BEWAFFNET UND GEFÄHRLICH
Italien 1976
Regie: Romolo Guerrieri
DarstellerInnen: Tomas Milian, Eleonora
Giorgi, Stefano Patrizi, Benjamin Lev, Max Delys, Venantino
Venantini, Salvatore Billa, Peter Berling u.a.
Inhalt:
Lea bittet den Mailänder Polizei-Kommissar inbrünstig, ihren
Freund Luis von der großen Dummheit, mit seinen Kollegen eine Tankstelle
zu überfallen, abzuhalten.
Nach anfänglicher Skepsis gegenüber
dem Wahrheitsgehalt der Aussage der jungen Frau postieren sich unter
Anleitung des Kommissars mehrere Beamte am Tatort und warten auf das
Verbrecher-Trio. Die Annahme, dass die Bande lediglich mit
Spielzeugpistolen bewaffnet ist, entpuppt sich als großer Fehler.
Vier Männer werden ermordet, die
Verbrecher fliehen und ziehen in den folgenden Tagen eine Spur von
Gewalt und Terror durch Mailand. Doch die Polizei ist ihnen dicht auf
den Fersen...
Der Kommissar (Milian) und Lea |
risikofreudige Fahrt durch Mailand |
Regisseur Romolo Guerrieri (mit bürgerlichem Namen Romolo Girolami und im Übrigen Bruder von Marino Girolami und Onkel von Enzo
Castellari) gelang es mit "Bewaffnet und gefährlich" einen
inhaltlich interessanten und zugleich soziologisch brisanten
Poliziottesco zu drehen.
Denn "Bewaffnet und gefährlich" beschäftigt sich ebenso wie ein paar wenige andere Genrefilme mit der Thematik des
Thrill Kill, sprich: mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die
nicht aus der sozialen Unterschicht kommen und ohne klar
nachvollziehbare Motive morden. (Ein kleiner Exkurs dazu siehe unter Fango Bollente)
Das Drehbuch zum Film stammt von
Fernando Di Leo (Regisseur von Oben ohne, unten Jeans oder Milano Kaliber 9)
und basiert auf einer Novelle des italienischen Schriftstellers
Giorgio Scerbanenco, dessen ausgezeichnete literarische Vorlagen ebenfalls bei Filmen wie Note 7- Jungen der Gewalt oder Das Grauen kam aus dem Nebel als Grundlage dienten.
Mario, Luigi und Bowser äääh –
Giovanni sind junge Männer, die aus gesitteten Familienverhältnissen
zu stammen scheinen. Wir erfahren nichts über ihre Hintergründe
oder ihre Vorgeschichte. Aus welchen biographischen Erlebnissen oder Persönlichkeitsmerkmalen ihre Lust am Verbrechen resultiert,
wird nicht einmal ansatzweise angedeutet.
Alles, was wir zu sehen bekommen, sind ihre angesichts der von den drei Männern begangenen Verbrechen sprach- und ratlosen Eltern, die sich gegenüber dem aufgebrachten Polizeikommissar (wie immer grandios: Tomas Milian) zu verteidigen versuchen.
Alles, was wir zu sehen bekommen, sind ihre angesichts der von den drei Männern begangenen Verbrechen sprach- und ratlosen Eltern, die sich gegenüber dem aufgebrachten Polizeikommissar (wie immer grandios: Tomas Milian) zu verteidigen versuchen.
Letzterer wirft ihnen in seiner eigenen
Erklärungsnot und Fassungslosigkeit vor, sich nicht ausreichend mit
ihren Sprösslingen befasst zu haben und Mitschuld zu tragen an der
Misere.
Doch seine Erklärungsmuster sind
eindimensional und reichen angesichts der Brutalität und
Skrupellosigkeit der jungen Männer nicht aus.
Das Trio infernale - Luis, Gio und Il Biondo (von links nach rechts) |
Luigi, genannt Luis, ist der Einzige
der Drei, der noch so etwas wie ein Gewissen und Prinzipien zu haben scheint und
sich bei den Verbrechen als Fahrer betätigt, aber nicht mordet.
Dennoch scheint er in einer Art
emotionalen Verstrickung mit dem Kopf der Bande Mario (genannt "Il
Biondo", also der Blonde) gefangen. Woraus diese resultiert wird
nie eindeutig geklärt. Ist es Furcht? Wird er erpresst? Ist es eine Art verworrene Hassliebe? Es gibt zwar homoerotische Ansätze, aber diese werden
nicht weiter konkretisiert.
