Montag, 18. August 2014

DUE ONCE DI PIOMBO (1966)














IL MIO NOME È PECOS (ital. Alternativtitel)
JONNY MADOC

Italien 1966
Regie: Maurizio Lucidi
DarstellerInnen: Robert Woods, Pier Paolo Capponi, Lucia Modugno, Peter Carsten, Luigi Casellato, Cristina Iosani, Umberto Raho, Gigi Montefiori (aka George Eastman), Salvatore Borghese, Orso Maria Guerrini, Pietro Martellanza (aka Peter Martell) u.a.


Inhalt:
Der Mexikaner Pecos Martinez (in der deutschen Fassung: Jonny Madoc) hat noch eine Rechnung offen mit dem gewalttätigen Tyrannen Joe Kline, der mit seiner Bande in Houston sein Unwesen treibt.
Jonny plant nämlich für den Mord an seiner Familie Vergeltung zu üben.
Die Schurken und ihr Anführer Kline sind gerade auf der Suche nach dem Geld, das sie bei einem Banküberfall erbeutet und durch einen Verrat in den eigenen Reihen wieder verloren haben.
Jonny weiß, wo es ist und stellt sich der gefährlichen Meute in den Weg...


Alle gegen einen - Jonny bezieht Prügel


Die mutige Ester


Nach Sichtung des meiner Meinung nach nicht schlechten, aber doch relativ braven und überbewerteten "Sartana" und dem etwas einfallslosen und seicht vor sich hindümpelnden "Lanky Fellow" habe ich mir vom dritten Film, der in der Italowestern-Enzyklopädie Nummer 3 von Koch veröffentlicht wurde, nicht allzu viel erwartet.
Und wurde positiv überrascht.

Ich weiß gar nicht genau, wo ich anfangen soll. Vielleicht ist meinen Stammlesern und -Leserinnen (ha, ich bin ja heute bescheiden...) aufgefallen, dass die Aufzählung der DarstellerInnen dieses herausragenden Italowesterns etwas umfangreicher ist als üblich.
Der Grund dafür ist, dass ich auf keinen dieser Namen verzichten wollte und konnte. Auch wenn in "Jonny Madoc" ein paar der oben genannten Darsteller nur kleine Rollen spielen, habe ich mich über das Auftreten jedes Einzelnen von ihnen gefreut.
Es sind schließlich alle sozusagen alte Bekannte aus meinen Lieblingsfilmen.
Regisseur Maurizio Lucidi, der im von mir heißgeliebten Giallo Der Todesengel Regie führte, hat außer diesem Western nicht viele nennenswerte Beiträge innerhalb des Metiers der Filmkunst geleistet.
"Abrechnung in San Franzisko" und "Nosferatu in Venedig" sind meiner Meinung nach keine besonderen Referenzen. Ist aber nicht dramatisch. Immerhin gibt es genügend Regisseure, deren Namen nicht ein einziges Mal in den Credits eines wirklich guten Films auftaucht.

Robert Woods spielt den wortkargen Mexikaner mit dem flinken Finger am Abzug, der aus unerfindlichen Gründen für den deutschsprachigen Raum von Pecos Martinez in Jonny Madoc umbenannt wurde. Mit etwas Phantasie oder dem Wissen um die Umbenennung des Protagonisten sollte die Szene, in der "Jonny Madoc" vor dem Grab der Familie Martinez steht, hinreichend erklärt sein.
Die Augen des U.S. amerikanischen Schauspielers Robert Woods wurden etwas übertrieben geschminkt, weshalb er auch locker als Mongole durchgehen könnte, aber wir wollen es mal nicht so genau nehmen.

Dieser wortkarge und schießwütige Mexikaner benutzt die Beute des Raubüberfalls lediglich als Mittel zum Zweck. Das Geld ist ihm nicht wichtig, er hat ein persönliches Motiv: Rache für den Mord an seiner Familie.
Seinen Namen verrät er nur den Toten (die er selbst kurz zuvor mit Blei gefüllt hat), weshalb seine Identität längere Zeit vor den Bösewichten verborgen bleibt.
Von manchen Bewohnern Houstons bekommt er trotz seiner Außenseiterrolle (Kline bezeichnet ihn als dreckigen Mexikaner und einige andere Mitbürger stellen ihre Xenophobie sehr unverhohlen zur Schau) tatkräftige Unterstützung. Doch die meisten dieser Idealisten bezahlen dafür mit ihrem Leben.

