performance hält die tendenziös triviale Story über weite Strecken am Leben und in Gange.

Fans des europäischen Kinos jener Zeit dürfte allein beim Anblick des Casts schon ganz warm ums nostalgische Herz werden. Neben den bereits erwähnten Figuren ist Spaniens Königin des Horrorfilms Helga Liné als zwielichtige Passagierin (auch sie sorgt noch für eine lustige Wendung der Handlung) oder Georges Rigaud (Una lucertola con la pelle di donna) als Graf zu sehen.
Wie immer ein erfreulich ungustiöser Anblick – Viktor Israel. Der wohl einprägsamste und interessanteste Nebendarsteller des spanischen Genrekinos verkörperte aufgrund seiner asymmetrischen und leider keinem gängigen Schönheitsideal entsprechenden Gesichtszüge, ähnlich wie sein italienischer Zeitgenosse Luciano Rossi, unzählige dubiose Charaktere.

"Horror Express" ist eine bunte Schauergeschichte voller augenzwinkerndem Humor, aufsehenerregenden manchmal mehr, manchmal weniger gelungenen Effekten und denkwürdigen Dialogen. Durch seine zahlreichen Wendungen hält er immer wieder die ein oder andere Überraschung bereit.
"Horror Express" ist schlichtweg ein kleines Juwel im Kosmos des europäischen Genrekinos jener Dekade, der imstande ist, unser inneres Kind in Verzücken zu versetzen.
Für mich war dieser Film Liebe auf den ersten Blick.
Dank Arrow Video ist er nun endlich in schönster HD Qualität verfügbar. Da alle SchauspielerInnen beim Dreh englisch gesprochen haben, lohnt es sich, bei dieser Veröffentlichung zuzugreifen.




Foto: CCI DVD und Blu Ray von Arrow Video



Dienstag, 12. November 2019

AN AMERICAN WEREWOLF IN LONDON (1981)














AMERICAN WEREWOLF

GB, USA 1981
Regie: John Landis
DarstellerInnen: David Naughton, Jenny Agutter, Griffin Dunne, John Woodvine, Brian Glover, Sydney Bromley

Inhalt:
Die befreundeten Amerikaner David Kessler und Jack Goodman werden auf ihrer England Reise im Moor von einem Werwolf angegriffen. Jack wird zerfleischt und David überlebt leicht verletzt, muss aber fürchten, dass er sich beim nächsten Vollmond selbst in eine blutrünstige Bestie verwandelt. Jack, der nun unter den Untoten weilt und seinem Freund manchmal erscheint, versucht David zu überreden, seinem Leben rechtzeitig ein Ende zu setzen und dadurch die Blutlinie des Werwolfs zu unterbrechen...


Jack (Dunne) und David (David ) zu guten Zeiten


Was für ein schönes Logo für ein Pub


"American Werewolf" zählt ebenso wie Poltergeist und "Nightmare – Mörderische Träume" zu den Horrorfilmen aus meiner bescheidenen Video-Sammlung, die ich als Kind wohl am häufigsten gesehen und auch heute noch zum Großteil auswendig mitsprechen kann.
Anlässlich des diesjährigen Halloween Wochenendes habe ich "American Werewolf" zum ersten Mal in O-Ton angeschaut und bin ehrlich entsetzt.
Und zwar über die deutsche Synchronisation, die mir jahrzehntelang vorgegaukelt hat, dass David Kessler ein Doofi ist, der in beinahe jeder Situation halblustige flapsige Scherze macht, dass oft irgendwelche der Situation unangemessene zotige Sprüche geklopft werden, dass sich Krankenschwester Alex eher wie ein naives Mädchen als eine erwachsene Frau verhält und dass viele Charaktere (besonders weibliche) extrem unsympathisch klingen und/oder nervtötende Stimmen haben.
Das alles hat mich bis zur gestrigen Sichtung nicht sonderlich gestört. Ich unterlag nämlich der irrigen Annahme, dass es so sein muss und dass auch die Originalversion einen stärkeren Komödien-Charakter hat. Weit gefehlt. Sprüche über schlechtes Wetter wie "Da verbiegt sich einem ja die Nudel" oder angesichts drohender Gefahr im Moor "Mann, ich scheiß mir vor Angst fast in die Hose" oder wie David dem Kind im Zoo erklärt, er gibt ihm Geld für die Luftballons, weil "ich so viel Kleingeld in der Tasche habe" (während er mit beiden Händen seine Genitalien bedeckt) sucht man im Original vergeblich.
Der jüngere Kommissar von Scotland Yard, der sich unsicher verhält und etwas tolpatschig ist, wird mithilfe der Synchronisation als vollkommener Idiot dargestellt. Auch die Mentalitäts-Unterschiede zwischen Amerikanern und Engländern, die etwas augenzwinkernd angedeutet werden, kommen in der originalen Version viel besser zur Geltung.
In englischer Sprache ist der Film ernsthafter, düsterer und in der Gesamtschau schlichtweg harmonischer.

„American Werwolf“ ist Kult und nach wie vor einer meiner Lieblingsfilme, der mich immer noch fasziniert und zudem immer an Video Nachmittage mit meinem geliebten Opa (der für mich diese Filme aufnahm und mit dem ich viel darüber sprach) erinnert. Ich hätte mir nie gedacht, dass ich ihn eines Tages noch mehr zu schätzen weiß als bisher. Ab dem heutigen Tag gelobe ich feierlich, ihn nie wieder mit deutscher Synchronisation sehen zu wollen. Auch nicht aus nostalgischen Gründen. Er wird der Intention von John Landis einfach nicht gerecht.
Apropos Alter – die Szene, in der David in der Londoner U-Bahn zwischen einigen finster dreinblickenden Punks zur Belustigung von Alex Grimassen schneidet – ich stelle heute amüsiert fest, dass die Punks gar keine gefährlich aussehenden Erwachsenen, sondern ein paar Jugendliche sind.

