Montag, 28. Oktober 2019

SPECIAL: FESTIVALBERICHT "TERRORE A NORIMBERGA"

TERRORE A NORIMBERGA 


Festival des italienischen Horrorfilms
18. - 20.10.2019  im KommKino Nürnberg


Der folgende Bericht beruht auf wahren Begebenheiten. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht rein zufällig. Psychisch instabilen oder besonders ängstlichen Menschen sowie Minderjährigen wird von der Lektüre ausdrücklich abgeraten.
Die Verfasserin der nachfolgenden Zeilen übernimmt keine Verantwortung für unerwünschte negative Gemütszustände oder Anzeichen von dämonischer Besessenheit, die möglicherweise auftreten können.

"Terrore a Norimberga" war das diesjährige Motto und daher stand das Festival-Programm ganz im Zeichen des italienischen Grusel- bzw. Horrorkinos. Wer einer so laster- und frevelhaften Veranstaltung beiwohnt, darf sich nicht wundern, wenn er selbst von finsteren Mächten heimgesucht und auf die Probe gestellt wird.
Tatsächlich wurden wir an diesem Wochenende mit einigen mysteriösen Phänomenen konfrontiert.
Unsere Nachforschungen, die wir mithilfe eines Buchs mit dem Titel "Eibon" betreiben konnten, ergaben, dass Nürnberg die Stadt der durchtriebensten aller Hexen, der Mater Horroriorum, ist.
Um ihre Existenz wissen bislang nur wenige Eingeweihte.
Im Gegensatz zu ihren berühmten Schwestern Mater Suspiriorum, Mater Lacrimarum und Mater Tenebrarum hat sie sich bis dato erfolgreich vor Dario Argento verborgen gehalten. Sie steht nicht gerne in der Öffentlichkeit und wehe dem, der ihren Namen publik macht!
(Wie aufmerksamen LateinerInnen vielleicht auffallen mag, hat sie sogar ihren eigenen Namen grammatikalisch falsch dekliniert, um über ihre wahre boshafte Durchtriebenheit hinweg zu täuschen.)
Trotz drohendem Unheil habe ich mich nun entschieden, nicht länger zu schweigen. Sollte dies mein letzter Blogbeitrag sein, ist dies ein weiterer Beweis für die Gefahr, die von der Mater Horroriorum ausgeht!






Was vorletztes Wochenende in Nürnberg geschah:

Mit unserem Ziel vor Augen und viel Geduld gelang es uns, dem Fluch der Hexe bzw. zahlreichen Baustellen zu trotzen und uns von keinem Stau (und sei er auch noch so lange) aufhalten zu lassen. Glücklicherweise glückte es auch dem aus der anderen Richtung anreisenden Festival-Veranstalter Andi dem aufgrund eines schlimmen Unfalls entstandenen Verkehrschaos rechtzeitig zu entrinnen.
In etwa zur selben Zeit trat ein gewisser Herr Reitmann, der auch in diesem Jahr für das musikalische Rahmenprogramm wieder tief in seine Soundtrack Kiste gegriffen und seiner Kreativität freien Lauf gelassen hat (danke dafür!), tapfer seinen Kampf gegen die ominöse Hoteltüre an, die sich laut Zeugenaussagen plötzlich nicht mehr schließen lassen wollte und bei jedem Versuch wie von Geisterhand wieder von selbst aufging.
Der sich zunehmend verfinsternde Himmel und der Wolkenbruch, der nur wenige Minuten vor unserer Ankunft im Hotel Wind und Regen über unser Autodach peitschte (offensichtlich ein Gruß der Mater Suspiriorum), konnte uns nicht abschrecken.
Die Tür zu dem mit Freunden und Gleichgesinnten vereinbarten Treffpunkt, ein Restaurant in der Nähe des Kinos, war verschlossen. In letzter Minute gelang es Konni jedoch, dem Zusammenstoß mit einer Glasscheibe auszuweichen und einen zweiten (etwas versteckteren) Eingang zu entdecken.
Pünktlich zum Festival-Auftakt waren jedoch alle bisherigen Widrigkeiten rasch vergessen und wir wähnten uns in (trügerischer) Sicherheit.
Der Saal des KommKinos war bis auf den letzten Platz (und darüber hinaus) besetzt als Pelle Felsch und Marcus Stiglegger, ihres Zeichens Herausgeber und Autoren des Buchs "FULCI – Filme aus Fleisch und Blut" einige erläuternde Worte zu ihrem Werk selbst sowie der Entstehungsgeschichte desselben sprachen und den Festival-Eröffnungsfilm feierlich ankündigten:


