Sonntag, 7. Mai 2017

FEMINA RIDENS (1969)















THE FRIGHTENED WOMAN
THE LAUGHING WOMAN

Italien 1969
Regie: Piero Schivazappa
DarstellerInnen: Dagmar Lassander, Philippe Leroy, Loranza Guerrieri, Varo Soleri, Maria Cumani Quasimodo, Mirella Pamphili u.a.


Inhalt:
Dr. Sayer, der in einer wohltätigen Organisation Mitglied ist, führt ein Doppelleben. In seiner Freizeit bezahlt er Prostituierte dafür, dass sie sich von ihm erniedrigen und misshandeln lassen. Eines Tages entführt er seine Mitarbeiterin Maria und hält sie in seiner Luxuswohnung gefangen.
Doch Maria will sich dem Opfer-Dasein nicht beugen...


"Töte sie, bevor sie dich verführt" scheint das Motto des
sexuell fehlgeleiteten Akademikers (Leroy) zu sein


Maria (Lassander), eine Frau mit vielen Facetten - Hyäne,
Skorpion oder doch ganz harmlos? 


Dr. Sayers öffentliche Fassade ist die eines allseits respektierten Mannes, der sich für Menschenrechte engagiert. In seinem verborgenen Privatleben agiert er jedoch als ein sexuell frustrierter, vom weiblichen Geschlecht zutiefst verunsicherter Mann.
Er ist nicht in der Lage, eine erwachsene Beziehung auf Augenhöhe zu führen oder eine unbeschwerte Sexualität zu leben. Seine tief sitzende Angst vor Frauen versucht er mit Dominanzverhalten und Demütigungen bis hin zum Sadismus zu kompensieren.
Kein Wunder, dass er sich ausgerechnet Maria zur Befriedigung seiner niederen Instinkte aussucht. Maria ist nämlich jene Frau, die eines Tages selbstsicher in seinem Büro steht und ihm aus tiefster Überzeugung verklickern will, dass die Kastration von Männern das einzige adäquate Mittel ist, die Welt vor einer Überbevölkerung zu retten.
Also versucht er ihr auf diese Ansage hin zu zeigen, wo der Hammer hängt und wer das stärkere Geschlecht ist.

Kaum in seiner ultramodernen, doch unpersönlich-steril eingerichteten Luxuswohnung eingesperrt, verhält sich das freche Weibsbild so, dass sie für ihn keine Bedrohung mehr darstellt. Maria unterwirft sich und spielt die von Voyeurismus und Sadismus geprägten Rollenspiele des perversen Akademikers brav mit. Denkt er...
Bevor dem Mann ernsthafte Zweifel am Verhalten seines Entführungsopfers kommen, dreht sie den Spieß geschickt um und dirigiert die von ihm vorgegebenen Situationen in eine von ihr definierte Richtung.
Doch sobald sie ihm körperlich zu nahe kommt, wittert er Gefahr und unterbindet das in ihm entflammte sexuelle Begehren durch gewalttätige Aktionen gegenüber der Frau.
Ein erotisch aufgeladenes Katz- und Maus-Spiel nimmt seinen (tragischen) Lauf...

Durch ausdrucksstarke Mimik und vollen Körpereinsatz der Protagonisten Philippe Leroy (Yankee, Milano Kaliber 9) und Dagmar Lassander (Sonne, Sand und heiße Schenkel, "Hatchet for the Honeymoon") ist der Film angenehm kurzweilig ohne sich in den Fängen unfreiwilliger Komik zu verheddern.
Doch das i-Tüpfelchen auf diesem ästhetisch stilsicheren Zeitdokument der 68-er Generation und der sexuellen Revolution ist ohne Zweifel der Soundtrack von Stelvio Cipriani.
Für "Femina Ridens" hat der hochbegabte Komponist einen vielseitigen und besonders stimmungsvollen Soundtrack geschaffen, der leicht ins Ohr geht und sich durch die Ohrmuschel ganz tief bis in die innersten Gehirnwindungen quetscht, wo er sich beim Gros der HörerInnen dauerhaft einnistet.
Wäre der Film einem größeren Publikum bekannt (geworden), wäre die Szene, in der Dagmar Lassander nur notdürftig verhüllt zu dieser Lounge Music Nummer namens "Sophisticated Shake" lasziv vor den Augen des faszinierten Dr. Sayer tanzt, wohl in die Filmgeschichte eingegangen.
Der kaum verhohlene schwarze Humor, der dem Drehbuch zugrunde liegt, gipfelt schließlich in der finalen Szene im Swimming Pool, die von Cipriani passenderweise mit einem Score, der jedem Italowestern Duell die passende Atmosphäre verleihen würde, unterlegt wurde.

