Festival des italienischen Horrorfilms
18. - 20.10.2019 im KommKino Nürnberg
Der folgende Bericht beruht auf wahren
Begebenheiten. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht rein
zufällig. Psychisch instabilen oder besonders ängstlichen Menschen sowie
Minderjährigen wird von der Lektüre ausdrücklich abgeraten.
Die Verfasserin der nachfolgenden Zeilen übernimmt keine Verantwortung für unerwünschte negative Gemütszustände oder Anzeichen von dämonischer Besessenheit, die möglicherweise auftreten können.
Die Verfasserin der nachfolgenden Zeilen übernimmt keine Verantwortung für unerwünschte negative Gemütszustände oder Anzeichen von dämonischer Besessenheit, die möglicherweise auftreten können.
"Terrore a Norimberga" war das
diesjährige Motto und daher stand das Festival-Programm ganz im Zeichen des italienischen Grusel- bzw. Horrorkinos. Wer einer
so laster- und frevelhaften Veranstaltung beiwohnt, darf sich nicht
wundern, wenn er selbst von finsteren Mächten heimgesucht und auf
die Probe gestellt wird.
Tatsächlich wurden wir an diesem Wochenende mit einigen mysteriösen Phänomenen konfrontiert.
Tatsächlich wurden wir an diesem Wochenende mit einigen mysteriösen Phänomenen konfrontiert.
Unsere Nachforschungen, die wir
mithilfe eines Buchs mit dem Titel "Eibon" betreiben konnten,
ergaben, dass Nürnberg die Stadt der durchtriebensten aller Hexen,
der Mater Horroriorum, ist.
Um ihre Existenz wissen bislang nur
wenige Eingeweihte.
Im Gegensatz zu ihren berühmten Schwestern Mater
Suspiriorum, Mater Lacrimarum und Mater Tenebrarum hat sie sich bis
dato erfolgreich vor Dario Argento verborgen gehalten. Sie steht
nicht gerne in der Öffentlichkeit und wehe dem, der ihren Namen
publik macht!
(Wie aufmerksamen LateinerInnen
vielleicht auffallen mag, hat sie sogar ihren eigenen Namen
grammatikalisch falsch dekliniert, um über ihre wahre boshafte
Durchtriebenheit hinweg zu täuschen.)
Trotz drohendem Unheil habe ich mich
nun entschieden, nicht länger zu schweigen. Sollte dies mein letzter
Blogbeitrag sein, ist dies ein weiterer Beweis für die Gefahr, die
von der Mater Horroriorum ausgeht!
Was vorletztes Wochenende in Nürnberg
geschah:
Mit unserem Ziel vor Augen und viel Geduld gelang es
uns, dem Fluch der Hexe bzw. zahlreichen Baustellen zu
trotzen und uns von keinem Stau (und sei er auch noch so lange)
aufhalten zu lassen. Glücklicherweise glückte es auch dem aus der
anderen Richtung anreisenden Festival-Veranstalter Andi dem aufgrund
eines schlimmen Unfalls entstandenen Verkehrschaos rechtzeitig zu
entrinnen.
In etwa zur selben Zeit trat ein gewisser Herr Reitmann,
der auch in diesem Jahr für das musikalische Rahmenprogramm wieder
tief in seine Soundtrack Kiste gegriffen und seiner Kreativität
freien Lauf gelassen hat (danke dafür!), tapfer seinen Kampf gegen
die ominöse Hoteltüre an, die sich laut Zeugenaussagen plötzlich
nicht mehr schließen lassen wollte und bei jedem Versuch wie von Geisterhand wieder von selbst
aufging.
Der sich zunehmend verfinsternde
Himmel und der Wolkenbruch, der nur wenige Minuten vor unserer
Ankunft im Hotel Wind und Regen über unser Autodach peitschte (offensichtlich ein Gruß der Mater Suspiriorum),
konnte uns nicht abschrecken.
Die Tür zu dem mit Freunden und Gleichgesinnten vereinbarten Treffpunkt, ein Restaurant in der Nähe des Kinos, war verschlossen. In letzter
Minute gelang es Konni jedoch, dem Zusammenstoß mit einer
Glasscheibe auszuweichen und einen zweiten (etwas versteckteren) Eingang zu entdecken.