GEISTERSTADT DER ZOMBIES aka ÜBER DEM JENSEITS (IT 1981, Regie Lucio Fulci)


Auf die von Pelle ans Publikum gerichtete Frage, wer den Film noch nicht kennt, wurden nur wenige Hände etwas zaghaft in die Höhe gereckt. Der Großteil der FestivalbesucherInnen war selbstverständlich anwesend, um Geisterstadt der Zombies auf einer Kinoleinwand zu erleben. Die Qualität der Projektion war tatsächlich überraschend gut (ich habe  Woodoo... und ....Glockenseil leider auch schon in äußerst räudiger Form im Kino gesehen) und die paar fehlenden Minuten zwischen den Credits und dem Unfall des Bauarbeiters waren absolut verschmerzbar. Aufgrund der fast allen Anwesenden bekannten Rahmenhandlung und der sowieso eher lose wirkenden Inszenierung fiel dieses kleine Manko nicht besonders ins Gewicht.
Auch die Tonqualität war erstaunlich gut. Zum ersten Mal nahm ich bewusst die unheimlichen Flüsterstimmen, die sich in manchen Szenen bemerkbar machen, wahr.

Wie üblich kam der Missionierungs-Eifer einer Fulci-Fanatikerin nach dem Film etwas durch und ich ließ es mir nicht nehmen, wieder einmal die Vorzüge bzw. das meiner Meinung nach stimmigere Gesamterlebnis, das man mit der englischen Tonspur hat, zu betonen. Ich bitte alle, denen ich damit (wieder mal) in den Ohren gelegen habe, um Nachsicht.


Im Anschluss an "Geisterstadt" konnte man das vorgestellte Fulci-Buch erstehen. Inhaltlich kann ich noch nichts darüber sagen, aber die zugrunde liegende Intention der Herausgeber klingt spannend und vielversprechend. Es handelt sich dabei eben nicht um eine deutsche Kopie von "Beyond Terror", sondern um etwas inhaltlich ganz Eigenständiges, bei dem einzelne Aspekte aus Fulcis Gesamtwerk hervorgehoben und analysiert werden.
Ich freue mich schon auf die Lektüre und mit der Signatur der Autoren ist es zugleich ein schönes Andenken an dieses perfekte Festivalwochenende in Nürnberg.


L'OSESSA - OMEN DES BÖSEN (IT 1974, Regie Mario Gariazzo)


Soeben ertappe ich mich dabei, dass ich bereits zum dritten Mal nachfrage, welcher Film nochmal "L'Ossessa" war. Beim Namen "Ivan Rassimov" (Der Killer von Wien) macht es dann wieder "klick" und ich habe diese sonderbare Rassimov Holzfigur vor Augen, die eine Zeit lang bedeutungsschwanger an einem Kreuz befestigt auf einem Tisch herumliegt.
Die mustergültige Studentin Sandra soll besagte Skulptur restaurieren, wird aber nachdem sie ihre Mutter auf einer Party bei Sexspielchen mit einem Typen mit sehr vielen Zähnen (Gabriele Tinti natürlich) beobachtet, plötzlich besessen. Daher kann sie die begonnene Arbeit nicht mehr vollenden.
Aber was ist dann nochmal mit Rassimov passiert? Zuerst ist er nur rumgelegen und dann irgendwann aufgestanden, herumgelaufen und dann? Es will mir partout nicht mehr einfallen.
Nachdem die Klaviatur der gängigen Besessenheits-Klischees etwas holprig und immer eine Oktave zu hoch und im Einklang mit dem Soundtrack zu schrill auf und ab und gespielt wird, mündet der ganze Unfug in der obligatorischen Teufelsaustreibung. Dabei unternimmt niemand Geringerer als Luigi Pistilli (Leichen pflastern seinen Weg) den vergeblichen Versuch, dem Film etwas Seriosität zu verleihen. Doch leider rutscht er auf der cineastischen Sleaze-Spur und fünf Litern dämonischem Erbrochenen, das eventuell auch ein paar nicht vollständig verdaute Rollmöpse beinhaltet, aus und scheitert kläglich.

