Sonntag, 23. August 2015

SPECIAL: DREHORTE IN APULIEN

DER CASANOVA UND DIE APOKALYPSE

Im Mai 2015 waren wir nicht nur in der italienischen Region Basilikata (Drehort von Il demonio), sondern auch im landschaftlich schönen Apulien, dem Land der Trulli und Olivenbäume, unterwegs.
Ohne zu ahnen, dass hier ein Filmdrehort ist, schleppten wir uns in der Mittagshitze durch die engen Gassen des pittoresken Alberobello.
Eine Episode in Casanova '70 wird durch die eigenwillige apulische Architektur der dortigen Behausungen bereichert.
Außerdem haben wir das berühmte Castel del Monte (u.a. bekannt durch die italienische Ein-Cent-Münze) umrundet und besichtigt, vor dessen Kulisse eine spektakuläre Szene des Films Die Killer der Apokalypse gedreht wurde.
Hier ein paar Impressionen aus Filmen und Urlaub:

CASANOVA '70










Alberobello 2015
In Natur noch schöner als im Film...










Ostuni, die weiße Stadt des italienischen Südens, im Film








Ostuni 2015
Wir haben zwar die ein oder andere Gemeinsamkeit, aber leider sehe ich nicht aus wie Marisa Mell, darum gibt es im Bildvergleich keine Mauritia vor der Stadt zu sehen...








Die charakteristische Landschaft mit den uralten Olivenbäumen und Trockenmauern aus Stein sind auch ein Bild wert.


Der Casanova on the road


Olivenbaum


Mauritia on the road


DIE KILLER DER APOKALYPSE
und das Castel del Monte


Das 8-eckige Bauwerk im Film






... und vor meiner Linse



Samstag, 15. August 2015

CASANOVA 70 (1965)














CASANOVA '70

Frankreich, Italien 1965
Regie: Mario Monicelli
DarstellerInnen: Marcello Mastroianni, Virna Lisi, Marisa Mell, Michèle Mercier, Enrico Maria Salerno, Guido Alberti, Margaret Lee, Marco Ferreri, Jolanda Modio u.a.


Inhalt:
Major Andrea Rossi-Colombotti hat Potenzprobleme, die sich allerdings bessern, wenn er gerade einen erhöhten Adrenalinspiegel im Blut hat. Bei einer Psychotherapie bekommt er bestätigt, dass sich gefährliche Situationen zugunsten seiner Manneskraft auswirken. Nun weiß er, dass er für seine Heilung entweder über einen längeren Zeitraum enthaltsam leben oder für Adrenalinkicks vor dem Sexualakt sorgen muss.
Der Frauenschwarm entscheidet sich zu Beginn für die erste Variante und übt sich mit Freundin Giglioloa in Enthaltsamkeit. Als er bei einem gemeinsamen Zirkusbesuch mit seiner Verlobten die Dompteurin die Männer aus dem Publikum auffordert, zu ihr in den Löwenkäfig zu kommen und sie zu küssen, kann sich Andrea nicht mehr halten. Sein Trieb bricht voll durch und er manövriert sich in weiterer Folge von einem gefährlichen amourösen Abenteuer zum nächsten...


Andrea beim Psychodoc. Wer hat das Problem?


Bava oder Freda? Nein, Monicelli!


Huch, eine Komödie!? Eigentlich meide ich Filme dieser Art wie der Teufel das Weihwasser. Doch Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel.
Warum hat also ein Titel wie "Casanova 70" wider Erwarten Eingang in meine Filmsammlung gefunden?
Dafür gibt es sogar mehrere Gründe. Erstens: Als Marisa Mell Fan war ich schon länger neugierig auf den Film. Zweitens: Man werfe einen Blick auf die weitere Darstellerinnen-Riege: Virna Lisi (sehr schön im Schwarz-Weiß-Giallo La donna del lago), Michèle Mercier (Friedhof ohne Kreuze) und Margaret Lee ("Killer sind unsere Gäste") sind einfach eine Wohltat für ästhetisch veranlagte Augen und wer (wie ich) Enrico Maria Salerno (Das Syndikat) und Guido Alberti (Spasmo) toll findet, macht mit diesem Film keinen Fehlgriff.


