BLUTIGE SEIDE
Italien 1964
Regie: Mario Bava
DarstellerInnen: Eva Bartok, Cameron
Mitchell, Thomas Reiner, Ariana Gorini, Dante DiPaolo, Mary Arden,
Franco Ressel, Claude Dantes, Lea Lander, Luciano Pigozzi u.a.
Inhalt:
Die junge, reiche Witwe Comtessa
Cristina Como betreibt einen Modesalon. Eines Tages wird eines ihrer
Models ermordet. Die Polizei tappt vorerst im Dunkeln
über die Täterschaft und das Motiv.
Als sich die Zahl der Models durch weitere
grausame Morde kontinuierlich dezimiert, gerät der ermittelnde
Inspektor dezent unter Zeitdruck.
In einer verzweifelten Aktion lässt er alle Verdächtigen festnehmen. Dieser Schachzug kann eine weitere Bluttat jedoch nicht verhindern...
In einer verzweifelten Aktion lässt er alle Verdächtigen festnehmen. Dieser Schachzug kann eine weitere Bluttat jedoch nicht verhindern...
Die Farbe Rot sticht an vielen Stellen ins Auge |
Der Mörder mit dem "Gesichtsverband" |
Es gibt innerhalb der Fan-Gemeinde des italienischen Kinos der Sechziger und Siebziger Jahre eine beachtliche Anzahl von Menschen, die die Werke
Mario Bavas frenetisch verehren.
Und es ist bezeichnend für den Kult um
das Regietalent Bava, dass gerade über ihn das dickste und
umfangreichste Buch, das je über einen Nischenfilm-Regisseur seiner
Zeit geschrieben wurde, existiert.
Auf zahlreichen Veröffentlichungen finden sich etliche Stunden an Bonus-Material in Form von Texttafeln und Interviews zum Künstler respektive zur Person Mario Bava, seinem Werdegang und seinen Filmen. Nicht ohne Grund. Denn Bava hat die Filmwelt, zumindest in gewissen Sparten, in der Tat nachhaltig geprägt.
Auf zahlreichen Veröffentlichungen finden sich etliche Stunden an Bonus-Material in Form von Texttafeln und Interviews zum Künstler respektive zur Person Mario Bava, seinem Werdegang und seinen Filmen. Nicht ohne Grund. Denn Bava hat die Filmwelt, zumindest in gewissen Sparten, in der Tat nachhaltig geprägt.
Besonders der Einfluss seiner frühen Werke ist von den Siebzigern bis in die heutige Zeit hinein erkennbar. Der fachmännische Einsatz von formvollendeten Licht-Schatten-Effekten, sowie außergewöhnlich dirigierten Kamerafahrten und Bildkompositionen spiegelt sich beispielsweise bei Dario Argento,
Tim Burton oder Joe Dante in Form von künstlerischen Huldigungen in deren eigenen Werken wieder.
Und wenn man aufmerksam diversen Interviews aktueller Regisseure über Einflüsse und Vorbilder für ihre Arbeit lauscht, hört man mitunter ebenfalls den Namen Mario Bava.
Leider ward ihm zu Lebzeiten nur wenig positive Kritik, besonders in seinem Heimatland, vergönnt. Ein Schicksal, das er immerhin mit einigen anderen verkannten Genies und Kunstschaffenden teilt.
Und wenn man aufmerksam diversen Interviews aktueller Regisseure über Einflüsse und Vorbilder für ihre Arbeit lauscht, hört man mitunter ebenfalls den Namen Mario Bava.
Leider ward ihm zu Lebzeiten nur wenig positive Kritik, besonders in seinem Heimatland, vergönnt. Ein Schicksal, das er immerhin mit einigen anderen verkannten Genies und Kunstschaffenden teilt.
Während Bava im Jahr zuvor mit dem
wunderbaren La ragazza che sapeva troppo die narrative
Schablone des italienischen Giallos umriss, schuf er mit "Blutige Seide" den stilistischen Prototypen für zahlreiche
weitere Genre-Filme, insbesondere für die Dario Argentos (u.a. in "Profondo Rosso") und Luciano Ercolis (La morte accarezza a mezzanotte).
Wenn man "Blutige Seide" zum
ersten Mal erlebt, muss man sich dabei sowohl die Entstehungszeit als
auch die Bedeutung des Films für später produzierte Gialli vor Augen halten.
Obwohl das Drehbuch etwas schwächelt
und sich keine der agierenden Personen als Identifikationsfigur oder
gar Sympathieträger anbietet, kommt man nicht umhin, die Handlung
aufmerksam zu verfolgen.
Ich würde in diesem Zusammenhang nicht einmal von Spannung
sprechen, sondern eher von einer unbändigen Neugier, die durch die
Inszenierung und die rätselhaften Charaktere geweckt wird.
Man hat das Gefühl, dass alle etwas zu verbergen haben und da wir als ZuschauerInnen nur einen oberflächlichen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt oder die Vorgeschichte der ProtagonistInnen erhalten, sind die Morde prinzipiell allen handelnden Personen zuzutrauen.
Man hat das Gefühl, dass alle etwas zu verbergen haben und da wir als ZuschauerInnen nur einen oberflächlichen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt oder die Vorgeschichte der ProtagonistInnen erhalten, sind die Morde prinzipiell allen handelnden Personen zuzutrauen.
Das Motiv für die grausamen Untaten
bleibt bis kurz vor dem tragischen Finale im Verborgenen, was der Geschichte einen besonderen Charme verleiht.