Die stellenweise derbe deutsche Synchronisation sorgte im Saal für Kopfschütteln und schallendes Gelächter.
Doch es war gar nicht so einfach, dem Film zu folgen. Das lag nicht nur an der Handlung an sich oder an der bereits fortgeschrittenen Uhrzeit, sondern auch an einem weiteren sinistren Plan der Mater Horroriorum... Die Temperatur im Kinosaal schien sich von Minute zu Minute zu erhöhen, die Luft wurde immer stickiger und am Ende des Abends klagten nicht wenige über Kreislaufbeschwerden, Kopfschmerzen und allgemeines Unwohlsein. Der Geruch, der in der viel zu warmen Luft schwebte, lässt sich am ehesten mit süß-säuerlich und muffig beschreiben.
Als Ursache dafür konnte weder (wie in "Inferno") eine Keksfabrik noch die in Nürnberg situierte Lebkuchenfabrik ausgemacht werden.


Diese gefühlt dicke Luft bereitete uns auch am zweiten Tag wieder Unbehagen. Doch der geheime Plan der Hexe, das Festival zu boykottieren ging nicht auf. Heldenhaft kämpfte Konni mit Unterstützung eines Technikers beinahe zwei Filmlängen gegen die defekte Kinosaal Lüftung und zog schlussendlich unter Applaus der Eingeweihten mit einem triumphreichen Sieg gegen die finsteren Mächte von dannen.
Vielen Dank nochmal, lieber Konni, für deinen Spezial-Einsatz (und auch für die Unterstützung beim Zusammenkleben nach dem Riss einer Filmrolle).  


DIE BESTIE VON SCHLOSS MONTE CHRISTO  (IT 1963, Regie Antonio Boccaci)


Dieser drollige Schwarz-Weiß-Streifen aus dem Jahr 1963 entpuppte sich am frühen Samstag Nachmittag als wunderbarer Einstiegsfilm für den zweiten Festival-Tag.
Die attraktive Anne (von ihrem Vater schlicht "N" genannt) ist das Ebenbild der verschollenen Gräfin, die einst im Schloss Monte Christo lebte. Außerdem hat sie immer wieder Träume und Visionen von besagter Gräfin, weshalb ihr Vater, mit dem sie eine äußerst innige Beziehung pflegt ("Das Wichtigste ist, dass du bei mir bist!") sich um ihre geistige Gesundheit sorgt.
Kein Wunder, dass der Anblick von Anne den seltsamen Mann mit dem Turban (der zur rechtfertigenden Erklärung seiner Aufmachung fortan von allen "Der Inder Rahmashandra" genannt wird) ob der verblüffenden Ähnlichkeit etwas aus der Fassung bringt. Immerhin sucht er schon lange Zeit nach seiner Liebsten.
Doch "N" verbandelt sich in Null Komma Nix mit einem Journalisten, den sie bereits kurz nach der ersten Begegnung zu ehelichen gedenkt. Ein Paradebeispiel für Liebe auf den ersten Blick.
Währenddessen geschehen im titelgebenden Schloss schauerliche Dinge. Der entstellte Schloss-Bedienstete (Die Bestie) treibt im Keller zwischen knuffligen possierlichen flauschigen Ratten (laienhaft dargestellt von Meerschweinchen) und der näheren Umgebung des Schlosses sein Unwesen.
Obwohl sämtliche interessanten Ansätze der Erzählung am Ende für obsolet erklärt werden können, ist "Die Bestie von Schloss Monte Christo" ein Film, den sich Fans des italienischen Genrekinos und einem Herz für B-Movies auf jeden Fall einmal zu Gemüte führen können.


