DAS GEHEIMNIS DER BLUTIGEN LILIE
Italien 1972
Regie: Giuliano Carnimeo
DarstellerInnen: Edwige Fenech, George
Hilton, Paola Quattrini, Giampiero Albertini, Franco Agostini, George Rigaud u.a.
Inhalt:
In einem Hochaus werden nach und nach
Mieterinnen ermordet. Alles deutet auf einen Serienkiller hin.
Kommissar Encis Ermittlungen gestalten sich als mühsam bis er Hilfe
von dem Fotomodell Jennifer erhält...
Architekt Andrea (Hilton) |
Verängstigte Jennifer (Fenech) |
Wenn es draußen lange hell ist und
sommerliche Temperaturen herrschen, ist im Schattenlichter-Heimkino
eher etwas weniger Betrieb. Es gibt Filme, die ich nie im Sommer
ansehen würde – zum Beispiel Die drei Gesichter der Furcht, Wenn die Gondeln Trauer tragen, oder klassische Winter-Filme
wie "The Shining" und Leichen pflastern seinen Weg.
Tierhorror und Filme, die auf Inseln oder generell im Sommer spielen
sind bei uns hingegen zwischen Juni und Oktober meist ganz hoch im
Kurs. Und natürlich Thriller aus Italien.
Besonders die Kategorie von Giallo, die
in brütend heißen Metropolen spielt oder diverse Urlaubsdestinationen auf vergnügliche Weise schön in Szene setzt.
Empfehlen kann man "Das Geheimnis der
blutigen Lilie" freilich nur hart gesottenen Genre-FreundInnen. Für
gut gelaunte Gemüter, die sich cineastisch gerne auch mal sanft auf
den Wogen der Trivialität hin und her wiegen lassen, braucht es kein
schlüssiges Drehbuch oder eine besonders aufwändige Inszenierung.
Jedem und jeder, der gerne der
attraktiven Edwige Fenech dabei zusieht, wie sie sich nackt auf dem
Boden liegend mit Lilien bewerfen lässt, mit Body Painting Trikot
auf einem Motorrad herumrutscht oder sich mit George Hilton auf
einem flauschigen Teppich räkelt, wird Carnimeos frivoles Filmchen
Freude bereiten.
Wirr, bizarr, überdreht und äußerst
kurzweilig ist dieser Giallo von Italowestern Regisseur Carnimeo. So
als hätte er A lizard in a woman's skin, Der Killer von Wien und einige
andere Gialli gesehen und sich gedacht "so mache ich das auch".
Allerdings auf eine etwas weniger stilvollere Art als die genannten
Filme. Manche Szenen wie zum Beispiel der erotische Kampf-Tanz (oder
wie auch immer man das nennen will) des schwarzen Models wirken etwas deplatziert bis unsinnig und sind handlungstechnisch absolut entbehrlich. Aber um eine schlüssige Geschichte geht es in "Das
Geheimnis der blutigen Lilie" auch nicht.
Giallo Schönheit Fenech und die Blumen |
Giallo Königin Edwige spielt die etwas
zu vertrauensselige Jennifer, die sich vom Architekten Andrea
(gespielt von George Hilton) nach dem Mord an einer Model-Kollegin
beschwatzen lässt, in deren Wohnung einzuziehen. Ähnlich wie in den
Filmen von Sergio Martino (dessen Bruder Luciano hier als Produzent
fungierte) spielt Fenech wieder mal eine Frau, die sich sehr
schutzbedürftig gibt und relativ wenig Eigeninitiative zeigt.
Im Gegensatz zu den meist
selbstbewussten, unabhängigen Charakteren, wie sie von Susan Scott
(z.B. als wehrhafte Valentina in La morte accarezza a mezzanotte)
gespielt werden oder den Femme fatale-Rollen, die Rosalba Neri (z.B.
in Amuck) auf den Leib geschneidert wurden, wirkt Edwige in der
Regel eher passiv. Auch wenn sie in "Das Geheimnis der blutigen
Lilie" einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung der Morde leistet,
ist sie dennoch immer sehr auf fremde Hilfe angewiesen. Sie war mehr
im traditionellen Rollenbild verhaftet, was natürlich das männliche
Publikum ansprechen sollte.
Doch zurück zu Fenech. Auch wenn man
sie in ihren Rollen zunächst etwas unterschätzt, tut sie dennoch
meist das Richtige und sucht sich hilfreiche Verbündete. In "Das
Geheimnis..." findet sie die lebensrettende Unterstützung in Kommissar Enci, der von Giampiero
Albertini (Sieben goldene Männer, Gangster sterben zweimal) gespielt wird.
Der etwas gedrungene Kerl mit seinen
treuherzigen Froschaugen verkörpert einen absolut verschrobenen
Polizisten, der sich bisweilen lieber mit seiner Briefmarkensammlung
beschäftigt als mit den aktuellen Mordfällen.
Aber skurril sind in diesem Film alle
Akteure. Auch Jennifers Freundin Marilyn (gespielt von Paola Quattrini), die sich benimmt als wäre sie geistig im Alter von 12 stecken geblieben, ist
eine Nummer für sich.
Und dann wäre da noch Jennifers
stalkender (Ex-)Gatte, der anscheinend der Guru einer
Hippie-Sex-Sekte ist und gerne mit Blumen wirft, die alte Nachbarin,
die beim Kiosk um die Ecke Fumetti Neri und Sexheftchen kauft und
ihren entstellten Sohn versteckt, der dubiose Architekt Andrea, der
beim Anblick von Blut beinahe aus den Latschen kippt, der senile
ältere Herr, der ständig Violine spielt oder der Fotograf, der
jedes üble Homosexuellen Klischee erfüllt. Niemandem kann und darf
man in diesem Fall über den Weg trauen.
Dieser Giallo besteht aus einer
Aneinanderreihung kreativer verrückter Ideen, die nicht alle Sinn
ergeben, ähnlich wie der Filmtitel im Original. Dennoch lassen die exzentrischen Charaktere und die schrullige Geschichte sich doch zu einer unterhaltsamen und belustigenden Erzählung vermengen.
Am besten, man fängt gar nicht erst
an, sich Gedanken über eine mögliche Auflösung der Morde zu machen,
sondern lässt sich verzücken vom Ideenreichtum und dem
wunderbaren Easy Listening Soundtrack Bruno Nicolais.
"Das Geheimnis der blutigen Lilie" ist Terza Visione Kino vom Feinsten und bringt vermutlich auch
Außentemperatur Resistente zum Dahinschmelzen.
Foto: X-Rated und Anchor Bay Veröffentlichungen
Foto: Blu Ray von Shameless