DIE BANDITEN VON MAILAND
Italien 1968
Regie: Carlo Lizzani
DarstellerInnen: Tomas Milian, Gian Maria Volontè, Don Backy, Ray Lovelock, Peter Martell, Margaret Lee u.a.
Inhalt
Mailand Ende der 60er Jahre. Die Kriminalitätsrate scheint kontinuierlich zu steigen und die zunehmende Brutalität der "neuen", besser organisierten und auf Ehrenkodizes (ja, das ist tatsächlich der Plural von "Kodex") pfeifenden Ganoven wird sogar von der älteren Generation Krimineller kritisiert.
Ein Verbrechertrio (später gesellt
sich noch ein weiterer Verbündeter dazu) hat sich zum Ziel gesetzt,
in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld durch Banküberfälle
zu verdienen.
Während die Polizei bei der Jagd nach
den Bankräubern immer ein paar Schritte hinterherhinkt, wähnen sich
die Schurken in Sicherheit und schmieden immer waghalsigere Pläne.
Besonders der charismatische und etwas
selbstverliebte Piero,
der Kopf der Bande, scheint vom bisherigen Erfolg angespornt nun
alles auf eine Karte setzen zu wollen, um den großen Coup zu
landen...
Der zu Beginn aufgrund der als
Stilmittel eingesetzten Dokumentarfilm-Erzählweise etwas hektisch
und uninspiriert wirkende "Banditi a Milano" entwickelt
sich spätestens nach dem ersten Auftritt Pieros (Gian Maria Volontè)
zu einem mitreißenden und geradlinigen Film, der sich nicht so
einfach in irgendeine Genre-Schublade pressen lässt.
Vorläufer des italienischen
Polizeifilms, Gangsterfilm, Sozialdrama oder Milieu- bzw.
Charakterstudie oder doch eine Mischung aus allem?
Geht man von der Theorie aus, dass
unsere allseits beliebten und oft diskutierten Genre-Schubladen in
erster Linie eine Orientierungshilfe geben sollen, ob Film XY ins
persönliche "Beuteschema" fällt oder nicht, kann man "Die
Banditen von Mailand" getrost dem Poliziottesco zuordnen.
Allein schon wegen der Besetzung
sollten Fans des italienischen Kinos der Siebziger Jahre heiße Ohren
bekommen: Tomas Milian als junger Kommissar, Gian Maria Volontè als
narzisstischer und vom Traum nach Reichtum besessener Anführer der
Gangster, "Babyface" Ray Lovelock in der Rolle des etwas
ängstlichen Tuccio als Neuzugang der Bande.
In Nebenrollen klingende Namen wie
Peter Martell, Margaret Lee und Agostina Belli.
Welchem Italo-Fan und welcher
Genre-Liebhaberin lassen diese Namen nicht das Herz höher schlagen?
Die für den Titel namensgebenden
"Banditen" sind am sozialen Rand der Gesellschaft stehende
Männer, die wohl aus unterschiedlichen Gründen daran gescheitert
sind, sich eine gut-bürgerliche Existenz aufzubauen.
Es sind in der Gesellschaft zu kurz
Gekommene, die sich nach dem vermeintlichen Segen des finanziellen
Reichtums sehnen und in Ermangelung von alternativen
Lebensperspektiven ihre Talente in kriminelle Machenschaften
investieren.
Vor allem am Charakter des Piero
(Volontè, intensiv wie immer) wird deutlich, wie sehr er sich
eigentlich wünscht, ein respektables und anerkanntes Mitglied der
Gesellschaft zu sein.
Er geht dabei sogar so weit, eine
Scheinfirma zu gründen und sich in Anzug und Krawatte als seriöser
Geschäftsmann zu verkaufen.
Seine Bedürfnis nach Anerkennung ist so ausgeprägt, dass er einen Brief an die Presse schickt, in dem er weitere Banküberfälle ankündigt und Details preisgibt.
Seine Briefe werden tatsächlich
abgedruckt und Cavallero freut sich wie ein kleines Kind, in den
Schlagzeilen erwähnt zu werden:
"Lest euch mal durch was da steht! (vorlesend:) Diese Zeilen hat ein geistig hochstehender und kultivierter Mensch geschrieben..."
"Lest euch mal durch was da steht! (vorlesend:) Diese Zeilen hat ein geistig hochstehender und kultivierter Mensch geschrieben..."
Dennoch sollen die Verbrechen der Bande
nicht entschuldigt oder beschönigt werden. Der Film zeichnet ein
klares und realistisches Bild von der Gewaltbereitschaft der Täter
und deren Auswirkungen auf die unschuldige Bevölkerung.
Auch vor Mord an einfachen Passanten
schrecken die Bankräuber nicht zurück...
Es geht in "Banditi a Milano"
vor allem um die dezenten politischen und sozialkritischen Untertöne.
Lieblingszitat (Gangsterkollege zu
Piero beim ersten Besuch in der neuen "Firma"):
"Das darf doch alles nicht wahr sein. Ein Büro, ne Sekretärin. Eine supermoderne Einrichtung, die einen Haufen Geld kostet. Warum versuchen wir nicht gleich, ob wir nicht mit ehrlicher Arbeit zu was kommen?"
"Das darf doch alles nicht wahr sein. Ein Büro, ne Sekretärin. Eine supermoderne Einrichtung, die einen Haufen Geld kostet. Warum versuchen wir nicht gleich, ob wir nicht mit ehrlicher Arbeit zu was kommen?"
Mit einem gewissen Grundverständnis
für die italienische Kultur und Mentalität ausgestattete
Filmbegeisterte werden bestimmt ihre Freude an dem feinen aber leider
raren Zelluloid-Produkt haben (und müssen auf eine Ausstrahlung im
Pay-TV oder eine DVD-Veröffentlichung hoffen).
Wer sich actiongeladenes
"Hau-Drauf-Kino" à la Maurizio Merli erwartet, wird
enttäuscht sein.