Sonntag, 19. November 2017

I TRE VOLTI DELLA PAURA (1963)















DIE DREI GESICHTER DER FURCHT
DER RING DER VERDAMMTEN (österreichischer Kinotitel)

Frankreich, Italien 1963
Regie: Mario Bava
DarstellerInnen: Boris Karloff, Mark Damon, Michèle Mercier, Glauco Onorato, Gustavo de Nardo, Rika Dialyna, Lidia Alfonsi, Jacqueline Pierreux u.a.


Inhalt:
Horror-Ikone Boris Karloff berichtet von gruseligen Begebenheiten und stimmt uns mit finsteren Prophezeiungen und Warnungen auf die folgenden drei Episoden ein, in denen es um geisteskranke ehemalige Liebhaber mit Mordabsichten, vampirähnliche Wesen im winterlichen Russland und Heimsuchungen durch Verstorbene geht...


Boris Karloff stimmt uns auf das Folgende ein...


Wenn sich der Herbst dem Winter entgegen neigt, die Tage dunkler, kälter und regnerischer werden, wenn die Bäume ihre farbenprächtigen Blätter abgeworfen haben und ihre kahlen Äste wie skelettierte Finger dem grauen Himmel entgegen recken, dann ist Zeit für "Die drei Gesichter der Furcht".

Über zehn Jahre ist es her, dass ich dieses zeitlose cineastische Kunstwerk, das damals zum Glück von Anolis veröffentlicht wurde, gesehen habe. Eigenartigerweise kann ich mich noch wie heute an diesen Winterabend erinnern, an dem ich ob der Bildsprache Bavas in einen tranceähnlichen Zustand zwischen Euphorie und ehrfüchtigem Staunen versetzt wurde.
Im Nachhinein betrachtet war dieses Erlebnis so etwas wie ein Intitationsritus und entflammte endgültig meine Liebe zum italienischen Genrekino der Sechziger und Siebziger Jahre.

Ein aschfahler Boris Karloff stimmt uns mit durchdringendem Blick und eindrücklichen Warnungen umrahmt von einem expressiven Farbspiel in bester Lagerfeuergeschichten-Manier auf die folgenden drei Beiträge ein, deren Intensität und Schauerlichkeit sich von Episode zu Episode kontinuierlich steigern.



Michèle Mercier am roten Telefon



Episode 1 – DAS TELEFON
Eine Frau erfährt aus der Zeitung, dass ihr geisteskranker und gemeingefährlicher ehemaliger Liebhaber aus dem Zuchthaus ausgebrochen ist. Kurz darauf beginnt er sie über das Telefon zu terrorisieren und behauptet, sie zu beobachten und sogar schneller bei ihr sein zu können als die Polizei...


Schon die ersten Sekunden dieses Kurz-Giallos sind sagenhaft kunstvoll inszeniert. Wir sehen eine leere Wohnung, die nur spärlich beleuchtet ist. Die Kamera fährt langsam durch den Raum. Das schrille Läuten eines roten Telefons (das später in Blutige Seide wieder auftaucht) dringt unangenehm ins Ohr und geht in einen etwas erträglicheren Nachhall über, auf den dann wieder erbarmungslos der nächste alles durchdringende Ton folgt.
Als Kind, das noch in einem Haushalt mit Wählscheibentelefon aufgewachsen ist, denke ich mir so im Nachhinein betrachtet "Eigentlich kein Wunder, dass alle immer gleich gerannt sind, wenn das Telefon gebimmelt hat."
Das enervierende Klingeln wird abgelöst vom monotonen Ticken einer Uhr, das eine nur kurze Entspannung suggeriert, bevor ganz plötzlich lautstark die Tür geöffnet wird.
Durch diese paar Sekunden wird bereits die angespannte Atmosphäre der gesamten Episode vorweggenommen, in der die schöne Michèle Mercier (Friedhof ohne Kreuze) durch Telefonterror und Drohungen beinahe in den Wahnsinn getrieben wird.
Die erste der drei Erzählungen, die häufig als die schwächste der drei eingestuft wird, bietet natürlich nicht die inszenatorische Qualität eines im selben Jahr entstandenen La ragazza che sapeva troppo oder anderer Gialli Mario Bavas. Im Grunde genommen ist es auch vermessen, überhaupt einen Vergleich anzustreben, da "Das Telefon" ein auf 23 Minuten komprimiertes psychologisches Kammerspiel in bester Thriller Tradition mit wundervollen Beleuchtungseffekten ist.
Eine verheissungs- und effektvolle Einstimmung auf



