DER MANN OHNE GEDÄCHTNIS
Italien 1974
Regie: Duccio Tessari
DarstellerInnen: Luc Merenda, Senta
Berger, Umberto Orsini, Anita Strindberg, Bruno Corazzari, Rosario
Borelli, u.a.
Inhalt:
Der Engländer Ted
arbeitet unter einem falschen Namen in einem Antiquitätengeschäft
in London. Nicht absichtlich. Dummerweise fehlt ihm nämlich nach
einem Unfall das Wissen um seine wahre Identität. Er hat jegliche
Erinnerung an die Zeit vor seinem Krankenhausaufenthalt verloren.
Auch ein
Psychiater kann seinem Gedächtnis nicht auf die Sprünge helfen. Doch plötzlich
tauchen Leute aus seiner Vergangenheit auf, die vorgeben zu wissen wer er ist.
Weitere Hinweise
zu seinem wahren Ich erhofft sich Ted in Portofino zu erhalten. Seine italienische Ehefrau Sara hat ihn nämlich dorthin
eingeladen.
Erst einmal angekommen gestaltet sich nicht nur das Wiedersehen mit seiner Angetrauten etwas kompliziert. Das Ehepaar wird nämlich beobachtet und bedroht...
Erst einmal angekommen gestaltet sich nicht nur das Wiedersehen mit seiner Angetrauten etwas kompliziert. Das Ehepaar wird nämlich beobachtet und bedroht...
George (links) und Ted |
Senta Berger - was für eine Frau! |
Duccio Tessari hat
nur bei wenigen Gialli Regie geführt, nämlich drei an der Zahl. Und
alle zählen zu meinen Lieblings-Gialli. Sie heben sich durch ihre
Handlung und ihren Stil deutlich aus dem qualitativen Mittelfeld des Genres hervor.
Das für viele Gialli charakteristische style-over-substance Prinzip fehlt hier weitestgehend.
Das für viele Gialli charakteristische style-over-substance Prinzip fehlt hier weitestgehend.
Sowohl Das Grauen kam aus dem Nebel als auch Blutspur im Park und eben "Der Mann
ohne Gedächtnis" sind dafür von herausragender erzählerischer
Qualität und inszenatorischer Dichte, wie man sie bei den
italienischen Kriminalfilmen der 60er und 70er Jahre nur selten
antrifft.
"Der Mann ohne
Gedächtnis" ist im direkten Vergleich sicher der schwächste der
Tessari-Gialli, aber hebt sich dennoch in positiver Weise von anderen 0815-Genrefilmen ab.
Ernesto Gastaldi, der Geschichten für unzählige Genredrehbücher erdachte, hat für "Der Mann ohne Gedächtnis" eine nicht allzu komplexe, aber
bestens funktionierende Handlung auf's Papier gezaubert.
Die Faszination
geht in erster Linie davon aus, dass Ted weder weiß, wer er selbst
ist, noch was er sich in seiner Vergangenheit vielleicht zu Schulden
kommen lassen hat. Denn in einem Punkt sind sich die meisten seiner
ehemaligen Freunde, Geschäftspartner und sogar seine Frau einig –
er war ein Mistkerl.
"Es ist
besser, einen wie ihn zu verlieren als zu finden."
Sara über Ted
"Ich bin
froh, dass du meine Frau bist."
Ted zu Sara beim
ersten Wiedersehen
Ted bemüht sich
redlich um seine Frau (dieser Teil der Geschichte nimmt für meinen
Geschmack fast etwas zu viel Raum ein), die er offenbar vor einem Jahr in Italien
sitzen gelassen hat und erweckt sogar den Anschein, ein besserer Mensch
werden zu wollen, als er einst gewesen ist.
Dieses Vorhaben wäre
wahrscheinlich um Einiges einfacher, wenn da nicht noch sein anderes Problem
wäre – einer, der sich als sein "Geschäftspartner" ausgibt,
behauptet, dass Ted ihn über's Ohr hauen wollte. Es geht um
irgendeine Beute, viel Geld und schmutzige Geschäfte.
Abwechselnd steht
der geheimnisvolle George vor Sara und Ted und verspricht beiden den
sicheren Tod innert weniger Tage, wenn Ted nicht das Versteck der
Beute preisgibt.
Wir Zuschauer
tappen genauso im Dunkeln bezüglich der Forderungen von George wie
auch bezüglich der Unsicherheit darüber, wem Ted überhaupt trauen
darf.
Und dann stellt sich natürlich noch die Frage, was Ted tun wird/würde, wenn er sein Gedächtnis zurückerlangt. Denn eines steht fest: er hat sich seine Hände bei irgendeiner krummen Sache ziemlich schmutzig gemacht und befindet sich nicht nur durch Zufall in dieser vertrackten Situation. Wird er wieder zu seinem alten Ego zurückkehren und sich zu einem skrupellosen Schurken wandeln?
