VIOLENT PROFESSIONALS
Italien
1973
Regie: Sergio Martino
DarstellerInnen: Luc Merenda, Richard Conte, Silvano Tranquilli, Carlo
Alighiero, Martine Brochard, Bruno Corazzari, Luciano Rossi, Carla Mancini,
Antonio Casale, Chris Avram u.a.
Inhalt:
Kommissar Giorgio
Caneparo macht sich auf die langwierige und gefährliche Suche nach den
mächtigen Drahtziehern und kleinen Handlangern, die mutmaßlich für die
Ermordung seines Vorgesetzten Del Buono verantwortlich waren. Dabei scheinen
ihm die Verbrecher immer einen Schritt voraus zu sein. Gibt es einen Maulwurf
in den eigenen Reihen?
Kommissar Giorgio Caneparo (Luc Merenda) |
Ein ehrenwerter Mann? (Richard Conte) |
Wie der Originaltitel "Milano trema: la polizia vuole giustizia" nahe legt, geht es um den angesichts der Verbrechensrate teils korrupten, desillusionierten und ohnmächtigen Polizeiapparat.
Kommissar Caneparo (Luc Merenda) strebt nach Gerechtigkeit. Einerseits tut er das im Zuge seines polizeilichen Auftrags für die Zivilbevölkerung, die unter den brutalen Verbrechen in Mailand zu leiden hat. Sein oberstes Bestreben ist, im Namen der unschuldigen Opfer und deren Familien, die Mörder und Diebe zur Strecke zu bringen. Koste es, was es wolle.
Andererseits wird es für ihn sehr bald schon zu einer ganz persönlichen Angelegenheit. Denn der Kommissar beabsichtigt, auch für seinen ermordeten Freund und Vorgesetzten Del Buono blutige Rache zu üben.
An genau diesem Punkt nimmt sozusagen die ganze Misere ihren Anfang. Denn Giorgio Caneparos Definition von Gerechtigkeit widerspricht offensichtlich nicht nur in Nuancen derjenigen des Gesetzgebers. Bei seinen Aktionen bleiben Unschuldige, die er eigentlich aufgrund seines Berufs schützen müsste, auf der Strecke.
Caneparo ist so heftig von seiner persönlichen Rachemission verblendet, dass er jegliche Skrupel in die Abgründe seiner Psyche verbannt und in der letzten Phase seines überhand nehmenden Vergeltungsdrangs nicht mehr nur anderen Menschen, sondern auch sich selbst massiven Schaden zufügt.
Der Film ist nicht nur – wie man es vielleicht auf den ersten Blick mutmaßen könnte – reines Exploitationkino. Er wirft beim philosophisch veranlagten und soziologisch interessierten Publikum durchaus interessante Fragen auf. "Milano trema" verdeutlicht, dass der Zweck nicht unbedingt die Wahl der Mittel heiligt und das Konzept der Rache ein Teufelskreis ist, bei dem die Abgrenzung zwischen Täter und Opfer mitunter gar nicht mehr so simpel ist.
Nachdem Regisseur Sergio Martino mit der Besetzung von Luc Merenda in seinem vielbeachteten Giallo Torso dem Schauspieler zu einer gewissen Popularität und weiteren Rollenangeboten verhalf, handelt es sich bei "Violent Professionals" um die zweite Zusammenarbeit der beiden.
Merenda, der auch in den Poliziotteschi Shoot first, die later oder Auge um Auge eine gute Figur (nicht nur sprichwörtlich) machte, war vielleicht etwas weniger wandelbar als manche seiner damaligen Berufskollegen, aber eine sichere Bank als Darsteller besonders ambivalenter Charaktere.
Ähnlich wie der korrupte Polizist, den er in Shoot first, die later spielt, zeigt er auch in "Milano trema" konträre Facetten einer Persönlichkeit. Denn Caneparo ist weder ein eindeutig guter noch durch und durch böser Bulle.
Sein persönliches Dilemma ist, dass er zu viel gesehen und erlebt hat. Er ist geblendet von seiner selbst auserkorenen Mission und lieber bereit, alles in seinem Leben aufzugeben, als die Mörder Del Buonos lebendig davon kommen zu lassen.
Maria (Martine Brochard) sieht... |
... keine Zukunft für sich |
Giorgio Caneparo gibt vor, sich für Maria zu interessieren. Er umgarnt sie, lädt sie zum Essen ein und Maria, für deren Geschichte sich wahrscheinlich nie jemand ernsthaft interessiert hat, erzählt ihm bereitwillig aus ihrem Leben. Sie war Model und sie war Studentin, doch hat beide Wege nicht weiterverfolgt.
Die Drogen kamen wohl dazwischen. Aus diesem Grund gibt Caneparo ihr einen ironischen Namen, nämlich "Maria Ex". Ob er sie damit ob ihrer Vertrauensseligkeit nur verhöhnt oder er Verständnis suggerieren möchte, bleibt unklar. Maria zeigt sich gegenüber ihrem neuen Namen ziemlich gleichgültig. So wie ihr auch egal ist, in einer Kommune für Junkies und Hippies zu übernachten. Sie hat trotz ihrer jungen Jahre mit ihrem Leben mehr oder weniger abgeschlossen, ihre einstigen Träume und Ziele längst zu Grabe getragen.
Caneparos und Marias Wege kreuzen sich zwangsläufig immer wieder. Auch sie bringt er wissentlich in Gefahr. Die Frau wird zum Spielball zwischen Gangster und Polizei, wofür sie teuer bezahlen wird.
Menschliche Kollateralschäden in diesem Spiel von Gewalt und Vergeltung gibt es in "Milano trema" mehrere zu beklagen. Maria ist nur eine(r) von Vielen.
Kann dieser Mann (Luciano Rossi) ein Kind erschießen? |
Richard Conte (Django - Unbarmherzig wie die Sonne, Der Teufel führt Regie), der als erfolgreicher amerikanischer Schauspieler mit italienischen Wurzeln zu dieser Zeit immer wieder Produktionen aus Cinecittà beehrte, mimt einen in der Unterwelt unter einem Decknamen dubios agierenden Mann, der in seinem offiziellen Leben in einflussreichen und angesehenen Kreisen verkehrt.
Auch wenn die Spannung der Geschichte nach einiger Zeit etwas abflaut und die für das Publikum undurchsichtigen Ermittlungen Caneparos etwas zu weitschweifig veranschaulicht werden, schmälert es das Filmerlebnis nur marginal, da im Gegenzug das Auge mit spektakulären Stunts (manche Szenen wurden sogar in Der Berserker und "Die Viper" wiederverwendet) und die Ohren mit einem wunderbaren, melodisch angemessenen Soundtrack der De Angelis Brüder besänftigt werden.
Zahlreiche Alfa Romeo Giulias wurden beschädigt |
Der Film ist nie mit deutscher Synchronisation erschienen und bei der ersten Sichtung in englischer Sprache vor einigen Jahren fand ich ihn, um ehrlich zu sein, etwas mühsam.
Umso überraschender und erfreulicher war das Wiedersehen am vergangenen Wochenende in schönster HD Bildqualität und mit italienischem Originalton.
In dieser Fassung werde ich "Milano trema" sicherlich nicht zum letzten Mal gesehen haben.