Pünktlich zum Festival-Auftakt waren jedoch
alle bisherigen Widrigkeiten rasch vergessen und wir wähnten uns in
(trügerischer) Sicherheit.
Der Saal des KommKinos war bis auf den
letzten Platz (und darüber hinaus) besetzt als Pelle Felsch und
Marcus Stiglegger, ihres Zeichens Herausgeber und Autoren des Buchs "FULCI – Filme aus Fleisch und Blut" einige erläuternde Worte
zu ihrem Werk selbst sowie der Entstehungsgeschichte desselben sprachen und den Festival-Eröffnungsfilm feierlich ankündigten:
Auf die von Pelle ans Publikum gerichtete Frage, wer den Film noch nicht kennt, wurden nur wenige Hände etwas zaghaft in die Höhe gereckt. Der Großteil der FestivalbesucherInnen war selbstverständlich anwesend, um Geisterstadt der Zombies auf einer Kinoleinwand zu erleben. Die Qualität der Projektion war tatsächlich überraschend gut (ich habe Woodoo... und ....Glockenseil leider auch schon in äußerst räudiger Form im Kino gesehen) und die paar fehlenden Minuten zwischen den Credits und dem Unfall des Bauarbeiters waren absolut verschmerzbar. Aufgrund der fast allen Anwesenden bekannten Rahmenhandlung und der sowieso eher lose wirkenden Inszenierung fiel dieses kleine Manko nicht besonders ins Gewicht.
Auch die Tonqualität war erstaunlich gut. Zum ersten Mal nahm ich bewusst die
unheimlichen Flüsterstimmen, die sich in manchen Szenen bemerkbar
machen, wahr.
Wie üblich kam der Missionierungs-Eifer einer Fulci-Fanatikerin nach dem Film etwas durch und ich ließ es mir nicht nehmen,
wieder einmal die Vorzüge bzw. das meiner Meinung nach stimmigere
Gesamterlebnis, das man mit der englischen Tonspur hat, zu betonen. Ich bitte alle, denen ich damit (wieder mal) in den Ohren gelegen habe, um Nachsicht.
Im Anschluss an "Geisterstadt" konnte man das
vorgestellte Fulci-Buch erstehen. Inhaltlich kann ich noch nichts darüber
sagen, aber die zugrunde liegende Intention der Herausgeber klingt spannend und vielversprechend. Es handelt sich dabei eben nicht um eine deutsche Kopie von "Beyond Terror",
sondern um etwas inhaltlich ganz Eigenständiges, bei dem einzelne Aspekte aus Fulcis
Gesamtwerk hervorgehoben und analysiert werden.
Ich freue mich schon auf die Lektüre und mit der Signatur der Autoren ist es
zugleich ein schönes Andenken an dieses perfekte Festivalwochenende
in Nürnberg.
L'OSESSA - OMEN DES BÖSEN (IT 1974, Regie Mario Gariazzo)
Soeben ertappe ich mich dabei, dass ich
bereits zum dritten Mal nachfrage, welcher Film nochmal "L'Ossessa" war. Beim Namen "Ivan Rassimov" (Der Killer von Wien) macht
es dann wieder "klick" und ich habe diese sonderbare Rassimov
Holzfigur vor Augen, die eine Zeit lang bedeutungsschwanger an einem
Kreuz befestigt auf einem Tisch herumliegt.
Die mustergültige Studentin Sandra soll besagte Skulptur restaurieren, wird aber nachdem sie ihre Mutter auf einer Party bei Sexspielchen mit einem Typen mit sehr vielen Zähnen (Gabriele Tinti natürlich) beobachtet, plötzlich besessen. Daher kann sie die begonnene Arbeit nicht mehr vollenden.
Die mustergültige Studentin Sandra soll besagte Skulptur restaurieren, wird aber nachdem sie ihre Mutter auf einer Party bei Sexspielchen mit einem Typen mit sehr vielen Zähnen (Gabriele Tinti natürlich) beobachtet, plötzlich besessen. Daher kann sie die begonnene Arbeit nicht mehr vollenden.
Aber was ist dann nochmal mit Rassimov
passiert? Zuerst ist er nur rumgelegen und dann irgendwann
aufgestanden, herumgelaufen und dann? Es will mir partout nicht mehr
einfallen.