Die italienischen Regisseure waren damals für ihre besonders unorthodoxen Methoden und originellen Produktionsbedingungen bekannt. Es wurde von anderen (oft amerikanischen) Filmen hemmungslos und ohne nur im Ansatz etwas zu verbergen geklaut, was das Zeug hielt. Drehen ohne Genehmigung galt beinahe als Kavaliersdelikt (eines der berühmtesten Beispiele lieferte wohl Lucio Fulci, der auf der Brooklyn Bridge in New York ohne Erlaubnis Szenen für Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies filmte) und Verfolgungsjagden in Mailand, Rom und anderen Städten wurden schon mal spontan in der Rush-Hour inszeniert.
In diesem Kontext erscheint es nicht verwunderlich, dass sich Schivazappa partout nicht erinnern kann, ob die namhafte Künstlerin Niki de Saint Phalle um Erlaubnis gefragt wurde, als sich das Filmteam daran machte, eine ihrer berühmtesten Skulpturen (vgl. "Hon" von Niki de Saint Phalle) für den Dreh nachzubauen und mit einem speziellen Extra (die mit Zähnen besetzte Tür) zu versehen. Der voluminöse Frauenkörper mit der begehbaren Vagina spielt zwar nur eine kurze, aber wichtige Rolle im Film.

"Femina Ridens" ist einer dieser unpopulären obskuren italienischen Filme, der jegliche Genregrenzen sprengt und aus jedem Filmkorn das Flair der bunten End-Sechziger und frühen Siebziger Jahre verströmt.
Ein Film, der die Intention des Regisseurs, ganz und gar erfüllt. Denn laut Schiavazappa selbst ging es ihm vorrangig um Unterhaltung.
Einen tiefgründigen Geschlechterkampf oder Feminismus-Subtext anhand der seichten Handlung zu konstruieren wäre meiner Meinung nach ähnlich übers Ziel hinaus geschossen wie diese überstrapazierten Gesellschaftskritik-Interpretationen, mit denen manche Menschen ihrer Vorliebe für Zombie-Filme eine intellektuell gefärbte Rechtfertigung zu verleihen versuchen.

Doch zurück zu "Femina Ridens". Diesen Film in den 60er Jahren, noch dazu in einem von Katholizismus dominierten Land zu produzieren, würde ich als ordentlich risikofreudig bezeichnen.
Es kam naturgemäß, wie es kommen musste – der Film wurde am 10. September 1969 in ganz Italien kurzerhand beschlagnahmt und nachdem ein paar Bilder der Schere zum Opfer fielen am 03. Oktober des selben Jahres wieder freigegeben. Ein besonderer Erfolg war ihm nicht beschieden und es darf bezweifelt werden, dass viele Kinos motiviert waren, "Femina Ridens" in ihr Programm aufzunehmen.
Dennoch hat er die Jahrzehnte überdauert und ist nicht in Vergessenheit geraten, sondern hat sich zu einem Geheimtipp unter italophilen CineastInnenen gemausert.
Mit viel extravagantem Stil versehen ist Schivazappa mit "Femina Ridens" ein Werk voller augenzwinkernder Symbolik gelungen, an dem man als Fan des italienischen Kinos nicht vorbeikommt.




Foto: "Femina Ridens" wurde erfreulicherweise in die Giallo-Box von Koch Media "gemogelt"
           Mitte oben: DVD von "Shameless"




Für alle EnthusiastInnen und Fanboys und - girls des Italienischen Kinos: "Femina Ridens" - Auszug des Cineromanzo, abgebildet im Buch "Psychopathia Sexualis in Italian Sinema"