Virna Lisi, auch in Farbe schön


Besonders Salerno als verrückter Psychoanalytiker, der befremdliche neurotische Ticks hat (Stichwort: Buntstifte und Anspitzer!) und während der Sitzung auf seinen Klienten zu Recht beängstigend wirkt, bereichert diese Komödie mit seinen herausragenden schauspielerischen Fähigkeiten.
Den letzten Anstoß für den Kauf der Blu Ray gab mir allerdings die Tatsache, dass unter anderem im pittoresken apulischen Ort Alberobello und dem süditalienischen Ostuni sowie der Grotta di Castellana, die ich erst im Mai selbst besucht habe, gedreht wurde.
Davon an anderer Stelle mehr...

Marcello Mastroianni als Major Rossi-Colombotti muss gar nicht viel machen, allein schon seine Gesichtsausdrücke erzeugen Frohmut und Heiterkeit.
Trotz der beachtlichen Filmlänge von über zwei Stunden kommt aufgrund der kreativen und sehr abwechslungsreichen Erzählweise keine Langeweile auf.
Und Leute, die den Humor eher mittelmäßig finden, dürfen sich als Ausgleich dafür an wunderschönen Bildern und malerischen Landschaften, eingefangen von Aldo Tonti, einem der besten Kameramänner seiner Zeit, ergötzen.
Gedreht wurde fast ausschließlich an Originalschauplätzen und besonders die Nachtaufnahmen und die etwas dunkleren Bilder des Schlosses, in dem die wunderschöne Thelma (Marisa Mell) und ihr eifersüchtiger Gatte residieren, erinnern an die düstere Ästhetik der klassischen Gotik-Filme Mario Bavas oder Riccardo Fredas.
Marisa Mell sieht bezaubernd schön aus in den extravaganten Kostümen, die sie als Frau eines reichen Grafen tragen darf.


Sieht sie nicht toll aus?


Ja, der links ist Thelmas Mann...


Die Reise des umtriebigen Majors führt uns von Paris nach Burma, Süditalien, die Schweiz und Deutschland.
Es gibt vermutlich bessere Komödien, dennoch ist diese hier sehr kurzweilig. Die Freude über die exquisit ausgewählten Schauspielerinnen und Schauspieler gleicht die Schwachstellen des Drehbuchs aus, dem ich (im Gegensatz zur Jury im Jahr 1966) keine Oscar-Nominierung zugestanden hätte. Dennoch gefielen mir einige Gags sehr gut und an manchen Stellen blitzt sogar etwas tiefgründigerer Humor durch.
An den Kinokassen war diese kurzweilige Komödie jedenfalls ein Erfolg. Besonders in den USA, wo der Film heute noch als Klassiker und eines der besten Werke Monicellis gilt.
"Casanova '70" bietet angenehme Zerstreuung und ist meine Empfehlung an alle, deren Interesse (nun) hoffentlich geweckt wurde und Pflichtprogramm für Marisa Mell Fans.




Foto: Blu Ray vom Label S.A.D. Home Entertainment



Sonntag, 2. August 2015

LA POLIZIA HA LE MANI LEGATE (1974)














KILLER COP

Italien 1974
Regie: Luciano Ercoli
DarstellerInnen: Claudio Cassinelli, Arthur Kennedy, Franco Fabrizi, Sara Sperati, Bruno Zanin, Francesco D'Adda, Valeria D'Obici, Giovanni Cianfriglia u.a.


Inhalt:
Kommissar Matteo Rolandi ist Drogenfahnder in Mailand und durchsucht gerade das Hotelzimmer eines Verdächtigen, als im Foyer eine Kofferbombe explodiert. Das Hotel, das anlässlich eines Kunst-Kongresses von wichtigen internationalen Persönlichkeiten besucht ist, wird zum Massengrab.
Kurze Zeit später trifft Rolandis Freund und Kollege Balsamo bei einer Routinekontrolle zufällig auf einen verstört wirkenden jungen Mann, der mit dem Bombenattentat etwas zu tun zu haben scheint. Der Verdächtige entwischt ihm knapp. Vom Justizministerium beauftragt wird Oberstaatsanwalt Di Federico auf den Fall angesetzt, der die Ermittlungen Rolandis mehr oder weniger boykottiert.
Die für die Tat Verantwortlichen entsenden einen Auftragsmörder, der jeden, der in den Fall verwickelt ist und zu viel wissen könnte, ins Visier nimmt. Können die beiden ungleichen Männer, Polizist und Staatsanwalt, den Fall aufklären und die Auftraggeber des Anschlags entlarven?