Nachdem die Klaviatur der gängigen
Besessenheits-Klischees etwas holprig und immer eine Oktave zu hoch
und im Einklang mit dem Soundtrack zu schrill auf und ab und gespielt wird, mündet der ganze Unfug
in der obligatorischen Teufelsaustreibung. Dabei unternimmt niemand
Geringerer als Luigi Pistilli (Leichen pflastern seinen Weg)
den vergeblichen Versuch, dem Film etwas Seriosität zu verleihen.
Doch leider rutscht er auf der cineastischen Sleaze-Spur und fünf
Litern dämonischem Erbrochenen, das eventuell auch ein paar nicht vollständig
verdaute Rollmöpse beinhaltet, aus und scheitert kläglich.
Die stellenweise derbe deutsche
Synchronisation sorgte im Saal für Kopfschütteln und schallendes
Gelächter.
Doch es war gar nicht so einfach, dem
Film zu folgen. Das lag nicht nur an der Handlung an sich oder an der
bereits fortgeschrittenen Uhrzeit, sondern auch an einem weiteren
sinistren Plan der Mater Horroriorum... Die Temperatur im Kinosaal
schien sich von Minute zu Minute zu erhöhen, die Luft wurde immer
stickiger und am Ende des Abends klagten nicht wenige über
Kreislaufbeschwerden, Kopfschmerzen und allgemeines Unwohlsein. Der
Geruch, der in der viel zu warmen Luft schwebte, lässt sich am ehesten mit
süß-säuerlich und muffig beschreiben.
Als Ursache dafür konnte weder (wie in "Inferno") eine Keksfabrik noch die in Nürnberg situierte
Lebkuchenfabrik ausgemacht werden.
Diese gefühlt dicke Luft bereitete uns
auch am zweiten Tag wieder Unbehagen. Doch der geheime Plan der Hexe, das
Festival zu boykottieren ging nicht auf. Heldenhaft kämpfte Konni
mit Unterstützung eines Technikers beinahe zwei
Filmlängen gegen die defekte Kinosaal Lüftung und zog
schlussendlich unter Applaus der Eingeweihten mit einem
triumphreichen Sieg gegen die finsteren Mächte von dannen.
Vielen Dank nochmal, lieber Konni, für
deinen Spezial-Einsatz (und auch für die Unterstützung beim
Zusammenkleben nach dem Riss einer Filmrolle).
DIE BESTIE VON SCHLOSS MONTE CHRISTO (IT 1963, Regie Antonio Boccaci)
Dieser drollige Schwarz-Weiß-Streifen aus
dem Jahr 1963 entpuppte sich am frühen Samstag Nachmittag als
wunderbarer Einstiegsfilm für den zweiten Festival-Tag.
Die attraktive Anne (von ihrem Vater
schlicht "N" genannt) ist das Ebenbild der verschollenen Gräfin,
die einst im Schloss Monte Christo lebte. Außerdem hat sie immer
wieder Träume und Visionen von besagter Gräfin, weshalb ihr Vater,
mit dem sie eine äußerst innige Beziehung pflegt ("Das Wichtigste
ist, dass du bei mir bist!") sich um ihre geistige
Gesundheit sorgt.
Kein Wunder, dass der Anblick von Anne
den seltsamen Mann mit dem Turban (der zur rechtfertigenden Erklärung seiner Aufmachung fortan von allen "Der Inder
Rahmashandra" genannt wird) ob der verblüffenden Ähnlichkeit
etwas aus der Fassung bringt. Immerhin sucht er schon lange Zeit nach
seiner Liebsten.
Doch "N" verbandelt sich in Null
Komma Nix mit einem Journalisten, den sie bereits kurz nach der
ersten Begegnung zu ehelichen gedenkt. Ein Paradebeispiel für Liebe auf den
ersten Blick.
Währenddessen geschehen im
titelgebenden Schloss schauerliche Dinge. Der entstellte
Schloss-Bedienstete (Die Bestie) treibt im Keller zwischen knuffligen possierlichen flauschigen Ratten (laienhaft dargestellt von Meerschweinchen) und der näheren
Umgebung des Schlosses sein Unwesen.
Obwohl sämtliche interessanten
Ansätze der Erzählung am Ende für obsolet erklärt werden können,
ist "Die Bestie von Schloss Monte Christo" ein Film, den sich
Fans des italienischen Genrekinos und einem Herz für B-Movies
auf jeden Fall einmal zu Gemüte führen können.