Das unheimliche Familienoberhaupt (Karloff)



Episode 2 – DER WURDELAK
Ein nobler junger Mann reitet durch das winterliche Russland. Inmitten der Ödnis entdeckt er eine kopflose Leiche und kommt kurze Zeit später bei einer verängstigten Familie unter, die ihm etwas von Wurdelaks erzählt, die der Legende nach ihren Liebsten das Blut aussaugen. Bei dieser Gelegenheit macht er Bekanntschaft mit dem alten Vater der Familie, der sich äußerst merkwürdig verhält...


Das dumpfe unheilvolle Trompetenspiel, mit der die zweite Episode beginnt, lässt schon erahnen, auf welch düstere Handlung man sich nun einlassen wird.
Die letzten Sonnenstrahlen am Firmament werden von der Last der dichten blaugrauen Wolken, die am Abendhimmel erscheinen, eingekesselt und erdrückt. Vladimir (Mark Damon) macht in der Dämmerung einen grauenvollen Fund. Es handelt sich um eine Leiche mit abgetrenntem Kopf, in deren Rücken ein Dolch steckt. Dies ist nur der erste Vorbote allen Grauens, das da noch kommen wird. Die folgenden Szenen sind in eisigen bläulichen Nebel gehüllt, es gibt kein Sonnenlicht mehr zu sehen und auch keinen Hoffnungsschimmer für die Familie, bei der Vladimir Unterschlupf findet.

"Der Wurdelak" ist von einer solch formvollendeten Morbidität durchzogen, dass alle mir geläufigen Superlative für die Beschreibung dieser ästhetischen Bildsprache als nicht ausreichend erscheinen. Die kahlen Bäume, dekorativ beleuchtete Spinnweben, der bläulich waberende Nebel, die farbenprächtig illuminierten Ruinen, die Gestalt des Großvaters (Boris Karloff) an der Fensterscheibe (Vorbote der Szene mit Melissa in Die toten Augen des Dr. Dracula) - es gibt so viele Szenenbilder, die ich am liebsten einfrieren und mir direkt an die Wand hängen möchte!

Boris Karloff als furchterregender Familientyrann Gorgo, der nach der Wurdelak Jagd unverhofft wieder bei seinen Liebsten auftaucht, guckt absolut finster aus der Kapuze und trägt ganz wesentlich zu der grimmigen Stimmung dieser Episode bei.
Glauco Onorato, der neben einigen Auf(t)ritten in Italowestern auch in Racket eine starke Rolle spielte, mimt seine Rolle ebenso intensiv wie die schöne Griechin Rika Dialyna als Maria. Susy Andersen (als Sdenka) sieht trotz ihres auffallend wuchtigen Kiefers irgendwie sehr attraktiv und geheimnisvoll aus.
Und ehe man sich aus den Fängen dieses dramatischen und finsteren Blutsauger Nachtmahrs befreit hat, findet man sich in der stürmischen regnerischen Nacht der nächsten Episode wieder...



Helen (Pierreux) hat nur Augen für den Ring



Episode 3 – DER WASSERTROPFEN
Eine Krankenschwester wird mitten in der Nacht in einen Haushalt gerufen, wo eine ältere Dame während einer Séance verstorben ist. Sie soll der Dahingeschiedenen das Totenkleid anziehen, klaut den Ring der Dame und wird alsbald nicht nur von mysteriösen Wassertropfen-Klängen heimgesucht...


Als Geräuschkulisse zur Einstimmung auf die verstörende Beschaffenheit der letzten Geschichte dient die verzerrt und dissonant wirkende Musik, die aus dem Grammophon der Krankenschwester Helen (perfekt unsympathisch gespielt von Jacqueline Pierreux) erklingt. Wie in der ersten Episode ist es wieder das Telefon, das Unheil und Verderben ankündigt. Helen erhält einen Anruf von einer verzweifelten älteren Haushälterin, die zu verängstigt ist, ihrer bei einer spiritistischen Sitzung verstorbenen Herrin das Totenhemd selbst anzuziehen.