Der Blonde sieht sehr bubihaft aus und
wenn man rein nach seinem Äußeren gehen würde, könnte man meinen,
dass er bestimmt ein ganz Netter ist, der alten Damen über die Straße hilft.
Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Seine Mordlust und emotionale
Abgestumpftheit stehen im krassen Gegensatz zu seinem
Aussehen.
Immer, wenn Luis Zweifel an dem Vorgehen der Bande einräumt, wird er vom Blonden geschickt manipuliert und verfällt sogleich wieder in seinen Mitläufer-Trott.
Immer, wenn Luis Zweifel an dem Vorgehen der Bande einräumt, wird er vom Blonden geschickt manipuliert und verfällt sogleich wieder in seinen Mitläufer-Trott.
Giovanni, genannt Gio, ist der dritte
im Bunde. Er sorgt für das nötige Quäntchen Wahnsinn. Er nimmt
nichts ernst, macht ständig schlechte Witze und lacht den ganzen
Film über in einer mehr als penetranten Art und Weise, die an seinem
Verstand zweifeln lässt.
Interessant ist auch die Rolle von Lea,
die mit Luis zusammen ist (oder das zumindest geglaubt hat).
Die intelligente junge Frau, die unfreiwillig von der Bande auf ihrem Raubzug mitgenommen wird, analysiert und durchschaut die Struktur der Bande und versucht sich beherzt zur Wehr zu setzen.
Die intelligente junge Frau, die unfreiwillig von der Bande auf ihrem Raubzug mitgenommen wird, analysiert und durchschaut die Struktur der Bande und versucht sich beherzt zur Wehr zu setzen.
Dafür findet sie sogar Anerkennung vom
Blonden, der dies gegenüber Luis sinngemäß mit dem Satz zum
Ausdruck bringt, es wirke, als ob er seine Eier beim letzten Sex mit
Lea an sie verloren hätte.
Tomas Milian (Der Berserker, Der Todesengel) hat für "Bewaffnet und gefährlich" eine Auszeit
von seiner komödienhaften Monnezza-Rolle genommen, um sich wieder
einmal den ernsteren Untertönen des Poliziottesco-Genres zu widmen.
Eine Wohltat.
Laut Guerrieri hat es den Regisseur
einige Überzeugungskraft gekostet, Milian dafür zu gewinnen,
wieder einmal ohne Make-Up und/oder Perücke in einem Film
mitzuwirken. Er deutet in der Doku von Raro an, dass es wohl einen
Grund gab, warum Milian zu dieser Zeit Verkleidungen in seinen Filmen
bevorzugte, hält sich aber bezüglich einer weiteren Erläuterung
bedeckt.
Die Flucht vor der Polizei führt den
Blonden, Luis und Gio von Mailand über die Peripherie auf's Land.
Ähnlich wie in Banditen von Mailand versuchen sie hier, ihre Spuren vor der Polizei zu verwischen, was ihnen allerdings nur bedingt gelingt.
Ähnlich wie in Banditen von Mailand versuchen sie hier, ihre Spuren vor der Polizei zu verwischen, was ihnen allerdings nur bedingt gelingt.
Schließlich setzt die Polizei sogar
einen Helikopter und eine Hundestaffel ein, um den weiterhin
mordlustigen Verbrechern (sogar unschuldige deutsche Camper - Peter
Berling als Herr Obrawalde - müssen ihr Leben lassen) Einhalt zu
gebieten.
Die Szene, in der ein Polizeihund einem Blutrausch verfällt, erscheint etwas übertrieben und unnötig, hätte aber Lucio Fulci und Dario Argento bestimmt Freude bereitet.
Die Szene, in der ein Polizeihund einem Blutrausch verfällt, erscheint etwas übertrieben und unnötig, hätte aber Lucio Fulci und Dario Argento bestimmt Freude bereitet.
Der Film baut durch die sinn- und motivlos wirkende Gewalt, die Raub, Morde und sexuelle Gewalt umfasst, in erster Linie auf die
psychologische Ebene.
Das bewegende Ende wirkt auf den ersten Blick
überraschend, auf den zweiten mehr als konsequent und stimmt
nachdenklich.
Wegen etwas unnötiger Längen und
weitaus weniger Intensität in der Charakterdarstellung als bei
inhaltlich vergleichbaren Filmen gehört "Bewaffnet und gefährlich" zwar nicht zur Speerspitze des Genres, aber dennoch zu den
sehenswerteren Poliziotteschi.
Foto: DVD von Raro Video Italien
Foto: Blu Ray vom Label Cineploit