DIE GRAUSAMEN DREI
Italien 1975
Regie:Vittorio Salerno
Darsteller: Joe Dallesandro, Enrico Maria Salerno, Salvatore Borghese, Martine Brochard, Luigi Casellato, Claudio Nicastro, Gengher Gatti ua.
Inhalt
Der verschlossene Ovidio arbeitet
tagsüber in einer Computerfirma, nach Feierabend zieht er mit seinen
beiden Lieblings-Arbeitskollegen um die Häuser.
Um der Monotonie des Arbeitslebens in
der Freizeit etwas entgegenzusetzen, lässt sich Ovidio immer
gewagtere Aktionen einfallen: von Unruhe stiften in einem voll
besetzen Stadion über rasante Fahrten mit geklauten Autos bis hin
zu... Mord!
Anfänglich selbst etwas entsetzt über
die Tat, scheint es Ovidio und seine Kollegen erst richtig auf den
Geschmack zu bringen und die Gewaltexzesse des Trios werden immer
durchdachter und sadistischer. Sie fühlen sich auf der sicheren
Seite, denn die Polizei hat keine Anhaltspunkte, wer hinter den
brutalen Taten stecken könnte. Während der zuständige Kommissar
bezüglich der Täterschaft im Dunkeln tappt und auf die üblichen
Verdächtigen (Einwanderer, Zuhälter, Kleinkriminelle) tippt, kommt
Kommissar Santagà mit seinen eigenmächtigen Ermittlungen der
Wahrheit immer näher...
Lässt nicht locker - Kommissar Santagà (Salerno) |
Teuflisch und durchtrieben: Ovidio (Dallessandro) |
"Fango Bollente" ist ein Titel, den sich
Poliziottesco-LiebhaberInnen merken sollten!
Der Film aus dem Jahr 1975 wartet nicht
nur durch interessante Darsteller (Enrico Maria Salerno wieder einmal
in seiner Paraderolle als Kommissar und Joe Dallesandro als
Bösewicht), sondern auch durch eine intelligente Geschichte und
einen absolut kultverdächtigen Prog-Rock-Soundtrack auf.
"Fango Bollente" reiht sich neben Filmen
wie "Die blutigen Spiele der Reichen", Bewaffnet und gefährlich und "I ragazzi della Roma violenta" ein
in die handvoll Poliziotteschi, die sich mit der Thematik des "Thrill
Kill" beschäftigen. Hierbei handelt es sich meist um
Jugendliche oder junge Erwachsene aus der Mittel- oder Oberschicht,
die ohne erkennbares Motiv morden.
Sie tun es mit derselben
Selbstverständlichkeit, mit der sie eine Packung Zigaretten kaufen
oder sich ihre Zeit in Straßencafés vertreiben. Ohne darüber
nachzudenken. Einfach, weil es möglich ist.
Vielleicht, weil ihnen das Leben
ansonsten nichts Attraktives zu versprechen scheint. Genau weiß man
es nicht.
Ovidio redet zwar in einer Szene davon,
die Monotonie des Alltags durchbrechen zu wollen, aber eine handfeste
Begründung für die grausamen Tötungen liefert keiner der drei.
Interpretationsansätze auf
gesellschaftlicher Ebene werden zwar angedeutet, erscheinen aber
beunruhigenderweise nicht ausreichend und zu eindimensional für ein
logisches Deutungsmuster.
Die genannten Filme, die alle ungefähr
im selben Zeitraum entstanden sind, waren vielleicht eine Art der
kollektiven Aufarbeitung für die italienische Zivilbevölkerung.
Angeblich sollen die Geschichten auf einer wahren Begebenheit
beruhen.
In den 70ern fand nahe Rom eine
Entführung von zwei jungen Frauen statt, die vergewaltigt und
grausam getötet wurden. Die Täter waren eine Gruppe Jugendlicher
aus reichem Hause, denen ihre (einfluss-) reichen Eltern schließlich
zur Flucht verhalfen und die so der römischen Justiz entgehen
konnten.
"Fango Bollente" ist trotz der Thematik
und einiger expliziter Szenen kein oberflächliches Exploitationkino,
sondern ein psychologisches Drama, das sein Erzähltempo von Szene zu
Szene kontinuierlich steigert.
Besonders faszinierend sind die Dialoge
zwischen Kommissar Santagà und Ovidio, der aus seiner Verachtung
gegenüber der Polizei und deren Vertreter keinen Hehl macht.
Trotz Ovidios oberflächlicher
Freundlichkeit strahlt er eine starke subversive Aggression aus, mit
der sein Gegenüber "columboesk" spielt.
Die beiden liefern wirklich eine
grandiose Show.
Familiäre Verhältnisse und
Hintergründe der Protagonisten werden beleuchtet, ohne plakativ zu
wirken oder Erklärungen für ihr Verhalten zu liefern.
In solchen und einigen anderen
Zwischensequenzen blitzt ein charmanter Humor durch, der gekonnt
platziert ist und weder ins "Comedia all'Italiana-Niveau",
noch ins Trashige abdriftet.
Zum Glück, weil alles andere die
beunruhigende Atmosphäre von Perspektivlosigkeit und Nihilismus
unweigerlich zerstören würde.
"Fango Bollente" ist ein Film, der
Seinesgleichen sucht und der seinerseits von Vielen vergeblich
gesucht wird.
Im September 2011 ist diese Genreperle
in Italien zwar auf DVD erschienen, jedoch um etliche Szenen gekürzt,
um nicht zu sagen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.
Wie war das nochmal mit den "Wünschen
ans Universum"?
Also liebe Leserinnen und Leser...
Schließt jetzt bitte die Augen und
wünscht euch ganz fest eine hübsche DVD von einem deutschen Label
oder zumindest irgendeine VÖ mit italienischer Tonspur und
englischen Untertiteln.
Gemeinsam können wir es schaffen!
UPDATE 14.09.2017 - Ein Wunsch wird wahr
Das Label Camera Obscura hat diese Genreperle in einer Bildqualität, die mir die Tränen in die Augen treibt, in voller Pracht veröffentlicht. Danke hierfür!
UPDATE 14.09.2017 - Ein Wunsch wird wahr
Das Label Camera Obscura hat diese Genreperle in einer Bildqualität, die mir die Tränen in die Augen treibt, in voller Pracht veröffentlicht. Danke hierfür!
Foto: DVD von 01 Distribution
Foto: Eintrittskarte für "Fango Bollente" beim dritten Terza Visione Festival
Foto: BD von Camera Obscura