"American Werewolf" ist einer der Horrorfilme aus den Achtzigern, dessen Effekte auch in HD auf Leinwand immer noch top aussehen. Die Arbeit von Maskenbildner Rick Baker (der wie alle Fans wissen, stunden- und tagelang Haare von Hand einzeln auf den sich verwandelnden Werwolf appliziert hat), beeindruckt damals wie heute.


David träumt, er ist ein Monster


Davids Alpträume, einerseits Versuch der Trauma-Verarbeitung, andererseits erste Vorzeichen für seine Verwandlung in ein blutrünstiges Tier, haben bis heute kein bisschen von ihrer Intensität eingebüßt.
Songs wie "Blue Moon" oder "Bad Moon Rising" sind für jeden, der "American Werewolf" jemals gesehen hat, untrennbar verbunden mit den entsprechenden Szenen.
Apropos untrennbar verbunden (was für eine schöne Überleitung) – an dieser Stelle bedanke ich mich sehr herzlich bei meiner Freundin Sabine.
Danke, dass du damals (2003 war das... Wahnsinn, schon so lange her...) Verständnis gezeigt hast für deine nervtötende Begleitung, die am Piccadilly Circus und bei der U-Bahn Station Tottenham Court Road permanent von "American Werewolf" erzählt und dir alle Szenen bis ins kleinste Detail erklärt hat.
Damals konnte ich mir noch keine Digitalkamera leisten und mein alter Fotoapparat war kaputt. Wir haben daher nur wenige Fotos gemacht.
Aber sollte es mich wieder mal nach London verschlagen, werde ich bestimmt ein oder mehrere schöne Drehort-Specials machen...


Hier habe ich die Szene, in der David zuhause anruft, nachgestellt

David telefoniert mit seiner Schwester




Foto: Blu Ray von Universal und Arrow Video (mit Schuber)




Aushangfotos

Foto: UHD Disc vom Label Turbine




Foto: Die erste Actionfigur, die ich vor 20 Jahren im Comicladen in Wien gekauft habe - Ein Nazimonster aus Davids Alptraum


Montag, 28. Oktober 2019

SPECIAL: FESTIVALBERICHT "TERRORE A NORIMBERGA"

TERRORE A NORIMBERGA 


Festival des italienischen Horrorfilms
18. - 20.10.2019  im KommKino Nürnberg


Der folgende Bericht beruht auf wahren Begebenheiten. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht rein zufällig. Psychisch instabilen oder besonders ängstlichen Menschen sowie Minderjährigen wird von der Lektüre ausdrücklich abgeraten.
Die Verfasserin der nachfolgenden Zeilen übernimmt keine Verantwortung für unerwünschte negative Gemütszustände oder Anzeichen von dämonischer Besessenheit, die möglicherweise auftreten können.

"Terrore a Norimberga" war das diesjährige Motto und daher stand das Festival-Programm ganz im Zeichen des italienischen Grusel- bzw. Horrorkinos. Wer einer so laster- und frevelhaften Veranstaltung beiwohnt, darf sich nicht wundern, wenn er selbst von finsteren Mächten heimgesucht und auf die Probe gestellt wird.
Tatsächlich wurden wir an diesem Wochenende mit einigen mysteriösen Phänomenen konfrontiert.
Unsere Nachforschungen, die wir mithilfe eines Buchs mit dem Titel "Eibon" betreiben konnten, ergaben, dass Nürnberg die Stadt der durchtriebensten aller Hexen, der Mater Horroriorum, ist.
Um ihre Existenz wissen bislang nur wenige Eingeweihte.
Im Gegensatz zu ihren berühmten Schwestern Mater Suspiriorum, Mater Lacrimarum und Mater Tenebrarum hat sie sich bis dato erfolgreich vor Dario Argento verborgen gehalten. Sie steht nicht gerne in der Öffentlichkeit und wehe dem, der ihren Namen publik macht!
(Wie aufmerksamen LateinerInnen vielleicht auffallen mag, hat sie sogar ihren eigenen Namen grammatikalisch falsch dekliniert, um über ihre wahre boshafte Durchtriebenheit hinweg zu täuschen.)
Trotz drohendem Unheil habe ich mich nun entschieden, nicht länger zu schweigen. Sollte dies mein letzter Blogbeitrag sein, ist dies ein weiterer Beweis für die Gefahr, die von der Mater Horroriorum ausgeht!






Was vorletztes Wochenende in Nürnberg geschah:

Mit unserem Ziel vor Augen und viel Geduld gelang es uns, dem Fluch der Hexe bzw. zahlreichen Baustellen zu trotzen und uns von keinem Stau (und sei er auch noch so lange) aufhalten zu lassen. Glücklicherweise glückte es auch dem aus der anderen Richtung anreisenden Festival-Veranstalter Andi dem aufgrund eines schlimmen Unfalls entstandenen Verkehrschaos rechtzeitig zu entrinnen.
In etwa zur selben Zeit trat ein gewisser Herr Reitmann, der auch in diesem Jahr für das musikalische Rahmenprogramm wieder tief in seine Soundtrack Kiste gegriffen und seiner Kreativität freien Lauf gelassen hat (danke dafür!), tapfer seinen Kampf gegen die ominöse Hoteltüre an, die sich laut Zeugenaussagen plötzlich nicht mehr schließen lassen wollte und bei jedem Versuch wie von Geisterhand wieder von selbst aufging.
Der sich zunehmend verfinsternde Himmel und der Wolkenbruch, der nur wenige Minuten vor unserer Ankunft im Hotel Wind und Regen über unser Autodach peitschte (offensichtlich ein Gruß der Mater Suspiriorum), konnte uns nicht abschrecken.
Die Tür zu dem mit Freunden und Gleichgesinnten vereinbarten Treffpunkt, ein Restaurant in der Nähe des Kinos, war verschlossen. In letzter Minute gelang es Konni jedoch, dem Zusammenstoß mit einer Glasscheibe auszuweichen und einen zweiten (etwas versteckteren) Eingang zu entdecken.
Pünktlich zum Festival-Auftakt waren jedoch alle bisherigen Widrigkeiten rasch vergessen und wir wähnten uns in (trügerischer) Sicherheit.
Der Saal des KommKinos war bis auf den letzten Platz (und darüber hinaus) besetzt als Pelle Felsch und Marcus Stiglegger, ihres Zeichens Herausgeber und Autoren des Buchs "FULCI – Filme aus Fleisch und Blut" einige erläuternde Worte zu ihrem Werk selbst sowie der Entstehungsgeschichte desselben sprachen und den Festival-Eröffnungsfilm feierlich ankündigten:


