THE FORBIDDEN ROOM
Italien, Frankreich 1977
Italien, Frankreich 1977
Regie: Dino Risi
DarstellerInnen: Vittorio Gassman,
Catherine Deneuve, Danilo Mattei, Anicée Alvina u.a.
Inhalt
Der neunzehnjährige Tino reist zu seinem Onkel und seiner
Tante nach Venedig, um dort eine Kunstklasse zu besuchen. Der etwas
unsichere, aber sympathische junge Mann möchte nämlich Maler
werden.
Doch die zwischen dem Hausherrn (dem charismatischen Ingenieur Stolz), und der Dame des Hauses vorherrschende eigenartige
Stimmung irritiert Tino zusehends und so macht er sich auf die Spur,
ein Familiengeheimnis zu lüften.
Doch dieses entpuppt sich als nicht so offensichtlich wie angenommen, da sich zusehends herauskristallisiert, dass "des Pudels Kern" nicht in der Geschichte um den verrückten Bruder des Onkels, der im Dachgeschoss lebt, steckt...
Doch dieses entpuppt sich als nicht so offensichtlich wie angenommen, da sich zusehends herauskristallisiert, dass "des Pudels Kern" nicht in der Geschichte um den verrückten Bruder des Onkels, der im Dachgeschoss lebt, steckt...
"Anima Persa" ist eine
Filmrarität von ganz besonderer Qualität, Vielschichtigkeit und Tiefgründigkeit.
Regisseur Dino Risi, der (man mag es
kaum glauben, wenn man "Anima Persa" kennt) als Altmeister
der commedia all'italiana geschätzt und prämiert wurde,
schafft eine bedrückende und beklemmende Atmosphäre, die angesichts
der Grundthematik der Geschichte (die ich nicht verraten will)
wahrlich absolut angemessen ist.
Wir verfolgen die Handlung aus der Perspektive des jungen Tino, den das bisweilen etwas ruppige Verhalten
seines Onkels Fabio, das in eklatantem Widerspruch zu dessen Selbstdarstellung steht, sichtlich verstört.
Der gute Onkel legt nämlich Wert auf Etikette und frönt seiner Leidenschaft für die kulturellen Errungenschaften von Literatur und Musik.
Im Vordergrund steht vor allem die Beziehungsdynamik zwischen den Hauptcharakteren.
Der gute Onkel legt nämlich Wert auf Etikette und frönt seiner Leidenschaft für die kulturellen Errungenschaften von Literatur und Musik.
Im Vordergrund steht vor allem die Beziehungsdynamik zwischen den Hauptcharakteren.
Allen voran die zwischen Ingenieur
Stolz (Vittorio Gassman) und seiner deutlich jüngeren Frau Elisa
(Catherine Deneuve).
Während sie ihn mit seinem Titel, also als Ingenieur, anspricht und sich ihm gegenüber bis auf kurze opportunistische Episoden eher devot verhält, hat er es sich offenbar zur Gewohnheit gemacht, seine Frau zu demütigen und zu kontrollieren.
Überhaupt scheint
der Mann recht misogyne Züge aufzuweisen. Und dies nicht nur, weil
er nur in Männergesellschaften verkehrt, sondern auch weil er der verqueren Theorie anhängt, dass Frauen eine Evolutionsstufe
zwischen Tieren und Gemüse (!) darstellen.
Was zu Beginn nur
subtil angedeutet wird, verfestigt sich im Laufe der Handlung und die
Eigenheiten und Verrücktheiten seiner venezianischen Verwandten
werden für Tino immer deutlicher, die Erklärungen von Onkel und Tante für die Geschehnisse im Haus immer
widersprüchlicher und abstruser.
Die Geräusche, die
Tino vor allem in der Nacht hört, machen den jungen Mann neugierig.
Mehr als einmal wagt er sich die Treppe zum Dachgeschoss-Zimmer hinauf, um durch einen Spion seinen anderen Onkel zu beobachten.
Mehr als einmal wagt er sich die Treppe zum Dachgeschoss-Zimmer hinauf, um durch einen Spion seinen anderen Onkel zu beobachten.
Dieser rennt dort
in einer Art Bademantel wie von Sinnen herum, wirft Gegenstände um
und scheint sich mit Vorliebe das Gesicht mit bunten Farben anzumalen
sowie die Zunge auf obszöne Art und Weise herauszustrecken.
Der offensichtlich
von allen guten Geistern verlassene Mann auf dem Dachboden macht Tino
Angst.
Wie er von seinem Onkel Fabio erfährt, war sein durchgeknallter Bruder einst Naturwissenschaftler und ein erfolgreicher Mann.
Wie er von seinem Onkel Fabio erfährt, war sein durchgeknallter Bruder einst Naturwissenschaftler und ein erfolgreicher Mann.
Dann verfiel er
immer mehr dem Wahnsinn, bis er schließlich von seiner Familie als
gefährlich eingestuft wurde und deswegen sein Dasein in dem
abgesperrten Dachzimmer fristet.
Den einzigen
Besuch, den er zulässt, ist der seines Bruders - so erzählt man es dem Neffen zumindest.
