DIE NACHT DER REITENDEN LEICHEN
Portugal, Spanien 1971
Regie: Amando de Ossorio
DarstellerInnen: Lone Fleming, César Burner, María Elena Arpón, Joseph Telman, Rufino Inglés u.a.
Inhalt:
Virginia,
die mit ihrem Freund Roger eine Zugreise geplant hat, trifft bei
einem Strand-Aufenthalt auf ihre alte Schulfreundin Bella, die (vom
sabbernden Roger) prompt zur Mitreise eingeladen wird.
Roger ist so angetan von der schönen
Bella (nomen est omen), dass er kaum seine Augen bzw. Finger von ihr
lassen kann.
Bella ist allerdings aus einem anderen
Grund mitgekommen: in Wirklichkeit ist sie seit der Schulzeit hinter
Virginia her...
Genervt von Roger und Bella, deren
kindischer Flirterei und Bellas Avancen beschließt Virginia
kurzerhand vom Zug zu springen (bei einer Dampflok war sowas noch
möglich) und mit ihrem Gepäck und Schlafsack alleine durchs Land zu
ziehen. Inmitten einer verlassenen Burgruine
sucht sie des Nächtens Schutz - nur um bald von untoten Mitgliedern
des Templerordens, die in der Dunkelheit aus ihren Gräbern kriechen,
über die Wiesen gejagt und schlussendlich zu Tode gebissen zu
werden.
Auf der Suche nach ihrer Freundin
stoßen Roger und Bella schließlich auf den im Fall ermittelnden
Mordkommissar und werden von diesem informiert, dass Virginia von
ihnen gegangen ist.
Naja, nicht ganz. Was sie nicht wissen:
auch sie gehört jetzt zu den Untoten...
Auf eigene Faust beginnen die Freunde
zu ermitteln. Sie wollen in Erfahrung bringen, was tatsächlich mit
Virginia passiert ist und erfahren Schreckliches über die
Legenden um Balzano (Ruine und Umgebung), die Geschichte der Templer
und die Legenden über die nächtliche Wiederauferstehung der
Ordensmitglieder.
Durch ihre Recherchen bringen sie sich selbst in die Nähe der Untoten und in unmittelbare Lebensgefahr...
Durch ihre Recherchen bringen sie sich selbst in die Nähe der Untoten und in unmittelbare Lebensgefahr...
In Scharen stolpern sie auf Virginias Unterschlupf zu |
Bella und Roger erfahren vom Tod der Freundin |
Ich kann mich noch deutlich erinnern an meine ambivalenten Gefühle für "Die Nacht der reitenden Leichen", als ich ihn in jungen Jahren (genauer gesagt mit 12) zu später Stunde zum ersten Mal im Rahmen von "Hildes wilde Horrorshow" (Sendung auf RTL plus) gesehen habe.
Einerseits fand ich die Geschichte ziemlich lächerlich und manche Effekte etwas amateurhaft, andererseits ging eine unbestreitbare Faszination von diesem Film aus, die ich (stark geprägt vom amerikanischen Horror wie "Nightmare on Elm Street" oder Die Fliege) noch nicht in Worte fassen konnte.
Meine jugendliche Neugier hielt mich wach und ließ mich gebannt die Handlung dieses für mein damaliges Bewertungssystem schrägen Horrorfilms bis zum Abspann verfolgen.
Erst viele Jahre später ergab sich für mich die Gelegenheit, die Untaten der blinden Tempelritter in guter Qualität und mit gereiftem Bewusstsein für die Ästhetik von Horrorfilmen und einer aufkeimenden Affinität zu europäischem Kino in anderem Licht zu betrachten.
Heute zählt er zu einem meiner Genre-Favoriten.
Amando de Ossorios "Die Nacht der reitenden Leichen" wurde im Jahre 1971 veröffentlicht und sollte
zumindest jedem wahren Eurohorror-Fan ein Begriff sein.
Trotz Minimalst-Budget hat
de Ossorio eine kleine charmante Genreperle geschaffen - deren
unheimliche Atmosphäre nicht einmal die deutsche Trash-Synchro zu
zerstören imstande ist.
Die halb skelettierten und verwesten
Templer mit ihren verdreckten Fetzen-Umhängen sind sowohl zu Fuß
als auch zu Pferde eine imposante Erscheinung.
Deren Gewandung ist mit viel Liebe zum fetzenhaften Detail gestaltet und sucht in der Welt des Horrorfilms
vergeblich seinesgleichen.