GEISTERSTADT DER ZOMBIES aka ÜBER DEM JENSEITS (IT 1981, Regie Lucio Fulci)


Auf die von Pelle ans Publikum gerichtete Frage, wer den Film noch nicht kennt, wurden nur wenige Hände etwas zaghaft in die Höhe gereckt. Der Großteil der FestivalbesucherInnen war selbstverständlich anwesend, um Geisterstadt der Zombies auf einer Kinoleinwand zu erleben. Die Qualität der Projektion war tatsächlich überraschend gut (ich habe  Woodoo... und ....Glockenseil leider auch schon in äußerst räudiger Form im Kino gesehen) und die paar fehlenden Minuten zwischen den Credits und dem Unfall des Bauarbeiters waren absolut verschmerzbar. Aufgrund der fast allen Anwesenden bekannten Rahmenhandlung und der sowieso eher lose wirkenden Inszenierung fiel dieses kleine Manko nicht besonders ins Gewicht.
Auch die Tonqualität war erstaunlich gut. Zum ersten Mal nahm ich bewusst die unheimlichen Flüsterstimmen, die sich in manchen Szenen bemerkbar machen, wahr.

Wie üblich kam der Missionierungs-Eifer einer Fulci-Fanatikerin nach dem Film etwas durch und ich ließ es mir nicht nehmen, wieder einmal die Vorzüge bzw. das meiner Meinung nach stimmigere Gesamterlebnis, das man mit der englischen Tonspur hat, zu betonen. Ich bitte alle, denen ich damit (wieder mal) in den Ohren gelegen habe, um Nachsicht.


Im Anschluss an "Geisterstadt" konnte man das vorgestellte Fulci-Buch erstehen. Inhaltlich kann ich noch nichts darüber sagen, aber die zugrunde liegende Intention der Herausgeber klingt spannend und vielversprechend. Es handelt sich dabei eben nicht um eine deutsche Kopie von "Beyond Terror", sondern um etwas inhaltlich ganz Eigenständiges, bei dem einzelne Aspekte aus Fulcis Gesamtwerk hervorgehoben und analysiert werden.
Ich freue mich schon auf die Lektüre und mit der Signatur der Autoren ist es zugleich ein schönes Andenken an dieses perfekte Festivalwochenende in Nürnberg.


L'OSESSA - OMEN DES BÖSEN (IT 1974, Regie Mario Gariazzo)


Soeben ertappe ich mich dabei, dass ich bereits zum dritten Mal nachfrage, welcher Film nochmal "L'Ossessa" war. Beim Namen "Ivan Rassimov" (Der Killer von Wien) macht es dann wieder "klick" und ich habe diese sonderbare Rassimov Holzfigur vor Augen, die eine Zeit lang bedeutungsschwanger an einem Kreuz befestigt auf einem Tisch herumliegt.
Die mustergültige Studentin Sandra soll besagte Skulptur restaurieren, wird aber nachdem sie ihre Mutter auf einer Party bei Sexspielchen mit einem Typen mit sehr vielen Zähnen (Gabriele Tinti natürlich) beobachtet, plötzlich besessen. Daher kann sie die begonnene Arbeit nicht mehr vollenden.
Aber was ist dann nochmal mit Rassimov passiert? Zuerst ist er nur rumgelegen und dann irgendwann aufgestanden, herumgelaufen und dann? Es will mir partout nicht mehr einfallen.
Nachdem die Klaviatur der gängigen Besessenheits-Klischees etwas holprig und immer eine Oktave zu hoch und im Einklang mit dem Soundtrack zu schrill auf und ab und gespielt wird, mündet der ganze Unfug in der obligatorischen Teufelsaustreibung. Dabei unternimmt niemand Geringerer als Luigi Pistilli (Leichen pflastern seinen Weg) den vergeblichen Versuch, dem Film etwas Seriosität zu verleihen. Doch leider rutscht er auf der cineastischen Sleaze-Spur und fünf Litern dämonischem Erbrochenen, das eventuell auch ein paar nicht vollständig verdaute Rollmöpse beinhaltet, aus und scheitert kläglich.

Die stellenweise derbe deutsche Synchronisation sorgte im Saal für Kopfschütteln und schallendes Gelächter.
Doch es war gar nicht so einfach, dem Film zu folgen. Das lag nicht nur an der Handlung an sich oder an der bereits fortgeschrittenen Uhrzeit, sondern auch an einem weiteren sinistren Plan der Mater Horroriorum... Die Temperatur im Kinosaal schien sich von Minute zu Minute zu erhöhen, die Luft wurde immer stickiger und am Ende des Abends klagten nicht wenige über Kreislaufbeschwerden, Kopfschmerzen und allgemeines Unwohlsein. Der Geruch, der in der viel zu warmen Luft schwebte, lässt sich am ehesten mit süß-säuerlich und muffig beschreiben.
Als Ursache dafür konnte weder (wie in "Inferno") eine Keksfabrik noch die in Nürnberg situierte Lebkuchenfabrik ausgemacht werden.


Diese gefühlt dicke Luft bereitete uns auch am zweiten Tag wieder Unbehagen. Doch der geheime Plan der Hexe, das Festival zu boykottieren ging nicht auf. Heldenhaft kämpfte Konni mit Unterstützung eines Technikers beinahe zwei Filmlängen gegen die defekte Kinosaal Lüftung und zog schlussendlich unter Applaus der Eingeweihten mit einem triumphreichen Sieg gegen die finsteren Mächte von dannen.
Vielen Dank nochmal, lieber Konni, für deinen Spezial-Einsatz (und auch für die Unterstützung beim Zusammenkleben nach dem Riss einer Filmrolle).  


