Sonntag, 1. Dezember 2019

PANICO EN EL TRANSIBERIANO (1973)














HORROR EXPRESS

GB, ES 1973
Regie: Eugenio Martin
DarstellerInnen: Christopher Lee, Peter Cushing, Alberto de Mendoza, Silvia Tortosa, Helga Liné, George Rigaud, Telly Savalas, Victor Israel, Alice Reinheart u.a.


Inhalt:
Professor Saxton glaubt, er hat bei einer Expedition in die Mandschurei eine bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckung gemacht. Nun fährt er zufrieden mit der transsibirischen Eisenbahn und seinem Fund im Gepäck, eine Art gefrorener Menschenaffe, zurück nach England. Unglücklicherweise taut das Vieh auf und ermordet einen Zugpassagier nach dem anderen. Der Professor und sein Landsmann Dr. Wells versuchen es zu stoppen...


Dr. Wells (Cushing) und Assistentin Miss Jones (Reinheart)


Unorthodoxe Autopsie bei schummriger Beleuchtung


In Anbetracht des Entstehungsjahrs 1973 und im Vergleich zu anderen Produktionen mit Christopher Lee und Peter Cushing ist "Horror Express" als relativ rasant zu bezeichnen.
Die Expedition, die Professor Saxton (Lee) unternimmt, stößt im Eis auf eine bis dato unbekannte Spezies eines Menschenaffen und kurz darauf steht der stolze Wissenschaftler mit seinem verpackten Fund schon am Bahnhof, wo sich dramatische Szenen abspielen.
Ein Dieb, der sich heimlich an der mit vielen Schlössern gesicherten Kiste Saxtons zu schaffen macht, kommt auf grausame Art zu Tode. Dies bringt wiederum den auf den Zug wartenden orthodoxen Mönch Pujardow (Alberto DeMendoza in seiner skurrilsten und lustigsten Rolle) komplett zum Ausflippen. Nicht einmal das Kreuz, das er mit Kreide auf die verpackte Kiste malt, kann helfen. Die Kreide schreibt einfach nicht auf dem verfluchten Ding. Er ist der Überzeugung, dass dies ein Werk des Leibhaftigen sein muss und versucht mit inbrünstigen Gebeten (am Bahnsteig kniend) Schlimmeres zu verhindern. Resigniert bringt er das Ergebnis mit seinem starken Akzent auf den Punkt: "Wääähr iiviel is, thär is no pleehs forr the cross!"


Mönch Pujardow (de Mendoza) versucht...


... die Zuggäste zu warnen


Doch auch in der Eisenbahn gibt es rätselhafte Todesfälle und dabei geht es nicht gerade appetitlich zu. In einem Waggon wird ein Mensch seziert und dessen Schädeldecke gelüftet, um festzustellen, dass sein Gehirn seltsam glatt wirkt.
Manche unglückseligen Zugpassagiere bluten aus den Augen, die – wie der Arzt Wells beim Essen (!) eines Fischs fasziniert kombiniert, vermutlich ähnlich wie das tote glibbrige weiße Fisch-Sehorgan durch jemanden oder etwas erhitzt wurden.
Doch das ist nicht die einzige der absolut hanebüchenen wissenschaftlichen Thesen der beiden, trotz Chaos und Morden im Zug, immer die Contenance wahrenden Engländer Saxton und Wells.
Bald ist schon fast allen Zugreisenden klar – es geht ein Monster um in der transsibirischen Eisenbahn, das unerbittlich zuschlägt und die Zahl der Passagiere nach und nach dezimiert.
Es kann sogar Körper switchen, eine perfekte Tarnung, was das Problem natürlich etwas komplexer macht.