Das sympathische Duo Balsamo (links) und Rolandi


Arthur Kennedy überzeugt als Oberstaatsanwalt


Der irreführende reißerische deutsche Titel "Killer Cop" passt so gar nicht zu dem nachdenklich stimmenden, düsteren Poliziottesco Luciano Ercolis.
Denn hier ist tatsächlich der Name, sprich der Originaltitel, Programm: "La polizia ha le mani legate" (also: "Der Polizei sind die Hände gebunden").
Sieht man vom doch recht plastisch dargestellten Bombenattentat zu Beginn des Films ab, verzichtet Ercoli weitestgehend auf die genre-üblichen Effekte und Actionszenen. Statt dessen taucht der Film tief ein in politische Inhalte.
Außerdem ist "Killer Cop" stark geprägt von einer intensiven Atmosphäre der Paranoia.
Die Schatten der Verschwörer und unsichtbaren Feinde scheinen Rolandi und Di Federico auf Schritt und Tritt zu verfolgen und beide müssen auf schmerzhafte Weise erfahren, dass sogar einstige Vertraute auf der anderen Seite stehen.

Dieser hochpolitische Poliziottesco mit seinem betrüblichen Originaltitel, der zugleich das Fazit des Films darstellt, lebt zu einem großen Teil von seinen authentischen und sympathischen Charakteren.
Allen voran Claudio Cassinelli (Der Tod trägt schwarzes Leder), der als Kommissar Rolandi einen sehr menschlichen Vertreter des Gesetzes spielt. Er ist kein jähzorniger Superbulle, der rund um die Uhr gesetzesuntreuen Buben die Zähne einschlägt, sondern ein angenehmer, relativ ausgeglichener Zeitgenosse, der auch von seinen Kollegen sehr geschätzt wird.
Sein Freund und Mitarbeiter Balsamo (Franco Fabrizi, der in Das Syndikat einen windigen Verbrecher mimte) ist ein sich oft selbst im Weg stehender herzensguter Chaot, was dem Unglückseligen nicht nur in Bezug auf seine Karrierepläne zum Nachteil gereichen soll...
Der amerikanische Schauspieler Arthur Kennedy, der gegen Ende seiner Karriere einige italienische Genrefilme (u.a. Das Leichenhaus der lebenden Toten, "Die Viper") bereicherte, zeigt in der Rolle des Oberstaatsanwalts Di Federico, dass er zu den ganz Großen im Filmbusiness gehörte. Immerhin finden sich neben zahlreichen Engagements für Film und Theater fünf Oscar-Nominierungen in seinem Lebenslauf.
Den einzelgängerischen, sturen, sehr erfahrenen Vertreter der Anklage mimt er mit routinierter Eleganz.
Trotz der widrigen Umstände, unter denen Di Federico seine Arbeit aufnimmt, umgibt den in die Jahre gekommenen Staatsanwalt eine faszinierende Aura der stoischen Gelassenheit.
Zu seinem Leidwesen sitzt ihm bereits zu Beginn der Ermittlungen der Justizminister (ein wahrlich unangenehmer Zeitgenosse!) im Nacken, der über jeden noch so kleinen Fortschritt umgehend informiert werden will.
Di Federico ist es schließlich auch, der den berühmten Satz "La polizia ha le mani legate", aussprechen wird. Seine Maske der Unerschütterlichkeit zeigt kleine Risse als er erkennen muss, wie groß und übermächtig das kriminelle Netz hinter den kleinen Fischen, die das Attentat ausgeführt haben, in Wahrheit ist. Er entzieht sich der Geschichte.
Rolandi, eher ein Mann der Tat, sucht einen anderen Weg, das Gefühl der Ohnmacht loszuwerden.

Der exquisite, einprägsame Soundtrack aus der Feder Stelvio Ciprianis besteht aus einem treibenden und stimmigen Grundthema (mit Ähnlichkeit zum Sound in Der unerbittliche Vollstrecker), dessen unterschiedliche Variationen sich wunderbar an die einzelnen Szenen anschmiegen. Durch den Einsatz verschiedener Instrumente und Anpassung der Tempi klingt er mal schlichter, mal opulent und eher dramatisch, jedenfalls immer beklemmend.

