SHOOT FIRST, DIE LATER
Italien, Mexiko 1974
Regie: Fernando Di Leo
DarstellerInnen: Luc Merenda, Richard Conte, Delia Boccardo, Raymond Pellegrin, Vittorio Caprioli, Monica Monet, Marisa Traversi u.a.
Inhalt
Comissario Domenico Malacarne, der
ehrgeizige Vorzeige-Polizist der Mailänder Exekutive, führt ein
Doppelleben. Denn er steht nicht nur im Dienst der Gesetzeshüter, sondern
nimmt auch Aufträge von hochrangigen Mafia-Mitgliedern an.
Dass dies auf Dauer nicht gut gehen
kann, erklärt sich von selbst.
(Muss natürlich auch so sein, sonst
könnte man keinen interessanten Film aus der Geschichte machen.)
Und so kommt der Tag, an dem Domenico für seine unlauteren Machenschaften büßt und um alles fürchten muss, was ihm lieb ist...
Und so kommt der Tag, an dem Domenico für seine unlauteren Machenschaften büßt und um alles fürchten muss, was ihm lieb ist...
Eines gleich vorweg: "Il poliziotto è marcio" reiht sich nahtlos in die besten Vertreter des Poliziottesco Genres ein. Umso verwunderlicher ist, dass der
Film nicht entsprechend vermarktet wurde und so nie die
Aufmerksamkeit bekam, die er eigentlich verdient.
Deshalb möchte ich ihm mit diesem
kleinen Review wenigstens den wohlverdienten Tribut zollen.
Regisseur Fernando Di Leo, bekannt für
seine besonders realistische Mafia-Trilogie, auch "Milieu-Studie" genannt (vgl. Milano Kaliber 9, Der Mafiaboss und Der Teufel führt Regie), wurde von
seinen Zeitgenossen häufig als linksintellektueller Filmemacher
charakterisiert.
So sah er sich auch selbst gerne.
Im Unterschied zu anderen Poliziotteschi
waren seine Filme näher an der Realität angesiedelt.
So nahe, dass er nicht nur juristische
Probleme mit namhaften Politikern, denen eine gewisse Nähe zur Mafia
nachgesagt wurde, sondern auch mit hochrangigen Polizeibeamten
bekommen sollte.
Letzteres hatte er laut eigener Aussage
"Il poliziotto è marcio" zu verdanken.
Die Locandine (italienische Filmplakate
bzw. Reklamezettel), auf denen der Originaltitel "Il poliziotto è marcio" (etwa: der Polizist ist korrupt) stand, lösten zudem auch einigen Unmut unter der Zivilbevölkerung aus.
Im Gegensatz zu den unschlagbaren
Superbullen, wie sie in der Regel von Maurizio Merli (vgl. Roma violenta) verkörpert
wurden, dessen rechte Faust jedem Verbrecher sogleich ein Geständnis
entlockt (und wenn nicht, hat das Draufhauen wenigstens Spaß
gemacht) oder unbeugsamen und ernsthaften Kommissaren wie der
Charakter des Mario Bertone (in Das Syndikat) erfindet Di Leo keine
stereotypen eindimensionalen Gesetzeshüter.
Eindrücklich zeigt er in "Il poliziotto è marcio" auf wenig kompromissvolle Art und Weise einen
nicht sehr heldenhaften Vertreter der Berufsgruppe.
Dafür wählte er einen bis dato eher
unbekannten Schauspieler, nämlich Luc Merenda (u.a. als Darsteller in Torso, Auge um Auge) mit seinem kantigen
Charaktergesicht und seiner sportlich-muskulösen Figur.
Er wollte bewusst keinen ganz großen
Namen als Zugpferd für seinen Film, weshalb er auf "Schnarchnase
Franco Nero" (Zitat Di Leo) oder andere zur Blütezeit des
italienischen Genre-Kinos erfolgreiche Mimen verzichtete.
Es gibt nur wenige Filme, die eine
solche Magie besitzen, das Publikum bei Laune zu halten, obwohl der
Hauptcharakter sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, sondern in
erster Linie mit Adjektiven wie "gefühlsarm", "skrupellos" und "egoistisch" beschrieben werden kann.
Was auch immer es ist - die besonders
tollen und spannenden Verfolgungsjagden oder die interessanten
Wendungen in der Geschichte - oder vielleicht die Faszination, die
trotz allem von der Figur des unberechenbaren Domenico ausgeht - es
funktioniert fabelhaft. Zumindest bei mir.
Die Emotionen, die bei Domenicos
stoischer Mimik nur erahnt werden können, werden auf jeden Fall auf
der gegenüberliegenden Seite der Leinwand geweckt.
Während Domenico immer ein bisschen
wie ferngesteuert wirkt, zeigt zumindest sein Vater (beeindruckend gespielt von Salvo Randone) Emotionen.
Das Verhältnis zwischen den beiden ist
zwar nicht besonders herzlich, aber der etwas ältere und kurz vor
der Pensionierung stehende Polizist ist sichtbar stolz auf seinen
erfolgreichen Sohn, der es in der Hierarchie der Mailänder Exekutive
weiter nach oben geschafft hat als er selbst.
Umso größer ist die Verletzung seiner
väterlichen Gefühle und seiner Polizisten-Ehre, als er realisiert,
dass er von seinem Filius getäuscht wurde.
Nicht nur die Handlungsmuster der
Vater-Sohn-Beziehung, sondern auch die komödiantischen Elemente in "Il poliziotto e´marcio" (Vittorio Caprioli als querulantischer
und exzentrischer Neapolitaner) sind beseelt von einer unverkennbar
italienischen Mentalität, die jedes italophile Herz einige Takte
höher schlagen lässt.
Die Filmmusik von Luis Enríquez Bacalov wirkt -
wenngleich ein Musikstück aus dem grandiosen Soundtrack aus Milano Kaliber 9 verwendet wurde - im Unterschied zu dem anderer großer
Poliziotteschi nicht so eingängig und zeitlos, fällt aber auch nicht
negativ auf. Sonst gibt es bei "Il poliziotto è marcio"
nicht wirklich etwas zu meckern.
Fernando Di Leo macht wie immer keine
Gefangenen. Ein harter Film. Nicht nur wegen dem beinharten Ende und
weil er die harte Realität der 70er in Italien zeigt, sondern auch,
weil er das Di Leo-typisch auf eine schmerzvoll-ungeschönte Art und
Weise tut.
Die Blu Ray von "Raro Video" verfügt zwar leider nur über englische Dub-Titles, ist aber
jeden Cent wert.
Empfehlenswert ist natürlich auch der Kauf der Fernando Di Leo Crime Box, in der sich zusätzlich die sehr guten Di Leo Werke Note 7 - Die Jungen der Gewalt und Auge um Auge befinden.
Foto: Raro Video Blu Ray
Foto: Raro Video Blu Ray