DIE ROTE DAME
HORROR HOUSE (Videotitel)
Deutschland, Italien 1972
Regie: Emilio Miraglia
DarstellerInnen: Barbara Bouchet, Sybil
Danning, Marina Malfatti, Ugo Pagliali, Nino Corda, Marino Masé, Fabrizio Moresco u.a.
Inhalt:
Kitty Wildenbrück hat ein dunkles Geheimnis.
Sie hat versehentlich ihre Schwester Evelyn getötet, deren Leiche seitdem in einem Schrank im Keller des Wildenbrück-Schlosses vor sich
hinmodert.
Eines Tages geschehen Morde in Kittys
nahem Umfeld. Diese rätselhaften Tötungsdelikte wurden anscheinend
von einer Frau in einem roten Umhang begangen. Will man den
Beschreibungen von Zeugen Glauben schenken, hat Evelyn Wildenbrück
die Morde begangen. Aber kann das wirklich sein? Kitty macht sich
zunehmend Sorgen um ihr eigenes Leben, da auf ihrer Familie ein uralter
Fluch lastet, der besagt, dass sie das siebte Opfer der „roten
Dame“ sein wird.
Ist Evelyn tatsächlich wieder
auferstanden und will ihrer Schwester ans Leder?
Schöne Cousinen: Kitty und Franziska (v.l.n.r.) |
"Die rote Dame" ist nach Die Grotte der vergessenen Leichen der zweite und letzte Giallo des
Regisseurs Emilio Miraglia. Miraglia muss wohl ein besonderes Faible
für den Namen "Evelyn" und die Farbe Rot gehabt haben.
Im Gegensatz zu Die Grotte der vergessenen Leichen, der auf
kuriose aber vergnügliche Art etwas wirr erscheint, ist "Die rote Dame" ein
Giallo von ernsterer Natur und verblüfft durch eine verschachtelte Geschichte.
Allein schon der Fluch, der auf der
Familie Wildenbrück lastet, ist nicht mit einem simplen Einzeiler zu
erklären.
Es geht darin nämlich um zwei
Schwestern, von denen eine die andere umbringt. Die ermordete
Schwester wird als "Rote Dame" wieder auferstehen und sechs
Menschen (wie sie auf diese Zahl kommt und nach welchem Gesichtspunkt
sie ihre Opfer erwählt, bleibt offen) töten. Das siebte Opfer soll
dann die Schwester (die schwarze Dame) sein, die ihr einst das Leben nahm.
Laut dem gutmütigen, etwas ängstlichen Opa Wildenbrück
ereilte dieses Schicksal bereits einige Generationen von Schwestern dieser Familie.
Dies erzählte er einst seinen
minderjährigen Enkelinnen Kitty und Evelyn.
Einige Jahre später ist Kitty (Barbara
Bouchet) erwachsen und Evelyn tot, offiziell allerdings nach Übersee verzogen. Als Opa Wildenbrück einen Herzinfarkt erleidet, lernen wir anlässlich der Testamentseröffnung Cousine Franziska (Marina Malfatti) kennen.
Franziska und ihr Mann Herbert sind die
einzigen, die von dem Unfall Evelyns wissen und Kittys Geheimnis
bewahren.
Kitty ist im Model Business als
Fotografin tätig – ein Umfeld das – wie Fans von Bavas Ur-Giallo Blutige Seide wissen – geradezu prädestiniert ist für
Lügen, Intrigen und Mord.
Genau in diesem Dunstkreis ermittelt
nach dem ersten Mord der ehrgeizige Kommissar Toller (Marino Masé,
u.a. Der Teufel führt Regie, Auge um Auge).
Kittys Vorgesetzter und Geliebter
Martin wird dabei rasch zum Hauptverdächtigen des Ermittlers. Er hätte
ein Motiv für den ersten Mord. Außerdem fragt man sich, warum seine
(Noch-) Ehefrau in der geschlossenen Psychiatrie steckt und was der
Gigolo Martin wohl damit zu tun hat.
Wie so oft
bei Gialli gilt auch bei "Die rote Dame" das Prinzip "Alles ist möglich, nichts unwahrscheinlich." Jede und jeder könnte für die Morde
verantwortlich sein und natürlich ist auch ein Komplott mehrerer
Personen denkbar. Kein Story-Twist ist so verrückt, dass er nicht in einem Giallo-Drehbuch Platz finden könnte.
Das übernatürliche Element, der Fluch, wirft die Frage auf, ob der Geist Evelyns tatsächlich umtriebig und für das Ableben zahlreicher Charaktere verantwortlich ist. Dieses Story Element verleiht dem Drehbuch das gewisse Etwas und hebt "Die rote Dame" etwas von den klassischeren Kriminalgeschichten ab.