DIE BESTIE VON SCHLOSS MONTE CHRISTO  (IT 1963, Regie Antonio Boccaci)


Dieser drollige Schwarz-Weiß-Streifen aus dem Jahr 1963 entpuppte sich am frühen Samstag Nachmittag als wunderbarer Einstiegsfilm für den zweiten Festival-Tag.
Die attraktive Anne (von ihrem Vater schlicht "N" genannt) ist das Ebenbild der verschollenen Gräfin, die einst im Schloss Monte Christo lebte. Außerdem hat sie immer wieder Träume und Visionen von besagter Gräfin, weshalb ihr Vater, mit dem sie eine äußerst innige Beziehung pflegt ("Das Wichtigste ist, dass du bei mir bist!") sich um ihre geistige Gesundheit sorgt.
Kein Wunder, dass der Anblick von Anne den seltsamen Mann mit dem Turban (der zur rechtfertigenden Erklärung seiner Aufmachung fortan von allen "Der Inder Rahmashandra" genannt wird) ob der verblüffenden Ähnlichkeit etwas aus der Fassung bringt. Immerhin sucht er schon lange Zeit nach seiner Liebsten.
Doch "N" verbandelt sich in Null Komma Nix mit einem Journalisten, den sie bereits kurz nach der ersten Begegnung zu ehelichen gedenkt. Ein Paradebeispiel für Liebe auf den ersten Blick.
Währenddessen geschehen im titelgebenden Schloss schauerliche Dinge. Der entstellte Schloss-Bedienstete (Die Bestie) treibt im Keller zwischen knuffligen possierlichen flauschigen Ratten (laienhaft dargestellt von Meerschweinchen) und der näheren Umgebung des Schlosses sein Unwesen.
Obwohl sämtliche interessanten Ansätze der Erzählung am Ende für obsolet erklärt werden können, ist "Die Bestie von Schloss Monte Christo" ein Film, den sich Fans des italienischen Genrekinos und einem Herz für B-Movies auf jeden Fall einmal zu Gemüte führen können.


DAS PHANTOM DER OPER (IT, HU 1998, Regie Dario Argento)


Dario Argento ist für mich einer der italienischen Kult-Genre-Regisseure, zu dem ich (im Gegensatz zu beispielsweise Bava, Fulci oder Sollima) erst sehr spät einen Zugang gefunden habe. Trotz des hohen Stellenwerts, den seine Werke bei Vielen einnehmen, überwiegen in meinen Augen die Kritikpunkte manchmal.
Die größten Schwierigkeiten bereiten mir (etwas verkürzt und beispielhaft dargestellt) die oftmals klischeehaft überzeichneten Frauenrollen in Argentos Filmen, besonders bei "Suspiria" und eben auch in "Phantom der Oper".
Während die Männer Detektivarbeit leisten dürfen, Ideengeber sind und die Handlung in seinen Filmen meist vorantreiben, wirken die Frauen in Argentos Filmen oftmals wie Getriebene oder irren eher unbeholfen von Hinweis zu Hinweis. Die tendenziell infantile und vor allem oberflächliche Charakter-Darstellung, die mir in einigen Argento Filmen negativ auffällt, reicht über das Spektrum von kopfloser Hysterie im Auge der Gefahr (vgl. Suzy Kendalls Rolle in Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe) über erwachsene Tänzerinnen, die sich gegenseitig die Zunge rausstrecken wie 5-Jährige ("Suspiria") bis zu hässlichen und schrillen, als widerwärtige Frauen dargestellte Operndiven (in "Opera" und "Das Phantom der Oper"). Nicht zu vergessen die obligatorischen Mord-Opfer, die nicht einmal den Versuch einer Gegenwehr unternehmen, da sie ohne ihre Beschützer schlichtweg nur hilflos und verloren sind.
(Eins noch vorweg: ich habe grundsätzlich Respekt vor allen Filmen und nur weil ich persönlich den künstlerischen oder emotionalen Wert, den manche Werke für andere Menschen haben mögen, nicht erkennen kann, heißt das nicht, dass ich meine Meinung als allgemeingültig verstanden haben möchte. LiebhaberInnen des Films mögen bitte bei den nachfolgenden Zeilen ein oder beide Augen zudrücken.)

In "Phantom der Oper" geht es um die junge Opernsängerin Christine (Asia Argento), die zwischen dem in der Kanalisation hausenden Phantom (Julian Sands) und dem schnöseligen Baron Raoul (der glatt als der große – auch wörtlich genommen! – Bruder des Sängers Prince durchgehen könnte) wie eine Trophäe willkürlich oder auch zufällig hin und her gereicht wird und keinen eigenen Willen oder Plan von irgendwas zu haben scheint.
Besonders die Gesangsszenen, in denen Christine naiv und hilflos wirkend auf der großen Opernbühne steht, beim Singen den Mund aufreisst wie ein Fisch, der gerade verzweifelt versucht einen Krümel zu fangen und dabei voller Verzweiflung unkoordiniert mit den Augen herumrollt, sind (kein) großartiges Schauspiel... Ich kann mir nicht helfen - irgendwie erinnert mich das Ganze etwas an eine Vorstellung der Laien-Theatergruppe meiner Cousine.
Die lose Rahmenhandlung wird angereichert mit Gore-Szenen, holprigen CGI Effekten (das Rattenfänger-Mobil) und allerlei Klamauk sowie durchaus imposanten Kamerafahrten und bildgewaltigen Aufnahmen.
Julian Sands, den ich in den frühen 90ern in seiner Rolle als "Warlock" ganz wunderbar fand, hat spätestens mit "Boxing Helena" bewiesen, dass er sich eigentlich für nichts zu schade ist. Bei Asia Argento vermute ich stark, dass sie sich die Rollen in den Filmen ihres Vaters auch nicht unbedingt selbst auf den Leib geschneidert hat und wenn sie eine Wahl gehabt hätte, das Ergebnis deutlich anders ausgefallen wäre.
Immerhin kaschiert die 35mm Projektion die qualitativ fragwürdigen computergenerierten Effekte und die von Ennio Morricone komponierte Filmmusik legt sich zwischen den für meine Ohren nervtötenden Operngesängen wie Balsam über meine arg strapazierten Trommelfelle.
Anderen mag es wohl mit der Heavy Metal Musik, die ich in Phenomena ganz toll finde, so gehen.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich schlecht streiten.




