Samstag, 5. März 2016

COSA AVETE FATTO A SOLANGE? (1972)














DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL

Deutschland, Italien 1972
Regie: Massimo Dallamano
DarstellerInnen: Fabio Testi, Karin Baal, Joachim Fuchsberger, Cristina Galbó, Camille Keaton, Günther Stoll, Claudia Butenuth, Maria Monti u.a.


Inhalt:
Der gebürtige Italiener Enrico Rosseni und seine aus Deutschland stammende Frau Herta unterrichten an einer katholischen Mädchenschule in London. Gigolo Enrico, der eine heimliche Liebesbeziehung zu seiner Schülerin Elizabeth unterhält, wird fuchsteufelswild, als das Mädchen bei einem romantischen Bootsausflug plötzlich zu schreien anfängt. Er ist nämlich der Meinung, sie hat wieder einmal einen Anflug von Prüderie und will ihn auf Distanz halten. Doch sie hat zwischen den Bäumen ein Messer blitzen gesehen und vermutet ein Verbrechen.
Enrico schenkt Elizabeth erst Glauben, als er am nächsten Morgen im Radio von einem Mord an der Themse hört. Er fährt hin, um sich persönlich davon zu überzeugen, dass er gestern ganz in der Nähe des Tatorts war, verliert an Ort und Stelle seinen Kugelschreiber und gerät so ins Visier der polizeilichen Ermittlungen. Die Ermordete war eine seiner Schülerinnen und bald stellt sich heraus, dass es sich um einen Serientäter handelt. Und der Schlüssel zu Allem scheint ein verschollenes Mädchen namens Solange zu sein. Was ist mit ihr passiert und wer kann den Wahnsinnigen stoppen?


Sunnyboy trotz Polizei im Haus


Die schmachtende Ehefrau


Es waren einmal ein deutscher und ein italienischer Filmproduzent. Die beiden waren sich über die Vermarktungsstrategie des gemeinsamen Werks nicht ganz einig.
Der eine, Horst Wendlandt, wollte den Film als eine Erweiterung der in der Bundesrepublik damals so beliebten Edgar Wallace Reihe sehen. Der andere, Fulvio Lucisano, intendierte einen Giallo auf den Markt bringen.
Das Ende dieser Geschichte ist schnell erzählt. Für die Verbreitung im deutschsprachigen Raum wurden explizite Szenen mit Nacktheit und Gewalt weitestgehend entfernt, in Italien flimmerte der Streifen in seiner vollen Schlüpfrigkeit über die Leinwände.

"Das Geheimnis der grünen Stecknadel" ist ein Paradebeispiel des für die damalige Zeit typischen italienischen Exploitationkinos, ein Stück filmische Zeit- und Gesellschaftsgeschichte.
Mit dem adretten Stuntman Fabio Testi (Die Rache der Camorra, Racket) konnte ein besonders glaubwürdiger Schauspieler für die Rolle des Casanova-Lehrers gewonnen werden.
Womit auch die eng gesteckten allgemeinen Grenzen einer glaubwürdigen Story schon so ziemlich erreicht wurden. Denn der Rest bewegt sich in eher seichten Gefilden.
Wenn man weiß, worauf man sich einlässt, ist das aber gar nicht weiter schlimm und schon gar nicht für eingefleischte Fans des Kinos der Siebziger bzw. im Kosmos des Giallo-Universums.
Denn Langeweile kommt nun wirklich keine auf, es gibt in beinahe jeder Szene etwas zum Schmunzeln oder auch zum Stirnrunzeln. Manchmal natürlich auch beide Varianten gleichzeitig.
Ein klassischer Grimassen-Giallo also.