Die gute Helen, die auf Pietät und Respekt vor den Toten keinen allzu großen Wert legt, übernimmt den nächtlichen Auftrag zunächst widerwillig und gibt die Routinierte. Doch beim Anblick der toten Frau muss sogar sie kurz durchatmen und sich am Bettpfosten festhalten...
Die Dame des Hauses hat ein schrecklich verzerrtes Gesicht, das wie im Moment großen Schocks eingefroren zu sein scheint. Die Augen der Leiche sind weit aufgerissen, der Mund offen, die Haut bereits wächsern. Die Totenstarre hat schon eingesetzt.
Dieser sehr unheimliche Anblick wird vom verstörend anmutenden Interieur der Wohnung ergänzt.
Es ist sehr dunkel, die Raumhöhe und Türen lassen die Haushälterin und die herbeigerufene Krankenschwester wie kleine verlorene Kinder wirken. Über den heruntergekommenen Teppichboden laufen scheinbar rastlos irgendwelche Katzen, auf den antiken Möbeln und in den Schubladen befinden sich Unmengen an Puppen (womit wieder Erinnerungen an Die toten Augen des Dr. Dracula geweckt werden).

Für die ruppige Krankenschwester, die der Toten den Ring vom Finger stiehlt, ist es der Beginn einer dämonischen Heimsuchung, von der der titelgebende mysteriöse Wassertropfen, der sie bis in ihre eigenen Vier Wände begleitet, noch der harmloseste Part ist.
Mit nur wenigen Minuten Laufzeit und mit spärlich aber pointiert platzierten Effekten erschuf Mario Bava eine hochgradig atmosphärische und gehaltvolle rabenschwarze Schauergeschichte, die in der Erinnerung kleben bleibt wie die Spinnweben am Kellerfenster...




Darüber, ob Bava, hätte er die Möglichkeit gehabt, einen Director's Cut seines favorisierten Werks zu erstellen, das humoristische und demaskierende Ende mit Karloff weggelassen hätte, kann nur spekuliert werden. Es bleibt fraglich, ob dieses Finale, das den Änderungswünschen der co-produzierenden AIP entsprach, in die endgültige Fassung Eingang gefunden hätte oder nicht.
Ist man mit den Filmen Bavas vertraut, freut man sich über einige Déjà-vus, da der italienische Genre Regisseur einige Motive aus "Drei Gesichter der Furcht" in seinen späteren Werken nochmals aufgegriffen hat.
Doch kann man sich ebenso für den Film begeistern wie wenn man (so wie ich damals, vor über einem Jahrzehnt) ganz unbedarft an dieses Werk herantritt und sich einspinnen lässt in das mentale Netz der stimmungsvollen Schauerromantik und der Magie der düsteren Fotografie.




Foto: DVD aus der Mario Bava Box von Anchor Bay, Anolis DVD und Arrow Blu Ray





Foto: Wunderschöne BluRay VÖ von Koch Media






Samstag, 11. November 2017

SPECIAL: FESTIVALBERICHT "NORIMBERGA VIOLENTA"

NORIMBERGA VIOLENTA 

Festival des italienischen Polizeifilms
03.-05. November 2017 im KommKino Nürnberg


Das vergangene Wochenende im KommKino stand ganz im Zeichen des italienischen Kriminalfilms – Kleinkriminelle, professionelle Gangster und Mafiosi lieferten sich wilde Verfolgungsjagden auf Motorrädern, in Lieferwagen und Lamborghinis mit ehrgeizigen Gesetzeshütern in Alfa Romeo Giulias. Auftragsmörder, Prostituierte, Zuhälter und angesehene Mitglieder der Gesellschaft mit den sprichwörtlichen Leichen im Keller – sie alle sorgten dafür, dass das von Italocinema veranstaltete "Norimberga Violenta" Festival seinem Namen gerecht wurde.



Tolles Design by Sascha


Wie immer verzichte ich an dieser Stelle auf ausführliche Reviews (sind ja andernorts nachzulesen), sondern versuche, meine ganz persönlichen Eindrücke und die Stimmung des Festivals ein bisschen zu transportieren).

