Sonntag, 23. Februar 2014

SE SEI VIVO SPARA (1967)














TÖTE, DJANGO

Italien, Spanien 1967
Regie: Giulio Questi
DarstellerInnen: Tomas Milian, Ray Lovelock, Piero Lulli, Milo Quesada, Marilù Tolo, Mirella Pamphili u.a.


Inhalt
Ein Fremder ist auf der Suche nach den Männern, die zuerst seine Hilfe bei einem Überfall auf einen Goldtransport in Anspruch genommen haben und ihn anschließend in der Wüste elend verrecken lassen wollten.
Durch die Hilfe und Pflege von zwei Indianern, die ihn für einen von den Toten Wiederauferstandenen halten und begierig sind zu erfahren, wie es denn nun "auf der anderen Seite" ist, findet er rasch zu seiner alten Kraft.
Schon bald erreichen die drei Gefährten einen kleinen Ort in der Wüste, der von den Indianern als unhappy place bezeichnet wird. Dort haben sich die Goldräuber niedergelassen.
Die Dorfbewohner sind im Gegensatz zu ihrer eigenen Einschätzung von sich selbst alles andere als sympathische zivilisierte Bürger und empfangen den Fremden und seine indianischen Begleiter nicht gerade freundlich. Allerdings spricht sich schnell herum, dass er ein begnadeter Schütze ist, weswegen er vorerst nicht befürchten muss, wie andere Neuankömmlinge am nächsten Baum aufgehängt zu werden.
Auf der Suche nach dem gestohlenen Gold würde jeder Dorfbewohner den Fremden gerne an seiner Seite sehen. Schon bald gerät er zwischen die Fronten und ein Kampf um Leben und Tod beginnt...


Bösewicht Oaks (Lulli) kommt ins Schwitzen


Django verliebt


"Töte, Django" ist natürlich keine Fortsetzung von Sergio Corbuccis "Django", sondern ein eigenständiger Film mit dem Originaltitel "Se sei vivo spara", alternativ auch "Oro hondo".
Der deutsche Titel entstand wie viele andere "Djangos" ausschließlich aus vermarktungstechnischen Gründen.

Tomas Milian hatte anfänglich Bedenken bezüglich einer Zusammenarbeit mit Giulio Questi, der für Drehbuch und Regie verantwortlich war.
Schließlich hielt er ihn für einen "Intellektuellen" und Milian war nicht an der Art von Filmen, die er mit dem Namen Questi verband, interessiert.
Glücklicherweise hatte er es sich doch noch einmal anders überlegt und so dürfen wir ihn (und seinen wohlgeformten Körper) in der Rolle des "Fremden" bewundern.

"Töte, Django" wird häufig als der gewalttätigste aller Italowestern bezeichnet. Es wäre aber sehr schade, ihn ausschließlich auf einige explizite Szenen zu reduzieren.
Es handelt sich vielmehr um einen außergewöhnlichen und absolut eigenständigen western all' italiana, der die üblichen Genre-Konventionen sprengt.
Weniger die Handlung an sich, sondern vielmehr das, was gezeigt wird und wie es gezeigt wird (ua. mithilfe von Stakkato-Schnitten und Überblendungen), verstörten das provinzielle italienische Kinopublikum in den Sechzigern.
Angeblich sollen bei manchen Szenen sogar Menschen im Kinosessel in Ohnmacht gefallen sein.
Andere wiederum waren wohl empört über die Unverfrorenheit Questis, auch die Themen Homosexualität und Fetischismus in den Film einzubauen...
Wer also dachte, "Brokeback Mountain" wäre revolutionär und der allererste Western, in dem homosexuelle Cowboys vorkommen, hat sich getäuscht.

Trotz einigen skurrilen und nicht ganz ernst zu nehmenden Szenen ist "Töte, Django" ein Film mit einem rauen und realistischen Unterton.
Ein Film über die Unmenschlichkeit der Menschen. Über die Auswirkungen des Goldrauschs und darüber, dass sich jeder selbst der Nächste ist. Und er beinhaltet jegliche Form von Gewalt - gegen Kinder, Frauen, Männer und Tiere.
Im weiteren Sinn geht es auch um Xenophobie und die generelle Angst der Menschen vor allem Unbekannten.
Ebenfalls interessant ist die Darstellung einer schwarzgewandeten knallharten Elitetruppe - die Assoziation mit den camicie nere (= "Schwarzhemden; Mitglieder der faschistischen Kampfbünde Italiens) der Zwischenkriegszeit war natürlich vom Regisseur beabsichtigt.
Die Doppelmoral der "Dörfler", die nach ihren eigenen hausgemachten Regeln bzw. Moralvorstellungen Legislative und Exekutive zugleich sind, stinkt zum Himmel.
"Der Fremde" scheint die Vorgänge in diesem verruchten Ort aus der Position eines Außenstehenden zu beobachten und wie ein Getriebener von Schauplatz zu Schauplatz zu stolpern. Dennoch ist er bei fast allen Ereignissen im Ort auf irgendeine Art und Weise selbst involviert.
Der damals noch minderjährige Ray Lovelock (dürfte zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 16 oder 17 gewesen sein) hat zwar nur eine kleine, aber sehr wichtige Rolle.
Als naiver blonder Jüngling mit großen blauen Augen, der von seinem Vater vernachlässigt und von seiner Stiefmutter gehasst wird, wirkt er wie die personifizierte Unschuld in diesem Ort voller zwielichtiger Gestalten.
Ein für viele Italo-FreundInnen ebenfalls "alter Bekannter" namens Piero Lulli fasziniert in der Rolle des Bösewichts Oaks.

Lieblingszitat (Die Indianer zum namenlosen Fremden):
"Hier, dein Gold. Dein Gold, für das du gestorben bist. Wir haben Patronen daraus gemacht. Die töten besser als Blei (...) Nachdem dir das Feuer des Todes geleuchtet hat, wird dir das Gold nur noch so von Nutzen sein."

Ein atypischer Italowestern mit eingängigem variantenreichem Score, teils surreal anmutenden Szenen und gewagten/experimentellen Ansätzen. Irgendwo zwischen bitterem Realismus und comic-hafter Überzeichnung angesiedelt.
Hart, schräg, tragisch, lustig und zynisch.




VÖ von von Blue Underground und FilmArt Mediabook