DAS PHANTOM DER OPER (IT, HU 1998, Regie Dario Argento)


Dario Argento ist für mich einer der italienischen Kult-Genre-Regisseure, zu dem ich (im Gegensatz zu beispielsweise Bava, Fulci oder Sollima) erst sehr spät einen Zugang gefunden habe. Trotz des hohen Stellenwerts, den seine Werke bei Vielen einnehmen, überwiegen in meinen Augen die Kritikpunkte manchmal.
Die größten Schwierigkeiten bereiten mir (etwas verkürzt und beispielhaft dargestellt) die oftmals klischeehaft überzeichneten Frauenrollen in Argentos Filmen, besonders bei "Suspiria" und eben auch in "Phantom der Oper".
Während die Männer Detektivarbeit leisten dürfen, Ideengeber sind und die Handlung in seinen Filmen meist vorantreiben, wirken die Frauen in Argentos Filmen oftmals wie Getriebene oder irren eher unbeholfen von Hinweis zu Hinweis. Die tendenziell infantile und vor allem oberflächliche Charakter-Darstellung, die mir in einigen Argento Filmen negativ auffällt, reicht über das Spektrum von kopfloser Hysterie im Auge der Gefahr (vgl. Suzy Kendalls Rolle in Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe) über erwachsene Tänzerinnen, die sich gegenseitig die Zunge rausstrecken wie 5-Jährige ("Suspiria") bis zu hässlichen und schrillen, als widerwärtige Frauen dargestellte Operndiven (in "Opera" und "Das Phantom der Oper"). Nicht zu vergessen die obligatorischen Mord-Opfer, die nicht einmal den Versuch einer Gegenwehr unternehmen, da sie ohne ihre Beschützer schlichtweg nur hilflos und verloren sind.
(Eins noch vorweg: ich habe grundsätzlich Respekt vor allen Filmen und nur weil ich persönlich den künstlerischen oder emotionalen Wert, den manche Werke für andere Menschen haben mögen, nicht erkennen kann, heißt das nicht, dass ich meine Meinung als allgemeingültig verstanden haben möchte. LiebhaberInnen des Films mögen bitte bei den nachfolgenden Zeilen ein oder beide Augen zudrücken.)

In "Phantom der Oper" geht es um die junge Opernsängerin Christine (Asia Argento), die zwischen dem in der Kanalisation hausenden Phantom (Julian Sands) und dem schnöseligen Baron Raoul (der glatt als der große – auch wörtlich genommen! – Bruder des Sängers Prince durchgehen könnte) wie eine Trophäe willkürlich oder auch zufällig hin und her gereicht wird und keinen eigenen Willen oder Plan von irgendwas zu haben scheint.
Besonders die Gesangsszenen, in denen Christine naiv und hilflos wirkend auf der großen Opernbühne steht, beim Singen den Mund aufreisst wie ein Fisch, der gerade verzweifelt versucht einen Krümel zu fangen und dabei voller Verzweiflung unkoordiniert mit den Augen herumrollt, sind (kein) großartiges Schauspiel... Ich kann mir nicht helfen - irgendwie erinnert mich das Ganze etwas an eine Vorstellung der Laien-Theatergruppe meiner Cousine.
Die lose Rahmenhandlung wird angereichert mit Gore-Szenen, holprigen CGI Effekten (das Rattenfänger-Mobil) und allerlei Klamauk sowie durchaus imposanten Kamerafahrten und bildgewaltigen Aufnahmen.
Julian Sands, den ich in den frühen 90ern in seiner Rolle als "Warlock" ganz wunderbar fand, hat spätestens mit "Boxing Helena" bewiesen, dass er sich eigentlich für nichts zu schade ist. Bei Asia Argento vermute ich stark, dass sie sich die Rollen in den Filmen ihres Vaters auch nicht unbedingt selbst auf den Leib geschneidert hat und wenn sie eine Wahl gehabt hätte, das Ergebnis deutlich anders ausgefallen wäre.
Immerhin kaschiert die 35mm Projektion die qualitativ fragwürdigen computergenerierten Effekte und die von Ennio Morricone komponierte Filmmusik legt sich zwischen den für meine Ohren nervtötenden Operngesängen wie Balsam über meine arg strapazierten Trommelfelle.
Anderen mag es wohl mit der Heavy Metal Musik, die ich in Phenomena ganz toll finde, so gehen.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich schlecht streiten.