Bezüge zu realen Ereignissen und Politisches


"Killer Cop" ist einer der dunkelsten, trostlosesten Filme, der innerhalb des Genres des italienischen Polizeifilms je hervorgebracht wurde. Bemerkenswerterweise greift er brisante damals hochaktuelle politische Inhalte, die zu diesem Zeitpunkt in der breiten Öffentlichkeit noch stark tabuisiert waren, auf.
Er spiegelt die reale Bedrohung während der sogenannten "Bleiernen Jahre" (die von Anschlägen der Roten Brigaden und Faschisten geprägte Ära) wider.
Der Plot vermittelt uns dieses Gefühl der permanenten Bedrohung durch die ungreifbare Gefahr, die sowohl von linken Stadt-Guerilla-Truppen als auch von den vom CIA und der NATO unterstützten "Gladio-Geheimarmeen" ausging. Deren geheimes Ziel war es, um jeden Preis eine von Kommunisten dominierte italienische Regierung zu verhindern.
Geschickt wird die "Strategie der Spannung" (lohnend: Interessierte suchen auf wikipedia nach diesem Begriff) im Film eingearbeitet. Zu keinem Zeitpunkt wird für den Zuschauer deutlich, welches politische Lager für den Terror verantwortlich gemacht werden kann.


Diskussionen in der Straßenbahn


Ercoli lässt in einer Straßenbahn-Szene die einfachen Bürger darüber streiten, wer die Bombenleger waren. Schnell wird bei den hitzigen Debatten der Ruf nach einer harten restriktiven Regierung laut: "Unter den Faschisten gab es solche Zustände nicht!"
Beeindruckend, wie Luciano Ercoli zu einer Zeit, in der die Machenschaften der NATO und insbesondere Gladios noch Geheimsache war, die Mechanismen des Terrors von sogenannten "stay behind-Organisationen" aufdeckt.
Bereits in den Siebzigern gab es zwar erste Hinweise auf diese Art von politischem Terror (sogar die namhafte italienische Tageszeitung "Corriere della Sera" griff das Thema in einem Artikel auf), doch keine Beweise, keine Namen, nichts konkret Greifbares.
Im Film haben die wichtigen Männer aus den höchsten Reihen, die hinter den Anschlägen stecken, analog zum realen Hintergrund, keine feststellbare Identität. Es kann nur spekuliert werden, wer die Nutznießer einer aus den Fugen geratenen politischen Lage sein können.

Ercoli geht mit "Killer Cop" sogar noch einen Schritt weiter als andere italienische Regisseure seiner Zeit.
Er baut reale Ereignisse, unter anderem den Terroranschlag auf dem Piazza Fontana in Mailand (1969) in seinen Film ein. Bei dem verheerenden Bombenanschlag starben 16 Menschen, 88 wurden verletzt. Trotz offensichtlichem rechtsextremen Hintergrund fahndete die Polizei jahrelang nur unter den Linken.
Ercoli verwendet die Begräbnis-Szenen der Opfer dieses Anschlags als Bilder in einer Fernsehübertragung in seinem Film und nimmt so Bezug zur damaligen realen Situation Italiens.
Ebenso lässt Ercoli es sich nicht nehmen, eine sarkastische Anspielung auf die Tagung der extremen Rechten zum Thema "Konterrevolutionäre Kriegsführung und die Verteidigung Italiens gegen den Kommunismus mit allen Mitteln", die im Luxushotel "Parco dei Principe" stattfand, einzubauen.
Denn in seinem Poliziottesco tagt in zufälligerweise just in demselben Hotel ein internationales Publikum zum Thema "Naive Kunst"...

"Killer Cop" ist eine couragierte und herausragende Arbeit Luciano Ercolis, dessen leider nur acht Werke umfassende Filmografie die Welt des Kinos bis heute nachhaltig bereichert.




Foto: DVD von Cecchi Gori und Raro USA Blu Ray




Foto: Absolut empfehlenswerter OST von Chris' Soundtrack Corner




Samstag, 25. Juli 2015

VAI GORILLA (1976)














DER GORILLA BEGLEICHT DIE RECHNUNG

Italien 1976
Regie: Tonini Valerii
DarstellerInnen: Fabio Testi, Renzo Palmer, Claudia Marsani, Saverio Marconi, Antonio Marsina, Luciano Cantenacci, Giuliana Calandra, Salvatore Billa u.a.


