100 SCHRITTE
Italien 2000
Regie: Marco Tullio Giordana
DarstellerInnen: Luigi Lo Cascio, Luigi Maria Burruano, Lucia Sardo, Paolo Briguglia u.a.
Inhalt
Es gibt zwei einflussreiche Mafia-Familien in Cinisi (nahe Palermo, Sizilien). Auf der einen
Seite Gaetano "Tano" Badalamenti, auf der anderen der Clan
der Impastatos.
Die Häuser der beiden liegen nur cento
passi (hundert Schritte) voneinander entfernt.
Guiseppe "Peppino" Impastato entwickelt sich zum Leidwesen seines stolzen Vaters zu einem Kommunisten, zu einem Revolutionär, der einen offenen Kampf gegen die Mafia führt. Wie lange kann und will er seinen Sohn beschützen?
Guiseppe "Peppino" Impastato entwickelt sich zum Leidwesen seines stolzen Vaters zu einem Kommunisten, zu einem Revolutionär, der einen offenen Kampf gegen die Mafia führt. Wie lange kann und will er seinen Sohn beschützen?
Als ich im Buch Cosa Nostra: Die Geschichte der Mafia von den Geschehnissen rund um den von den Behörden lange Zeit als Selbstmord deklarierten
Tod des mutigen Peppino Impastato gelesen habe, war für mich klar, dass ich "100
Schritte" sehen muss.
Dieser zeigt ein ganzes Leben in 107
Minuten. Er ist eine beeindruckende Erzählung über einen Mann, der
unbeirrbar war und letztendlich wegen seiner Ideale und
Wertvorstellungen sterben musste.
Es ist die wahre Geschichte von
Guiseppe "Peppino" Impastato, der sich nicht an das Gesetz
der omertà halten wollte und dafür sogar einen gewaltsamen Tod in Kauf nahm.
Er war noch vor der Gründung der Antimafia einer der wenigen mutigen Einzelkämpfer gegen das organisierte Verbrechen in Sizilien.
Er war noch vor der Gründung der Antimafia einer der wenigen mutigen Einzelkämpfer gegen das organisierte Verbrechen in Sizilien.
Der kleine Junge Peppino Impastato, den
der gewaltsame Tod seines geliebten Onkels wohl ebenso prägte wie der
Kontakt zu einem stadtbekannten Kommunisten, begann schon früh, sich
gegen die Mafia aufzulehnen.
Bereits 1966 schrieb er einen
Zeitungsartikel mit dem Titel "Mafia: ein Haufen Scheiße",
später organisierte er Fotoausstellungen zum Thema "Die Mafia
und die Landschaft", in der es um die Zerstörung der Schönheit
der Natur durch den von der Cosa Nostra forcierten und geförderten Straßenbau ging.
1977 gründete Peppino einen kleinen
Radiosender namens "Radio Aut", in dem er sich des Öfteren mit von ihm gesprochenen Satirebeiträgen über Mafiaboss Don Tano
und andere Mafiosi lustig machte.
Dem nicht genug, demütigte er
hochrangige Mafiosi beim Begräbnis seines Vaters, indem er sich
weigerte, ihnen die Hand zu geben.
Peppinos Protest fand auf allen Ebenen statt und reichte von seiner eigenen Familie bis in die breite Öffentlichkeit.
Peppinos Protest fand auf allen Ebenen statt und reichte von seiner eigenen Familie bis in die breite Öffentlichkeit.
"100 Schritte" ist ein sehr
authentischer Film mit großartigen SchauspielerInnen, die vom
Regisseur sorgfältig ausgewählt wurden. Er scheint überhaupt
großen Wert auf eine exakte Erzählweise der historischen Ereignisse
rund um den kämpferischen jungen Impastato gelegt zu haben.
Peppino wirkt innerlich zerrissen. Auf
der einen Seite versucht er gegenüber seinen Freunden und Anhängern
als Clown dazustehen und gibt vor, das Leben weniger ernst zu nehmen als es in Anbetracht der latenten Bedrohung durch die Mafia angemessen wäre.
Auf der anderen Seite wirkt er sehr
verletzlich und nachdenklich, einzelgängerisch und querulantisch bis in die letzte Faser seiner Existenz.
Peppino war ein Besessener, ein ständig Getriebener, der sich verbissen hatte in sein Ziel, der örtlichen Mafia das Leben etwas schwerer zu machen.
Peppino war ein Besessener, ein ständig Getriebener, der sich verbissen hatte in sein Ziel, der örtlichen Mafia das Leben etwas schwerer zu machen.
Trotz der desillusionierenden und
bedrückenden Rahmenhandlung wirkt "100 Schritte" nicht
sperrig, sondern flüssig und spannend erzählt. Nicht ohne Grund
wird er von manchen als kleines Meisterwerk gehandelt und wurde beim
Filmfestival in Venedig mit dem "Goldenen Löwen" ausgezeichnet.
Der Soundtrack ist auch erwähnenswert,
beinhaltet er doch einige schöne und bekannte Titel der Siebziger
wie zum Beispiel "House of the Rising Sun" (The Animals),
"Summertime" (Janis Joplin) oder "Suzanne"
(Leonard Cohen).
Impastato wurde im Mai 1978 ermordet.
Bis auf sein nahes Umfeld glaubte niemand an etwas anderes als an einen Suizid. Den
örtlichen Carabinieri und
der Politik gelang es, wichtige Beweise verschwinden zu lassen und
die Wahrheit zu vertuschen.
Doch die Leute, die
ihn gekannt, geliebt und geschätzt haben, gaben nicht auf.
Erst Jahrzehnte
später, nämlich im April 2002, wurde Don Tano von der Justiz als
Verantwortlicher bzw. Auftraggeber des Mordes verurteilt.
"100 Schritte" ist ein
wichtiger Film. Nicht nur für die Geschichte Italiens, sondern für
die Menschheit und die Menschlichkeit im Allgemeinen.
Guiseppe Impastato steht für mutigen
und beherzten Widerstand und die Rebellion gegen eine Gruppierung,
deren Existenz lange Zeit niemand wahrhaben wollte. Allein deshalb
sollte sein Name nicht in Vergessenheit geraten.