DER KILLER VON WIEN
Italien, Spanien 1971
Regie: Sergio Martino
DarstellerInnen: Edwige Fenech, George
Hilton, Conchita Airoldi, Ivan Rassimov, Alberto de Mendoza u.a.
Inhalt
Die schöne junge Julie Wardh und ihr
Mann kommen nach Wien. Da Signor Wardh viele Termine hat und deshalb
öfters außer Haus ist, vergnügt sich Julie in der Zwischenzeit mit
ihren Freundinnen, besucht Parties und geht shoppen.
Der Frauenmörder, der gerade in der
österreichischen Hauptstadt umgeht, macht ihr etwas Angst. Und auch
ihr ehemaliger Geliebter Jean scheint Frau Wardh zu verfolgen.
Als Julies Freundin kaltblütig
ermordet wird, scheinen sich ihre schlimmsten Befürchtungen in Bezug
auf Jean zu bewahrheiten.
Doch auch ihr neuer Liebhaber George hat etwas zu verbergen. Julie gerät in ernsthafte Gefahr und muss nicht nur um ihr Leben, sondern auch um ihre geistige Gesundheit fürchten...
Doch auch ihr neuer Liebhaber George hat etwas zu verbergen. Julie gerät in ernsthafte Gefahr und muss nicht nur um ihr Leben, sondern auch um ihre geistige Gesundheit fürchten...
Schon wieder Rosen... |
Julie lernt den Dandy George kennen |
Der Regisseur Sergio Martino wird im
Kreise der Eurocult-Fangemeinde ganz besonders für seine Gialli "Der
Schwanz des Skorpions", "Der Killer von Wien", "Die
Farben der Nacht", "Il tuo vizio è una stanza chiusa e
solo io ne ho la chiave" und Torso geschätzt.
Der promovierte Geologe und Bruder des
einflussreichen Filmproduzenten Luciano Martino ("Dania Film")
entwickelte wohl schon in den Sechziger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts eine Vorliebe zum klassischen Giallo.
Das Brüderpaar produzierte nämlich 1968 "Der schöne Körper der Deborah" und ein Jahr
später Umberto Lenzis Così dolce... così perversa.
Beide Filme entstanden zeitlich vor Dario Argentos Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe (1970) und gaben bereits die
später so populären und zahlreich verwendeten Giallo-Stereotypen,
die gemeinhin Argento zugeordnet werden (Killer mit schwarzen
Handschuhen etc.) vor.
"Der Killer von Wien" ist ein
klassischer Giallo mit einem schwarz behandschuhten
Rasiermesser-Killer, einer morbiden, geheimnisvollen und erotischen
Atmosphäre sowie einigen originellen Plot-Twists.
Zugleich ist er auch einer der optisch
ansprechendsten italienischen Thriller, was unter anderem mit der
Rolle der atemberaubend schönen und distinguierten Signora Wardh
(gespielt von einer der italienischen Leinwand-Göttinnen der
Siebziger Jahre: Edwige Fenech) zu tun hat.
Die in Französisch-Algerien geborene
Schauspielerin, auch bekannt für besonders freizügige Rollen,
avancierte mit "Der Killer von Wien" zu einer beliebten und
von Vielen begehrten italienischen Film-Diva.
Die zur Zeit der Dreharbeiten 23 Jahre
alte Edwige Fenech verkörpert die charakterlich ambivalente Julie
Wardh. Auf der einen Seite hat sie ihren um einige Jahre älteren
Mann geheiratet, um ein konventionelles und finanziell gut
abgesichertes Leben zu haben.
Auf der anderen Seite verfolgen sie
ihre sündigen Laster ("lo strano vizio" - "die
eigenartigen Laster") wie hartnäckige Gespenster der
Vergangenheit.
Und das nicht nur in Form von Flashbacks. Sie finden nämlich ihre Personifizierung in der Figur des Jean (Ivan Rassimov), mit dem sie in früheren Zeiten die abgründigen Wege der sadomasochistischen Sexualpraktiken bewandert hatte.
Und das nicht nur in Form von Flashbacks. Sie finden nämlich ihre Personifizierung in der Figur des Jean (Ivan Rassimov), mit dem sie in früheren Zeiten die abgründigen Wege der sadomasochistischen Sexualpraktiken bewandert hatte.
Jean taucht immer wieder unvermittelt
in ihrer Nähe auf und schickt ihr rote Rosen (- ist es wirklich er?) mit kurzen, teils
poetisch anmutenden ominösen Botschaften wie "Das Schlimmste an dir ist das Beste, was du hast. Und es wird immer mir gehören." oder "Il
tuo vizio è una stanza chiusa e solo io ne ho la chiave."
