Sonntag, 15. Dezember 2019

THE FOG (1980)














THE FOG – NEBEL DES GRAUENS

USA 1980
Regie: John Carpenter
DarstellerInnen: Adrienne Barbeau, Jamie Lee Curtis, Janet Leigh, John Houseman, Tom Atkins, Nancy Kyles (als Nancy Loomis), Hal Holbrook u.a.

Inhalt:
Im beschaulichen kleinen Küstenort Antonio Bay stehen die Feierlichkeiten anlässlich des 100 Jahre Jubiläums der Stadtgründung an. Diese werden überschattet von unerklärlichen Todesfällen und vermissten Einwohnern, rätselhaften gespenstischen Phänomenen und einer sich kontinuierlich nähernden geheimnisvoll leuchtenden Nebelwand. Als Pater Malone herausfindet, dass ein Fluch auf dem Ort liegt, ist es beinahe schon zu spät...


Sympathische Charaktere: Nick (Atkins) und Elizabeth (Curtis)


Radiomoderatorin Stevie - Heldin des Films


Ich würde ja gerne schreiben, dass ich ein Fan erster Stunde dieses wunderbaren Gruselfilms bin. Dies wäre jedoch eine glatte Lüge. In Wahrheit kam mir "The Fog" sogar ziemlich langweilig vor. Im Vergleich zu dem damals von mir favorisierten Effekt-lastigen Poltergeist machte diese Grusel-Story auf mein kindliches Ich einen schlichtweg biederen und ordentlich angestaubten Eindruck. Ich hatte anno dazumal auch meine liebe Mühe mit den Charakteren, die so gar nicht zu mir zu sprechen schienen.
Erst im Erwachsenenalter öffnete sich mein Bewusstsein für die wahre Virtuosität und admirable düstere Ästhetik dieser zeitlosen Gespenstergeschichte.
Und mit jeder Generation neuer Technik (Video-DVD-Blu Ray und nun UHD bzw. Mono-Stereo-Dolby Digital-DTS HD) erlebe ich "The Fog" nicht nur neu, sondern auch eindrücklicher.


Der titelgebende Nebel - widernatürliches Naturphänomen


Die Aufnahmen der unnatürlich weiß glühenden, dichten Nebelwand und die von John Carpenter komponierte treibende Synthesizer Melodie illustrieren eine perfekte gespenstische Symbiose.
Zugleich kann der Nebel als versinnbildlichte Vertuschung eines Verbrechens und die Vernebelung der Vergangenheit interpretiert werden.
Die wahre Geschichte der gefeierten Gründerväter Antonio Bays fußt auf Habgier, Ausbeutung und blutigem Verrat. Doch als Pater Malone die Vergehen seiner Vorfahren ans Tageslicht bringen möchte, will es die First Lady des Ortes zunächst nicht hören.
Sein berechtigter Einwand, dass die Festivitäten eine Farce sind und die Stadt Mörder feiert, verpufft wie im Nebel. Alles läuft gemäß dem bewährten Grundsatz "The show must go on". Immerhin steht das Programm schon und wer interessiert sich für krude alte Geschichten?
Mit dieser Storyline rückt "The Fog" unangenehm nahe heran an die dunkle Natur des Menschen und die Abgründe der vorgeblich zivilisierten Gesellschaft. Näher jedenfalls, als man dies bei einem Genrefilm auf den ersten Blick vermuten würde.
Der Eroberung neuer Lebensräume und der Entwicklung von reichen Gemeinden bzw. Nationen gingen bzw. gehen bekanntlich nur allzu oft die schrecklichsten Gräueltaten voraus.
Wie sich herausstellt, haben die ersten Siedler in Antonio Bay vor hundert Jahren alles andere als ein Kavaliersdelikt begangen.
Sie nahmen das Gold der kranken Menschen und boten ihnen im Gegensatz einen Ort zum Leben an. Bis zum bitteren Ende gaukelten sie ihnen vor, sie willkommen zu heißen und lockten sie auf hoher See durch das Aussenden von falschen Leuchtsignalen in eine tödliche Falle.
Sie mussten sich dadurch nicht einmal selbst die Hände schmutzig machen.
Das grausame Kalkül, mit dem die Siedler einst vorgingen, sorgt bei empathischen Zuschauern neben den bedrohlich in Szene gesetzten aktuellen paranormalen Phänomenen in der Stadt für weiteres Unbehagen.