DAS PHANTOM DER OPER (IT, HU 1998, Regie Dario Argento)
Dario Argento ist für mich einer der
italienischen Kult-Genre-Regisseure, zu dem ich (im Gegensatz zu
beispielsweise Bava, Fulci oder Sollima) erst sehr spät einen Zugang
gefunden habe. Trotz des hohen Stellenwerts, den seine Werke
bei Vielen einnehmen, überwiegen in meinen Augen die Kritikpunkte manchmal.
Die größten Schwierigkeiten bereiten mir (etwas verkürzt und
beispielhaft dargestellt) die oftmals klischeehaft überzeichneten Frauenrollen in Argentos Filmen, besonders bei "Suspiria" und eben auch in "Phantom der Oper".
Während die Männer Detektivarbeit
leisten dürfen, Ideengeber sind und die Handlung in seinen Filmen meist
vorantreiben, wirken die Frauen in Argentos Filmen oftmals wie
Getriebene oder irren eher unbeholfen von Hinweis zu Hinweis. Die
tendenziell infantile und vor allem oberflächliche
Charakter-Darstellung, die mir in einigen Argento Filmen negativ
auffällt, reicht über das Spektrum von kopfloser Hysterie im Auge der Gefahr (vgl. Suzy Kendalls Rolle in Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe) über erwachsene Tänzerinnen,
die sich gegenseitig die Zunge rausstrecken wie 5-Jährige
("Suspiria") bis zu hässlichen und schrillen, als widerwärtige Frauen dargestellte Operndiven (in "Opera" und "Das Phantom der Oper"). Nicht zu vergessen die obligatorischen Mord-Opfer, die nicht einmal den Versuch einer
Gegenwehr unternehmen, da sie ohne ihre Beschützer schlichtweg nur
hilflos und verloren sind.
(Eins noch vorweg: ich habe
grundsätzlich Respekt vor allen Filmen und nur weil ich persönlich
den künstlerischen oder emotionalen Wert, den manche Werke für andere
Menschen haben mögen, nicht erkennen kann, heißt das nicht, dass
ich meine Meinung als allgemeingültig verstanden haben möchte.
LiebhaberInnen des Films mögen bitte bei den nachfolgenden Zeilen ein oder beide Augen zudrücken.)
In "Phantom der Oper" geht es um
die junge Opernsängerin Christine (Asia Argento), die zwischen dem
in der Kanalisation hausenden Phantom (Julian Sands) und dem
schnöseligen Baron Raoul (der glatt als der große – auch wörtlich
genommen! – Bruder des Sängers Prince durchgehen könnte) wie eine
Trophäe willkürlich oder auch zufällig hin und her gereicht wird und keinen eigenen
Willen oder Plan von irgendwas zu haben scheint.
Besonders die Gesangsszenen, in denen
Christine naiv und hilflos wirkend auf der großen Opernbühne steht,
beim Singen den Mund aufreisst wie ein Fisch, der gerade verzweifelt versucht einen Krümel
zu fangen und dabei voller Verzweiflung unkoordiniert mit den Augen
herumrollt, sind (kein) großartiges Schauspiel... Ich kann mir nicht helfen - irgendwie erinnert mich das Ganze etwas an
eine Vorstellung der Laien-Theatergruppe meiner Cousine.
Die lose Rahmenhandlung wird
angereichert mit Gore-Szenen, holprigen CGI Effekten (das
Rattenfänger-Mobil) und allerlei Klamauk sowie durchaus imposanten
Kamerafahrten und bildgewaltigen Aufnahmen.
Julian Sands, den ich in den frühen
90ern in seiner Rolle als "Warlock" ganz wunderbar fand, hat
spätestens mit "Boxing Helena" bewiesen, dass er sich eigentlich
für nichts zu schade ist. Bei Asia Argento vermute ich stark, dass
sie sich die Rollen in den Filmen ihres Vaters auch nicht unbedingt
selbst auf den Leib geschneidert hat und wenn sie eine Wahl gehabt hätte, das Ergebnis deutlich anders ausgefallen wäre.