Anfahrt und erste Schritte durch Nürnberg


Wegen Baustellen und einem allgemein erhöhten Verkehrsaufkommen wählten wir die von unserem Navi vorgeschlagene Alternativroute, die uns viel Ärger (und vor allem Zeit) ersparte und uns auf neues Terrain führte. Über ein paar Landstraßen und Dörfer gelangten wir nach Stein und entdecken das beeindruckende Faber Castell Schloss am Stadtrand Nürnbergs. Dass irgendwo auf unserer Strecke das "Zirndorf" Schild durchgestrichen war, schien ein Omen zu sein. Eigentlich war es schon Pflichtprogramm für uns, in Nürnberg zumindest ein (meistens doch zwei oder mehr) Zirndorfer zu trinken. Doch an diesem Wochenende war es sogar von der Getränkekarte eines unserer Stammlokale verschwunden.



Same procedure...


Nach dem Einchecken im ibis Hotel und einem kurzen Abstecher in unser Zimmer verschlug es uns in die BluRay Abteilung von "Müller". Leider war uns die Göttin des Konsums nicht wohlgesonnen, weshalb wir ohne Einkäufe wieder von dannen zogen um uns mit Flammkuchen und Crêpe im üblichen Lokal zu stärken.

Legendenbildung und ein Kurztrip nach Istanbul


Kurz vor dem Festivalstart verbreitete sich in dem Norimberga Violenta Thread auf dem Dirty Pictures Forum das Gerücht von einer sagenumwobenen vergammelten Filmhaus bzw. KommKino-Tür, die von einigen Usern als Treffpunkt auserkoren wurde.



So gammlig sieht sie in Wahrheit doch gar nicht aus


Mit alten und neuen Bekannten ging es dann erstmal in den nahe gelegenen türkischen Imbiss "Istanbul", wo wir unter Beweis stellten, dass das wichtigste Grundnahrungsmittel in Österreich Bier ist und eine Hopfen- und Malz-Mahlzeit zu uns nahmen. In Begleitung von alles durchdringenden und lang anhaftenden Essensgerüchen kam die kleine Dirty Pictures Gruppe dann schließlich im KommKino an, wo wir uns ein Programmheft schnappten, die schönen Dauerkarten entgegen nahmen und die Plakat Gallerie bestaunten. Dann ging es auch schon los mit…






















DER MAFIABOSS - SIE TÖTEN WIE SCHAKALE (IT,DE 1972; Fernando Di Leo)

Ein mitreißender unbestrittener Genreklassiker, über den ich an dieser Stelle nicht viele Worte verlieren möchte (weil ich es hier bereits getan habe).
Luca Canali, der Mann mit dem harten Betonschädel und dem weichen Herzen, rockte die Leinwand und sorgte für ein unvergessliches Kino-Erlebnis. Adolfo Celis beachtlicher Riechkolben auf großer Leinwand ist ebenfalls sehenswert. Ein kleiner cineastischer Traum wurde wahr.






















TESTAMENT IN BLEI (IT, USA 1974; Carlo Lizzani)

Regisseur Carlo Lizzani zeigt uns die Entwicklungsgeschichte der italienischen Mafia in Amerika anhand des fiktiven Charakters Crazy Joe, der sich vom Helfershelfer zu einem einflussreichen Boss zu mausern versucht. Glücklicherweise ist dieses Lizzani Werk etwas weniger bierernst und schwer als Die Banditen von Mailand oder "San Babila ore 20: un delitto inutile" und hielt das Publikum trotz fortgeschrittener Stunde wach und gut bei Laune.


Nach diesem gelungenen Festival-Warmup verschlug es uns mangels gut erreichbarer Alternativen in die Hotellobby, wo wir mit Prosecco und Bier bis zum ersten (oder zweiten?) Hahnenschrei eine kleine Wiedersehensfeier mit unseren Freunden veranstalteten.
Nach einer dreistündigen (!) Schlafenszeit starteten wir schließlich motiviert in den neuen Tag. Ein kleiner Stadtrundgang in deutlich abgekühlter Luft machte uns munter und natürlich auch hungrig. 