Der Nebel und was auch immer sich genau darin befinden mag (darüber lässt uns Carpenter bis kurz vor Ende im Unklaren) wirkt wie ein verbindendes Element zwischen den zunächst parallel präsentierten Abenteuern mehrerer ProtagonistInnen. Obwohl die wichtigsten handelnden Personen im Film erst gegen Ende aufeinander treffen scheint eine Szene nahtlos in die nächste überzugreifen und sich in der Zusammenschau, ähnlich wie der kontinuierlich näher fließende Nebel, immer mehr zu verdichten.


Revenge is a dish best served cold


Angenehmerweise sind alle Figuren (mit Einschränkung des etwas schmierigen Meteorologen und den Säufern auf dem Boot) sympathisch und vor allem authentisch. Sie agieren einfach wie aus dem Leben gegriffen. Dies ist in Anbetracht der Entstehungszeit und des Genres, in dem häufig besonders bei weiblichen Charakteren immens übertriebene Hysterie, Hilflosigkeit und daraus resultierendes kopfloses Agieren vorherrscht, eher als Ausnahme zu sehen.
Manche Frauenfiguren wirken für einen Film, der Ende der Siebziger Jahre gedreht wurde, sogar regelrecht modern. Besonders die heldenhafte allein erziehende Mutter Stevie (Adrienne Barbeau), die einen Radiosender betreibt und angesichts der Gefahr auf ihrem Posten (dem Leuchtturm) bleibt, um die Bevölkerung zu warnen und Rettung für ihren Sohn zu organisieren. Natürlich muss hier auch die junge Elizabeth (Jamie Lee Curtis), die als Anhalterin durch die Lande reist und von einem selbstbestimmten und unabhängigen Leben träumt, erwähnt werden.
Nick Castle (Tom Atkins) ist zwar ein Mann der Tat, drängt sich jedoch nicht in den Vordergrund. Obwohl der Schauspieler Atkins über herausragende Merkmale wie ein eher grobschlächtiges Gesicht und einen sportlich-stämmigen Körperbau verfügt, wirkt er irgendwie sanftmütig.
Die Figuren-Konstellation in "The Fog" ist schön ausbalanciert. Man erfährt nur rudimentär Persönliches oder Biographisches und doch lernt man die ProtagonIstinnen gut genug kennen, um sie nicht beliebig und austauschbar wirken zu lassen.
Doch das wichtigste Element der Geschichte sind selbstverständlich der titelgebende Nebel und die Gefahr, die hinter dem weißen Schleier verborgen ist und für die es keine Hindernisse gibt.
Der Nebel schiebt sich in jede Straße, in jedes Haus von Antonio Bay. Es gibt kein Entrinnen, auch nicht für Stevie, die sich im Leuchtturm weit über der Stadt befindet. Es gibt keine Sicherheit und die Gespenster der Vergangenheit kennen kein Erbarmen.

Die Aufnahmen des in diesem Fall widernatürlichen Naturphänomens, das sich unerbittlich seinen Platz in der Landschaft erobert, sind ästhetisch und wirken so sonderbar eigentümlich zugleich.
Wie es sich für eine gute Gruselgeschichte gebührt.
Die unheimliche Lagerfeuergeschichte, die der alte Seemann zu Beginn den ehrfürchtig lauschenden Kindern erzählt, stellt für mich die Quintessenz des Films dar und ist zugleich eine Vorwegnahme dessen, was das Kind in jedem von uns bei "The Fog" erwartet.




Fotos: DVD von Kinowelt und darunter UHD-Disc, Blu Ray und OST von Studio Canal






Foto:  OST von Death Waltz als Coloured Vinyl



Sonntag, 1. Dezember 2019

PANICO EN EL TRANSIBERIANO (1973)














HORROR EXPRESS

GB, ES 1973
Regie: Eugenio Martin
DarstellerInnen: Christopher Lee, Peter Cushing, Alberto de Mendoza, Silvia Tortosa, Helga Liné, George Rigaud, Telly Savalas, Victor Israel, Alice Reinheart u.a.