Immerhin kaschiert die 35mm Projektion die qualitativ fragwürdigen computergenerierten Effekte
und die von Ennio Morricone komponierte Filmmusik legt sich zwischen
den für meine Ohren nervtötenden Operngesängen wie Balsam über
meine arg strapazierten Trommelfelle.
Anderen mag es wohl mit der Heavy Metal Musik, die ich in Phenomena ganz toll finde, so gehen.
Nach der Essenspause geht es weiter mit
SUSPIRIA (IT, DE 1977, Regie Dario Argento)
Als ich 2017 anlässlich des im Zebra
Kino Konstanz gezeigten Argento Double Features von "Opera" und "Suspiria" (Bericht ist hier nachzulesen) der Auffassung war, "Suspiria" nun endlich in der ultimativ besten Fassung gesehen zu
haben, habe ich mich ganz offensichtlich getäuscht.
Damals schrieb ich voller Euphorie: "Die Genialität der Bildsprache, die Märchenhaftigkeit der
Geschichte und die visuellen und inhaltlich vielschichtigen Ebenen
zeigen sich im Kino von ihrer wahren Schönheit und Bandbreite."
Dies trifft in noch deutlicherer und
ausgeprägterer Form auf die phantastische 35mm Kopie, die das
KommKino in seinem Archiv hat, zu. Meine geschätzt zehnte Sichtung
von Suspiria ist und bleibt ein unvergessliches Erlebnis. Endlich sehe ich diesen sagenumwobenen Film farblich
unverfälscht und in der originalen Form, wie er anno 1977 im Kino zu
sehen war.
ASTARON - BRUT DES SCHRECKENS (IT, DE 1980, Regie Luigi Cozzi)
Luigi Cozzis kreativer und augenzwinkernder
Alien-Critters-Verschnitt funktioniert für mich am besten zuhause an
einem frühen Sonntag Nachmittag.
"Astaron" erwies sich nach
einem humorigen, temporeichen Anfang im weiteren Verlauf als eher zäh und streute auch den hartgesottensten FestivalbesucherInnen Sand oder vielleicht sogar grünen Ei-Schleim in die Augen, was es leider schwer bis
unmöglich machte, sie offen zu halten.
(Eventuell hatte auch hier die Mater
Horroriorum ihre verkrümmten Klauen im Spiel, aber dafür habe ich
keine hinlänglichen Beweise.)
Festivaltag Nr. 3 wurde eingeläutet von
SCARLETTO - SCHLOSS DES BLUTES (IT, USA 1965, Regie Massimo Pupillo)
Aus unerfindlichen Gründen wurde mir "Scarletto" bislang vorenthalten. Somit kam ich vergangenes
Wochenende erstmalig in den Genuss dieses spaßigen Filmchens. Moment.
Gerade erhalte ich eine Erklärung dafür: Wir haben ihn nur mit
englischer Tonspur. Das lasse ich nochmal gelten, denn die deutsche
Synchronisation rockt ganz gewaltig und so blieb auch im KommKino
Saal kaum ein Auge trocken.
Doch bevor wir so ganz in die
vollkommen irrsinnige Welt des scharlachroten Henkers abtauchen
konnten, hatte die Filmrolle einen Riss und daher machten wir
eine unfreiwillige Pause.
Dies war natürlich ganz eindeutig eine
weitere Schikane der Mater Horroriorum.
Wie gut, dass im Vorführraum (und auch
im Publikum) immer ein paar 35mm Profis des KommKinos sitzen und dies
in Windeseile beheben können. So auch in diesem Fall.
In "Scarletto" geht es um eine
illustre Runde, die sich aus einem ehrgeizigen Fotografen, einem Autor von Schauerromanen und einigen Fotomodellen
zusammensetzt. Da die erwählte Kulisse für das Shooting (ein
Schloss in den Bergen) wohl scheinbar nicht frei zugänglich ist,
klettern sie am Efeu der Schloss-Fassade hoch und begehen kurzerhand
Hausfriedensbruch.
Zur großen Verwunderung aller ist das Schloss
bewohnt und sein Besitzer Travis Anderson (von seiner verflossenen
Geliebten, die sich zufälligerweise unter den Eindringlingen
befindet, liebevoll "Trehwies" genannt) verhält sich zunächst
verständlicherweise den ungeladenen Gästen gegenüber eher feindselig. Dies
ändert sich jedoch schlagartig, als er unter den Models seine
frühere Geliebte entdeckt und Trehwies gestattet allen, zu bleiben. Er hat immerhin ein paar Angestellte in Matrosenanzügen, die die Gäste im Auge behalten.
