Donnerstag, 27. Oktober 2016

LA POLIZIA CHIEDE AIUTO (1974)














DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER

Italien 1974
Regie: Massimo Dallamano
DarstellerInnen: Giovanna Ralli, Claudio Cassinelli, Mario Adorf, Franco Fabrizi, Farley Granger, Marina Berti, Sherry Buchanan, Paolo Turco, Corrado Gaipa


Inhalt:
Die 15 Jahre alte Silvia Povesi wird im Dachgeschoss eines Mailänder Wohnhauses erhängt aufgefunden. Doch schon kurze Zeit später stellen der zuständige Kriminalbeamte Silvestri und Staatsanwältin Stori anhand von eindeutigen Beweisen fest, dass es sich bei der Todesursache nur um Mord gehandelt haben kann. Rätsel gibt den Ermittlern dabei besonders das Motiv auf. Ein Killer in schwarzer Motorrad-Kluft und Helm, bewaffnet mit einem Metzgerbeil, lässt sie von einem (Mord-)schauplatz zum nächsten hetzen. Wo er hinkommt, richtet er (unter potentiellen Mitwissern und Zeugen) ein wahres Blutbad an. Der ganze Fall riecht förmlich nach einer Verschwörung und schon bald entpuppt sich das Drama um sexuellen Missbrauch, Prostitution und Mord als ganz Große Sache mit vielen mächtigen Hintermännern...


Kommissar Silvestri (Cassinelli)


Staatsanwältin Stori (Ralli)


Die vier Poliziotteschi, deren italienische Titel sich quasi den Schwachstellen der Polizei widmen, sind: Das Syndikat ("La polizia ringrazia": Die Polizei bedankt sich), ,Der unerbittliche Vollstrecker ("La polizia sta a guardare": Die Polizei beobachtet), Killer Cop ("La polizia ha le mani legate": Der Polizei sind die Hände gebunden) und "Der Tod trägt schwarzes Leder" ("La polizia chiede aiuto": Die Polizei ruft um Hilfe).
Trotz unterschiedlicher Regisseure weisen die Werke einige Ähnlichkeiten auf.
Sie alle gehören zu den besten Filmen des gesamten Genres, haben die eingängigsten und hervorragendsten Soundtracks (dank Meister-Komponist Stelvio Cipriani) und sind mit hochkarätigen DarstellerInnen besetzt.
Jedes dieser genannten Werke verfügt über eine für die Handlung maßgebliche politische und systemkritische Komponente.
In der Entstehungszeit dieser Filme war die Bevölkerung Italiens aufgrund von diversen Attentaten und der hohen Kriminalitätsrate und Korruption unter politischen Funktionären mehr als verunsichert.
Diese Art von Kino, das jene Probleme kompromisslos veranschaulichte und die Ängste der "einfachen BürgerInnen" thematisierte, traf genau den Nerv der ItalienerInnen. Was in den Lichtspielhäusern über die Leinwand flimmerte, war inhaltlich sogar näher an der Realität, als damals Vielen bewusst war.

"Der Tod trägt schwarzes Leder" widmete sich unter anderem dem Tabuthema "Sexueller Missbrauch". Dies zu einer Zeit, in der die tatsächlichen psychischen Folgen für Opfer solcher Verbrechen noch kaum erforscht und wenig bekannt (tendenziell sogar eher umstritten und verleugnet) waren.
Es ist allerdings anzunehmen, dass es Regisseur Massimo Dallamano, der bereits 1972 in Das Geheimnis der grünen Stecknadel die Thematik von frühreifen promiskuitiven Mädchen aufgriff, vordergründig um die Schockwirkung auf das Publikum ging als um ein seriöses Problematisieren dieser Form von Gewalt.
Die Szene zu Beginn des Films, in der das nackte Mädchen an einem Seil, das an einem Holzbalken befestigt ist, von der Decke baumelt, erzeugt jedenfalls bereits in den ersten Minuten die intendierte Atmosphäre von Emotionalität und Betroffenheit.

Während Claudio Cassinelli als Kommissar gemeinsam mit Giovanna Ralli als Staatsanwältin die Ermittlungen vorantreibt, steigt die Spannung kontinuierlich.
Die Hinweise auf einen Mord verdichten sich nur langsam und über eine lange Laufzeit ist völlig unklar, was das Motiv für die grausame Tötung des jugendlichen Mädchens (Sherry Buchanan) war. Parallel dazu überschlagen sich die Ereignisse ständig.
Polizei und Staatsanwaltschaft hetzen quasi von einem Hinweis zum nächsten, fahren von einem Tatort zum anderen und werden schließlich selbst vom ominösen Killer mit Fleischerbeil bedroht und gejagt.
Dass dieser nicht einmal vor einem Mordversuch an der Staatsanwältin zurückschreckt zeugt entweder von purer Verzweiflung oder totaler Verrücktheit – man weiß es nicht genau.
Seine Funktion, die Handlung zu beschleunigen, erfüllt der schwarz gekleidete Killer jedenfalls mit Bravour.
Die absolut klaustrophobischen Verfolgungsszenen im Krankenhaus, einer Tiefgarage und einem Aufzug erzeugen schier Atemlosigkeit.

"Der Tod trägt schwarzes Leder" ist packend und geradlinig inszeniert. Er wird häufig als "Genre-Grenzgänger" bezeichnet, da er einige Giallo-Elemente (wenn man das Genre auf Killer mit scharfen Mordinstrumenten und schwarzen Handschuhen reduzieren will) aufweist.
Im Vergleich zu seinen oben genannten Polizei-Genre-Vettern tendiert er an manchen Stellen etwas stärker in die exploitative Ecke, was den Unterhaltungswert in diesem Fall jedoch nicht schmälert.
Sieht man über diese Facette der Inszenierung hinweg, stellt man fest:
"Der Tod trägt schwarzes Leder" ist nicht nur einer der blutigsten, sondern aufgrund seines überraschenden und konsequenten Fazits auch einer der grimmigsten und zynischsten Polizeifilme.
Desillusionierend auf mehreren Ebenen. Hier verlieren nicht nur die bemitleidenswerten Mädchen ihre Unschuld und Naivität.
Definitiv gehört dieses Werk Dallamanos zu denjenigen, an denen Polizeifilm-Fans der Siebziger nicht vorbeikommen.




Foto: Alan Young DVD




Foto: Koch Media VÖ




Foto: Camera Obscura Blu Ray




Foto: OST