NACHTBLENDE
Deutschland, Frankreich, Italien 1975
Regie: Andrzej Zulawski
DarstellerInnen: Romy Schneider, Klaus Kinski, Fabio Testi, Jacques Dutronc u.a.
Inhalt
Der Fotograf Servais verliebt sich in die erfolglose Schauspielerin Nadine Chevalier. Auch sie scheint ihn anziehend zu finden und sucht immer wieder seine Nähe. Allerdings ist Nadine verheiratet.
Ihr psychisch labiler Mann Jacques gibt
zunächst vor, den jungen attraktiven Fotografen selbst ganz
sympathisch zu finden und mit ihm befreundet sein zu wollen,
beobachtet die Annäherung zwischen seiner Frau und Servais aber aufs
Genauste.
Um Nadine öfters sehen zu können und
in der Hoffnung, sie endlich einmal fröhlich zu sehen, finanziert
Servais heimlich das Theaterstück des exzentrischen Regisseurs
Messala.
Als Gegenleistung verlangt er von
Messala, dass Nadine die Hauptrolle in dem Bühnenstück bekommt.
Auf die Premiere folgt das böse
Erwachen aller Mitwirkenden, die Kritiken sind vernichtend.
Nicht nur das - auch die
Dreiecksbeziehung zwischen Nadine, Jacques und Servais scheint immer
mehr aus dem Lot zu geraten und auf ein tragisches Ende
zuzusteuern...
Schon bei der ersten Filmsequenz ahnt
man, dass man es bei "Nachtblende" mit einem ganz
besonderen Film zu tun hat.
Die Bilder wirken trist. Die Kulissen
karg. Irgendwie erscheint alles grau in grau, ähnlich wie das
bedrückende Leben der Protagonisten.
Sowohl Nadine (Romy Schneider) als auch ihr Mann Jacques (Jacques Dutronc) sind
tief von Selbstzweifeln zerfressene Seelen auf der Suche nach Halt,
den sie sich gegenseitig nicht mehr zu geben vermögen.
Als Servais (Fabio Testi) in ihr Leben
tritt, scheint bei dem Paar eine leichte Hoffnung aufzukeimen, dass
sich endlich etwas bewegt. Sie beide sehen in ihm die Chance, sich
wieder lebendig fühlen zu können.
Servais selbst - überfordert aufgrund
der Gefühle zu Nadine und hin-und hergerissen wegen seiner Sympathie
und seinem Mitleid für den labilen Jacques - wird dabei zum
Spielball zwischen den Eheleuten.
Als er es merkt, versucht er, sich der
ganzen Situation zu entziehen. Dennoch geht es ihm dadurch nicht
besser. Eine klassische "No-Win-Situation".
Dazwischen immer wieder eingestreut:
andere "bunte" Charaktere und Nebenschauplätze.
Sperrige Dialoge, die die im Film
vorherrschende niederschmetternde Grundstimmung zusätzlich
unterstreichen.
Vor allem Klaus Kinski, der nicht nur
den narzisstischen und ewig missverstandenen Bühnenschauspieler
Karl-Heinz Zimmer, sondern auch ein bisschen sich selbst zu spielen
scheint, bereichert "Nachtblende" durch seine Präsenz.
Jacques Dutronc scheint im Verlauf des
Film immer mehr an körperlicher und psychischer Substanz zu
verlieren, wirkt am Ende beinahe durchsichtig.
Auch Romy Schneider verbindet man mit
einem anderen Anblick als den einer verzweifelten, innerlich
zerstörten blassen Frau.
Fabio Testi, der ursprünglich nicht im
Schauspieler-Milieu, sondern in der Stuntman-Branche beheimatet war,
zeigt wieder einmal mehr, wie wandlungsfähig er doch sein konnte.
Wie schade wäre es gewesen, wenn er
seine Karriere ausschließlich mit Stürzen von Brücken und
Schlägerei-Szenen etc. verbracht hätte.
Kameraeinstellungen, Filmmusik und
Schnitte zielen allesamt darauf ab, die desolate und hoffnungslose
Grundstimmung des Films zu verstärken.
Das Hauptthema des Films ist, wie der
französische Titel "L' important c'est d'aimer"
impliziert, die Liebe.
Der Film erzählt eine Geschichte über
Liebe und Leidenschaft, nicht nur zu Personen, sondern auch zum Leben
selbst und allem, was das Leben lebenswert machen kann: intensive
Emotionen, Leidenschaft und Obsession, Sexualität, Respekt, Ansehen
und soziale Kontakte.
Das nur, um schließlich konsequent zu
veranschaulichen, wie all dies im Alltag verloren gehen kann.
Lieblingszitat:
Nadine (zu Servais, der Fotos für eine
Illustrierte von ihr machen möchte):
"Zu Ihrer Verfügung, Monsieur."
Servais: "Tja, aber wollen Sie
sich denn nicht schminken? Frisieren? Zurecht machen?"
Nadine: "Nein. Warum? Ich hab
diesen Kopf seit 30 Jahren. - Gefällt er Ihnen nicht?"
Zulawskis Film ist intelligentes Kino.
Ein Manifest gegen die Oberflächlichkeit, geschaffen für liberale
und unvoreingenommene Menschen, die bereit sind, abzutauchen in die
Untiefen und Schattenseiten menschlicher Emotionen und Handlungen.
Wie kaum ein anderer Film nimmt
Andrzejs Zulawskis "Nachtblende" einen mit auf eine
emotionale Talfahrt ins Land der Hoffnungslosigkeit.
Nicht empfehlenswert für das erste
Date oder für einen netten Abend mit FreundInnen und Popcorn.