Nach der Essenspause geht es weiter mit


SUSPIRIA (IT, DE 1977, Regie Dario Argento)


Als ich 2017 anlässlich des im Zebra Kino Konstanz gezeigten Argento Double Features von "Opera" und "Suspiria" (Bericht ist hier nachzulesen) der Auffassung war, "Suspiria" nun endlich in der ultimativ besten Fassung gesehen zu haben, habe ich mich ganz offensichtlich getäuscht.

Damals schrieb ich voller Euphorie: "Die Genialität der Bildsprache, die Märchenhaftigkeit der Geschichte und die visuellen und inhaltlich vielschichtigen Ebenen zeigen sich im Kino von ihrer wahren Schönheit und Bandbreite."
Dies trifft in noch deutlicherer und ausgeprägterer Form auf die phantastische 35mm Kopie, die das KommKino in seinem Archiv hat, zu. Meine geschätzt zehnte Sichtung von Suspiria ist und bleibt ein unvergessliches Erlebnis. Endlich sehe ich diesen sagenumwobenen Film farblich unverfälscht und in der originalen Form, wie er anno 1977 im Kino zu sehen war.


ASTARON - BRUT DES SCHRECKENS (IT, DE 1980, Regie Luigi Cozzi)


Luigi Cozzis kreativer und augenzwinkernder Alien-Critters-Verschnitt funktioniert für mich am besten zuhause an einem frühen Sonntag Nachmittag.
"Astaron" erwies sich nach einem humorigen, temporeichen Anfang im weiteren Verlauf als eher zäh und streute auch den hartgesottensten FestivalbesucherInnen Sand oder vielleicht sogar grünen Ei-Schleim in die Augen, was es leider schwer bis unmöglich machte, sie offen zu halten.
(Eventuell hatte auch hier die Mater Horroriorum ihre verkrümmten Klauen im Spiel, aber dafür habe ich keine hinlänglichen Beweise.)





Festivaltag Nr. 3 wurde eingeläutet von 


SCARLETTO - SCHLOSS DES BLUTES (IT, USA 1965, Regie Massimo Pupillo)



Aus unerfindlichen Gründen wurde mir "Scarletto" bislang vorenthalten. Somit kam ich vergangenes Wochenende erstmalig in den Genuss dieses spaßigen Filmchens. Moment. Gerade erhalte ich eine Erklärung dafür: Wir haben ihn nur mit englischer Tonspur. Das lasse ich nochmal gelten, denn die deutsche Synchronisation rockt ganz gewaltig und so blieb auch im KommKino Saal kaum ein Auge trocken.
Doch bevor wir so ganz in die vollkommen irrsinnige Welt des scharlachroten Henkers abtauchen konnten, hatte die Filmrolle einen Riss und daher machten wir eine unfreiwillige Pause.
Dies war natürlich ganz eindeutig eine weitere Schikane der Mater Horroriorum.
Wie gut, dass im Vorführraum (und auch im Publikum) immer ein paar 35mm Profis des KommKinos sitzen und dies in Windeseile beheben können. So auch in diesem Fall.
In "Scarletto" geht es um eine illustre Runde, die sich aus einem ehrgeizigen Fotografen, einem Autor von Schauerromanen und einigen Fotomodellen zusammensetzt. Da die erwählte Kulisse für das Shooting (ein Schloss in den Bergen) wohl scheinbar nicht frei zugänglich ist, klettern sie am Efeu der Schloss-Fassade hoch und begehen kurzerhand Hausfriedensbruch.
Zur großen Verwunderung aller  ist das Schloss bewohnt und sein Besitzer Travis Anderson (von seiner verflossenen Geliebten, die sich zufälligerweise unter den Eindringlingen befindet, liebevoll "Trehwies" genannt) verhält sich zunächst verständlicherweise den ungeladenen Gästen gegenüber eher feindselig. Dies ändert sich jedoch schlagartig, als er unter den Models seine frühere Geliebte entdeckt und Trehwies gestattet allen, zu bleiben. Er hat immerhin ein paar Angestellte in Matrosenanzügen, die die Gäste im Auge behalten.
Was in den darauffolgenden Minuten passiert, lässt sich kaum in angemessene Worte packen.
Das Schloss verwandelt sich nicht nur in den Schauplatz von verrückten Fotoshootings, sondern entpuppt sich als eine Art Halloween Kinderspielplatz, bei dem Skelette und riesige (aber todbringende) Plastikspinnen herumgeworfen und weibliche Brüste zerkratzt werden (eine noch nie gesehene Foltermethode). Während der Held der Geschichte munter auf dem Steinboden herumkriecht muss ab und zu eine(r) der ProtagonistInnen sein oder ihr Leben lassen.
Alles ist bunt, hyperaktiv und over-the-top. Die Geschichte ist dermaßen hanebüchen und die Ideen des Regisseurs so außergewöhnlich bizarr, dass das Dargebotene wahrlich keinen Vergleich mit den skurrilsten aller Exploitationfilmen aus Bella Italia zu scheuen braucht.
Spätestens wenn der bierernst spielende Hargitay sich vor dem Spiegel selbstverliebt seine Muckis einölt und voll überzeugter Inbrunst behauptet, dass sein makelloser Körper durch die Blicke von allen Menschen besudelt wird, kann man sich vor Lachen kaum noch aufrecht im Sessel halten.
Mickey Hargitay, der Mister Universum des Jahres 1955, sieht trotz seinem eigenwilligen Aufzug (rote Strumpfhose und Henker Kostümierung) absolut bewundernswert aus.
Ich ertappe mich dabei, wie ich ständig fasziniert seine Oberschenkelmuskulatur fixiere, anstatt das ganze Bild zu betrachten.
"Scarletto" hat den bisher lustigsten aller Festivalfilme ("Der Kampfgigant" auf dem zweiten Terza Visione Festival) vom Thron gestoßen und einen fixen Platz in meinem Herzen erobert.