Inhalt:
Professor Saxton glaubt, er hat bei einer Expedition in die Mandschurei eine bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckung gemacht. Nun fährt er zufrieden mit der transsibirischen Eisenbahn und seinem Fund im Gepäck, eine Art gefrorener Menschenaffe, zurück nach England. Unglücklicherweise taut das Vieh auf und ermordet einen Zugpassagier nach dem anderen. Der Professor und sein Landsmann Dr. Wells versuchen es zu stoppen...


Dr. Wells (Cushing) und Assistentin Miss Jones (Reinheart)


Unorthodoxe Autopsie bei schummriger Beleuchtung


In Anbetracht des Entstehungsjahrs 1973 und im Vergleich zu anderen Produktionen mit Christopher Lee und Peter Cushing ist "Horror Express" als relativ rasant zu bezeichnen.
Die Expedition, die Professor Saxton (Lee) unternimmt, stößt im Eis auf eine bis dato unbekannte Spezies eines Menschenaffen und kurz darauf steht der stolze Wissenschaftler mit seinem verpackten Fund schon am Bahnhof, wo sich dramatische Szenen abspielen.
Ein Dieb, der sich heimlich an der mit vielen Schlössern gesicherten Kiste Saxtons zu schaffen macht, kommt auf grausame Art zu Tode. Dies bringt wiederum den auf den Zug wartenden orthodoxen Mönch Pujardow (Alberto DeMendoza in seiner skurrilsten und lustigsten Rolle) komplett zum Ausflippen. Nicht einmal das Kreuz, das er mit Kreide auf die verpackte Kiste malt, kann helfen. Die Kreide schreibt einfach nicht auf dem verfluchten Ding. Er ist der Überzeugung, dass dies ein Werk des Leibhaftigen sein muss und versucht mit inbrünstigen Gebeten (am Bahnsteig kniend) Schlimmeres zu verhindern. Resigniert bringt er das Ergebnis mit seinem starken Akzent auf den Punkt: "Wääähr iiviel is, thär is no pleehs forr the cross!"


Mönch Pujardow (de Mendoza) versucht...


... die Zuggäste zu warnen


Doch auch in der Eisenbahn gibt es rätselhafte Todesfälle und dabei geht es nicht gerade appetitlich zu. In einem Waggon wird ein Mensch seziert und dessen Schädeldecke gelüftet, um festzustellen, dass sein Gehirn seltsam glatt wirkt.
Manche unglückseligen Zugpassagiere bluten aus den Augen, die – wie der Arzt Wells beim Essen (!) eines Fischs fasziniert kombiniert, vermutlich ähnlich wie das tote glibbrige weiße Fisch-Sehorgan durch jemanden oder etwas erhitzt wurden.
Doch das ist nicht die einzige der absolut hanebüchenen wissenschaftlichen Thesen der beiden, trotz Chaos und Morden im Zug, immer die Contenance wahrenden Engländer Saxton und Wells.
Bald ist schon fast allen Zugreisenden klar – es geht ein Monster um in der transsibirischen Eisenbahn, das unerbittlich zuschlägt und die Zahl der Passagiere nach und nach dezimiert.
Es kann sogar Körper switchen, eine perfekte Tarnung, was das Problem natürlich etwas komplexer macht.

Zwischen den vereinzelt glibbrigen und blutigen Szenen sorgen ebenso interessante wie unglaublich schräge Charaktere für gediegene Unterhaltung.
Die teils erstaunlich opulent ausgestatteten Waggons (bei den Außenaufnahmen des Zugs darf man rätseln, wie das Interieur hier tatsächlich Platz hat) beherbergen so einige kauzige Gestalten.
Da wären eine polnische Gräfin und ihr Ehemann (der auch als ihr Vater durchgehen könnte), eine blinde Passagierin (die etwas im Schilde führt), die etwas biedere und über-korrekte, aber Zigarre rauchende Assistentin von Dr. Wells (die auch Gouvernante in einem Mädchen-Pensionat sein könnte) und der langhaarige finster aussehende Mönch Pujardow (der wie eine Reinkarnation Rasputins aussieht) zu nennen.
Zwischen all jenen treibt sich noch der ebenso humorlose wie ehrgeizige Inspektor Mirow herum und versucht, den Mörder ausfindig zu machen und aufzuhalten.
Dies ist natürlich auch das Ziel des Duos Saxton und Wells. Allerdings mit anderen Methoden.
Kein Geheimnis dieser Erde scheint vor den beiden schlauen Männern der Wissenschaft sicher zu sein – sogar ein Auge des Monsters wird per Mikroskop untersucht und gibt dabei preis, woher es stammt und was bzw. wen es als Letztes gesehen hat.