Was in den darauffolgenden Minuten
passiert, lässt sich kaum in angemessene Worte packen.
Das Schloss verwandelt sich nicht nur
in den Schauplatz von verrückten Fotoshootings, sondern entpuppt
sich als eine Art Halloween Kinderspielplatz, bei dem Skelette und
riesige (aber todbringende) Plastikspinnen herumgeworfen und weibliche Brüste
zerkratzt werden (eine noch nie gesehene Foltermethode). Während der Held der Geschichte
munter auf dem Steinboden herumkriecht muss ab und zu
eine(r) der ProtagonistInnen sein oder ihr Leben lassen.
Alles ist bunt, hyperaktiv und over-the-top. Die Geschichte ist dermaßen hanebüchen und die Ideen des Regisseurs so außergewöhnlich bizarr, dass das Dargebotene wahrlich keinen Vergleich mit den skurrilsten aller Exploitationfilmen aus Bella Italia zu scheuen braucht.
Alles ist bunt, hyperaktiv und over-the-top. Die Geschichte ist dermaßen hanebüchen und die Ideen des Regisseurs so außergewöhnlich bizarr, dass das Dargebotene wahrlich keinen Vergleich mit den skurrilsten aller Exploitationfilmen aus Bella Italia zu scheuen braucht.
Spätestens wenn der bierernst
spielende Hargitay sich vor dem Spiegel selbstverliebt seine Muckis
einölt und voll überzeugter Inbrunst behauptet, dass sein makelloser Körper durch die Blicke
von allen Menschen besudelt
wird, kann man sich vor Lachen kaum noch aufrecht im Sessel halten.
Mickey Hargitay, der Mister Universum
des Jahres 1955, sieht trotz seinem eigenwilligen Aufzug (rote
Strumpfhose und Henker Kostümierung) absolut bewundernswert aus.
Ich
ertappe mich dabei, wie ich ständig fasziniert seine
Oberschenkelmuskulatur fixiere, anstatt das ganze Bild zu betrachten.
"Scarletto" hat den bisher lustigsten aller Festivalfilme ("Der Kampfgigant" auf dem zweiten Terza Visione Festival) vom Thron gestoßen und einen fixen Platz in
meinem Herzen erobert.
Falls ich die Rache der Mater
Horroriorum oder den potentiellen Mordanschlag eines wütenden Dario Argento-Verehrers überlebe, werde ich im November einige meiner
Urlaubsfotos, die ich beim Besuch des Drehortes (das Schloss Piccolomini in den Abruzzen) geknipst habe, veröffentlichen.
Die Treppe zum Antichrist |
DIE SCHWARZE MESSE DER DÄMONEN aka DER ANTICHRIST aka
DIE HEXE VON ROM (IT 1974, Regie Alberto DeMartino)
Der bahnbrechende Erfolg von William
Friedkins "Der Exorzist" zieht bis heute zahlreiche Rip-Offs und
inhaltlich ähnliche Besessenheits-Filme nach sich. Viele davon sind
eher von zweifelhafter Qualität. Natürlich ließen es sich auch die
Italiener, die für ihre eigenen kreativen Versionen berühmter
Hollywoodfilme bekannt und berüchtigt waren, nicht nehmen, selbst diverse Beiträge zu diesem Sub-Genre zu leisten.
Während manche davon (wie zum Beispiel
eben "L'Ossessa" oder "Chi sei?", in abgeschwächter Form
leider auch Mario Bavas Schock) eher belustigend wirken, finden
sich jedoch auch bei den Exorzismusfilm-Beiträgen aus Cinecittà einige Perlen. Neben Il medaglione insanguinato, der etwas
sanftere Töne anschlägt, gewinnt auch "Schwarze Messe der
Dämonen", für mich mit jeder Sichtung mehr an Substanz.
Irgendwann muss ich mich dem Film
einmal etwas ausführlicher widmen, denn ich finde, er hat Einiges an
(Deutungs-) Potential.