Falls ich die Rache der Mater Horroriorum oder den potentiellen Mordanschlag eines wütenden Dario Argento-Verehrers überlebe, werde ich im November einige meiner Urlaubsfotos, die ich beim Besuch des Drehortes (das Schloss Piccolomini in den Abruzzen) geknipst habe, veröffentlichen.



Die Treppe zum Antichrist



DIE SCHWARZE MESSE DER DÄMONEN aka DER ANTICHRIST aka 
DIE HEXE VON ROM (IT 1974, Regie Alberto DeMartino)


Der bahnbrechende Erfolg von William Friedkins "Der Exorzist" zieht bis heute zahlreiche Rip-Offs und inhaltlich ähnliche Besessenheits-Filme nach sich. Viele davon sind eher von zweifelhafter Qualität. Natürlich ließen es sich auch die Italiener, die für ihre eigenen kreativen Versionen berühmter Hollywoodfilme bekannt und berüchtigt waren, nicht nehmen, selbst diverse Beiträge zu diesem Sub-Genre zu leisten.

Während manche davon (wie zum Beispiel eben "L'Ossessa" oder "Chi sei?", in abgeschwächter Form leider auch Mario Bavas Schock) eher belustigend wirken, finden sich jedoch auch bei den Exorzismusfilm-Beiträgen aus Cinecittà einige Perlen. Neben Il medaglione insanguinato, der etwas sanftere Töne anschlägt, gewinnt auch "Schwarze Messe der Dämonen", für mich mit jeder Sichtung mehr an Substanz.
Irgendwann muss ich mich dem Film einmal etwas ausführlicher widmen, denn ich finde, er hat Einiges an (Deutungs-) Potential.
Die seit einem Kindheitstrauma an den Rollstuhl gefesselte Ippolita liebt ihren Vater vielleicht etwas mehr als dies für eine Tochter gesund sein kann und brennt vor Eifersucht, da der verehrte Herr Papa mit der schönen Greta (Anita Strindberg, u.a. bekannt aus A Lizard in a Woman's Skin) anbandelt. Ein angeblich ausgebildeter Psychiater, der zudem Parapsychologe ist (was für eine Kombination!) experimentiert mit Ippolita im Bereich von Rückführungen.
Dadurch wird sie zwar wieder gehfähig, aber es hat sich ein Dämon, vielleicht sogar Luzifer selbst, in ihrem Körper manifestiert. Wie war das nochmal? Kein Vorteil ohne Nachteil. Die bösartige Kreatur (oder auch Ippolita) veranstaltet jedenfalls all das, was Besessene gewöhnlicherweise so tun: Möbel durch die Luft fliegen lassen, derb fluchen, verführen, kotzen, in verschiedenen Fremdsprachen reden und so weiter.
Weder der Psychiater noch der geliebte Vater und auch nicht der nette Onkel, ein hoher Würdenträger der katholischen Kirche (wahrlich würdevoll gespielt von Arthur Kennedy, u.a. genial in Leichenhaus der lebenden Toten) können noch etwas ausrichten. Natürlich muss ein professioneller Exorzist zur Hilfe gerufen werden.
Neben den herausragenden Kamera Aufnahmen von Joe D'Amato (Regisseur von Buio Omega) und den von Ennio Morricone und Bruno Nicolai komponierten wunderbaren (Orgel-) Klängen sorgt Carla Gravina (übrigens auch zu sehen in Die Banditen von Mailand) mit einer fulminanten schauspielerischen Leistung für ein stimmiges Grusel-Feeling. Lediglich die sonore Synchronisationsstimme von Bud Spencer, die in manchen Szenen aus Ippolitas Mund brummt, wirkt der Ernsthaftigkeit des Films gegenüber nicht angemessen.
Alles in Allem bin ich glückselig, "Schwarze Messe" nun auch einmal in einem Kino gesehen zu haben.


INFERNO aka FEUERTANZ aka HORROR INFERNAL (IT 1980, Regie Dario Argento)


Mit "Inferno" wurde uns der schönste Festivalabschluss aller Zeiten beschert.
Es geht darin um die Studentin Rose, die kurz vor ihrem Tod Nachforschungen über die drei Mütter (Mater Suspiriorum, Lacrimarum und Tenebrarum) betreibt und ihrem in Rom aufhältigen Bruder Mark einige mysteriöse Zeilen in Form eines Hilferufs zukommen lässt.
Parallel dazu hat Mark in einem Hörsaal die erste Begegnung mit der schönsten und grausamsten der drei Schwestern, der Mater Lacrimarum. Diese wird verkörpert von der atemberaubend attraktiven Ania Pieroni, in deren tiefgründige Augen ich schon unzählige Male bei Haus an der Friedhofmauer gestarrt habe und die mich auch jetzt wieder unweigerlich in den Bann ziehen.
"Inferno", den ich schändlicherweise seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gesehen habe (es gibt einfach viel zu viele sehr gute Filme), bietet all das, was ich bei "Phantom der Oper", das von einem Stilbruch zum anderen hinkt, so schmerzlich vermisse und noch mehr.
In erster Linie beeindruckend ist die konsistent mystische Atmosphäre. "Inferno" fühlt sich an wie ein schauriger Fiebertraum, der einen morbiden Glanz verströmt und aus dem man gar nicht so schnell erwachen möchte.
Die losen Handlungsstränge sind durch eine bewundernswert ästhetische Bildsprache aneinandergeknüpft. Während man das Schicksal von einem unglückseligen Menschen zum nächsten beobachtet und immer mehr Fragen statt Antworten auftauchen, hat man den Eindruck, dass nicht nur der Schlüssel zum Geheimnis der Schwestern, sondern auch die Auflösung für manche dem Publikum präsentierte Rätsel in verborgenen Winkeln und hinter mysteriösen Zwischenwänden begraben sind.


Als der Kinosaal in voller Lautstärke (da hat wohl zuvor jemand auf Wunsch eines gewissen sympathischen Fanatikers etwas an den Reglern gedreht – ich nenne keine Namen!) von dem kongenialen Score aus der Feder von Keith Emerson beschallt wird während der Abspann über die Leinwand flackert, klebe ich ehrfürchtig an meinem Sessel und bin traurig, dass der Film und auch das Festival leider schon vorbei ist.