Interessant ist besonders die Rolle der Mexikanerin Ester, die Jonny mutig zur Seite steht und ihn mit Intelligenz und Geschick aus einer lebensbedrohlichen Situation rettet.
Frauen, die einen Namen und mehrere Dialogszenen haben und sogar noch heldinnenhaft sein dürften, stellen im Genre des Italowestern eine wahre Rarität dar.
Umso erfreulicher und erfrischender ist hier der souveräne Auftritt der beeindruckenden Cristina Iosani (Ester).

Für exzellente Unterhaltung und unvergessliche Momente sorgen auch die anderen Charaktere.
Umberto Raho (I lunghi capelli della morte, "La danza macabra", Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe) schleicht als hinterlistiger Totengräber Morton durch den Ort.
Dieser beobachtet das Treiben zwischen der Bande und Jonny zuerst von Außen und kommentiert das Geschehen ungefragt. Morton spielt sich gerne als Prophet auf und wirkt dabei hinterlistig und undurchsichtig. Und das nicht nur wegen seiner Angewohnheit, sich in Rätseln auszudrücken und dabei Bibelzitate zu verunstalten.

"Also nicht mal wenn sie tot sind, können sie einen in Ruhe lassen. Die Söhne des Bösen entkommen ihrer Strafe nicht, denn deine Hand, oh Herr, liegt schwer auf deinen Feinden." 
Morton im Gespräch mit sich selbst

Der bigotte Totengräber weiß viel, aber was stellt er mit seinem Wissen an?
Auf welche Seite wird er sich stellen?


Morton - was führt er im Schilde?


Pier Paolo Capponi (spielte Duca Lamberti in Note 7 – Die Jungen der Gewalt, auch bekannt aus Frauen bis zum Wahnsinn gequält oder Der Teufel führt Regie) ist als Bandenanführer Kline einer der fiesesten und skrupellosesten Schurken des Wilden Westens.
Obwohl alle mehr als Respekt vor dem sadistischen Hundling haben, scheinen ihm seine Untergebenen nicht immer ganz zu gehorchen und erschießen schon mal "aus Versehen" oder einem spontan frei erfundenen Grund irgendeinen bemitleidenswerten Mann, ohne von Kline einen dezidierte Anweisung erhalten zu haben. Durch dieses Verhalten kommen sie ihrem Boss manchmal sogar richtig in die Quere.
Auch Foltermethoden werden von der schwindligen Truppe hin und wieder angewendet und wehe den Frauen, die den Weg der Ganoven kreuzen!
Überhaupt wird in "Jonny Madoc" nicht gerade mit Blut und Gewaltszenen gegeizt. Ähnlich bei wie Töte, Django handelt es sich um einen Western der härteren Gangart.

Zu den Schergen von Kline zählen u.a. der allein schon wegen seiner 2,06 (!) Metern Körpergröße imposante George "Man-Eater" Eastman (auch unschlagbar cool als der Bösewicht Trentadue in Mario Bavas Wild Dogs), Orso Maria Guerrini (der engagierte Tontaubenschützenmeister aus Racket), Salvatore "Sal" Borghese (der Rollen in über 100 italienischen Filmen spielte und überall aufzutauchen scheint) und last but not least Peter Martell ("Seine Kugeln pfeifen das Todeslied" oder La morte accarezza a mezzanotte).
Und über den sympathischen Barkeeper (Luigi Casellato) freut sich wahrscheinlich jeder, der Der Todesengel, Fango Bollente und "Die letzte Rechnung schreibt der Tod" kennt.

Aber zurück zum düsteren und storytechnisch angenehm minimalistischen "Jonny Madoc".
Für mich gehört er zu der Kategorie Italowestern, in der nicht einfach nur mühevoll versucht wurde, die amerikanischen Vorbilder zu kopieren. "Jonny Madoc" ist mehr. Er beinhaltet einige (nicht alle) der wichtigsten Elemente, die einen guten Italowestern ausmachen:
Schön fotografierte Landschaftsaufnahmen, böse Schurken, eine gewisse Kompromisslosigkeit, überzeichnete Charaktere, stilisierte Gewalt, viel Staub und Dreck und eine zum Film passende Melodie, die sich nicht nur in das Gesamtergebnis einfügt, sondern die Intensität einzelner Szenen um mehrere Nuancen steigert.
Dieser Film kann den großartigten und unbestrittenen Klassikern des "Spaghetti Western" zwar nicht das Wasser reichen, aber nimmt mit heutigem Datum einen würdigen Platz in meinen persönlichen Top 25 Western all'italiana ein. Amen.




Foto: Italowestern Enzyklopädie No. 3 von Koch Media (lohnt sich!)