KILLER COP
Italien 1974
Regie: Luciano Ercoli
DarstellerInnen: Claudio Cassinelli,
Arthur Kennedy, Franco Fabrizi, Sara Sperati, Bruno Zanin, Francesco
D'Adda, Valeria D'Obici, Giovanni Cianfriglia u.a.
Inhalt:
Kommissar Matteo Rolandi ist
Drogenfahnder in Mailand und durchsucht gerade das Hotelzimmer eines
Verdächtigen, als im Foyer eine Kofferbombe explodiert. Das Hotel,
das anlässlich eines Kunst-Kongresses von wichtigen
internationalen Persönlichkeiten besucht ist, wird zum
Massengrab.
Kurze Zeit später trifft Rolandis
Freund und Kollege Balsamo bei einer Routinekontrolle zufällig auf
einen verstört wirkenden jungen Mann, der mit dem Bombenattentat
etwas zu tun zu haben scheint. Der Verdächtige entwischt ihm knapp. Vom Justizministerium beauftragt wird
Oberstaatsanwalt Di Federico auf den Fall angesetzt,
der die Ermittlungen Rolandis mehr oder weniger boykottiert.
Die für die Tat Verantwortlichen
entsenden einen Auftragsmörder, der jeden, der in den Fall
verwickelt ist und zu viel wissen könnte, ins Visier nimmt. Können
die beiden ungleichen Männer, Polizist und Staatsanwalt, den Fall aufklären und die
Auftraggeber des Anschlags entlarven?
Foto: DVD von Cecchi Gori und Raro USA Blu Ray
Das sympathische Duo Balsamo (links) und Rolandi |
Arthur Kennedy überzeugt als Oberstaatsanwalt |
Der irreführende
reißerische deutsche Titel "Killer Cop" passt so gar nicht zu
dem nachdenklich stimmenden, düsteren Poliziottesco Luciano Ercolis.
Denn hier ist tatsächlich der Name,
sprich der Originaltitel, Programm: "La polizia ha le mani legate" (also: "Der Polizei sind die Hände gebunden").
Sieht man vom doch recht plastisch
dargestellten Bombenattentat zu Beginn des Films ab, verzichtet Ercoli weitestgehend auf die genre-üblichen Effekte und
Actionszenen. Statt dessen taucht der Film tief ein in politische Inhalte.
Außerdem ist "Killer Cop" stark geprägt von einer intensiven Atmosphäre der Paranoia.
Die Schatten der Verschwörer und unsichtbaren Feinde scheinen Rolandi und Di Federico auf Schritt und Tritt zu verfolgen und beide müssen auf schmerzhafte Weise erfahren, dass sogar einstige Vertraute auf der anderen Seite stehen.
Die Schatten der Verschwörer und unsichtbaren Feinde scheinen Rolandi und Di Federico auf Schritt und Tritt zu verfolgen und beide müssen auf schmerzhafte Weise erfahren, dass sogar einstige Vertraute auf der anderen Seite stehen.
Dieser hochpolitische Poliziottesco mit
seinem betrüblichen Originaltitel, der zugleich das Fazit des Films darstellt, lebt zu einem großen Teil von seinen authentischen und sympathischen
Charakteren.
Allen voran Claudio
Cassinelli (Der Tod trägt schwarzes Leder), der als Kommissar
Rolandi einen sehr menschlichen Vertreter des Gesetzes spielt. Er ist
kein jähzorniger Superbulle, der rund um die Uhr gesetzesuntreuen
Buben die Zähne einschlägt, sondern ein angenehmer, relativ
ausgeglichener Zeitgenosse, der auch von seinen Kollegen sehr
geschätzt wird.
Sein Freund und Mitarbeiter Balsamo
(Franco Fabrizi, der in Das Syndikat einen windigen Verbrecher
mimte) ist ein sich oft selbst im Weg stehender herzensguter Chaot, was dem Unglückseligen nicht nur in Bezug auf seine Karrierepläne zum Nachteil gereichen soll...
Der amerikanische Schauspieler Arthur
Kennedy, der gegen Ende seiner Karriere einige italienische
Genrefilme (u.a. Das Leichenhaus der lebenden Toten, "Die Viper")
bereicherte, zeigt in der Rolle des Oberstaatsanwalts Di Federico,
dass er zu den ganz Großen im Filmbusiness gehörte. Immerhin finden sich neben zahlreichen Engagements für Film und Theater fünf Oscar-Nominierungen in seinem Lebenslauf.
Den einzelgängerischen, sturen, sehr
erfahrenen Vertreter der Anklage mimt er mit routinierter Eleganz.
Trotz der widrigen Umstände, unter denen Di Federico seine Arbeit aufnimmt, umgibt den in die Jahre gekommenen Staatsanwalt eine faszinierende Aura der stoischen
Gelassenheit.
Zu seinem Leidwesen sitzt ihm bereits zu Beginn der Ermittlungen der Justizminister (ein wahrlich unangenehmer Zeitgenosse!) im Nacken, der über jeden noch so kleinen Fortschritt
umgehend informiert werden will.
Di Federico ist es schließlich auch,
der den berühmten Satz "La polizia ha le mani legate",
aussprechen wird. Seine Maske der Unerschütterlichkeit zeigt kleine Risse als
er erkennen muss, wie groß und übermächtig das kriminelle Netz
hinter den kleinen Fischen, die das Attentat ausgeführt haben, in
Wahrheit ist. Er entzieht sich der Geschichte.
Rolandi, eher ein Mann der Tat, sucht einen anderen Weg, das Gefühl der Ohnmacht loszuwerden.
Rolandi, eher ein Mann der Tat, sucht einen anderen Weg, das Gefühl der Ohnmacht loszuwerden.