Unsere Ausbeute



Wenn man schließlich mit dem Lift in die Hotel-Tiefgarage hinab fährt und hofft, dass man sobald die Tür sich schleppend öffnet, nicht in einem Krankenhaus voller Zombies landet oder eine Pforte ins Jenseits betritt, freut man sich über die Spuren der Magie, die noch das Bewusstsein überlagern.
Auf den harten Boden der Realität finde ich nur allzu schnell zurück, wenn ich todmüde aus dem Bett krieche und im Spiegel noch ausgeprägtere Augenringe als sie Asia Argento jemals hatte, erblicke.
Dieser Festivalbericht ist der ausführlichste, den ich je verfasst habe. Und das, obwohl ich mich wie immer bemüht habe, mich auf das Wesentlichste zu beschränken. Ich kann es nicht verleugnen. Ich bin und bleibe einfach eine (alte) Horror-Tante. Inspiriert von diesen geballten Zelluloid Abenteuern fliegen meine Finger mit der gespenstischen Geschwindigkeit einer Besessenen über die Tastatur.
Bevor ich anfange, in Sprachen, die ich nie gelernt habe, obszöne Dinge von mir zu geben und Einrichtungsgegenstände durch die Luft fliegen (oder mich der Fluch der Mater Horroriorum ereilt), möchte ich meine vielleicht letzten Minuten bei klarem Verstand noch nutzen, ein paar allgemeine Worte über "Terrore a Norimberga" zu verlieren.

Der BesucherInnenandrang war nicht nur beim Eröffnungsfilm und erwartungsgemäß bei den Argento Werken sehr groß. Auch bei anderen Filmen, die im Rahmen des Festivals gezeigt wurden. war der KommKino Saal überraschend gut besetzt.
Andi, der Initiator und Betreiber von Italocinema.de und Festivalorganisator, hat im Vorfeld wieder einmal keine Kosten und Mühen gescheut und dank dem stilvollen Design des Creepy Images Herausgebers absolut coole und dem Anlass angemessene Programmhefte sowie Plakate drucken lassen.
Letztere wurden auch in diesem Jahr wieder großzügig verschenkt.
Die Auswahl der Filme, die er mit Unterstützung von Konni (Labelchef von Forgotten Film Entertainment und KommKino Mitglied) getroffen hat, war spitzenmäßig und die Projektionen dank der ehrenamtlich arbeitenden KommKino Mitarbeiter relativ reibungslos.
Einige Labels (namentlich genannt CMV, X-Cess, filmArt, Subkultur, Forgotten Film Entertainment und Colosseo) spendeten dankenswerterweise wieder Veröffentlichungen für die Verlosungen unter den Kinogästen.
Die Atmosphäre im Saal war (bis auf die merkwürdige Begebenheit mit der Lüftung) angenehm.
Die Filme wurden nicht (wie man es von anderen vergleichbaren Events manchmal hört) verspottet und wenn es ausnahmsweise mal jemand wagte, sein Handy zu zücken oder etwas lauter zu sprechen, fand sich immer rasch ein in der Nähe sitzender Besucher, der den Störenfried unverzüglich ermahnte.

Ich freue mich schon auf das im kommenden Jahr folgende Festival, das anlässlich eines doppelten Jubiläums im KommKino zelebriert werden wird: Es wird das zehnte Festival mit Andis Beteiligung sein und wir feiern den 5. Geburtstag seiner Italocinema Website.

Sonntag, 15. September 2019

CUJO (1983)














CUJO

USA 1983
Regie: Lewis Teague
DarstellerInnen: Dee Wallace, Danny Pintauro, Daniel Hugh Kelly, Christopher Stone, Ed Lauter u.a.

Inhalt:
Donna Trenton fährt mit ihrem 6 Jahre alten Sohn Tad zu einer abgelegenen Farm, um dort ihr Auto reparieren zu lassen. Dummerweise verreckt die Karre auf dem Hof, zu allem Übel ist auch noch der Tank leer und der gutmütige Bernhardiner Cujo, der auf der Farm lebt, hat sich in eine geifernde Bestie verwandelt. Papa Trenton ist verreist, im Auto herrscht brütende Hitze und es ist weit und breit keine Rettung in Sicht...


Vic Trenton (Kelly) und Donna (Wallace) haben Probleme


Dramatische Belagerungssituation


"Cujo" gehört zu den besten Roman-Umsetzungen des unvergleichlichen nimmermüden Autors Stephen King und soll laut Regisseur Lewis Teague sogar den für gewöhnlich in Bezug auf Verfilmungen seiner Texte besonders kritischen "Meister des Grauens" zufrieden gestellt haben.
Obwohl im Gegensatz zum Gros der in den Anfängen des Schriftstellers entstandenen Geschichten hier keine übernatürlichen Kräfte oder Monster Ursache des Grauens sind, ist die Story über den tollwütigen Bernhardiner eine der fiesesten und düstersten aus Castle Rock.
Dies hat einerseits mit dem heftigen Ende zu tun (das man mit Einverständnis von King für den Film abänderte, weil man es dem Publikum nicht zumuten wollte) und andererseits mit Cujo selbst.