Die sadistischen Verbrechen werden von einer
etwas unförmig wirkenden, in schwarze Gewänder gehüllten Person
mit schwarzen Handschuhen begangen, die einen Hut trägt und eine Art
Gesichtsverband, der keinen Millimeter Haut freigibt.
Bereits in "Die Stunde wenn Dracula
kommt" geht es in Anbetracht seiner Entstehungszeit und der Darstellung von Brutalität nicht gerade zu wie bei einem Kindergeburtstag. Doch in "Blutige Seide" wird die Gewalt noch viel drastischer (und in berückend schönen Farben) gezeigt.
Der Rohling mit dem Hut würgt seine Opfer nicht nur, er drückt einer Frau sogar eine Eisenklaue ins Gesicht oder verbrutzelt das Antlitz eines schönen Models an einem heißen Ofen. Mit dem eigenwilligen Auftürmen von zwei seiner Opfer zu einer Art Skulptur beweist der umtriebige Kapitalverbrecher auch Sinn für makaberen Humor oder - je nach Interpretation- schlicht und einfach Wahnsinn.
Der Rohling mit dem Hut würgt seine Opfer nicht nur, er drückt einer Frau sogar eine Eisenklaue ins Gesicht oder verbrutzelt das Antlitz eines schönen Models an einem heißen Ofen. Mit dem eigenwilligen Auftürmen von zwei seiner Opfer zu einer Art Skulptur beweist der umtriebige Kapitalverbrecher auch Sinn für makaberen Humor oder - je nach Interpretation- schlicht und einfach Wahnsinn.
Die Sets (gedreht wurde ausschließlich an Original-Schauplätzen) sind ähnlich perfektionistisch und ästhetisch ausgeleuchtet
wie bei Die drei Gesichter der Furcht oder "Der Dämon und
die Jungfrau".
Als ZuschauerIn zerfließt man förmlich in einem Rausch aus Farben – die Kulissen und Requisiten glimmen mal grün, mal violett, rot oder blau und das auch manches Mal alles zur selben Zeit.
Die Farbe Rot sticht an allen Ecken und Enden ins Auge. Eine Schaufensterpuppe, deren Körper mit rotem Samt überzogen ist, erregt genauso Aufmerksamkeit wie das rote Schild des Modesalons oder der tiefrote Telefonhörer, der zum Ende des Films leinwandfüllend beinahe hypnotisierend hin und her pendelt.
Als ZuschauerIn zerfließt man förmlich in einem Rausch aus Farben – die Kulissen und Requisiten glimmen mal grün, mal violett, rot oder blau und das auch manches Mal alles zur selben Zeit.
Die Farbe Rot sticht an allen Ecken und Enden ins Auge. Eine Schaufensterpuppe, deren Körper mit rotem Samt überzogen ist, erregt genauso Aufmerksamkeit wie das rote Schild des Modesalons oder der tiefrote Telefonhörer, der zum Ende des Films leinwandfüllend beinahe hypnotisierend hin und her pendelt.
"Blutige Seide" ist bunt und
psychedelisch, nützt Licht-Schatten-Effekte und erzeugt nicht nur
durch die drastisch und lebhaft dargestellten Morde ein Gefühl der Beklemmung. Auch durch
Kamera-Perspektiven und geschickt eingesetzte Kamerafahrten entsteht
eine mysteriöse Atmosphäre, die das Drehbuch stellenweise zu einer Nebensächlichkeit degradiert.
Die aus Ungarn stammende Schönheit Eva
Bartok war eine exquisite Besetzung für die Rolle der Comtesse. Sie
strahlt Eleganz, Dekadenz und zugleich eine gewisse Dominanz aus. Sie
wirkt verführerisch und geheimnisvoll.
Schade, dass sie nicht in mehreren
Genrefilmen mitgewirkt hat.
Claude Dantes (ein eigenwilliger Name für eine Frau, aber er passt zu ihr) als Tao-Li ist ebenfalls
eine interessante und einprägsame Erscheinung. Ein Gesicht, das man
sich gut merkt.
Apropos Gesichter merken: Lea Lander,
die ich bereits wiederholt in Mario Bavas Wild Dogs bewundert habe und von der ich behauptet hätte, sie jederzeit und
überall wieder zu erkennen, spielt eines der Models. Da sie in den
Credits als Lea Krüger geführt wird, konnte ich keinen Zusammenhang
herstellen und bin immer noch irritiert, sie nicht identifiziert zu haben.
Der beliebte Nebendarsteller Luciano
Pigozzi gehört ebenfalls zum Ensemble und selbstverständlich auch zum Kreis der
Verdächtigen. Genau so wie der unverkennbare Herr Stengel aka Franco Ressel
(oder umgekehrt?).
Der trompetenlastige Soundtrack verfügt über Ohrwurm-Qualität und scheint wie geschaffen für den High Society-Dunstkreis aus Lug, Betrug, Skandalen und
Drogenexzessen.
"Blutige Seide" ist auf visueller Ebene ein Kunstwerk,
das zur mehrmaligen Sichtung einlädt und eine Aura der zeitlosen
Eleganz verströmt, die ihresgleichen sucht.
Die eben erst (unter der Mitwirkung von
Bava-Koryphäe Tim Lucas) erschienene Blu Ray von Arrow verfügt über
umfangreiches und wirklich informatives Bonus-Material, das zum Einen
italienische Filmschaffende als auch Experten aus dem Stiefelland zum
Thema "Charakteristika des Giallo Genres", zum Anderen natürlich
über Mario Bava himself zu Wort kommen lässt.