Aber
es gibt so viele Widersprüche und wundersame Verhaltensweisen von
Tinos Familie, dass schon bald klar ist, dass die Wahrheit bis zum
Ende im Verborgenen bleibt.
Der verrückte Onkel in Action |
Vittorio Gassman, in
der Rolle des herrischen Onkels, ist eine Klasse für sich.
Er fasziniert nicht nur durch sein äußeres Erscheinungsbild (die strengen Gesichtszüge, die buschigen Augenbrauen, seine Statur), sondern auch durch seine fabelhaft authentische Mimik.
Er fasziniert nicht nur durch sein äußeres Erscheinungsbild (die strengen Gesichtszüge, die buschigen Augenbrauen, seine Statur), sondern auch durch seine fabelhaft authentische Mimik.
Er scheint jeden
einzelnen Gesichtsmuskel kontrollieren zu können und feierte zu
Recht große Erfolge, auch als Theaterschauspieler.
Die bildschöne Catherine Deneuve
spielt ihre Rolle mit großer Hingabe und Überzeugungskraft.
Es dürfte allgemein bekannt sein, dass sie eine Schauspielerin höchsten Ranges ist und ich will an dieser Stelle mal jemand anderen sprechen lassen, nämlich den französischen Regisseur und Drehbuchautor Benoît Jacquot:
Es dürfte allgemein bekannt sein, dass sie eine Schauspielerin höchsten Ranges ist und ich will an dieser Stelle mal jemand anderen sprechen lassen, nämlich den französischen Regisseur und Drehbuchautor Benoît Jacquot:
"Von allen Schauspielerinnen,
mit denen ich gearbeitet habe, egal ob Anfängerinnen oder Stars, ist
sie vermutlich die durchlässigste. Das hat nichts mit Fügsamkeit zu
tun, sie ist einfach die Anpassungsfähigste, die Plastischste, die
Durchlässigste in Bezug auf das, was im Film gerade gemacht wird."
Einige weitere
originelle und exzentrische Charaktere, die in einer Stadt wie
Venedig ganz und gar nicht deplatziert wirken, bereichern "Anima
Persa" zusätzlich.
Da wäre zum
Beispiel das "Hausmädchen": eine magere und zerbrechlich
wirkende Greisin, die sich einen Spaß daraus macht, Tino den irren Dachgeschoss-Onkel zu präsentieren und mädchenhaft
kichert, als sie dem jungen Mann erzählt, dass sich der Verrückte
manchmal vor ihr entblößt, sie aber als Krankenschwester im Weltkrieg
noch ganz andere Sachen gesehen hat...
Oder der bärtige
Bekannte des Onkels, der sich in einen schwarzen Umhang gehüllt als
Graf präsentiert und sich später als Croupier entpuppt.
Nicht zu vergessen
die korpulente Dame, die ihre weißen Haare
hochgesteckt trägt, und mit ihrem gewagten Make Up (in etwa eine Mischung aus Zombie und Gothic-Girl) den StudentInnen der Kunstklasse Kaffee serviert.
Man würde einem so
vielschichtigen und dezent erzählten Film wie "Anima Persa"
Unrecht tun, wenn man nur seine verstörende, beklemmende und
rätselhafte Seite hervorheben würde.
Es gibt nämlich
einige Szenen, die viel Humor beinhalten, der weder platt noch
aufgesetzt wirkt, sondern intelligent in das Gesamtgefüge
eingearbeitet ist.
"Anima
Persa" ist kein klassischer Giallo und weitaus mehr als ein Drama.
Von seiner Atmosphäre her lässt er sich wohl am ehesten mit Werken von Pupi Avati, insbesondere "Das Haus der lachenden Fenster" vergleichen.
Von seiner Atmosphäre her lässt er sich wohl am ehesten mit Werken von Pupi Avati, insbesondere "Das Haus der lachenden Fenster" vergleichen.
Er ist
aber auch ein kleines visuelles Juwel.
Nicht nur wegen den Außenaufnahmen von Venedig (die Accademia, die Rialtobrücke, die Bootsfahrt Richtung Cimitero) sondern auch wegen den ästhetisch eingefangenen Innenaufnahmen von Kirchen, Restaurants und vor allem des prunkvollen antiken Hauses der Familie Stolz mit typisch venezianischem Mobiliar.
Nicht nur wegen den Außenaufnahmen von Venedig (die Accademia, die Rialtobrücke, die Bootsfahrt Richtung Cimitero) sondern auch wegen den ästhetisch eingefangenen Innenaufnahmen von Kirchen, Restaurants und vor allem des prunkvollen antiken Hauses der Familie Stolz mit typisch venezianischem Mobiliar.
Der Schauplatz, das geheimnisvolle morbide Venedig, und die Handlung bilden eine interessante Symbiose. Man kann sich das Eine nicht ohne das Andere vorstellen.
Wer eine Ahnung
davon bekommen möchte, wie sich der Film "anfühlt", dem
sei empfohlen, beispielsweise auf youtube in den stimmungsvollen Soundtrack reinzuhören.