Die seit einem Kindheitstrauma an den
Rollstuhl gefesselte Ippolita liebt ihren Vater vielleicht etwas mehr
als dies für eine Tochter gesund sein kann und brennt vor
Eifersucht, da der verehrte Herr Papa mit der schönen Greta (Anita Strindberg, u.a. bekannt
aus A Lizard in a Woman's Skin) anbandelt. Ein angeblich ausgebildeter Psychiater,
der zudem Parapsychologe ist (was für eine Kombination!)
experimentiert mit Ippolita im Bereich von Rückführungen.
Dadurch wird sie zwar wieder gehfähig, aber es hat sich ein Dämon, vielleicht sogar Luzifer selbst, in ihrem Körper manifestiert. Wie war das nochmal? Kein Vorteil ohne Nachteil. Die bösartige Kreatur (oder auch Ippolita) veranstaltet jedenfalls all das, was Besessene gewöhnlicherweise so tun: Möbel durch die Luft fliegen lassen, derb fluchen, verführen, kotzen, in verschiedenen Fremdsprachen reden und so weiter.
Dadurch wird sie zwar wieder gehfähig, aber es hat sich ein Dämon, vielleicht sogar Luzifer selbst, in ihrem Körper manifestiert. Wie war das nochmal? Kein Vorteil ohne Nachteil. Die bösartige Kreatur (oder auch Ippolita) veranstaltet jedenfalls all das, was Besessene gewöhnlicherweise so tun: Möbel durch die Luft fliegen lassen, derb fluchen, verführen, kotzen, in verschiedenen Fremdsprachen reden und so weiter.
Weder der Psychiater noch der geliebte
Vater und auch nicht der nette Onkel, ein hoher Würdenträger der
katholischen Kirche (wahrlich würdevoll gespielt von Arthur Kennedy,
u.a. genial in Leichenhaus der lebenden Toten) können
noch etwas ausrichten. Natürlich muss ein professioneller Exorzist
zur Hilfe gerufen werden.
Neben den herausragenden Kamera
Aufnahmen von Joe D'Amato (Regisseur von Buio Omega) und den
von Ennio Morricone und Bruno Nicolai komponierten wunderbaren
(Orgel-) Klängen sorgt Carla Gravina (übrigens auch zu sehen in
Die Banditen von Mailand) mit einer fulminanten
schauspielerischen Leistung für ein stimmiges Grusel-Feeling.
Lediglich die sonore Synchronisationsstimme von Bud Spencer, die in
manchen Szenen aus Ippolitas Mund brummt, wirkt der Ernsthaftigkeit
des Films gegenüber nicht angemessen.
Alles in Allem bin ich glückselig,
"Schwarze Messe" nun auch einmal in einem Kino gesehen zu haben.
INFERNO aka FEUERTANZ aka HORROR INFERNAL (IT 1980, Regie Dario Argento)
Mit "Inferno" wurde uns der
schönste Festivalabschluss aller Zeiten beschert.
Es geht darin um die Studentin Rose,
die kurz vor ihrem Tod Nachforschungen über die drei Mütter (Mater
Suspiriorum, Lacrimarum und Tenebrarum) betreibt und ihrem in
Rom aufhältigen Bruder Mark einige mysteriöse Zeilen in Form eines
Hilferufs zukommen lässt.
Parallel dazu hat Mark in einem Hörsaal
die erste Begegnung mit der schönsten und grausamsten der drei
Schwestern, der Mater Lacrimarum. Diese wird verkörpert von der atemberaubend attraktiven Ania Pieroni, in deren tiefgründige Augen ich schon unzählige
Male bei Haus an der Friedhofmauer gestarrt habe und die mich
auch jetzt wieder unweigerlich in den Bann ziehen.
"Inferno", den ich
schändlicherweise seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gesehen habe
(es gibt einfach viel zu viele sehr gute Filme), bietet all das, was
ich bei "Phantom der Oper", das von einem Stilbruch zum anderen
hinkt, so schmerzlich vermisse und noch mehr.
In erster Linie beeindruckend ist die
konsistent mystische Atmosphäre. "Inferno" fühlt sich an wie
ein schauriger Fiebertraum, der einen morbiden Glanz verströmt und
aus dem man gar nicht so schnell erwachen möchte.
Die losen Handlungsstränge sind durch
eine bewundernswert ästhetische Bildsprache aneinandergeknüpft.