Der exquisite, einprägsame Soundtrack aus der
Feder Stelvio Ciprianis besteht aus einem treibenden und stimmigen
Grundthema (mit Ähnlichkeit zum Sound in Der unerbittliche Vollstrecker), dessen unterschiedliche Variationen sich wunderbar an die einzelnen Szenen anschmiegen. Durch den Einsatz verschiedener Instrumente und Anpassung der Tempi klingt er mal schlichter, mal opulent
und eher dramatisch, jedenfalls immer beklemmend.
Bezüge zu realen Ereignissen und Politisches
"Killer Cop" ist einer der
dunkelsten, trostlosesten Filme, der innerhalb des Genres des
italienischen Polizeifilms je hervorgebracht wurde. Bemerkenswerterweise greift er brisante damals hochaktuelle politische Inhalte, die zu diesem Zeitpunkt in der breiten Öffentlichkeit
noch stark tabuisiert waren, auf.
Er spiegelt die reale Bedrohung während der sogenannten "Bleiernen Jahre" (die von Anschlägen der Roten Brigaden und Faschisten geprägte Ära) wider.
Der Plot vermittelt uns dieses Gefühl der permanenten Bedrohung durch die ungreifbare Gefahr, die sowohl von linken Stadt-Guerilla-Truppen als auch von den vom CIA und der NATO unterstützten "Gladio-Geheimarmeen" ausging. Deren geheimes Ziel war es, um jeden Preis eine von Kommunisten dominierte italienische Regierung zu verhindern.
Der Plot vermittelt uns dieses Gefühl der permanenten Bedrohung durch die ungreifbare Gefahr, die sowohl von linken Stadt-Guerilla-Truppen als auch von den vom CIA und der NATO unterstützten "Gladio-Geheimarmeen" ausging. Deren geheimes Ziel war es, um jeden Preis eine von Kommunisten dominierte italienische Regierung zu verhindern.
Geschickt wird die "Strategie der
Spannung" (lohnend: Interessierte suchen auf wikipedia nach diesem Begriff) im Film eingearbeitet. Zu keinem Zeitpunkt wird
für den Zuschauer deutlich, welches politische Lager für den Terror
verantwortlich gemacht werden kann.
Diskussionen in der Straßenbahn |
Ercoli lässt in einer
Straßenbahn-Szene die einfachen Bürger darüber streiten, wer die
Bombenleger waren. Schnell wird bei den hitzigen Debatten der Ruf
nach einer harten restriktiven Regierung laut: "Unter den
Faschisten gab es solche Zustände nicht!"
Beeindruckend, wie Luciano Ercoli zu einer Zeit, in der die Machenschaften der NATO und insbesondere Gladios noch Geheimsache war, die Mechanismen des Terrors von sogenannten "stay behind-Organisationen" aufdeckt.
Beeindruckend, wie Luciano Ercoli zu einer Zeit, in der die Machenschaften der NATO und insbesondere Gladios noch Geheimsache war, die Mechanismen des Terrors von sogenannten "stay behind-Organisationen" aufdeckt.
Bereits in den Siebzigern gab es zwar
erste Hinweise auf diese Art von politischem Terror (sogar die namhafte italienische Tageszeitung "Corriere della Sera" griff das Thema in einem Artikel auf), doch keine Beweise, keine Namen, nichts konkret
Greifbares.
Im Film haben die wichtigen Männer aus
den höchsten Reihen, die hinter den Anschlägen stecken, analog zum
realen Hintergrund, keine feststellbare Identität. Es kann nur spekuliert werden,
wer die Nutznießer einer aus den Fugen geratenen politischen Lage
sein können.
Ercoli geht mit "Killer Cop" sogar
noch einen Schritt weiter als andere italienische Regisseure seiner Zeit.
Er baut reale Ereignisse, unter anderem den Terroranschlag auf dem Piazza Fontana in Mailand (1969) in seinen Film ein. Bei dem verheerenden Bombenanschlag starben 16 Menschen, 88 wurden verletzt. Trotz offensichtlichem rechtsextremen Hintergrund fahndete die Polizei jahrelang nur unter den Linken.
Ercoli verwendet die Begräbnis-Szenen der Opfer dieses Anschlags als Bilder in einer Fernsehübertragung in seinem Film und nimmt so Bezug zur damaligen realen Situation Italiens.
Er baut reale Ereignisse, unter anderem den Terroranschlag auf dem Piazza Fontana in Mailand (1969) in seinen Film ein. Bei dem verheerenden Bombenanschlag starben 16 Menschen, 88 wurden verletzt. Trotz offensichtlichem rechtsextremen Hintergrund fahndete die Polizei jahrelang nur unter den Linken.
Ercoli verwendet die Begräbnis-Szenen der Opfer dieses Anschlags als Bilder in einer Fernsehübertragung in seinem Film und nimmt so Bezug zur damaligen realen Situation Italiens.
Ebenso lässt Ercoli es sich nicht
nehmen, eine sarkastische Anspielung auf die Tagung der extremen
Rechten zum Thema "Konterrevolutionäre Kriegsführung und die
Verteidigung Italiens gegen den Kommunismus mit allen Mitteln", die
im Luxushotel "Parco dei Principe" stattfand, einzubauen.
Denn in seinem Poliziottesco tagt in zufälligerweise just in demselben Hotel ein internationales Publikum zum Thema "Naive Kunst"...
"Killer Cop" ist eine couragierte und herausragende Arbeit Luciano Ercolis, dessen leider nur acht Werke
umfassende Filmografie die Welt des Kinos bis heute nachhaltig
bereichert.
Foto: Absolut empfehlenswerter OST von Chris' Soundtrack Corner