DAS SYNDIKAT
Italien 1972
Regie: Stefano Vanzina (Steno)
DarstellerInnen: Enrico Maria Salerno, Mario Adorf, Jürgen Drews, Mariangela Melato, Cyril Cusack, Laura Belli, Corrado Gaipa u.a.
Persönliche Anmerkung
Folgende Inhaltsangabe und das Review zu diesem Film entstanden im Juli 2010 und wurden auch in dieser Zeit auf www.filmtipps.at veröffentlicht.Zu diesem Zeitpunkt existierte noch keine deutsche DVD-Veröffentlichung des Films.
Ich freue mich, dass das Label "Colosseo" sich dieses Meisterwerks angenommen und die DVD nicht nur in Bild und Tonqualität top ist, sondern auch ein schönes Bonusmaterial (Interview mit Drews, Beitrag über den Produzenten Dieter Geissler und andere am Film beteiligte Personen) als Zugabe draufgepackt wurde.
Ich kann es verschmerzen, dass ich nicht im Vorfeld gefragt wurde, ob mein Text verwendet werden darf. Aber ich hätte mir zumindest erwartet, dass wenn schon Teile meiner Inhaltsangabe und meines Reviews eins zu eins auf das DVD Cover gedruckt werden, eine Quellenangabe gemacht wird.
Inhalt
Italien in den frühen Siebzigern. Es
sind raue Zeiten und raue Zeitgenossen treiben ihr Unwesen auf den
Straßen Roms.
Oftmals werden von der Polizei gefasste
Verbrecher aufgrund von Beweismangel und/oder des geschickten
Agierens von mit allen Wassern gewaschenen Rechtsverdrehern doch
wieder auf freien Fuß gesetzt.
Die durch die zunehmenden Kriminalität
verängstigte Bevölkerung ist verunsichert und frustriert.
Bei einem Überfall, der von zwei
jungen Männern verübt wird, werden zwei Menschen erschossen. Mario
Bertone (Enrico Maria Salerno), seines Zeichens Hauptkommissar des
römischen Morddezernats, tappt bezüglich Ermittlung der Täterschaft
erst mal im Dunkeln, wofür er von der Presse-Meute und der
aufgebrachten Bevölkerung stark kritisiert wird.
Zu viel passiert in diesen Tagen und zu
oft sind der Polizei bei der Ermittlungsarbeit aufgrund der
gesetzlichen und bürokratischen Stolpersteine die Hände gebunden.
Während der ehrgeizige und unbeirrbare
Bertone seiner Arbeit nachgeht, erscheint plötzlich eine mysteriöse
Gruppe, in der englischen Fassung genannt "Clean-up-Squad"
(vgl. italienisch: Anonima Anticrimine) auf der Bildfläche, die es
sich zum Ziel gemacht hat, exemplarisch potentielle und von der
Justiz aufgrund mangelnder Beweise freigelassene Verbrecher auf
kreative Art und Weise zu exekutieren.
Bertone, der diese Art von Lynchjustiz
des Mobs aufs Schärfste verurteilt, hat bald nicht nur damit zu tun,
der "Clean-Up-Squad" Einhalt zu gebieten, sondern kämpft
auch gegen zunehmende Motivationsprobleme in den eigenen Reihen.
Die Wiedereinführung der Todesstrafe scheint eine breitere Anhängerschaft zu haben, als Bertone sich vorstellen kann...
Die Wiedereinführung der Todesstrafe scheint eine breitere Anhängerschaft zu haben, als Bertone sich vorstellen kann...
Bertone - der Unbeirrbare mit entschlossenem Blick |
"Nachwuchsverbrecher" Settecamini (Drews) |
Das ist er also. Der filmische Urvater
eines ganzen Genres.
Der Prototyp des Poliziottesco. Das Rezept, das alle Elemente beinhaltet, die einen guten italienischen Polizeifilm ausmachen, in seiner ursprünglichen Form.
Der Prototyp des Poliziottesco. Das Rezept, das alle Elemente beinhaltet, die einen guten italienischen Polizeifilm ausmachen, in seiner ursprünglichen Form.
