Donnerstag, 17. Februar 2022

LA POLIZIA INCRIMINA LA LEGGE ASSOLVE (1973)








TOTE ZEUGEN SINGEN NICHT
STRASSE INS JENSEITS (Alternativtitel)

Italien, Spanien 1973
Regie: Enzo G. Castellari
DarstellerInnen: Franco Nero, James Whitmore, Delia Boccardo, Fernando Rey, Silvano Tranquilli, Ely Galleani, Victor Israel, Nello Pazzafini, Bruno Corazzari, Massimo Vanni u.a.

Inhalt:
Kommissar Belli macht in Genua Jagd auf Drogenhändler und gerät dabei auf die Spuren einer mafiösen Vereinigung mit Verbindungen bis in die höchsten Kreise von Industriellen und Politikern. Dadurch gerät nicht nur sein Weltbild ins Wanken, sondern auch sein Umfeld in Gefahr…


Belli (Nero) gerät schnell in Rage...



...Mirella (Boccardo) nimmt es mit Humor

Kommissar Belli (Franco Nero) ist wütend. Wegen seinem schier endlosen und leider aussichtlos scheinenden Kampf gegen die Drogenmafia in Genua. Er ist wütend auf die mafiösen Verbindungen der reichen Industriellen, er ist erbost über seinen Chef, der nicht in die Gänge kommt beim Aufdecken der einflussreichen Hintermänner des Drogenrings. Belli ist sauer auf seinen Informanten, den Mafiapaten Cafiero (Fernando Rey), weil sich dieser nach Bellis Geschmack zu sehr aus dem Geschäft zurückzieht und das Feld anderen, nämlich den Libanesen, überlässt.

Bellis Grundstimmung überträgt sich auch auf sein Privatleben. Er gerät in Rage, wenn er sich beim Rasieren schneidet und gibt seiner Freundin Mirella (Delia Boccardo) dafür die Schuld. Mirella wiederum scheint diese Ausbrüche ihres Freundes bereits zu kennen und kontert seine lächerlichen Vorwürfe gelassen mit dem Rat, dass er doch auch mal seine eigenen Rasierklingen in ihrem Bad deponieren kann.
Unser permanent gereizter Kommissar ist neben
 den absolut spektakulär inszenierten spannenden Verfolgungsjagden die treibende Kraft und seine Aktionen ein essentielles spannungsförderndes Handlungselement in Enzo Castellaris Polizeifilm.


Belli macht seinem Vorgesetzten (Whitmore) Vorwürfe


Als wandelbarer und hochprofessioneller Darsteller gelingt Franco Nero der Drahtseilakt zwischen dem raubeinigen Polizisten, der einer sachgemäßen Befragung gerne auch mal ein paar Faustschläge vorausschickt und einem trotz seiner kaum zügelbaren Impulsivität doch ernst zu nehmenden Charakter.
Gerade Franco Neros hier verkörperte Rolle des rabaukenhaften Kommissars diente wenige Jahre später als Blaupause für den Schauspieler Maurizio Merli (vgl. Verdammte, heilige Stadt oder Convoy Busters), der sich als jähzorniger Gesetzeshüter sowohl optisch als auch ermittlungstechnisch in vergleichbar brutaler Manier durch die Reihen der Gesetzesbrecher boxte. Jedoch mit einer solchen Inbrunst der Überzeugung und fehlendem Gespür für sanftere Zwischentöne, dass Merlis Radikalität immer etwas ins Gegenteilige des beabsichtigten Effekts abdriftet. Sprich: Merli konnte und kann man nie ganz Ernst nehmen, Franco Nero in dieser ähnlich gelagerten Rolle hingegen sehr wohl.


Verfolgungsjagden durch Genua...



... und Actionszenen kommen nicht zu kurz


Einer der üblichen Verdächtigen (Corazzari) 


Regisseur Enzo Castellari (Ein Bürger setzt sich zur Wehr, "Keoma", Racket) hat sich vor allem mit seinen actiongeladenen Filmen einen Namen gemacht. Die von ihm gerne verwendeten visuellen Stilmittel wie Zeitlupenszenen, für die damalige Zeit schnellen Schnitte und Rückblenden hat er in "Tote Zeugen…" voll ausgereizt.

Die besondere Erzählstruktur hebt diesen Polizeifilm auch aus der Masse hervor. Durch den geschickten Einsatz von Rückblenden und Wiederholungen (zum Beispiel prägnante Sätze, die im Kopf Bellis widerhallen) lässt die Handlung abseits der klassischen Actionszenen innovativer und interessanter wirken als bei vergleichbaren Filmen mit einer konventionelleren Montage bzw. Abfolge von Szenen.
Durch die prägnanten Einblicke in Bellis Privatleben wie seiner Beziehung zu seiner Tochter Anni und seiner Freundin Mirella, sieht man andere Facetten der Persönlichkeit des Polizisten und bekommt eine Ahnung davon, woher seine Verbissenheit bei der Verbrechensbekämpfung rührt.
Sein Kampf gegen Windmühlen wirbelt nicht nur viel Staub auf, sondern führt auch zu einem unvermeidlichen und leider tragischen Blutvergießen auf beiden Seiten.


Die Filmmusik, die von den talentierten Brüdern Guido und Maurizio De Angelis (auch bekannt unter deren Pseudonym Oliver Onions) komponiert wurde, ist mit seinen sanften melancholischen Tönen und der gleichzeitig einprägsamen Melodie zu einem zeitlosen Soundtrack Klassiker geworden.
"Tote Zeugen singen nicht", dem bereits in den Siebzigern ein beachtlicher Erfolg an den Kinokassen beschieden war und der laut Pressespiegel allseits wohlwollend aufgenommen wurde, hat bis zum heutigen Tag einen hohen Stellenwert in der Fangemeinde des italienischen Polizeifilms.
Als ich "Tote Zeugen..." im Rahmen des Italocinema Festivals Norimberga violenta 2017 zum ersten Mal im Kino gesehen habe, musste ich mit Bedauern feststellen, dass es leider keine adäquate Möglichkeit gibt, den Film zuhause nochmal anzuschauen.
Mit der Veröffentlichung des Labels filmArt ist er nun endlich in einer qualitativ hochwertigen Fassung für den Heimkinomarkt verfügbar.




Foto: Blu Ray von filmArt