Das Ehekarusell lockt Kinder und Monster an - Oder wie heißt es so schön im Abspann von Haus an der Friedhofmauer
- "Niemand wird je wissen, ob Kinder Monster sind oder Monster Kinder"


Da wir einen kleinen Umweg gelaufen sind, kamen wir an dem sehenswerten Brunnen namens "Ehekarussell" vorbei, der von eigenartigen Monstern, nackten Paaren und Skeletten gesäumt wird. Zum Frühstück gab es fette Gourmet Burger und ganz viel Getratsche und Gelächter bevor wir uns hochmotiviert auf den Weg zum KommKino begaben.
Weiter ging es dann mit






















GANGSTER STERBEN ZWEIMAL (IT 1968; Mino Guerrini)

Diese Rarität war mein Geheimtipp und im Vorfeld scheinbar einer der unterschätztesten Beiträge des Festivalprogramms. Wie erwartet, konnten Destil und seine Bande offenbar viele BesucherInnen von seinem Unterhaltungswert überzeugen. Ein gelungenes Heist Movie, bei den in den letzten Minuten Unmengen an Munition verballert wird und das mit einigen bekannten Italokino Gesichtern wie Joseph Cotten, Giampiero Albertini, Franco Ressel und Bruno Corazzari aufwarten kann.






















DIE KLETTE (IT 1969; Romolo Guerrini)

Mit diesem Film hatte ich ziemlich Mühe wegen der absolut vertrackten verworrenen Geschichte. Aber der gute Franco Nero hat es mithilfe von Florinda Bolkan doch geschafft, mich bis zur letzten Minute irgendwie bei Laune zu halten. Bis zum Ende habe ich Bauklötze gestaunt und mich gefragt, ob sich die drei Stunden Schlaf gerade so stark bemerkbar machen oder ob diese unzähligen Wendungen für andere vielleicht sogar nachvollziehbar sind. Des Rätsels Lösung erhielt ich dann hinterher im Gespräch mit einem Film Noir bewanderten Kollegen – es geht überhaupt nicht um die Geschichte. Ja dann...


Im Anschluss begab sich eine relativ große Gruppe von FestivalbesucherInnen in ein fränkisches Lokal namens "Böhms Herrenkeller". Die Hypothese, es könnte sich bei diesem Namen um ein Table Dance Lokal handeln, wurde nicht bestätigt. Und die zum Fleischgericht servierte Lebkuchensauce meines Sitznachbarn, die ich probieren durfte, schmeckt und passt doch besser als angenommen zu dieser Mahlzeit. Die deftigen Speisen, die uns dort kredenzt wurden, lieferten jedenfalls genug Energie für die nächsten beiden Filme, nämlich






















TOTE ZEUGEN SINGEN NICHT (IT, ES 1973; Enzo G. Castellari)

Ein unterhaltsamer und rasanter Streifen. Franco Nero bolzt wie ein Berserker durch Genuas Unterwelt. Dabei macht er sich mit seiner kompromisslosen Art genügend Feinde, um nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Liebsten zu gefährden. Der Soundtrack ist ein wunderschöner Ohrwurm, der sich nicht nur bei mir dicht hinter dem Trommelfell verschanzte und sich die nächsten Stunden nicht vertreiben lassen wollte.






















FEUERSTOSS (IT, CA 1976; Alberto De Martino)

Ich war im Kino und ich weiß, ich habe diesen Film gesehen. Es gibt sogar Zeugen, die bestätigen können, dass ich noch dort war. Ich war bis auf kurze Unterbrechungen auch wach, aber ich erinnere mich nur noch an Handlungsfragmente und einzelne Bilder wie zum Beispiel die Schlägerei mit den Transvestiten, die Wiederbelebungsversuche in der Uni und dass John Saxon ein paar Mal durchs Bild lief, aber in seiner Rolle irgendwie blass blieb. Ich erinnere mich auch noch, wie das Licht anging, ich Zombie-like aufgestanden bin und gefragt wurde, ob ich geschlafen hab...


Den nächsten Tag begrüßten wir mit Käsekuchen Royal und Co., kauften noch ein paar Nürnberger Lebkuchen und mussten uns beeilen, da es schon um 13 Uhr losging mit






















EIN MANN GEHT AUFS GANZE (IT, BE 1972; Alberto De Martino)

Bei diesem Filmtitel und mit Telly "Kojak" Savalas auf dem Plakat hätte ich so etwas im Stil von Brutale Stadt erwartet. Was soll man dazu sagen? Hat sich doch zu den Polizeifilmen ein waschechter Giallo ins Programm gemogelt. Telly mimt einen gefährlichen Auftragskiller, der einer unter Amnesie leidenden Schauspielerin auflauert. Sein Auftreten erinnert zunächst etwas an seine Rolle in "Lisa und der Teufel" - doch ganz so diabolisch ist unser Ranko am Ende dann doch nicht.
Ein wunderbarer Film, dem ich mich sicher irgendwann ausführlicher widmen werde mit einem schönen Soundtrack, stimmigen Kulissen (Brügge! Da muss ich hin) und einer mysteriösen Handlung, die zwischen Wahn und (Selbst-) Täuschung pendelt.
Wem Spuren auf dem Mond gefällt, der kann sich vermutlich auch für "Ein Mann geht aufs Ganze" erwärmen.






