Und gleichzeitig einer der besten
Vertreter des Genres.
Im Gegensatz zu einigen späteren Werken, in
denen die Protagonisten zur Karikatur verkommen oder der Film um den
Unterhaltungswert für das breite Publikum zu steigern mit
zahlreichen Exploitation-Elementen (sozusagen das Backtriebmittel,
wenn man bei der Metapher vom Rezept bleiben will) "aufgemotzt"
wird, wirkt "Das Syndikat" noch sehr puristisch.
Keine selbstzweckhafte Gewaltdarstellungen. Aber auch nicht beschönigend bzw. blutleer.
"So wenig wie möglich, so viel
wie nötig" scheint die Devise von Regisseur Stefano Vanzina
gewesen zu sein.
Kaum zu glauben, dass der Mann sein
Talent als "Regista" in seiner weiteren Filmografie für
halblustige Filme mit Bud Spencer und Konsorten (vgl. "Buddy
fängt nur große Fische", "Plattfuß räumt auf")
vergeudet hat.
Auch kaum zu glauben ist, dass doch
tatsächlich ein gewisser Jürgen Drews (aka der König von
Malleeeee!"), der im deutschsprachigen Raum für musikalische
Glanzstücke wie "Ein Bett im Kornfeld" bekannt ist, eine
der Hauptrollen spielt.
Drews spielt den jungen Verbrecher
Michele Settecamini, der nicht nur bei einem Überfall zwei Menschen
tötet, sondern auch eine Frau entführt und als Geisel gefangen
hält. Die Brutalität, die Michele dabei an den Tag legt und mit der
er wohl die Unsicherheit als etwas unerfahrener Nachwuchsverbrecher
am Beginn seiner Karriere auszugleichen versucht, wirkt glaubwürdig.
Auch wenn ohne Zweifel viele Charaktere
klischeenahe angelegt sind, wirken die Figuren dennoch nicht platt
und eindimensional.
Allen voran muss natürlich Enrico
Maria Salerno als Kommissar Bertone lobend erwähnt werden. Man
könnte sich keine passendere Besetzung für die Rolle des
Kommissars vorstellen als ihn.
Bertone ist ein Polizist mit Leib und
Seele und vor allem Idealen. Er ist zwar aufgrund seiner
Berufserfahrung bereits etwas desillusioniert was seinen eigenen
Wirkungskreis und das Rechtssystem im Allgemeinen betrifft, aber er
versucht nach wie vor, seine Sache gut zu machen.
Die Ernsthaftigkeit und Verbissenheit
Bertones, mit der er seine Arbeit gewissenhaft fortsetzt, führen
zunehmend dazu, dass er sich von seinem privaten und beruflichen
Umfeld isoliert.
Da er sich auch von seiner Wut und
seinem Gerechtigkeitssinn lenken lässt, wird er ohne es selbst zu
merken auf der Suche nach den Mitgliedern der von faschistoiden
Prinzipien geprägten "Selbstjustiz-Truppe" zu einem
einsamen Einzelkämpfer an mehreren Fronten.
Nicht einmal Staatsanwalt Ricciuti
(Mario Adorf) scheint Verständnis für den Ehrgeiz Bertones zu
haben. Einzig in seiner mit einer etwas eigenartigen aber interessant
wirkenden Physiognomie ausgestatteten Frau (Mariangela Melato) findet
der Kommissar ein wenig Unterstützung, obgleich auch sie klare
Grenzen zieht und ihm ihre aktive Mithilfe zunächst verweigert,
indem sie erklärt, sie sei Journalistin und kein Polizei-Spitzel.
"Das Syndikat" ist
ein Film, der einen auch nach dem Sehen nicht so einfach loslässt,
das Ende ein cineastischer Schlag in die Magengrube. Eindringlich
zeigt er eine Facette der gesellschaftlichen und politischen
Verhältnisse Italiens in den frühen Siebzigern.
Eine Geschichte, erzählt mit Bildern,
die unter die Haut gehen, untermalt mit einem wunderschönen
markanten Score von niemand Geringerem als Stelvio Cipriani.
Foto: DVD von Colosseo