Ein herrlicher Auftritt: Der Kosake Kasan (Savalas)


Und wenn man beginnt zu mutmaßen, die Drehbuchautoren haben sich ein bisschen verrannt und die Geschichte gibt nichts mehr her, dann taucht plötzlich Telly Savalas als dominanter, rabiater und jähzorniger Kosaken-Hauptmann Kasan (stilecht im roten Jäckchen mit schwarzem Pelzkragen) auf. Er steigt mit seinen Untergebenen in einem sibirischen Bahnhof zu und möchte den vermeintlichen Mörder dingfest machen.
Ein lustiges Detail am Rande ist, dass er mit seinem Kragen und der wenigen Kleidung unter seinem Mäntelchen (hat er überhaupt etwas darunter an??) eher wie ein Typ, der gerade von einer Fetischparty hereinstolpert, als ein Kosake wirkt.
Jedenfalls kloppt er sich in seinem speziellen Morgenmantel erst mal quer durch die Passagiere (jeder, der aufmüpfig ist, ist immerhin verdächtig) und sorgt dann durch seine brachiale Intervention dafür, dass das Monster wieder mal den Körper wechselt und ein wahres Gemetzel unter den tapferen Kosaken anrichtet.

Diese kurzweilige englisch-spanische Co-Produktion, die auf ähnlichen Storyelementen wie (man mag es kaum glauben) "Das Ding aus einer anderen Welt" basiert, ist ein absolut obskurer und liebenswerter Film, in dem nicht nur Christopher Lee und Peter Cushing brillieren, sondern auch der in den meisten Rollen ansonsten sehr zurückhaltende und ernsthafte Alberto de Mendoza (Der Killer von Wien, Nackt über Leichen) mal so richtig am Rad dreht. Er ist für mich der heimliche Star des Films. Sein Look, verstärkt durch dunkle Augenringe und seine over the top Performance hält die tendenziös triviale Story über weite Strecken am Leben und in Gange.

Fans des europäischen Kinos jener Zeit dürfte allein beim Anblick des Casts schon ganz warm ums nostalgische Herz werden. Neben den bereits erwähnten Figuren ist Spaniens Königin des Horrorfilms Helga Liné als zwielichtige Passagierin (auch sie sorgt noch für eine lustige Wendung der Handlung) oder Georges Rigaud (Una lucertola con la pelle di donna) als Graf zu sehen.
Wie immer ein erfreulich ungustiöser Anblick – Viktor Israel. Der wohl einprägsamste und interessanteste Nebendarsteller des spanischen Genrekinos verkörperte aufgrund seiner asymmetrischen und leider keinem gängigen Schönheitsideal entsprechenden Gesichtszüge, ähnlich wie sein italienischer Zeitgenosse Luciano Rossi, unzählige dubiose Charaktere.

"Horror Express" ist eine bunte Schauergeschichte voller augenzwinkerndem Humor, aufsehenerregenden manchmal mehr, manchmal weniger gelungenen Effekten und denkwürdigen Dialogen. Durch seine zahlreichen Wendungen hält er immer wieder die ein oder andere Überraschung bereit.
"Horror Express" ist schlichtweg ein kleines Juwel im Kosmos des europäischen Genrekinos jener Dekade, der imstande ist, unser inneres Kind in Verzücken zu versetzen.
Für mich war dieser Film Liebe auf den ersten Blick.
Dank Arrow Video ist er nun endlich in schönster HD Qualität verfügbar. Da alle SchauspielerInnen beim Dreh englisch gesprochen haben, lohnt es sich, bei dieser Veröffentlichung zuzugreifen.




Foto: CCI DVD und Blu Ray von Arrow Video