DIE PERFEKTE ERPRESSUNG
Deutschland, Frankreich, Italien 1973
Regie: Sergio Sollima
DarstellerInnen: Oliver Reed, Fabio Testi, Paola Pitagora, Agostina Belli, Salvatore Borghese u.a.
Inhalt
Der Gefängniswärter Vito Cipriani ist
ein rechtschaffener Mann, der alles in seinem Leben fest im Griff zu
haben scheint.
Dies ändert sich auf radikale Weise,
als eines Tages seine frisch angetraute Frau Anna aus der ehelichen
Wohnung in Mailand entführt wird. Cipriani wird hierauf von unbekannten
Tätern erpresst - er soll einem ihm bis dato nicht bekannten
inhaftieren Mann, namens Milo Ruiz zur Flucht verhelfen.
In der verzweifelten Hoffnung, dass
seine geliebte Frau dann freigelassen wird, befolgt Cipriani die
Anweisungen der Entführer.
Um auf Nummer sicher zu gehen, dass er
Anna auch wirklich wieder zurückbekommt, quartiert er Ruiz erst
einmal bei sich zu Hause ein und wartet auf weitere Anweisungen bzw.
einen Austausch.
Außerdem erhofft er sich, aus Ruiz
herausprügeln zu können, wem dieser seine indirekte Fluchthilfe zu
verdanken hat.
Milo Ruiz entpuppt sich allerdings als
etwas naiver einzelgängerischer Kleinkrimineller ohne wichtige
Kontakte im Gangstermilieu.
Sprich: er scheint tatsächlich keine
Ahnung zu haben, wer (außer seinem Anwalt) ihn unbedingt wieder auf
freiem Fuß sehen will. Mit der Hilfe von Ruiz begibt Cipriani
sich auf die Suche nach seiner Frau und hangelt sich mühsam von
einem Hinweis zum nächsten.
Die Spur, die die beiden
unterschiedlichen Männer gemeinsam verfolgen, führt schließlich
bis nach Paris und zu einem Komplott, in das höchst einflussreiche
Männer verwickelt zu sein scheinen.
Doch das Schicksal Ciprianis und das seiner Liebsten ist schon lange besiegelt...
Doch das Schicksal Ciprianis und das seiner Liebsten ist schon lange besiegelt...
Ungleiche Charaktere: Vito und Milo |
Dieser fiebrige Blick... |
"Revolver", der den deutschen
Titel "Die perfekte Erpressung" trägt, scheint
unverständlicherweise ein nur wenig bekannter Film zu sein.
Obwohl Regisseur Sergio Sollima
sich in Fankreisen mit Werken wie Von Angesicht zu Angesicht oder "Der Gehetzte der Sierra Madre" einen Namen gemacht hat, scheint
"Revolver" im deutschsprachigen Raum (noch) nicht die
dem Film gebührende Ehre zu erhalten.
Dabei ist er ein kleines fieses
Meisterwerk.
Ein Thriller mit derselben
Konstellation von Charakteren wie im Western "Von Angesicht zu Angesicht",
diesmal verpackt im Gewand eines Poliziottesco.
Oliver Reed in der Rolle des
Gefängniswärters Cipriani wirkt mit fortschreitender Handlung
immer mehr wie ein Besessener.
Er spielt (nein, er verkörpert) einen Mann im emotionalen
Ausnahmezustand zwischen Wut und Verzweiflung, im Kampf mit seinen
niederen Instinkten.
Er ist hin- und her-gerissen zwischen
Rachegelüsten und seinen ehemals zweifelsohne ehrbaren Motiven.
Er definiert sich selbst als ehrliches
und wertvolles Mitglied der zivilisierten Gesellschaft während er in
Milo, dem er ein eigenes Wertesystem und Moralvorstellungen
abspricht, nur den verabscheuungswürdigen Verbrecher (und keinen
Menschen) sieht.
Die Ciprianis Charakter innewohnende
Brutalität bricht aufgrund der emotionalen Extremsituation, in der
er sich befindet, immer häufiger durch.
Ist er vielleicht doch nur ein Wolf im
Schafspelz? Eine bloße Karikatur eines zivilisierten Menschen?
Fabio Testi stellt sein Talent sowohl
als Stuntman als auch als Schauspieler wieder einmal unter Beweis.
Er mimt den etwas naiven, freundlichen
und im Grunde seines Herzens gutmütigen Ganoven Milo überzeugend
und hält sich an den richtigen Stellen zurück, um die
darstellerischen Eskapaden des eher zu over-acting neigenden Oliver
Reed etwas auszugleichen.
Ähnlich wie in "Von Angesicht zu Angesicht"
spielt Sollima gekonnt mit dem Thema "Gut/Böse", verwischt
moralische Grenzen und zeigt facettenreiche Charaktere. Nichts ist
so, wie es auf den ersten Blick scheint.
Der Film wirft philosophisch anmutende Fragen auf, wie beispielsweise die nach dem Wert von Freundschaft und Zuneigung in einer (vermeintlich) zivilisierten Welt, in der sich jede(r) selbst der/die Nächste zu sein scheint.
Die Quintessenz dessen, was Sollima in "Revolver" wohl zum Ausdruck bringen wollte, ist, dass die vermeintlich "Guten" manchmal mehr Schaden anrichten als die am Rande der Gesellschaft stehenden Individuen, auf die sie abschätzig herabsehen.
Der Film wirft philosophisch anmutende Fragen auf, wie beispielsweise die nach dem Wert von Freundschaft und Zuneigung in einer (vermeintlich) zivilisierten Welt, in der sich jede(r) selbst der/die Nächste zu sein scheint.
Die Quintessenz dessen, was Sollima in "Revolver" wohl zum Ausdruck bringen wollte, ist, dass die vermeintlich "Guten" manchmal mehr Schaden anrichten als die am Rande der Gesellschaft stehenden Individuen, auf die sie abschätzig herabsehen.
Wen diese Aspekte nicht interessieren,
dem sei (abgesehen davon) noch gesagt: "Revolver" ist
spannend und unterhaltsam!
Toll inszeniert ist vor allem auch die
illegale und abenteuerliche Reise von Cipriani und Ruiz mithilfe der
professionellen Schlepperin Carlotta (Paola Pitagora) über die
italienisch-französische Grenze, mitten durch schöne
Schneelandschaften, verfolgt von der Polizei.
Wieder einmal sorgte Maestro Ennio Morricone
für stimmige musikalische Untermalung - Ähnlichkeiten mit dem Score
von Der Berserker und "Angst über der Stadt"
sind also nicht rein zufällig oder das Ergebnis eines gemeinen
Plagiats.
Zitat (ein zwielichtiger Rechtsanwalt):
"Society has many ways of
defending itself: red tape, prison bars... and the revolver."
Sollima erzählt eine komplexe
Geschichte, die das Schicksal zweier ganz unterschiedlicher Männer
miteinander verwebt, ihre jeweilige Einstellung zum Leben aufgrund
der Geschehnisse grundlegend verändert und die beiden Protagonisten
am Ende auf brutale Art und Weise wieder auseinander dividiert.
Foto: Blu Ray von FilmArt