Und dann stellt sich natürlich noch die Frage, was Ted tun wird/würde, wenn er sein Gedächtnis zurückerlangt. Denn eines steht fest: er hat sich seine Hände bei irgendeiner krummen Sache ziemlich schmutzig gemacht und befindet sich nicht nur durch Zufall in dieser vertrackten Situation. Wird er wieder zu seinem alten Ego zurückkehren und sich zu einem skrupellosen Schurken wandeln?
Genau diese
Aspekte machen den besonderen Reiz des Films aus.
"Vielleicht
hab ich jemandem was angetan und er lässt mich jetzt dafür
bezahlen."
Ted zu Sara
Ich muss es immer
wieder betonen. Luc Merenda, der in diesem Film den Mann mit der bewegten
Vergangenheit spielt, war einfach eine coole Socke!
Der französische Schauspieler, der gerne auch Rollen in italienischen Genrefilmen annahm (z.B. Auge um Auge, Il poliziotto è marcio oder Torso) hatte nicht nur immer die stylischsten Schlaghosen und Sonnenbrillen an, sondern überzeugt auch in jeder Actionszene.
Der französische Schauspieler, der gerne auch Rollen in italienischen Genrefilmen annahm (z.B. Auge um Auge, Il poliziotto è marcio oder Torso) hatte nicht nur immer die stylischsten Schlaghosen und Sonnenbrillen an, sondern überzeugt auch in jeder Actionszene.
Der Darsteller mit dem
athletischen Körper, der sogar eine Kampfsportart
beherrschte, zeigt natürlich auch in "Der Mann ohne Gedächtnis" was er so drauf hat. Auch wenn die Kampfszenen hier zugunsten des
Rätsels um die Machenschaften von Ted eher in den Hintergrund
rücken.
An seiner Seite:
die österreichische Schauspielerin Senta Berger in der Rolle seiner
mutigen Frau Sara.
Der Name war und
ist mir selbstverständlich ein Begriff, aber ich kannte bis dato
keinen Film mit ihr, da sie sich wohl als ernsthafte Mimin verstand und bestimmte Genres deshalb eher gemieden hat,
stelle aber fest, sie war gar nicht mal so unberühmt.
Gemeinsam mit Marisa Mell besuchte Senta Berger das berühmte Rainhardt Seminar in Wien, verließ es aber vorzeitig, da sie ohne die vorherige Zustimmung des Direktors eine Rolle angenommen hatte. Dies tat ihrer Karriere aber augenscheinlich keinen Abbruch und ihr beruflicher Werdegang führte sogar bis nach Hollywood.
Gemeinsam mit Marisa Mell besuchte Senta Berger das berühmte Rainhardt Seminar in Wien, verließ es aber vorzeitig, da sie ohne die vorherige Zustimmung des Direktors eine Rolle angenommen hatte. Dies tat ihrer Karriere aber augenscheinlich keinen Abbruch und ihr beruflicher Werdegang führte sogar bis nach Hollywood.
Ja sie ist es - Anita Strindberg |
Anita Strindberg spielt auch eine
kleine Rolle in "Der Mann ohne Gedächtnis". Ich hatte zwar etwas
Mühe, aber ich hab sie doch an ihrer Nase erkannt. Kein Witz.
Während sie in Una lucertola con la pelle di donna die Femme fatale par excellence mimte und auch in The Child – Die Stadt wird zum Alptraum und Der Berserker umwerfend gut aussah, ähnelt sie in diesem Film eher einem zu groß geratenen Pudel.
Während sie in Una lucertola con la pelle di donna die Femme fatale par excellence mimte und auch in The Child – Die Stadt wird zum Alptraum und Der Berserker umwerfend gut aussah, ähnelt sie in diesem Film eher einem zu groß geratenen Pudel.
Bruno Corazzari, einer der beliebtesten
Nebendarsteller im italienischen Genrekino, wirkte in zahlreichen
Western, Poliziotteschi und Gialli mit. Hier hat er ausnahmsweise mal
eine etwas größere Rolle – Teds Ganovenkumpane George:
undurchsichtig und eindeutig gefährlich. Bereit, über Leichen zu
gehen. Seine Taschentuch-Marotte macht ihn zu einem wahrhaft kultigen
Schurken.
Gegen Ende geht’s noch mal richtig
rund und die Kettensägen-Szenen sind wirklich besonders originell.
Das halb offene Ende erstaunt, aber ärgert nicht.
Als Hintergrund für die intelligent
verwobene und verworrene Story rund um den "Mann ohne Gedächtnis" dient die Kulisse der romantischen Hafenstadt Portofino und die stimmige
und unter die Haut gehende musikalische Soundtrack-Untermalung von
Komponist Gianni Ferrio (u.a. Blutspur im Park oder Django - unbarmherzig wie die Sonne).
Italophiles Herz, was willst du mehr?
Foto: dänische DVD (Another World) und KOCH Media Digipack