Wenn die Schülerinnen auf der katholischen (!) Mädchenschule im prüden England Schuluniformen tragen, die bedeutend kürzer sind, als es je ein Papst erlaubt hätte und beim Sportunterricht Kleidchen, die kaum ihre Hinterteile bedecken, wenn der Sportlehrer Rosseni auf dem Schulgelände sein Jogging-Dress bis fast zum Bauchnabel offen trägt, dann weiß man einfach, wie der Hase läuft bzw. worauf Dallamano hinaus wollte.
Die voyeuristischen Nacktszenen und Gewaltspitzen hat der mit einem besonderen Auge für Schmuddel begnadete Joe D'Amato (Regie bei Sado – Stoß das Tor zur Hölle auf oder "Man-Eater") als Kameramann auf degoutante Art und Weise eingefangen.
Dabei ist es absolut kreativ, was sich die Macher des Films einfallen ließen, um das an sich nicht besonders ergiebige Drehbuch aufzupeppen. Besonders die Szene mit dem Milch-Model ist der beste Beweis für testosterongeschwängerte Kreativität. Selten wurden Milch (also klassische Kuhmilch) und sleazige Erotik gekonnter verknüpft. Vielleicht abgesehen davon, was unsere geschätzte Bärbel Bouchet in "Die Rache des Paten" mit dem weißen Eutersaft so aufführt. Da musste ich doch gleich zwei Mal hinsehen, um es zu glauben...

Unseren genre-gestählten Augen bieten sich außerdem noch einige exquisit ausgesuchte DarstellerInnen.
Da wäre zum Einen die wunderschöne zarte Elfe Cristina Galbó in der Rolle der Schülerin Elizabeth, die sich zwei Jahre später als Edna mit ihrer hässlichen drogenabhängigen Schwester und noch hässlicheren Zombies in Leichenhaus der lebenden Toten herumschlagen musste.
Oder die intensiv spielende Camille Keaton in der Rolle der Solange, die das Publikum im später entstandenen "I spit on your grave" nachhaltig beeindruckte.

Karin Baal, die durch den Film "Die Halbstarken" in den Fünfzigern quasi über Nacht bekannt wurde und in Punkto Ausstrahlung und Talent unter den deutschen Schauspielerinnen ihresgleichen sucht, gab ihr Bestes in der etwas eigen angelegten Rolle der Herta.
Die zu Beginn etwas spröde und frustriert, aber doch selbstbewusst wirkende Deutsche taut nur allzu schnell und bereitwillig wieder auf als ihre Konkurrentin aus dem Rennen ist und gibt sich von da an redlich Mühe, das angepasste Frauchen zu mimen. Wirklich herzerweichend, wie sie ihren Göttergatten anschmachtet.
Alles vergeben und vergessen. Frei nach dem altbekannten Motto beinahe sitzen gelassener Ehefrauen: "Hat er das Mädel nicht defloriert, ist ja nichts passiert!" Also Schwamm drüber.
Joachim "Blacky" Fuchsberger spielt den Scotland Yard Kommissar mit der gewohnt routinierten Ernsthaftigkeit.
Günther Stoll (sehr charismatisch im Giallo Blutspur im Park) macht sich gut in der Rolle des fragwürdigen Schuldirektors, der der Liaison zwischen Gigolo Enrico und Schülerin Elizabeth besonders viel Verständnis entgegen bringt. Eh klar, immerhin ist sie so ein hübsches Mädchen und dazu noch im selben Alter wie seine Tochter. Muss man doch verstehen.

Die Lehrer des "St. Mary's Catholic College for girls" machen dem Klischee von dubios wirkenden älteren Männern, die sich gerne mit jungen Mädchen umgeben, alle Ehre und sind durch die Bank Charaktere, wie sie in jedem Sleaze-Lexikon stehen sollten.
Die Schülerinnen sind tendenziell skrupellose windige Luder, die außer Sex und Gruppenduschen nicht viel im Kopf haben. Da haben wir's mal wieder. Kaum entzieht man Mädchen die Gesellschaft des anderen Geschlechts, mutieren sie zu nach Männern geifernden Sexmonstern.
Wohl wissend um den Inhalt des Films kann man sich (abgesehen von den härteren Szenen) entspannt zurücklehnen, die wunderbare Melodie von Meister Ennio Morricone genießen und sich amüsieren.
Apropos Amusement: Queen Elizabeth wäre bestimmt absolut "not amused" wenn sie wüsste, was die schamlosen Italiener damals innerhalb ihres Herrschaftsgebietes so gedreht haben...




Foto: DVD von Shriek Show, Universum und IIF Home Video




Foto: Blu Ray von Arrow Video



Foto: Blu Ray von Koch Media