Während man das Schicksal von einem unglückseligen Menschen zum
nächsten beobachtet und immer mehr Fragen statt Antworten
auftauchen, hat man den Eindruck, dass nicht nur der Schlüssel zum
Geheimnis der Schwestern, sondern auch die Auflösung für manche dem
Publikum präsentierte Rätsel in verborgenen Winkeln und hinter
mysteriösen Zwischenwänden begraben sind.
Als der Kinosaal in voller Lautstärke
(da hat wohl zuvor jemand auf Wunsch eines gewissen sympathischen
Fanatikers etwas an den Reglern gedreht – ich nenne keine Namen!)
von dem kongenialen Score aus der Feder von Keith Emerson beschallt
wird während der Abspann über die Leinwand flackert, klebe ich
ehrfürchtig an meinem Sessel und bin traurig, dass der Film und auch
das Festival leider schon vorbei ist.
Unsere Ausbeute |
Wenn man schließlich mit dem Lift in
die Hotel-Tiefgarage hinab fährt und hofft, dass man sobald die Tür
sich schleppend öffnet, nicht in einem Krankenhaus voller Zombies
landet oder eine Pforte ins Jenseits betritt, freut man sich über
die Spuren der Magie, die noch das Bewusstsein überlagern.
Auf den harten Boden der Realität
finde ich nur allzu schnell zurück, wenn ich todmüde aus dem Bett
krieche und im Spiegel noch ausgeprägtere Augenringe als sie Asia
Argento jemals hatte, erblicke.
Dieser Festivalbericht ist der
ausführlichste, den ich je verfasst habe. Und das, obwohl ich mich
wie immer bemüht habe, mich auf das Wesentlichste zu beschränken.
Ich kann es nicht verleugnen. Ich bin und bleibe einfach eine (alte)
Horror-Tante. Inspiriert von diesen geballten Zelluloid Abenteuern
fliegen meine Finger mit der gespenstischen Geschwindigkeit einer
Besessenen über die Tastatur.
Bevor ich anfange, in Sprachen, die ich
nie gelernt habe, obszöne Dinge von mir zu geben und
Einrichtungsgegenstände durch die Luft fliegen (oder mich der Fluch
der Mater Horroriorum ereilt), möchte ich meine vielleicht letzten
Minuten bei klarem Verstand noch nutzen, ein paar allgemeine Worte
über "Terrore a Norimberga" zu verlieren.
Der BesucherInnenandrang war nicht nur
beim Eröffnungsfilm und erwartungsgemäß bei den Argento Werken sehr groß. Auch bei anderen Filmen, die im Rahmen des Festivals gezeigt wurden. war der KommKino Saal
überraschend gut besetzt.
Andi, der Initiator und Betreiber von
Italocinema.de und Festivalorganisator, hat im Vorfeld wieder einmal
keine Kosten und Mühen gescheut und dank dem stilvollen Design des Creepy
Images Herausgebers absolut coole und dem Anlass angemessene
Programmhefte sowie Plakate drucken lassen.
Letztere wurden auch in diesem Jahr
wieder großzügig verschenkt.
Die Auswahl der Filme, die er mit
Unterstützung von Konni (Labelchef von Forgotten Film Entertainment und KommKino Mitglied) getroffen
hat, war spitzenmäßig und die Projektionen dank der ehrenamtlich
arbeitenden KommKino Mitarbeiter relativ reibungslos.
Einige Labels (namentlich genannt CMV,
X-Cess, filmArt, Subkultur, Forgotten Film Entertainment und Colosseo) spendeten dankenswerterweise wieder Veröffentlichungen für die Verlosungen unter den Kinogästen.
Die Atmosphäre im Saal war (bis auf
die merkwürdige Begebenheit mit der Lüftung) angenehm.
Die Filme wurden nicht (wie man es von
anderen vergleichbaren Events manchmal hört) verspottet und wenn es
ausnahmsweise mal jemand wagte, sein Handy zu zücken oder etwas
lauter zu sprechen, fand sich immer rasch ein in der Nähe sitzender
Besucher, der den Störenfried unverzüglich ermahnte.
Ich freue mich schon auf das im
kommenden Jahr folgende Festival, das anlässlich eines doppelten
Jubiläums im KommKino zelebriert werden wird: Es wird das
zehnte Festival mit Andis Beteiligung sein und wir feiern den 5. Geburtstag seiner Italocinema Website.