Nach der Essenspause geht es weiter mit


SUSPIRIA (IT, DE 1977, Regie Dario Argento)


Als ich 2017 anlässlich des im Zebra Kino Konstanz gezeigten Argento Double Features von "Opera" und "Suspiria" (Bericht ist hier nachzulesen) der Auffassung war, "Suspiria" nun endlich in der ultimativ besten Fassung gesehen zu haben, habe ich mich ganz offensichtlich getäuscht.

Damals schrieb ich voller Euphorie: "Die Genialität der Bildsprache, die Märchenhaftigkeit der Geschichte und die visuellen und inhaltlich vielschichtigen Ebenen zeigen sich im Kino von ihrer wahren Schönheit und Bandbreite."
Dies trifft in noch deutlicherer und ausgeprägterer Form auf die phantastische 35mm Kopie, die das KommKino in seinem Archiv hat, zu. Meine geschätzt zehnte Sichtung von Suspiria ist und bleibt ein unvergessliches Erlebnis. Endlich sehe ich diesen sagenumwobenen Film farblich unverfälscht und in der originalen Form, wie er anno 1977 im Kino zu sehen war.


ASTARON - BRUT DES SCHRECKENS (IT, DE 1980, Regie Luigi Cozzi)


Luigi Cozzis kreativer und augenzwinkernder Alien-Critters-Verschnitt funktioniert für mich am besten zuhause an einem frühen Sonntag Nachmittag.
"Astaron" erwies sich nach einem humorigen, temporeichen Anfang im weiteren Verlauf als eher zäh und streute auch den hartgesottensten FestivalbesucherInnen Sand oder vielleicht sogar grünen Ei-Schleim in die Augen, was es leider schwer bis unmöglich machte, sie offen zu halten.
(Eventuell hatte auch hier die Mater Horroriorum ihre verkrümmten Klauen im Spiel, aber dafür habe ich keine hinlänglichen Beweise.)





Festivaltag Nr. 3 wurde eingeläutet von 


SCARLETTO - SCHLOSS DES BLUTES (IT, USA 1965, Regie Massimo Pupillo)



