DER TOD WEINT ROTE TRÄNEN
Belgien, Frankreich, Luxemburg 2013
Regie: Hélène Cattet, Bruno Forzani
DarstellerInnen: Klaus Tange, Ursula
Bedena, Joe Koener, Birgit Yew, Hans de Munter, Anna D'Annunzio u.a.
Inhalt
Dan Kristensen hinterlässt seiner Frau
Edwige eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Er ist bald von
seiner Dienstreise zurück im heimatlichen Brüssel und freut sich auf sie.
Als er daheim ankommt, steht er vor
verschlossenen Türen. Der Eingang seiner Wohnung ist von innen mit
einer Kette verriegelt, seine Frau spurlos verschwunden. Verzweifelt
macht er sich auf die Suche nach ihr, nimmt sich frei, befragt
Nachbarn, nimmt Kontakt mit der Polizei auf.
Was ist nur während seiner Abwesenheit geschehen?
Foto: VÖ von Koch Media
Was ist nur während seiner Abwesenheit geschehen?
Dan im Gang des Mietshauses |
Mysteriöse Frau |
Ich habe "Amer", das Erstlingswerk der beiden in Belgien ansässigen Regisseure, bislang nicht gesehen und so lässt mich der Abspann von "The strange colour of your body's tears" etwas verwirrt und enttäuscht auf der Couch zurück.
Das ist ja gar
keine richtige Geschichte, nicht mal ansatzweise.
Eher ein fieses visuelles Verwirrspiel.
Doch "The strange colour of your body's tears" ist einer
dieser Filme, der in der Psyche nachhallt und der mich auch am
nächsten Morgen noch beschäftigt.
Vielleicht bin ich ja lediglich mit der falschen
Erwartungshaltung an die Sache herangegangen?
Denn "The strange colour..."
bricht mit konventionellen Sehgewohnheiten, berauscht und verstört
nicht nur durch seine Bildsprache, die großzügige Verwendung von
Farbfiltern, Split-Screens und Wiederholungen, sondern auch durch die
teilweise enervierenden Soundeffekte.
Rückblendungen und Nebenerzählungen
setzen unvermittelt ein und lassen sich zum Teil erst im Nachhinein
als solche deuten.
Extreme Close-Ups wechseln sich ab mit
statischen Aufnahmen, Bildern aus der Vogelperspektive und
Unschärfe-Effekten. Schlichte Nacktheit wird genauso dargestellt wie
der erotisierte Akt des Entkleidens.
Das Wort "Fetisch" wird in
"The strange colour..." ausschließlich mit kapitalen
Buchstaben geschrieben.
Fühlt es sich so an, wenn man verrückt wird?
Nicht nur der verlassene Dan, sondern
auch man selbst bekommt einen Eindruck davon, wie sich eine
schizophrene Episode anfühlt.
Trotz vieler verstörender Szenen kommt
ein vertrautes, ja fast schon heimeliges Gefühl auf, wenn
beispielsweise die mysteriöse alte Dame aus Pupi Avatis L'arcano incantatore auftaucht, eindeutige Hommagen an Das Haus an der Friedhofmauer, Der Killer von Wien,
Malastrana, "Profondo Rosso", "Suspiria",
"Tenebre", Spuren auf dem Mond oder The Child - Eine Stadt wird zum Alptraum unser Eurocult-LiebhaberInnenherz vor Freude höher
schlagen lassen.
Doch es sind nicht nur Hommagen im Stil
von Quentin Tarantino (vereinfacht formuliert: kopierte Szenen),
sondern eine Art Neuinterpretation und Weiterentwicklung des
verwendeten Stoffs, allesamt minutiös inszeniert. Kein Wunder, dass die Schaffenszeit laut Angaben der Regisseure über 10 Jahre in Anspruch genommen hat.
Die verwendete Musik stammt ebenfalls
aus den bereits genannten Filmen und noch einigen anderen Genre-Perlen, z.B. aus Racket, Così dolce... così perversa oder "Die
Farben der Nacht."
Das pompöse Mietshaus mit der
schummrigen Innenbeleuchtung, in dem Dan herumgeistert, beherbergt
viele fragwürdige Gestalten, deren Bekanntschaft der verzweifelte Mann
macht. Einer scheint suspekter als der andere zu sein, jeder scheint
etwas zu wissen und/oder zu verbergen. Ganz besonders vor den Frauen muss man sich in Acht nehmen.
Auch das Interieur der einzelnen
Wohnungen mit seinen Fresken, mosaikartigen Fenstern und altmodischer
Einrichtung mutet eigenartig und düster an.
Dans Rauschzustände und Träume
verschmelzen untrennbar mit der Realität, die er nicht
mehr in der Lage ist zu deuten. Letzteres gilt im Übrigen auch für uns ZuseherInnen.
Die Vorlieben von Cattet für
experimentelle Kunst und die Liebe zum Genre von Forzani finden beide
gleichberechtigt ihren Platz im zweiten
gemeinsamen Werk des Paares.
Ich will nicht den Eindruck erwecken,
dass ich den Film uneingeschränkt empfehlen kann und bin mir nach
wie vor nicht sicher, ob das Positive die sich manchmal bis fast zum
Exzess ständig wiederholenden Szenen, die Widersprüchlichkeiten und die wirren Handlungsstränge aufwiegt.
Am besten, ihr macht euch selbst ein
Bild davon. Wenn man mit den oben genannten Kultfilmen vertraut ist,
ist "The strange colour of your body's tears" sicherlich
keine Zeitverschwendung.
Aber Achtung vor Risiken und Nebenwirkungen!
Präparat: halluzinogener Filmstoff.
Mögliche Nebenwirkungen (können,
müssen aber nicht bei jedem auftreten): Verwirrung, Frust,
Berauschung, Ekel, Déjà-vus, in Einzelfällen wurde von schnellem Herzklopfen berichtet.
Suchtfaktor: Langzeitstudien-Ergebnisse noch
ausstehend.
Foto: VÖ von Koch Media