Doch all dies würde nicht auf so
wunderbare Weise zusammenspielen, wenn nicht diese malerischen
Drehorte wären.
Das Schloss der Wildenbrücks, das eine
Aura von Erhabenheit, Stolz doch zugleich auch Verfall und Einsamkeit
umgibt, ist der perfekte Schauplatz für das Mord-Drama, das sich
zwischen den ungleichen Schwestern abspielt.
Die Modelagentur, die mit ihren
sauberen gefliesten Gängen Modernität und Kälte suggeriert, ist
eine ebenso stimmige Kulisse wie der Schlossgarten rund um die
Würzburger Residenz, wo sich die mysteriöse rote Dame im Gebüsch
versteckt.
Die Mörderin mit den langen dunklen
Haaren im roten Kapuzenumhang, die nicht spricht, sondern ausschließlich schrill lacht, hat
absolutes Kultpotential.
Das rote Telefon verkündet Unheil |
Hot or not? Martin im Bademantel |
Auch bei den Effekten wurde bei der
Produktion nicht gespart. Sowohl was das eingesetzte Kunstblut (habe
ich in manchen zeitgenössischen Filmen schon schlechter gesehen) als auch die
stilecht ausgeleuchteten Kulissen betrifft.
Die Szene mit dem "Zaunsturz" erinnert sehr an Die toten Augen des Dr. Dracula und die
Geschichte mit dem Fluch ist nicht besonders neu. Wie in die Die Grotte der vergessenen Leichen lässt sich auch hier eine gewisse stilistische Parallele Miraglias zu den Werken Mario Bavas nicht leugnen. Auch beim roten Telefon Kittys, das in Blutige Seide ebenfalls eine wichtige Rolle spielt, können Bava KennerInnen einen gewissen Wiedererkennungswert nicht leugnen.
Barbara Bouchet und Sybil Danning sind
eine Augenweide und jede für sich strahlt mehr Sex-Appeal und
Persönlichkeit aus als Ugo Pagliali (in der Rolle des Frauenhelds
Martin Hoffmann) es verdient hat. Immerhin ist er ein etwas selbstverliebter Fremdgänger.
Doch sowohl Kitty als auch Lulu werden von seinem Charakter und beruflichen Erfolg magisch angezogen und wohl eher
nicht von seiner Figur im Bademantel oder seinen eigenartigen am Kopf
pappenden strohigen Haaren. Doch gerade der untreue Martin ist es,
der zum Held und Lebensretter wird, als er zufällig eine Information
erhält, die zur Auflösung der Mordfälle führen könnte...
"Die rote Dame" ist ein Giallo von
ganz bemerkenswerter Ästhetik, dessen Handlung kaum Leerlauf
aufweist und uns deswegen keine Verschnaufpausen gönnt. Wer der Rahmenhandlung nach
zahlreichen Plot-Twists und Zusammenhängen, die plötzlich aus dem Nichts
herbeigeschafft werden, noch folgen kann, wird feststellen: Am Ende
gibt (fast) alles wieder Sinn. Zumindest wenn man sich nicht zu sehr von der Fluch Geschichte verwirren lässt.
Die exquisit selektierten Drehorte in
Deutschland heben diesen Film deutlich aus der Masse anderer
italienischer Genrefilme hervor und die Killerin ist wie bereits
erwähnt eine nachhaltig beeindruckende Erscheinung.
Bruno Nicolai hat für "Die rote
Dame" ein musikalisches Thema kreiert, das meiner Meinung nach
nicht nur perfekt auf den Film abgestimmt ist, sondern auch gemeinsam
mit seiner Komposition für "Die Farben der Nacht" und einigen anderen berühmten Giallo Soundtracks (wie z.B. Morricones Musik zu Una lucertola con la pelle di donna) mit zu den Besten
gehört, die das Genre zu bieten hat.
Besonders in der seit Mai verfügbaren sehr guten Bildqualität der Arrow Veröffentlichung kommt die kunstvolle Szenengestaltung und Beleuchtung dieses unterschätzten Werks erst richtig zur Geltung. Für mich ist "Die rote Dame" eines der noch viel zu wenig gewürdigten Highlights des Genres.
Fotos der Drehorte findet ihr hier.
Besonders in der seit Mai verfügbaren sehr guten Bildqualität der Arrow Veröffentlichung kommt die kunstvolle Szenengestaltung und Beleuchtung dieses unterschätzten Werks erst richtig zur Geltung. Für mich ist "Die rote Dame" eines der noch viel zu wenig gewürdigten Highlights des Genres.
Fotos der Drehorte findet ihr hier.
Foto: Arrow Video VÖ (England)
Foto: Dagored Locandina und Plattencover