Aus unerfindlichen Gründen wurde mir "Scarletto" bislang vorenthalten. Somit kam ich vergangenes Wochenende erstmalig in den Genuss dieses spaßigen Filmchens. Moment. Gerade erhalte ich eine Erklärung dafür: Wir haben ihn nur mit englischer Tonspur. Das lasse ich nochmal gelten, denn die deutsche Synchronisation rockt ganz gewaltig und so blieb auch im KommKino Saal kaum ein Auge trocken.
Doch bevor wir so ganz in die vollkommen irrsinnige Welt des scharlachroten Henkers abtauchen konnten, hatte die Filmrolle einen Riss und daher machten wir eine unfreiwillige Pause.
Dies war natürlich ganz eindeutig eine weitere Schikane der Mater Horroriorum.
Wie gut, dass im Vorführraum (und auch im Publikum) immer ein paar 35mm Profis des KommKinos sitzen und dies in Windeseile beheben können. So auch in diesem Fall.
In "Scarletto" geht es um eine illustre Runde, die sich aus einem ehrgeizigen Fotografen, einem Autor von Schauerromanen und einigen Fotomodellen zusammensetzt. Da die erwählte Kulisse für das Shooting (ein Schloss in den Bergen) wohl scheinbar nicht frei zugänglich ist, klettern sie am Efeu der Schloss-Fassade hoch und begehen kurzerhand Hausfriedensbruch.
Zur großen Verwunderung aller  ist das Schloss bewohnt und sein Besitzer Travis Anderson (von seiner verflossenen Geliebten, die sich zufälligerweise unter den Eindringlingen befindet, liebevoll "Trehwies" genannt) verhält sich zunächst verständlicherweise den ungeladenen Gästen gegenüber eher feindselig. Dies ändert sich jedoch schlagartig, als er unter den Models seine frühere Geliebte entdeckt und Trehwies gestattet allen, zu bleiben. Er hat immerhin ein paar Angestellte in Matrosenanzügen, die die Gäste im Auge behalten.
Was in den darauffolgenden Minuten passiert, lässt sich kaum in angemessene Worte packen.
Das Schloss verwandelt sich nicht nur in den Schauplatz von verrückten Fotoshootings, sondern entpuppt sich als eine Art Halloween Kinderspielplatz, bei dem Skelette und riesige (aber todbringende) Plastikspinnen herumgeworfen und weibliche Brüste zerkratzt werden (eine noch nie gesehene Foltermethode). Während der Held der Geschichte munter auf dem Steinboden herumkriecht muss ab und zu eine(r) der ProtagonistInnen sein oder ihr Leben lassen.
Alles ist bunt, hyperaktiv und over-the-top. Die Geschichte ist dermaßen hanebüchen und die Ideen des Regisseurs so außergewöhnlich bizarr, dass das Dargebotene wahrlich keinen Vergleich mit den skurrilsten aller Exploitationfilmen aus Bella Italia zu scheuen braucht.
Spätestens wenn der bierernst spielende Hargitay sich vor dem Spiegel selbstverliebt seine Muckis einölt und voll überzeugter Inbrunst behauptet, dass sein makelloser Körper durch die Blicke von allen Menschen besudelt wird, kann man sich vor Lachen kaum noch aufrecht im Sessel halten.
Mickey Hargitay, der Mister Universum des Jahres 1955, sieht trotz seinem eigenwilligen Aufzug (rote Strumpfhose und Henker Kostümierung) absolut bewundernswert aus.
Ich ertappe mich dabei, wie ich ständig fasziniert seine Oberschenkelmuskulatur fixiere, anstatt das ganze Bild zu betrachten.
"Scarletto" hat den bisher lustigsten aller Festivalfilme ("Der Kampfgigant" auf dem zweiten Terza Visione Festival) vom Thron gestoßen und einen fixen Platz in meinem Herzen erobert.


Falls ich die Rache der Mater Horroriorum oder den potentiellen Mordanschlag eines wütenden Dario Argento-Verehrers überlebe, werde ich im November einige meiner Urlaubsfotos, die ich beim Besuch des Drehortes (das Schloss Piccolomini in den Abruzzen) geknipst habe, veröffentlichen.



Die Treppe zum Antichrist



DIE SCHWARZE MESSE DER DÄMONEN aka DER ANTICHRIST aka 
DIE HEXE VON ROM (IT 1974, Regie Alberto DeMartino)


Der bahnbrechende Erfolg von William Friedkins "Der Exorzist" zieht bis heute zahlreiche Rip-Offs und inhaltlich ähnliche Besessenheits-Filme nach sich. Viele davon sind eher von zweifelhafter Qualität. Natürlich ließen es sich auch die Italiener, die für ihre eigenen kreativen Versionen berühmter Hollywoodfilme bekannt und berüchtigt waren, nicht nehmen, selbst diverse Beiträge zu diesem Sub-Genre zu leisten.