Wahrlich bemitleidenswert - Cujo (Darsteller unbekannt)


Jeder, der ein Herz für Hunde hat, muss einfach Mitleid empfinden mit diesem armen Tier, das einst ein treuherziger und liebenswürdiger Familienhund war und bei vollem Bewusstsein mitbekommt, wie er sich verändert. Er leidet unter seiner Erkrankung. Nach dem Biss der Fledermaus verkriecht er sich und versucht, den Kontakt mit Menschen zu vermeiden. Man sieht ihm regelrecht an, wie er mit sich ringt und wie ihm der Lärm, den seine Besitzer verursachen, an die Nieren geht. So kämpft er zuerst mit sich selbst, bevor er gegen alle anderen kämpft.
Bei der letzten Gelegenheit, in der er noch etwas Herr über sich zu sein scheint, wendet er sich traurig von dem kleinen Jungen, den er besonders gern hatte, ab, und trottet in den Nebel.
Diese Szene finde ich besonders berührend, weil sie im übertragenen Sinn auch irgendwie für das steht, was mit Cujos Bewusstsein passiert.
Im Buch finden sich auch einige herzerweichende Beschreibungen, in denen manche Vorgänge aus Cujos Sicht dargestellt werden wie zum Beispiel diese Zeilen:

"Vielleicht sollte man an dieser Stelle erwähnen, dass er immer versucht hatte, ein guter Hund zu sein. Er hatte versucht, alle Dinge zu tun, die sein MANN und seine FRAU und besonders sein JUNGE wünschten oder von ihm erwarteten. Er wäre für sie gestorben, wenn sie es verlangt hätten. Er hatte nie jemanden töten wollen..."

Tierhorrorfilme, bei denen die Bedrohung nicht von ohnedies eher negativ konnotierten Exemplaren wie beispielsweise Alligatoren, Haien, ekligen Insekten oder sonstigen Kreaturen ausgeht, sondern an sich niedliche und nette Affen (Link, der Butler oder "King Kong") oder knuddlige Bernhardiner ("Cujo") aus nachvollziehbaren Gründen (Link weiß, dass man ihn töten will, King Kong will die Frau beschützen, Cujo ist krank) morden, sind meist besonders dramatisch.
Sie sind komplexer und facettenreicher, bauen weniger auf simple Schwarz-Weiß-Malerei, Effekte und Action, sondern setzen bewusst auf Mitgefühl und emotionale Ambivalenz des Publikums in Bezug auf das bedauernswerte Tier.

Was den Film zu einem kleinen Juwel macht, sind neben der intelligent aufgebauten Story und den hervorragenden Ekel-Effekten (Cujos Fell mit farblich undefinierbarem zähflüssigen Schleim) die hervorragenden SchauspielerInnen.
Allen voran natürlich Dee Wallace als Donna Trenton ("E.T. – Der Außerirdische", "Critters – Sie sind da", "Lords of Salem") und Danny Pintauro in der Rolle des Sohnemanns Tad.
Danny dürfte jedem, der in den 90ern ab und zu ferngesehen hat, aus der Serie "Wer ist hier der Boss?" bekannt sein. Wenn er im Auto vor lauter Angst schreit und weint oder Krampfanfälle bekommt, ist das wirklich ganz großes Kino.
Daniel Hugh Kelly, den man vor allem aus der 80er Jahre Serie "Hardcastle und McCormick" kennt, ist nicht unbedingt der große Sympathieträger, aber immerhin ist dadurch auch irgendwie nachvollziehbar, dass Donna eine Außenbeziehung führt. Zwar nicht unbedingt mit dem etwas verwahrlosten und zu Gewaltausbrüchen neigenden Steve (Christopher Stone, der leider viel zu früh verstorbene Ehemann von Dee Wallace), aber es hat sich wohl den Umständen entsprechend so entwickelt.
Donna ist eine Frau, die den Zugang zu sich selbst zwischen Haushalt und Kindererziehung verloren hat. Reduziert auf ein überholtes Hausfrauenklischee wirkt sie im Trott des Alltags irgendwie unglücklich und melancholisch. Auch die Affäre mit Steve scheint ihr keine Freude zu bereiten, sondern sie eher noch weiter in Richtung Apathie und Depression zu drängen, weshalb Donna vermutlich auch den Entschluss fasst, Steve nicht mehr zu treffen.
Doch um ihre Ehe zu retten ist es vielleicht schon zu spät. Denn Ehemann Vic hat durch einen unglücklichen Zufall schon selbst herausgefunden, warum seine Angetraute manchmal so abwesend wirkt.
Erst als Donna um das Leben ihres Sohns Tad kämpft, befreit sie sich aus ihrer Lethargie und Emotionslosigkeit und wird zur Löwenmutter und kampfbereiten Amazone.

Die Entwicklung der Charaktere und alles, was nicht ausgesprochen wird, macht die erste Hälfte des Films (bevor Cujo so richtig am Rad dreht und die klaustrophobische Belagerungssituation im Mittelpunkt des Geschehens steht) aus.
Dabei beweist Regisseur Teague viel Feingefühl und ein gutes Gespür für die stimmige Umsetzung des Romans. Und neben den Maskenbildnern und dem Hundetrainer leisteten auch andere Crew-Mitglieder einen wichtigen Beitrag zu "Cujo".
Zum Beispiel Komponist Charles Bernstein, der uns auch den schönen Soundtrack von "Nightmare on Elm Street" bescherte und viele andere Filme aus dem Bereich Horror und Science Fiction musikalisch mitgestaltet hat.
Kameramann Jan de Bont gilt aus gutem Grund als einer der technisch brillantesten der Welt. Wem nicht nur ein interessantes Drehbuch und gute SchauspielerInnen, sondern auch kunstvolle Kamera Aufnahmen wichtig sind, wird nicht umhin kommen, "Cujo" als kleines Gesamtkunstwerk zu betrachten.

"Cujo", der nun endlich ungekürzt und in bester Qualität verfügbar ist, ist einer dieser großartigen Filme, der allerdings beim Publikum (zumindest im deutschsprachigen Raum) nie wirklich einen besonders hohen Stellenwert einnehmen konnte.
Eine Hypothese dazu ist, dass er für das Horror-Publikum zu wenig Effekte und Morde bietet und für manche auch etwas zu lange braucht, um in die Gänge zu kommen.
Ich kenne den Film und das Buch seit meiner frühen Kindheit und mochte "Cujo" seit Anbeginn meiner cineastischen Sozialisation.
Aber seitdem ich ihn nun auf der Leinwand im Schattenlichter Kino in gestochen scharfen Bildern erleben durfte, ist mir schlagartig klar geworden, wie groß dieser kleine Film in Wahrheit ist.




Foto: Eureka Blu Ray und die kanadische DVD von Maple Pictures




Foto: Der Roman von Stephen King