Inhalt:
Marco Sartori, ein ehemaliger Stuntman, verdient seinen Lebensunterhalt als Bodyguard des millionenschweren Bauunternehmers Gaetano Sampione. Als reicher Mann lebt es sich gefährlich im Italien der Siebziger-Jahre. Schon seit geraumer Zeit wird Sampione, wie viele andere Mitglieder der "High Society" von einer unbekannten Verbrecherbande erpresst.
Er soll einen bestimmten Betrag zahlen, damit ihm und seiner Familie nichts zustößt.
Bei jeder Weigerung Sampiones, sich auf die Forderungen der Erpresser einzulassen, wird der Betrag erhöht und die Drohungen und Einschüchterungsversuche immer furchteinflößender.
Marco, der von Sampione ziemlich herablassend behandelt wird, von Sampiones Tochter Vera allerdings sehr geschätzt wird, lässt sich von Nichts und Niemandem davon abbringen, herauszufinden, wer die Verbrecher sind.
Da die Polizei unfähig scheint, den Erpressungen Einhalt zu gebieten, versucht Marco (ua. mit Hilfe seines Bruders Piero) selbst, die Ganoven zu stoppen...


Testi in Action


Diese Augen... Marconi


"Der Gorilla begleicht die Rechnung" ist nicht, wie es der Titel vielleicht vermuten lässt, ein Film mit einem Affen in der Hauptrolle. Wobei der Hüne Fabio Testi (in der Rolle des Marco) mit seinem durchtrainierten gestählten Körper, der hier mal richtig gut zur Geltung kommt, durchaus als "Tier" bezeichnet werden könnte.

Der damals gerade populär werdende Beruf des "Gorillas" war eine logische Konsequenz der hohen Verbrechensrate und des Sicherheitsbedürfnisses reicher Leute.
Die Thematisierung der wachsenden Verunsicherung der Bevölkerung und des immer mehr verloren gehenden Vertrauens in die Fähigkeiten der Polizei, ist typisch für viele Poliziotteschi.
Allerdings kommt die Polizei in diesem Film nur am Rande vor.

Der eigentliche Star und Haupt-Ermittler ist Marco, der zwar immer wieder Anläufe nimmt, mit Kommissar Vannuzzi zusammenzuarbeiten, sich aber schließlich eingestehen muss, dass die Polizei nicht nur wenig hilfreich, sondern sogar kontraproduktiv agiert.
Glücklicherweise bekommt er etwas Unterstützung von seinem Bruder Piero - toll gespielt von Saverio Marconi, dessen von dunklen Schatten umrandeten Augen und stechender Blick auch den etwas später entstandenen Das Syndikat des Grauens bereichern.
In weiteren Rollen die "üblichen Verdächtigen", die in keinem Genre-Film fehlen dürfen: Renzo Palmer (u.a. Racket, Ein Bürger setzt sich zur Wehr), Luciano Catenacci (Der Berserker oder Die toten Augen des Dr. Dracula) und einige andere bekannte Gesichter.

"Der Gorilla begleicht die Rechnung" ist ein sehr actionlastiger Film, in dem der ehemalige Stuntman Fabio in der Rolle des ehemaligen Stuntmans Marco zeigen konnte, was er wirklich drauf hatte.
Das Drehbuch und die Charaktere sind eher oberflächlich, Letztere dennoch nicht so platt als dass sie kein Identifikationspotential bieten würden.
Die wirklichen Highlights sind (neben sexy Fabio) die Schießereien und Stunts.
Besonders hervorzuheben ist dabei die klaustrophobische Szene in einem kleinen Lift, in dem Marco festgehalten wird und im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen verliert und minutenlang in der Luft hängt.
Egal, ob rasante Motorradfahrten, Autoverfolgungsjagden, Explosionen oder der Versuch, eine Geiselnahme in einem fahrenden Zug zu stoppen- FreundInnen von temporeichem Italo-Kino kommen bei "Der Gorilla begleicht die Rechnung" bestimmt auf ihre Kosten.

Zitat (Sampione zu Marco):
"Ich will dir mal was sagen: du bist jünger als ich und das stinkt mir!
Du bist stark, schlank und kernig. Und das stinkt mir noch mehr!
Und du kriegst alle Frauen, die du willst. Und das stinkt mir am allermeisten!"

Ein sehenswerter äußerst unterhaltsamer und kurzweiliger Poliziottesco aus der "zweiten Reihe", für den sich womöglich auch eure Frauen begeistern könn(t)en.



Freitag, 17. Juli 2015

IL TEMPO DEGLI ASSASSINI (1975)














DIE WILDE MEUTE

Italien 1975
Regie: Marcello Andrei
DarstellerInnen: Joe Dallesandro, Martin Balsam, Magali Noel, Rossano Brazzi, Guido Leontini, Cinzia Mambretti, Gianluca Farnese u.a.