Während manche davon (wie zum Beispiel eben "L'Ossessa" oder "Chi sei?", in abgeschwächter Form leider auch Mario Bavas Schock) eher belustigend wirken, finden sich jedoch auch bei den Exorzismusfilm-Beiträgen aus Cinecittà einige Perlen. Neben Il medaglione insanguinato, der etwas sanftere Töne anschlägt, gewinnt auch "Schwarze Messe der Dämonen", für mich mit jeder Sichtung mehr an Substanz.
Irgendwann muss ich mich dem Film einmal etwas ausführlicher widmen, denn ich finde, er hat Einiges an (Deutungs-) Potential.
Die seit einem Kindheitstrauma an den Rollstuhl gefesselte Ippolita liebt ihren Vater vielleicht etwas mehr als dies für eine Tochter gesund sein kann und brennt vor Eifersucht, da der verehrte Herr Papa mit der schönen Greta (Anita Strindberg, u.a. bekannt aus A Lizard in a Woman's Skin) anbandelt. Ein angeblich ausgebildeter Psychiater, der zudem Parapsychologe ist (was für eine Kombination!) experimentiert mit Ippolita im Bereich von Rückführungen.
Dadurch wird sie zwar wieder gehfähig, aber es hat sich ein Dämon, vielleicht sogar Luzifer selbst, in ihrem Körper manifestiert. Wie war das nochmal? Kein Vorteil ohne Nachteil. Die bösartige Kreatur (oder auch Ippolita) veranstaltet jedenfalls all das, was Besessene gewöhnlicherweise so tun: Möbel durch die Luft fliegen lassen, derb fluchen, verführen, kotzen, in verschiedenen Fremdsprachen reden und so weiter.
Weder der Psychiater noch der geliebte Vater und auch nicht der nette Onkel, ein hoher Würdenträger der katholischen Kirche (wahrlich würdevoll gespielt von Arthur Kennedy, u.a. genial in Leichenhaus der lebenden Toten) können noch etwas ausrichten. Natürlich muss ein professioneller Exorzist zur Hilfe gerufen werden.
Neben den herausragenden Kamera Aufnahmen von Joe D'Amato (Regisseur von Buio Omega) und den von Ennio Morricone und Bruno Nicolai komponierten wunderbaren (Orgel-) Klängen sorgt Carla Gravina (übrigens auch zu sehen in Die Banditen von Mailand) mit einer fulminanten schauspielerischen Leistung für ein stimmiges Grusel-Feeling. Lediglich die sonore Synchronisationsstimme von Bud Spencer, die in manchen Szenen aus Ippolitas Mund brummt, wirkt der Ernsthaftigkeit des Films gegenüber nicht angemessen.
Alles in Allem bin ich glückselig, "Schwarze Messe" nun auch einmal in einem Kino gesehen zu haben.


INFERNO aka FEUERTANZ aka HORROR INFERNAL (IT 1980, Regie Dario Argento)


Mit "Inferno" wurde uns der schönste Festivalabschluss aller Zeiten beschert.
Es geht darin um die Studentin Rose, die kurz vor ihrem Tod Nachforschungen über die drei Mütter (Mater Suspiriorum, Lacrimarum und Tenebrarum) betreibt und ihrem in Rom aufhältigen Bruder Mark einige mysteriöse Zeilen in Form eines Hilferufs zukommen lässt.
Parallel dazu hat Mark in einem Hörsaal die erste Begegnung mit der schönsten und grausamsten der drei Schwestern, der Mater Lacrimarum. Diese wird verkörpert von der atemberaubend attraktiven Ania Pieroni, in deren tiefgründige Augen ich schon unzählige Male bei Haus an der Friedhofmauer gestarrt habe und die mich auch jetzt wieder unweigerlich in den Bann ziehen.
"Inferno", den ich schändlicherweise seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gesehen habe (es gibt einfach viel zu viele sehr gute Filme), bietet all das, was ich bei "Phantom der Oper", das von einem Stilbruch zum anderen hinkt, so schmerzlich vermisse und noch mehr.
In erster Linie beeindruckend ist die konsistent mystische Atmosphäre. "Inferno" fühlt sich an wie ein schauriger Fiebertraum, der einen morbiden Glanz verströmt und aus dem man gar nicht so schnell erwachen möchte.
Die losen Handlungsstränge sind durch eine bewundernswert ästhetische Bildsprache aneinandergeknüpft. Während man das Schicksal von einem unglückseligen Menschen zum nächsten beobachtet und immer mehr Fragen statt Antworten auftauchen, hat man den Eindruck, dass nicht nur der Schlüssel zum Geheimnis der Schwestern, sondern auch die Auflösung für manche dem Publikum präsentierte Rätsel in verborgenen Winkeln und hinter mysteriösen Zwischenwänden begraben sind.


