Samstag, 13. Dezember 2014

UNA SULL'ALTRA (1969)














NACKT ÜBER LEICHEN

Frankreich, Italien, Spanien 1969
Regie: Lucio Fulci
DarstellerInnen: Jean Sorel, Marisa Mell, Elsa Martinelli, Alberto de Mendoza, John Ireland, Riccardo Cucciola, George Rigaud u.a.


Inhalt:
Dr. George Dumurrier ist ein gutaussehender junger Arzt und Leiter einer Klinik in San Francisco. Seine Frau Susan leidet unter schwerem Asthma. Seine Geliebte, die Fotografin Jane, leidet darunter, dass sie den adretten George nicht für sich alleine hat. Als Susan plötzlich stirbt, ist George nicht nur ein freier Mann, sondern auch ein reicher. Er nennt nun eine hohe Versicherungssumme sein Eigen. Bald darauf macht der Neo-Witwer Bekanntschaft mit der Stripperin Monica Weston, die der verstorbenen Susan verblüffend ähnlich sieht und das Schicksal nimmt seinen tragischen Lauf...


George (Sorel) und Jane (Martinelli) treffen auf Monica


Monica (Mell) hat Ärger mit der Polizei


"Nackt über Leichen" ist (ähnlich wie der im selben Jahr entstandene Die Mühle der Jungfrauen und andere italienische Thriller der späten 60er Jahre) einer jener frühen Gialli, die uns einen Blick hinter die Fassaden der Luxusvillen bzw. der Reichen und Schönen gewähren.
Und da geht es ja (zumindest dem Genre zufolge) meist nicht nur dekadent, sondern auch intrigant und niederträchtig zu.

Der aalglatte Klinikleiter George (Jean Sorel) ist nicht nur ein Blender bezüglich seiner fachlichen Qualitäten, sondern gibt abgesehen davon nur vor, um das Wohl seiner Frau Susan (Marisa Mell, Gefahr: Diabolik) besorgt zu sein.
Während sie frustriert und asthmatisch durch die Wohnung keucht vergnügt er sich stöhnend mit seiner Langzeit-Geliebten Jane.
Dies tun die beiden übrigens in einer durch ein rotes Seidentuch hindurch äußerst ästhetisch gefilmten Szene.
Genau diese stylische Swinging Sixties Optik und Erotik ist es auch, die den Film zu einem besonders schönen Exemplar des italienischen Kinos jener Dekade macht. Vorausgesetzt, man mag diese Art von Genrekino und erwartet sich keinen Slasher.

Mit ihrem Auftritt in einem Erotik-Club, in dem sich die laszive Monica Weston (ebenfalls Mell) im Leoparden-Outfit mit dazu passendem Helm verführerisch auf einem Motorrad räkelt und dann gekonnt einen Striptease vollführt, hat Marisa Mell den Olymp der Giallo-Göttinnen betreten.
Es bereitet wirklich ein (schaden-) freudiges Vergnügen zu beobachten, wie George und Jane völlig geplättet von der frappierenden Ähnlichkeit zwischen der jüngst verstorbenen Susan und der geheimnisvollen Monica staunen, wie sich Letztere auf der Bühne präsentiert.
Monica kostet jede Minute ihrer professionellen Show sichtlich aus und als sie ihre "Schambereichaufkleber" (ich kenne kein anderes Wort dafür) mit den großen aufgedruckten Augen zum Publikum hin dreht, meint man förmlich zu hören, wie sie in die Richtung von George ein "Ich beobachte dich" haucht.

Ist diese Frau tatsächlich Monica oder ist es Susan, die Georges Plan durchkreuzt hat und nun Rache nimmt?
Aber hat George seine Frau wirklich ermorden lassen? Im Verlauf der Handlung kommen daran leichte Zweifel auf. Und andere Personen, die vielleicht auch ein Interesse am Tod Susans haben könnten, erscheinen auf der Bildfläche und verhalten sich suspekt.
Steckt hinter allen Vorkommnissen etwa eine große Verschwörung?


Marisa Mell in einer künstlerischen Bildkomposition


Die österreichische Schauspielerin Marisa Mell zählte nicht unbedingt zu den klassischen Schönheiten. Sie hatte ein eigenes und sehr markantes Gesicht. Ob man sie nun attraktiv findet oder nicht, in diesem Film hat sie eine unbestreitbar faszinierende Aura und sieht aus jeder Perspektive und in jedem Licht einfach toll aus.
Der französische Schauspieler Jean Sorel hat in einigen Produktionen des italienischen Genrekinos mitgewirkt, wobei seine Rollen im brillanten Malastrana und in Fulcis Geniestreich Una lucertola con la pelle di donna wohl seine bedeutendsten Erfolge waren.
Auch andere bekannte Namen respektive Gesichter tauchen in "Nackt über Leichen" auf.
Alberto de Mendoza (Der Killer von Wien) mimt Georges Bruder Henry, Riccardo Cucciolla ("Top Job", Wild Dogs) lässt wieder einmal den Psycho raushängen und der gebürtige Kanadier John Ireland ("Ein Colt für hundert Särge") verbeißt sich als Inspektor Wald in das Rätsel um Susans frühen Tod.

Das ist kein Hass, das ist Wahnsinn!“
Aber ein brillanter Wahnsinn.“
Lustiger Dialog in einer der Schlüsselszenen des Films

Mit einer Babuschka-mäßig verschachtelten, putzig-naiven Story, gewagten und innovativ umgesetzten Szenen und Kameraperspektiven gelang es Regisseur Lucio Fulci, einen obwohl nicht sehr temporeichen, trotzdem durchgängig bei Laune haltenden Krimi ins italienische Kino der späten Sechziger Jahre zu bringen.
Wie das damalige Publikum wohl auf die dargebotenen Frivolitäten reagiert hat?




Foto: Severin DVD (links unten), Edition Tonfilm mit Schuber




Foto: Blu Ray vom Label "Le chat qui fume"