Inhalt:
Piero und seine Bande verdingen sich mit Einbruchdiebstählen. Wenn sie nicht gerade in Sachen Geldbeschaffung unterwegs sind, leben sie locker in den Tag hinein und machen anderen Menschen das Leben schwer. Manchmal vergnügen sie sich wie unschuldige spätpubertierende Jugendliche am Strand, an anderen Tagen zerren sie eine Frau aus dem Auto, um sie zu vergewaltigen.
Vor allem Piero hat es offenbar satt, sich an irgendwelche Regeln zu halten und durch seine sich steigernde kriminelle Energie und seine Brutalität gerät er immer mehr außer Kontrolle...


Immer cool auf der Leinwand - Dallesandro


Herumalbern am Strand


Unser kleiner Joe Dallesandro (als Piero) mit seinem amerikanischen Waschbrettbauch, den durchtrainierten Schenkeln und der schönen, symmetrischen Nase, mimt wieder mal den Schurken.
Man muss ihn einfach überzeugend finden in so einer Rolle, denn die Darstellung von Brutalität und Gefühlskälte gelingt ihm jedes Mal aufs Neue ausgezeichnet. Und seine Biographie lässt erahnen, dass er sich für diese Rollen nicht allzu heftig verbiegen musste. Immerhin ist er in den gefährlichen Ecken von Brooklyn aufgewachsen und sammelte bereits als Jugendlicher Knast-Erfahrung.
Ein schlimmer Finger, doch die Leinwand liebt ihn.
Wer Joey etwas abgewinnen kann, wird sich auch sicher diesen Film gerne bis zum Ende ansehen.
Mit der Besetzung der Hauptrolle hat Regisseur Andrei schon mal etwas richtig gemacht. Allzu viele Highlights bietet "Die wilde Meute" im weiteren Verlauf leider nicht.

Die Erzählung dümpelt ohne großartige Ausreißer nach oben oder nach unten irgendwie vor sich hin, ohne zu langweilen, ohne zu begeistern. Das Potential der Gesellschaftskritik und des emotionalen Aufwühlens durch die Gewaltspitzen wurde eben so wenig ausgeschöpft wie das unseres Joey.
In dem viele Parallelen zu "Die wilde Meute" aufweisenden hervorragenden Fango Bollente wirkt das kleine Muskelpaket wesentlich eindringlicher, in "Toy" skrupelloser und schmieriger.
Die Rolle des Polizisten (Martin Balsam), der gegen die Verbrecherbande ermittelt, verläuft ebenso ins Leere wie die bestimmt gut gemeinte Rolle des Priesters.
Und die kleine schüchtern-naive Sandra, die von ihrer durchtriebenen Freundin Marisa in die Verbrecher-Clique eingeführt wird, erscheint ebenso lustlos heruntergekurbelt wie die unnötige Rolle der einsamen Mutter von Pieros Kind.
Zu wenig Charaktertiefe kann oft durch ambitionierten Drehbuch-Übermut und heftigen Sleaze ausgeglichen werden. Doch es scheint fast so, als ob Andrei einen Film mit ernsthafteren Untertönen als Konzept gehabt hätte und dieses Kunstwerk ist ihm leider nicht gelungen.
Ein weitaus eleganteres und nachdenklich stimmenderes Werk mit ähnlicher Thematik hat in dieser Hinsicht Leopoldo Savona mit seinem 1959 entstandenen "Die Nächte sind voller Gefahren" vorgelegt.

"Die wilde Meute" ist in meinen Augen ein eher halbgares Filmchen, das man sich als Genrefan natürlich ansehen kann und soll.
Weil Joe Dallesandro und seine Kumpanen coole enge Schlaghosen tragen, weil er in Rom gedreht wurde und eine Seite der italienischen Gesellschaft der Vororte zeigt, die zeitgeschichtlich interessant ist und (zwar wenig ausgefeilte, aber) durchaus interessante sozialpolitische Ansätze bietet.
Mit etwas heruntergeschraubten Erwartungen einen Blick wert.




Foto: VÖ von Subkultur 




Mittwoch, 8. Juli 2015

SPASMO (1974)














SPASMO

Italien 1974
Regie: Umberto Lenzi
DarstellerInnen: Robert Hoffmann, Maria Pia Conte, Suzy Kendall, Ivan Rassimov, Monica Monet, Guido Alberti, Adolfo Lastretti u.a.


