SO SWEET… SO PERVERSE
Italien, Deutschland, Frankreich 1969
Regie: Umberto Lenzi
DarstellerInnen: Carroll Baker, Erika Blanc, Jean-Louis Trintignant, Horst
Frank, Helga Liné, Ermeldina De Felice, Dario Michaelis u.a.
Inhalt:
Jean und Danielle sind unglücklich verheiratet. Danielle hält ihren Mann zwar auf
Distanz, leidet jedoch unter seinen Affären, die er nicht vor ihr verbirgt. Als
Jean sich in die Nachbarin Nicole verliebt und sich ihretwegen sogar scheiden
lassen will, verliert sich das Ehepaar in einem Netz von Lügen und Intrigen,
aus dem nicht alle Beteiligten wieder lebendig herauskommen…
Macho Jean (Trintignant) |
Nicole (Baker) hat ein Händchen für Männer (?) |
Regisseur Umberto Lenzi war ein Multitalent auf dem Gebiet der Regie, dessen künstlerische Ambitionen in vielen verschiedenen Filmgattungen ihren Ausdruck gefunden haben. Zur Blütezeit des italienischen Genrekinos kam man nicht an ihm vorbei. Immerhin bewegte er sich auf dem Gebiet der Abenteuer-, Historien-, Kriminal- und Horrorfilme und führte je nach vorherrschendem cineastischem Trend auch bei Italowestern oder Kriegsfilmen Regie. Dabei war Lenzi sich auch nie zu schade, sein Publikum in Terza visione-Manier zu unterhalten und setzte sich dadurch bis in die heutigen Tage sogar in eingefleischten (was für ein passender Begriff) Fankreisen mit "Großangriff der Zombies" und "Die Rache der Kannibalen" ein Denkmal. Lenzis Œuvre beinhaltet immerhin über sechzig Spielfilme.
Bei "Così dolce... così perversa" handelt es sich um ein ganz frühes Exemplar
in der Ära des Giallo, dessen erzählerische Quintessenz in die Unterkategorie "Verwirrspiele und Mord in der dekadenten High Society" passt.
Da der Film eine italienisch-deutsch-französische Koproduktion war, wurde der
Hauptcast natürlich aus den entsprechenden Ländern zusammengewürfelt und in
englischer Sprache zu einem
großen Teil in Paris gedreht.
Danielle (Blanc) sinniert über ihre Ehe |
Jean-Louis Trintignant (Leichen pflastern seinen Weg) mimt den reichen Geschäftsmann Jean Reynaud, der mit seiner Frau Danielle (Erika Blanc, u.a. bekannt aus Die toten Augen des Dr. Dracula oder Amore e morte nel giardino degli dei) eine ziemlich verkorkste Ehe führt. Dazu steuern offensichtlich beide Beteiligten ihren Anteil bei und schieben dafür dem jeweils anderen die Schuld dafür zu. Würde man das österreichische Scheidungsrecht zitieren, müsste man zu dem Schluss kommen, dass nicht feststellbar ist, wer die überwiegende Schuld an der Zerrüttung der Ehe trägt. Die beiden schenken sich nichts.
Dass Jean sich gerne ungeniert mit Geliebten in fremden Betten wälzt, ist jedenfalls der Gesamtsituation wenig zuträglich. Aber auch wenn Danielle sich gegenüber ihrem Gatten emotional in Gefrierfach-Temperatur präsentiert, weckt das selbstverständlich ebenfalls erhebliche Zweifel an der Zukunft des Paares.
Selbst wenn manche unverbesserlichen RomantikerInnen unter uns am Anfang noch denken mögen, die Reynauds könnten ihre Ehekrise überwinden, wird spätestens mit dem Auftauchen der neuen Nachbarin Nicole (Carroll Baker) alle Hoffnung auf ein glückliches Ende zunichte gemacht.
Klaus (Frank) will Nicole nicht hergeben |
Jean verfällt beim ersten Anblick der blonden Schönheit bereits in den Jagdmodus und kann Nicole schließlich durch "romantisches Stalking", grobe Macho-Allüren und etwas barsch bekundete Besitzansprüche klar machen, dass sie zu ihm gehört. Zum Glück schenkt sie ihm schnell bereitwillig Glauben. Außerdem möchte sie sich angeblich nur zu gerne aus der gewalttätigen Beziehung zu Klaus (Horst Frank) lösen. Einer Frau mit einem solchen Händchen für Männer kann man nur gratulieren.
Doch das junge Glück der beiden hält nicht lange an. Jemand treibt ein falsches Spiel und Jean wird ermordet. War es irgendein Komplott? Oder ist er etwa gar nicht tot und will nur die eifersüchtige Danielle in den Wahnsinn treiben? Es wird rätselhafter und rätselhafter.
"Why do we run in circles, not knowing which way to go?"
Wenn der britische Musical-Sänger J. Vincent Edwards mit seiner ausdrucksvollen, leicht rauchigen Schnulzenstimme aus voller Inbrunst die ersten Zeilen des Titelsongs anstimmt, ist diese Frage zwar in Übereinstimmung mit dem restlichen Text in einem Kontext von unglücklicher Liebe zu verstehen, kann aber auch als geheimes Leitmotiv für den Drehbuchautor Ernesto Gastaldi verstanden werden.
Die Handlung von "Così dolce,…" ist nicht nur verwirrend und verworren, sondern auch – wie man es von einem Giallo erwartet – am Ende schlicht nicht schlüssig.
Ein tieferer Sinn oder eine Nachvollziehbarkeit der Handlung wird jedoch vom geneigten Publikum bei einem Film dieser Sparte (hoffentlich) auch nicht erwartet.
In Anbetracht des Entstehungsjahrs ist es auch verzeihlich, dass weder die Anzahl der Morde noch die Effekte irgendjemanden vom Hocker reißen. Wenn man sich (wie ich) nicht satt sehen kann an dem Mobiliar der opulent ausgestatteten 60er und 70er Jahre Wohnungen, ein Faible für Autos aus dieser Zeit hat, dekadente und zügellose Parties der Reichen und Schönen unterhaltsam und Gefallen an der extravaganten Ausstrahlung und Schönheit Erika Blancs und Carroll Bakers findet, kommt man an diesem gemächlich vor sich hin plätscherndem Film nicht vorbei.
Die Story ist so undurchsichtig wie eine Flasche J&B Whisky und wenn sich der hochprozentige Inhalt dem Ende neigt, sieht man nur noch verschwommen. Wen das nicht abschreckt, der kann sich entspannt zurücklehnen und die Show genießen.
"Cosi dolce…" ist ein stilvolles Zeitdokument des europäischen Kinos, das man gemeinsam mit den thematisch vergleichbaren und im selben Zeitraum entstandenen Filmen wie Yellow: le cugine, Umberto Lenzis Paranoia, oder Frauen bis zum Wahnsinn gequält in die gelbe Wundertüte stecken darf.