Als der Kinosaal in voller Lautstärke (da hat wohl zuvor jemand auf Wunsch eines gewissen sympathischen Fanatikers etwas an den Reglern gedreht – ich nenne keine Namen!) von dem kongenialen Score aus der Feder von Keith Emerson beschallt wird während der Abspann über die Leinwand flackert, klebe ich ehrfürchtig an meinem Sessel und bin traurig, dass der Film und auch das Festival leider schon vorbei ist.



Unsere Ausbeute



Wenn man schließlich mit dem Lift in die Hotel-Tiefgarage hinab fährt und hofft, dass man sobald die Tür sich schleppend öffnet, nicht in einem Krankenhaus voller Zombies landet oder eine Pforte ins Jenseits betritt, freut man sich über die Spuren der Magie, die noch das Bewusstsein überlagern.
Auf den harten Boden der Realität finde ich nur allzu schnell zurück, wenn ich todmüde aus dem Bett krieche und im Spiegel noch ausgeprägtere Augenringe als sie Asia Argento jemals hatte, erblicke.
Dieser Festivalbericht ist der ausführlichste, den ich je verfasst habe. Und das, obwohl ich mich wie immer bemüht habe, mich auf das Wesentlichste zu beschränken. Ich kann es nicht verleugnen. Ich bin und bleibe einfach eine (alte) Horror-Tante. Inspiriert von diesen geballten Zelluloid Abenteuern fliegen meine Finger mit der gespenstischen Geschwindigkeit einer Besessenen über die Tastatur.
Bevor ich anfange, in Sprachen, die ich nie gelernt habe, obszöne Dinge von mir zu geben und Einrichtungsgegenstände durch die Luft fliegen (oder mich der Fluch der Mater Horroriorum ereilt), möchte ich meine vielleicht letzten Minuten bei klarem Verstand noch nutzen, ein paar allgemeine Worte über "Terrore a Norimberga" zu verlieren.

Der BesucherInnenandrang war nicht nur beim Eröffnungsfilm und erwartungsgemäß bei den Argento Werken sehr groß. Auch bei anderen Filmen, die im Rahmen des Festivals gezeigt wurden. war der KommKino Saal überraschend gut besetzt.
Andi, der Initiator und Betreiber von Italocinema.de und Festivalorganisator, hat im Vorfeld wieder einmal keine Kosten und Mühen gescheut und dank dem stilvollen Design des Creepy Images Herausgebers absolut coole und dem Anlass angemessene Programmhefte sowie Plakate drucken lassen.
Letztere wurden auch in diesem Jahr wieder großzügig verschenkt.
Die Auswahl der Filme, die er mit Unterstützung von Konni (Labelchef von Forgotten Film Entertainment und KommKino Mitglied) getroffen hat, war spitzenmäßig und die Projektionen dank der ehrenamtlich arbeitenden KommKino Mitarbeiter relativ reibungslos.
Einige Labels (namentlich genannt CMV, X-Cess, filmArt, Subkultur, Forgotten Film Entertainment und Colosseo) spendeten dankenswerterweise wieder Veröffentlichungen für die Verlosungen unter den Kinogästen.
Die Atmosphäre im Saal war (bis auf die merkwürdige Begebenheit mit der Lüftung) angenehm.
Die Filme wurden nicht (wie man es von anderen vergleichbaren Events manchmal hört) verspottet und wenn es ausnahmsweise mal jemand wagte, sein Handy zu zücken oder etwas lauter zu sprechen, fand sich immer rasch ein in der Nähe sitzender Besucher, der den Störenfried unverzüglich ermahnte.

Ich freue mich schon auf das im kommenden Jahr folgende Festival, das anlässlich eines doppelten Jubiläums im KommKino zelebriert werden wird: Es wird das zehnte Festival mit Andis Beteiligung sein und wir feiern den 5. Geburtstag seiner Italocinema Website.