("Dein Laster ist ein verschlossener Raum und nur ich habe den
Schlüssel dazu.") Der Text dieser Nachricht ist zugleich der
Titel eines anderen Giallos von Sergio Martino.
Subtil bedrohlich - Jean |
Ivan Rassimov beeindruckt nachhaltig
durch seine unvergleichlich diabolische Leinwand-Präsenz. Sein
Markenzeichen waren nicht nur seine unverkennbar rauen und kantigen
Gesichtszüge, sondern auch sein stechender Blick und seine schlanke
Silhouette
Er war der Parade-Bösewicht schlechthin.
In "Der Killer von Wien" wirkt er nicht nur besessen und
bedrohlich. Es gelingt ihm zugleich, jeder Begegnung mit Julie (ob in
der Vergangenheit oder der Gegenwart) eine subtil erotische
Komponente hinzuzufügen.
Ein faszinierender Charakter.
Der aus Uruguay stammende und bis in
die frühen Siebzigerjahre vor allem aus Italowestern ("Django -
Sein Gesangbuch war der Colt" oder "Das Gold von Sam
Cooper") bekannte George Hilton heimst als Julies
Party-Bekanntschaft und Neo-Liebhaber George eher wenig
Sympathiepunkte ein. Der neureiche George hat einen Hang zur
Dekadenz, zur Selbstverliebtheit und frönt dem Hedonismus.
Er fungiert gewissermaßen als das
charakterliche Pendant zu Julies bodenständigem Ehemann und
vielleicht gerade aus diesem Grund genau die Art von Ablenkung, die
der einsamen Frau gut zu tun scheint.
Doch auch er kann Julie nicht helfen.
Egal, ob sie in einem Parkhaus vom Rasiermesser-Killer attackiert
wird oder im Spanien-Urlaub beinahe von einem Pfeil getroffen wird -
George glänzt in Situationen der Not durch Abwesenheit.
Unsere Bundeshauptstadt mit ihrem
berühmten morbiden Charme bietet sich natürlich als Schauplatz für
einen düsteren Thriller an. Es ist etwas verwunderlich, dass nicht
mehr Filme dieser Art in Wien gedreht wurden.
Die für "Der Killer von Wien"
verwendeten Schauplätze, insbesondere das Palmenhaus und der
Schlossgarten von Schönbrunn erscheinen als wahrlich prädestiniert
für Mordschauplätze.
Die Handlung ist etwas verschachtelt,
die Quintessenz des Dramas um die lasterhafte Signora Wardh besteht
allerdings im zunehmenden Verfall der psychischen Stabilität der
gepeinigten Frau.
Das Reizvolle an der Geschichte ist,
dass sämtliche männlichen Hauptcharaktere (der Rasiermesserkiller,
der Ehemann, der ehemalige Bettgefährte Jean und der aktuelle
Liebhaber George) so angelegt sind, dass sie die Paranoia von Julie
(und der ZuschauerInnen) zusätzlich schüren.
Sie entwickelt sich zusehends von einer
selbstbewussten Frau zu einem gejagten und gehetzten Opfer, dem es
nicht dauerhaft gelingen will, der allgegenwärtigen Bedrohung, die keine klare Form zu haben scheint, zu entfliehen.
Einzelne Sequenzen aus ihrer (offenbar bewegten) Vergangenheit, die
sich stetig in Julies Bewusstsein drängen, erscheinen als
traumartig-verzerrte Rückblenden und sind visuell
perfektionistische Bildkompositionen. Häufig geht es darin um
Begierde und mit Gewalt verknüpfte Sexualität.
Besonders die Regen-Szene zwischen
Fenech und Rassimov und die Szene mit den Glasscherben sind dazu
geschaffen, sich tief im visuellen Erinnerungsvermögen zu verankern.
Die psychologische Dimension des Films
und die Ästhetik der Bilder werden unterstrichen und verstärkt
durch den mal psychedelischen, mal intensiv melancholischen
Soundtrack aus der Feder von Nora Orlandi.
Das Label "FilmArt" hat den
"Killer von Wien" unlängst in seiner lobenswerten
Giallo-Kollektion neu veröffentlicht (die DVD von "Koch Media"
ist schon seit einiger Zeit "out of print" und erzielte Sammlerpreise).
Für alle Giallo-affinen
FilmliebhaberInnen ist der Kauf natürlich ein Muss.
Doch auch für "Genre-Neulinge"
dürfte sich ein Blick auf diesen wunderbaren Film lohnen.
Ein kleines Drehort-Special findet ihr hier
Foto: VÖ von No Shame, Koch Media und FilmArt
Foto: Soundtrack