HÖLLENHUNDE BELLEN ZUM GEBET (IT 1976; Antonio Margheriti)

Ein Mafiakiller (Yul Brynner) nimmt späte Rache an den Mördern seines Bruders, wobei er Unterstützung von seinem Fanboy Angelo und Streicheleinheiten von der Tänzerin Anny (Barbara Bouchet) erhält. Diesen Film hätte ich mir zuhause wahrscheinlich nicht noch einmal angesehen, aber mit dem richtigen Publikum und dem ratternden Projektor im Hintergrund stellte sich doch eine gewisse Wohlfühl-Stimmung ein.






















EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN (IT 1976; Ruggero Deodato)

mussten wir leider auslassen. Ein Kollege (ich nenne keine Namen) wagte bereits am ersten Tag die unbedarfte (nett gemeinte) Äußerung, "den kann man sich eh zuhause auf BluRay anschauen" zu treffen. Dies wurde aber mit einem entsetzten "Was ist denn das für eine Einstellung???!!" meinerseits quittiert, was wiederum zu viel Gelächter und wiederholten Zitaten dieses Satzes führte. Aus sicherer Quelle habe ich erfahren, dass die Vorstellung dieses asozialen Bullenfilms mit Lovelock und Porel das Publikum nochmal so richtig in Partylaune versetzte und ein würdiger Abschluss des schönen Programms bildete. (Review zum Film hier)
Leider ist unser allseits beliebter schnuckeliger Ray Lovelock mit der samtigen Stimme in den letzten Tagen von uns gegangen.
Die Nachricht von seinem frühen Tod hat mich sehr betroffen gemacht. Er war und ist einer meiner Lieblingsdarsteller und ich hätte ihm ein viiiiel längeres Leben gewünscht.
Ray, we love you underground!


Fazit


Die Stimmung unter den Festivalgästen und ein paar hartgesottenen Besucherinnen war so familiär, interessiert und wohlwollend, wie ich es bis dato noch nie erlebt habe auf einem Filmfestival.
Man kam schnell untereinander ins Gespräch. In den Pausen wurde gescherzt und gelacht.
Die Nerds unter uns (wozu ich auch mich zähle) schafften es immer wieder an passenden Stellen, Zitate oder Filmtitel in ein Gespräch einzubauen.
Alles wirkte locker und enspannt. Ein Festival, bei dem der Spaß und die Freude an den 35mm Projektionen mit deutscher Synchro im Vordergrund standen. Auf einen (versteckten) Bildungsauftrag wurde bei der Programmgestaltung verzichtet. Genrefilme für Genrefans war die Devise!
Festivalveranstalter Andreas schaffte es vor jedem Film mit wenigen Worten das Wichtigste zu sagen und das Publikum für sich zu gewinnen.
Apropos Gewinne – die Labels Cinestrange, Colosseo, FilmArt, KochMedia und X-Rated spendeten zum Festivalmotto passende Veröffentlichungen, die vor manchen Vorstellungen verlost wurden.
Dank unserem lieben Konni, der die ganze Nacht vor dem Festivalstart Trailer aus dem Italocinema Archiv zusammengeklebt hat, bekamen wir die ein oder andere Trailer Obskurität bzw. Rarität zu Gesicht.






Das "Norimberga Violenta" Festival war erstaunlich gut besucht. Neben dem wunderbaren Programm besticht das KommKino durch die absolut gemütliche (bequeme Sessel, Beinfreiheit) und ungezwungene Atmosphäre. Das Foyer zwischen KommKino und Filmhaus lädt zum Verweilen und zum Pausentratsch ein. Wer lieber frische Luft und/oder frischen Rauch inhalieren möchte, kann sich mit wenigen Schritten auf die Dachterrasse begeben und den Ausblick genießen...


Herzlichen Dank an Andi, Konni, Sascha, die Filmvorführer, die Labels, das KommKino generell und alle, die zu der gemütlichen Atmosphäre beigetragen haben!