Zwischen den vereinzelt glibbrigen und blutigen Szenen sorgen ebenso interessante wie unglaublich schräge Charaktere für gediegene Unterhaltung.
Die teils erstaunlich opulent ausgestatteten Waggons (bei den Außenaufnahmen des Zugs darf man rätseln, wie das Interieur hier tatsächlich Platz hat) beherbergen so einige kauzige Gestalten.
Da wären eine polnische Gräfin und ihr Ehemann (der auch als ihr Vater durchgehen könnte), eine blinde Passagierin (die etwas im Schilde führt), die etwas biedere und über-korrekte, aber Zigarre rauchende Assistentin von Dr. Wells (die auch Gouvernante in einem Mädchen-Pensionat sein könnte) und der langhaarige finster aussehende Mönch Pujardow (der wie eine Reinkarnation Rasputins aussieht) zu nennen.
Zwischen all jenen treibt sich noch der ebenso humorlose wie ehrgeizige Inspektor Mirow herum und versucht, den Mörder ausfindig zu machen und aufzuhalten.
Dies ist natürlich auch das Ziel des Duos Saxton und Wells. Allerdings mit anderen Methoden.
Kein Geheimnis dieser Erde scheint vor den beiden schlauen Männern der Wissenschaft sicher zu sein – sogar ein Auge des Monsters wird per Mikroskop untersucht und gibt dabei preis, woher es stammt und was bzw. wen es als Letztes gesehen hat.


Ein herrlicher Auftritt: Der Kosake Kasan (Savalas)


Und wenn man beginnt zu mutmaßen, die Drehbuchautoren haben sich ein bisschen verrannt und die Geschichte gibt nichts mehr her, dann taucht plötzlich Telly Savalas als dominanter, rabiater und jähzorniger Kosaken-Hauptmann Kasan (stilecht im roten Jäckchen mit schwarzem Pelzkragen) auf. Er steigt mit seinen Untergebenen in einem sibirischen Bahnhof zu und möchte den vermeintlichen Mörder dingfest machen.
Ein lustiges Detail am Rande ist, dass er mit seinem Kragen und der wenigen Kleidung unter seinem Mäntelchen (hat er überhaupt etwas darunter an??) eher wie ein Typ, der gerade von einer Fetischparty hereinstolpert, als ein Kosake wirkt.
Jedenfalls kloppt er sich in seinem speziellen Morgenmantel erst mal quer durch die Passagiere (jeder, der aufmüpfig ist, ist immerhin verdächtig) und sorgt dann durch seine brachiale Intervention dafür, dass das Monster wieder mal den Körper wechselt und ein wahres Gemetzel unter den tapferen Kosaken anrichtet.

Diese kurzweilige englisch-spanische Co-Produktion, die auf ähnlichen Storyelementen wie (man mag es kaum glauben) "Das Ding aus einer anderen Welt" basiert, ist ein absolut obskurer und liebenswerter Film, in dem nicht nur Christopher Lee und Peter Cushing brillieren, sondern auch der in den meisten Rollen ansonsten sehr zurückhaltende und ernsthafte Alberto de Mendoza (Der Killer von Wien, Nackt über Leichen) mal so richtig am Rad dreht. Er ist für mich der heimliche Star des Films. Sein Look, verstärkt durch dunkle Augenringe und seine over the top Performance hält die tendenziös triviale Story über weite Strecken am Leben und in Gange.

Fans des europäischen Kinos jener Zeit dürfte allein beim Anblick des Casts schon ganz warm ums nostalgische Herz werden. Neben den bereits erwähnten Figuren ist Spaniens Königin des Horrorfilms Helga Liné als zwielichtige Passagierin (auch sie sorgt noch für eine lustige Wendung der Handlung) oder Georges Rigaud (Una lucertola con la pelle di donna) als Graf zu sehen.
Wie immer ein erfreulich ungustiöser Anblick – Viktor Israel. Der wohl einprägsamste und interessanteste Nebendarsteller des spanischen Genrekinos verkörperte aufgrund seiner asymmetrischen und leider keinem gängigen Schönheitsideal entsprechenden Gesichtszüge, ähnlich wie sein italienischer Zeitgenosse Luciano Rossi, unzählige dubiose Charaktere.

"Horror Express" ist eine bunte Schauergeschichte voller augenzwinkerndem Humor, aufsehenerregenden manchmal mehr, manchmal weniger gelungenen Effekten und denkwürdigen Dialogen. Durch seine zahlreichen Wendungen hält er immer wieder die ein oder andere Überraschung bereit.
"Horror Express" ist schlichtweg ein kleines Juwel im Kosmos des europäischen Genrekinos jener Dekade, der imstande ist, unser inneres Kind in Verzücken zu versetzen.
Für mich war dieser Film Liebe auf den ersten Blick.
Dank Arrow Video ist er nun endlich in schönster HD Qualität verfügbar. Da alle SchauspielerInnen beim Dreh englisch gesprochen haben, lohnt es sich, bei dieser Veröffentlichung zuzugreifen.




Foto: CCI DVD und Blu Ray von Arrow Video