DAS VERFAHREN IST EINGESTELLT: VERGESSEN SIE'S!
Italien 1971
Regie: Damiano Damiani
DarstellerInnen: Franco Nero, Riccardo
Cucciolla, George Wilson, John Steiner, Patrizia Adiutori, Vincenzo
Basile, Claudio Nicastro u.a.
Inhalt:
Architekt Vanzi wird wegen eines
Verkehrsdelikts inhaftiert und wartet im Gefängnis auf seinen
Prozess. Da er sowohl über ausreichend Geld als auch gute Kontakte verfügt, werden ihm zu Beginn
seines Aufenthalts gewisse Gefälligkeiten zuteil. Doch diese
Sonderbehandlung findet ein jähes Ende als er sich mit seinem
vermeintlich paranoiden Zellengenossen Pesenti anfreundet. Vanzi
gerät ins Visier mächtiger und gefährlicher Drahtzieher und an den Rande eines
Nervenzusammenbruchs...
Vanzi (Nero) ist am Ende |
Sig. Rosa (Nicastro) hat die besten Verbindungen zur Unterwelt |
Regisseur Damiano Damiani wird besonders geschätzt für seine erstklassigen politischen Filme.
"Das Verfahren ist eingestellt..." ist hervorragend strukturiert. Lange Zeit hat man den Eindruck, dass
die Handlung etwas vor sich hin dümpelt zwischen der Darstellung des
Gefängnisalltags mit all seinen (gemeinhin bekannten) Tücken wie
korrupten Wachebeamten, gewaltbereiten Insassen und der
Ungleichbehandlung der Gefangenen, die mit dem sozialen und natürlich
finanziellen Status der jeweiligen Person zu tun hat.
Gemeinsam mit Architekt Vanzi (Franco
Nero) lernt man nach und nach die gefängnisinternen Hierarchien und Tücken des Alltags kennen. Vanzi bemüht sich möglichst adäquat auf die schlechten
Witze und Drohungen seiner Zellengenossen zu reagieren. Denn
innerhalb dieser Mauern muss man sich natürlich anpassen und fügen, aber auch
zum richtigen Zeitpunkt Respekt verschaffen, wenn man überleben
will.
Dass dies eine gefährliche
Gratwanderung ist, ist wohl Vanzis erste Lektion. Denn Mithäftling
Biro (herrlich fies: John Steiner), den auch die schwedischen Gardinen nicht von (weiteren) Morden
abhalten, ist unberechenbar und hat es innerhalb kurzer Zeit auf den
Architekten abgesehen.
Franco Neros Darstellung des
unbescholtenen Bürgers, der zwischen die Mühlen der Justiz geraten
ist, pendelt zwischen Dramatik und Melodramatik. Wie in manch anderen
Rollen dieses bewundernswert wandlungsfähigen Mimen sieht er auch in "Das Verfahren..." bisweilen wieder einmal aus, als hätte er
sich Zwiebelringe über die Augen gewischt und trägt darstellerisch
ganz dick auf. Doch dann nimmt er sich doch rechtzeitig wieder etwas zurück und wirkt
dadurch gleich etwas authentischer und auch sympathischer.
Die anderen Häftlinge und natürlich
auch die Wärter sind ebenfalls etwas klischeenahe charakterisiert,
doch gerade deshalb dem Unterhaltungswert des Films äußerst
zuträglich.
Mit einem leichten Augenzwinkern wird zum Beispiel der einflussreiche Mafiapate Salvatore Rosa (Claudio Nicastro,
u.a. bekannt aus Der Teufel führt Regie oder "Warum musste
Staatsanwalt Traini sterben?") als wichtige Figur in die Handlung
eingebettet ohne dass die tatsächliche Tragweite seiner Verbindungen
zur Mafia und Einflussnahme auf das Geschehen in den Vordergrund
gerückt werden. Wenn er morgens in seiner Einzelzelle gut gelaunt im Bademantel den besten
Kaffee zum fürstlichen Frühstück schlürft während die anderen Gefangenen leer ausgehen, wirkt er anfangs noch wie ein skurriler Nebencharakter.
Doch man darf sich in Wirklichkeit in
diesem Film von Nichts und Niemandem täuschen lassen und vor allem
keine voreiligen Schlüsse ziehen!
Das gilt selbstverständlich auch für den
vermeintlich von paranoiden Wahnvorstellungen getriebenen Häftling
Pesenti (Riccardo Cucciolla, u.a. bekannt aus dem Polit-Drama Betrachten wir die Angelegenheit als abgeschlossen oder Mario Bavas Wild dogs).
Der britische Schauspieler John Steiner (Goodbye und Amen, Schock), der durch seine zwielichtigen Rollen in vielen italienischen Produktionen bekannt war, verkörpert den unberechenbaren Mörder Biro. Mit seinen schiefen Beißerchen und seiner hageren großgewachsenen Statur wirkt er dabei wie aus dem Leben gegriffen. Besonders das Hof-Fußballspiel, das Biro nutzt, um möglichst viele Mitspieler zu verletzen, ist eine der ganz großen und unvergesslichen Szenen in diesem Film.
Eine kleine Anekdote am Rande: John Steiner hat sich übrigens ein adrettes schneeweißes Hollywood Gebiss machen lassen und verdient seine Brötchen heutzutage als seriöser Makler von Luxus Immobilien in Amerika.
Biro (Steiner) beim Fußballspiel |
Der britische Schauspieler John Steiner (Goodbye und Amen, Schock), der durch seine zwielichtigen Rollen in vielen italienischen Produktionen bekannt war, verkörpert den unberechenbaren Mörder Biro. Mit seinen schiefen Beißerchen und seiner hageren großgewachsenen Statur wirkt er dabei wie aus dem Leben gegriffen. Besonders das Hof-Fußballspiel, das Biro nutzt, um möglichst viele Mitspieler zu verletzen, ist eine der ganz großen und unvergesslichen Szenen in diesem Film.
Eine kleine Anekdote am Rande: John Steiner hat sich übrigens ein adrettes schneeweißes Hollywood Gebiss machen lassen und verdient seine Brötchen heutzutage als seriöser Makler von Luxus Immobilien in Amerika.
Dadurch, dass man als Zuschauer
gemeinsam mit dem zunehmend verzweifelten Architekten Vanzi durch
emotionale Höhen und Tiefen getrieben wird und gewisse Aktionen
Einzelner über einen längeren Zeitraum nicht interpretierbar sind,
ist man erst am Schluss des Films wirklich in der Lage, das Gesehene
zu einem großen Ganzen zusammenzufügen.
Etwas geplättet muss man sich dann
fragen, was in welcher Form schon von den Drahtziehern im Hintergrund geplant war
und wann sie welche Gelegenheit erkannt und spontan für ihre Zwecke genutzt haben. Ich
tendiere zu der Annahme, dass hier nichts, aber auch rein gar nichts
dem Zufall überlassen wurde und sogar die Verhaftung Vanzis Teil eines perfiden geheimen Plans gewesen sein könnte.
"Das Verfahren ist eingestellt:
Vergessen Sie's!" ist in seiner Kernaussage durch und durch
politisch. Damiani zeigt den naiven
unbescholtenen Bürger, der in den Fängen der mächtigen Drahtzieher
aus Politik und Mafia zum Spielball wird. Selten wurde in
vergleichbaren Filmen aus dieser Zeit Korruption und Machtmissbrauch in kleinen
(innerhalb der Mauern) und großen Zusammenhängen so pointiert und dabei gleichzeitig doch ungemein unterhaltsam dargestellt.