Inhalt:
Christian Baumann, seines Zeichens Sprössling aus reichem Hause (Beruf: "Aktienteilhaber in der Firma seines Bruders"), wird im Badezimmer seiner neuen Geliebten Barbara von einem Fremden attackiert. Der Eindringling hat eine Waffe dabei, mit der er von Christian nach einem Handgemenge erschossen wird.
Schwer geschockt von dem Vorfall flieht das Liebespaar aufs Land. Für die beiden erscheint es naheliegend, in das derzeit leer stehende Haus einer Freundin Barbaras einzubrechen. Das Haus wird jedoch bewohnt von einem geheimnisvollen Senioren namens Malcolm und der jungen Clorinda.
Christian hat den Eindruck, dass die beiden mehr über ihn wissen als ihm lieb ist. Als Barbara plötzlich verschwindet und der Mann, den er im Bad ermordet hat, vor ihm steht, glaubt er, den Verstand zu verlieren.
Sein Bruder Fritz, der immer für ihn da war, ist partout nicht zu erreichen und Christian findet sich mit seinem Schicksal, in einem nicht enden wollenden Alptraum gefangen zu sein, beinahe ab. Doch schließlich wittert er ein Komplott gegen ihn und macht sich auf die Suche nach den Menschen, die ihm offenbar nichts Gutes wollen.
Und was hat es eigentlich mit den auf grausame Art erhängten, erstochenen und malträtierten Schaufensterpuppen auf sich, die in der letzten Zeit an diversen Orten aufgefunden werden?


"Christian, da liegt eine tote Frau! Da unten!"


Führt natürlich Böses im Schilde: Adolfo Lastretti


Für mich war die Einstiegsdroge in die Welt des italienischen Kinos nach den obligatorischen Horrorfilmen der Italowestern und beinahe zeitgleich der Poliziottesco.
Mit Gialli hatte ich, außer bei den ganz großen Klassikern wie beispielsweise Das Geheimnis der grünen Stecknadel, Una lucertola con la pelle di donna oder meinem geliebten Non si sevizia un paperino anfänglich noch etwas Mühe.
Wenn man einen Film verfolgt, der anfänglich vorgibt, eine sinnvolle Handlung zu haben und dann feststellen muss, dass plötzlich alle Hypothesen wie eine Seifenblase zerplatzten, wenn Charaktere sich nervenstrapazierend hysterisch und irrational verhalten, wenn man vor lauter roten Heringen das Gefühl hat, die Blätter im Wald nicht mehr zu sehen, dann ist das einfach etwas gewöhnungsbedürftig.
Doch über die Jahre lernte ich auch die besonders kapriziösen Wendungen und schrulligen Verwirr-Taktiken zu schätzen, indem ich ihnen mit kindlichem Staunen und Humor begegnete.
Außerdem legte sich mein Fokus, anfänglich ohne dass es mir bewusst gewesen wäre, verstärkt auf die Bilder und die Musik. Heute kann ich mit Fug und Recht behaupten, ganz tief in die Welt des italienischen Kriminalfilms eingetaucht zu sein.
Manche Filme dieser Gattung ähneln den bunten Wundertüten aus vergangenen Zeiten und erfreuen deshalb vermutlich besonders das Kind in uns.
"Spasmo" gehört definitiv in diese Kategorie und alle, denen stringente Handlung wichtig ist und die gerne eifrig und mit unverhohlenem pedantischen Vergnügen "Logiklöcher" anprangern, werden an diesem Film wenig Freude haben.
(Sollte dies auf euch zutreffen, gebt dem Film eventuell in ein ein paar Jahren nochmal eine Chance...)

"Spasmo" ist zwar, was Zeigefreudigkeit in puncto Gewalt und Nacktheit anbelangt, etwas weichgespülter als manch anderer Giallo. Dafür setzt er auf die schönsten gängigen Genre Klischees wie die psychologischen Folgen von unverarbeiteten Kindheits-Traumata, Isolation von der Außenwelt, Zweifel an der eigenen Wahrnehmung und Paranoia.
Formvollendete wohlgestaltete Kamera-Einstellungen, stilvolle Original-Schauplätze und ein elegischer Soundtrack (natürlich Morricone), der wahre Trommelfell-Orgasmen hervorrufen kann – gelbes Herz, was willst du mehr?