Die Geschichte um die mysteriösen
Templer, die von ihren Kreuzzügen aus dem Orient zurückkehrten und
neben materiellen Schätzen diverse okkulte Geheimrituale im Gepäck trugen, beflügelt die Phantasie.
Mit einem restriktiven und
zensurfreudigen Franco-Regime im Nacken musste sich de Ossorio zwar
in seinem künstlerischen Schaffen etwas zurückhalten, dennoch gibt
es einige mit netten Splatter-Elementen garnierte Szenen und attraktive Frauen zu bewundern.
Auch andere liebgewonnene klassische
Horror-Klischees wie sich von Geisterhand öffnende Grabsteine,
nebelverhangene Wiesen, ein verrückter Professor und ein kauziger
Leichenbestatter, Bösewichte und satanische Zeremonien werden in
"Nacht der Reitenden Leichen" bedient.
Gedreht an Original-Schauplätzen,
untermalt mit leicht psychedelisch wirkendem Soundtrack, der auch
direkt aus einer Irrenanstalt stammen könnte und einem düsteren,
beinahe apokalyptischen Ende, lässt der Film die (hoffentlich vorhandenen) Herzen von Fans des klassischen Horror-Films höher schlagen.
Um schließlich nicht das letzte
Fünkchen Objektivität im Keim zu ersticken, sei an dieser Stelle
noch erwähnt, dass heutzutage die negativen Kritiken in der Überzahl
zu sein scheinen.
Dies mag wohl daran liegen, dass der
Film bisweilen (zum Teil auch dank der deutschen Synchronisation) ziemlich
trashig wirkt, die Sleaze-Szenen (Beispiel: Zug) unnötig sind und
die Effekte nicht gerade aussehen, als wären sie von Stivaletti oder
Savini gemacht worden.
Die Bewegungen der Templer wirken
unkoordiniert, aber die Geschichte bietet immerhin eine plausible und
zugleich entzückend simple Erklärung dafür, dass sie so herumstolpern. Böse
Krähen haben ihnen nach ihrem Tod nämlich die Augen ausgepickt!
Noch Fragen?
Wer über solche "Kleinigkeiten"
hinwegsehen kann (manche von euch können diese Argumentation sicherlich
bestens nachvollziehen), der freut sich über die Horror-Atmosphäre
und einen nostalgischen Ausflug in die Zeit der Schlaghosen und
ultra-kurzen Hotpants.
Und wer dazu noch handgemachte Effekte
und wunderschön beleuchtete mittelalterliche Originalschauplätze zu
schätzen weiß, der muss "Die Nacht der reitenden Leichen" lieben.
Dieser kleine spanische Low-Budget-Film
war jedenfalls ein Hit an den europäischen Kinokassen und der Erfolg
so groß, dass er immerhin drei offizielle Sequels (über deren
Qualität sich wahrlich streiten lässt) nach sich gezogen hat.
Aus der Serie "Dialoge, die das
Leben schrieb" aka "Wie überbrücke ich unangenehme Stille":
Bella und Roger bei den Ruinen, auf
der Suche nach der verschollenen Freundin.
Bella: "Komm gehen wir! Mir
ist das nicht geheuer und ich habe keine Lust, die Nacht hier zu
verbringen!"
Roger: "Wir haben doch Zeit.
(Mit erhobener Stimme, leicht energisch:) Und ich will wissen, wo
Virginia ist!"
Sie gehen ein paar Meter weiter.
Bella: "Komm gehen wir! Mir ist
das nicht geheuer!"
Roger (sich stirnrunzelnd mit
ernstem Gesicht umschauend): "Ich will wissen, wo Virginia ist!"
"Die Nacht der reitenden Leichen" ist ein charmantes und atmosphärisch
düsteres spanisches Horror-Märchen aus den frühen Siebzigern, das
Filmfans, die über die im Review erwähnten Kritikpunkte hinwegsehen
können, auf jeden Fall kennen sollten.
Vor dem Kauf sollte man sich jedoch
mittels ofdb informieren. Es gibt zahlreiche Cut-Versionen, vor allem in
Deutschland. Bei einer österreichischen Fassung oder der Sargbox von
Blue Underground kann man jedoch ohne Bedenken zugreifen.
Foto: Sarg Box (The Blind Dead Collection) von Blue Underground und eine Österreich-Edition
Foto: Die berühmten Horror Templer als Cover des Creepy Images Magazins