Umberto Lenzi hat mit diesem bildgewaltigen und extravaganten Werk Mut bewiesen. Bereits in der ersten halben Stunde zieht er die Spannungs-Schrauben ordentlich an, indem er für die Handlung vorerst Unwichtiges kurzerhand unter den Tisch kehrt.
Christian (Robert Hoffmann) und seine Freundin Xenia treffen am Strand auf Barbara (Suzy Kendall), die sie zunächst für eine Leiche halten, da sie mit seltsam gespreizten Beinen flach mit dem Gesicht nach unten auf dem Sandstrand liegt. Etwas später statten sie der mysteriösen Fremden, die mit Bekannten auf einem Luxus-Liner eine Party feiert, einen Besuch ab.
Es ist warm, die Sonne scheint auf das Deck des Schiffs.
Christian, sichtlich angetan von Barbara, stellt ihr eine Frage. Sie antwortet. Klingt banal? Wenn die Antwort allerdings in der Nacht in einem Auto erfolgt, stellt dies schon einen etwas abrupten Szenenwechsel dar.
Die Freundin Christians, die ihm just noch mit unverhohlenem Zynismus verkündete, zum Glück schon wieder nicht schwanger zu sein, scheint plötzlich Schnee von gestern. Über ihren Verbleib erfahren wir die nächste Stunde nichts.
Christian will sich mit seiner Neo-Bekanntschaft in einem Motel vergnügen, wird von ihr aber zuvor ins Bad geschickt. Sie möchte, dass er sich vor dem Liebesspiel rasiert. Während er das Waschbecken mit Barthaaren verdreckt, tanzt sie im Nebenzimmer herum.
Dieser Film steckt voller skurriler Ideen und die (deutschen) Dialoge sind sozusagen das Sahnehäubchen auf der Überraschungstorte.
Kostprobe gefällig?

Aus der Rubrik "Dialoge zum Stirnrunzeln"

Strandszene (wie oben erwähnt)
Barbara: "Wieso dachtet ihr, ich sei tot?"
Christian: "Wir sprachen von einem Hund. Er wurde erwürgt."
Barbara: "Es war also nur die Macht der Phantasie."
Christian: "Vielleicht. Woher kommen Sie?"
Barbara: "Mh. Ich bin äh..."
Xenia: "Christian! Ich kann den Whiskey nicht finden!"

Barbara und Christian brechen in das Haus einer Bekannten ein und treffen im zappendusteren Keller auf Malcolm und Clorinda.
Malcolm: "Ich verlange von Ihnen eine Erklärung. Und zwar schnell!"
Christian: "Wer sind Sie? Was machen Sie hier?"
Malcolm: "Das erzählen Sie besser uns, bevor ich die Polizei hole. Dieses ist mein Haus!"
Barbara (energisch): "Nein, das ist nicht wahr. Es gehört Ihnen nicht!"
Malcolm: "Da haben Sie Recht. Wir... mieteten das Haus vor einem Monat. Nicht wahr, Clorinda?"
Clorinda: "Stimmt."
Malcolm: "Mein Name ist Malcolm. Sie sind zwar hier eingedrungen, doch jetzt sind Sie meine Gäste."

Natürlich wirken diese Konversationen noch ulkiger in Kombination mit den Bildern.

Robert Hoffmann ("Die Nacht der rollenden Köpfe") hat eine Ausstrahlung, die ihn geradezu prädestiniert für einen solchen Film und die Rolle des reichen Schnösels. Guido Alberti (eindrucksvoll in Der Berserker) als Malcolm ist ebenso eine exzellente Besetzung  wie der sinistre Adolfo Lastretti, dem man den Bösewicht natürlich auf den ersten Blick ansieht.
Die Britin Suzy Kendall, die in Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe und Torso bereits Giallo-Erfahrung sammelte, mimt eine nicht besonders charismatische, etwas spröde Barbara.
Rassimov-Fans freuen sich sicherlich über seine Rolle als Bruder Fritz. Einziger Wermutstropfen: Die deutsche Synchronisation wirkt störend, weil seine Stimme einen eigenartigen Eunuchen-Touch hat, der leider so gar nicht zu seinem ausdrucksstarken Gesicht und seiner Körpergröße passt.

Man muss "Spasmo" schon etwas Wohlwollen entgegenbringen und abwechselnd das linke und das rechte Auge zudrücken, um Gefallen daran zu finden.
Sollte euch dieses Unterfangen gelingen, werdet ihr, beglückt von den Bildern und dem wunderbaren Soundtrack, bestimmt auf vergnügliche gialloeske Weise unterhalten.




Foto: Shriek Show, Eyecatcher und X-Rated VÖ




Foto: Vinyl-OST von Dagored