MANIAC
USA 1980
Regie: William Lustig
DarstellerInnen: Joe Spinell, Caroline Munro, Abigail Clayton, Kelly Piper,
Rita Montone, Tom Savini, Sharon Mitchell u.a.
Inhalt:
Frank Zito sammelt Schaufensterpuppen und Skalps seiner weiblichen Opfer, die
er unbarmherzig ermordet. Als er bei einem Spaziergang im Central Park die
Fotografin Anna kennen lernt und sich mit der selbstbewussten Frau
anfreundet, scheint seine Mordlust plötzlich abzuebben. Oder ist diese scheinbare
Läuterung nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm?
Ein nachdenklicher Frank (Joe Spinell) |
Fotografin Anna (Caroline Munro) |
Die Zeiten
ändern sich und die Weltanschauung der unter Filmfans im deutschsprachigen Raum wohlbekannten BPjM offenbar ebenfalls. Lange Zeit verbotene, sogenannte "menschenverachtende" Filme aus der
verdammenswerten Videotheken-Schmuddelecke der Achtziger Jahre wie "Tanz der
Teufel", "Texas Chainsaw Massacre" und seit letztem Jahr nun auch "Maniac" gelten heute dank dem Engagement einiger Labels als rehabilitiert. Vielleicht nicht ganz, aber zumindest sind sie nicht mehr beschlagnahmt.
Infolgedessen wurde der Personenkreis, dem der Film jetzt frei zugänglich ist, erweitert. Diesem Umstand haben wir nun einige schöne neue Veröffentlichungen aus dieser Sparte
zu verdanken.
"Maniac" in UHD Qualität kann sich tatsächlich sehen lassen!
Die berühmt-berüchtigte 42nd Street |
Der hauptsächlich von Regisseur William Lustig und Hauptdarsteller Joe Spinell finanzierte Film reiht sich (abseits von Hardcore-Filmen wie z.B. "Waterpower") mit The driller killer und Lucio Fulcis Der New York Ripper ein in den Kreis der widerwärtigsten und dreckigsten New York Filme der frühen Achtziger Jahre.
Tom Savini, der hauptsächlich für seine herausragenden Effekte in George Romeros
Zombie-Trilogie und seiner Mitwirkung als Darsteller bei "Dawn of the Dead" berühmt
ist, hat bei "Maniac" ganz tief in seiner Blut- und Innereien Trickkiste gewühlt.
Deshalb gibt es unappetitliche Szenen wie einen Schrotflinten-Headshot
in Nahaufnahme, bei dem der Kopf eines Mannes wie eine auf den Boden geworfene überreife Tomate zerplatzt, zu bestaunen. Abwechslungsweise gibt es auch Nahaufnahmen von geöffneten Schädeldecken oder Teppichmesser, die in die Stirnhaut bedauernswerter Frauen schneiden wie Messer in warme Butter.
Was Savini uns hier auf der cineastischen Schlachtbank serviert, ist trotz einfacher Mittel
technisch so detailgetreu umgesetzt, dass man "Maniac" auch 40 Jahre später
bedenkenlos in perfekter Bildqualität ansehen kann, ohne dass das Bedürfnis aufkommt, über die Effekte zu
spotten.
Obwohl sich dieser Film ohne falsche Scham in erster Linie als
Exploitation Kino präsentiert, erzeugt er nicht nur eine gediegene
Ekel-Atmosphäre für Gorehounds, sondern spielt auch meisterlich mit der Psyche der ZuschauerInnen.
Spinell verleiht Frank viel Ausdruck |
Frank Zito
präsentiert sich dem Kino-Publikum nämlich nicht als seelenlose menschliche
Killermaschine wie Michael Myers ("Halloween") oder Jason Vorhees ("Freitag der
13.").
Er ist ein schwer fassbarer und vor allem ambivalent dargestellter
Charakter.
Durch das enthusiastische, teils fieberhaft anmutende Schauspiel Joe Spinells
beginnt man spätestens ab dem Zeitpunkt, an dem immer mehr Details aus Zitos
traumatischer Kindheit offenbar werden, ein gewisses Verständnis zu entwickeln.
Natürlich nicht für seine abscheulichen Taten, aber man erhält eine Ahnung davon, wie bzw. warum er zum Frauenmörder werden konnte. Man beginnt Hypothesen aufzustellen, was
für ein Mensch er hätte sein können, wenn beim kleinen Frankie und seiner Mommy
zuhause einige Dinge nicht so gravierend aus dem Ruder gelaufen wären.
Die andere Seite des "Monsters" |
Auf der anderen Seite werden die (meist namenlosen) Ermordeten nur kurz vorgestellt, wir erfahren wenig über die Frauen und Männer und erhalten so kaum Gelegenheit für die Empathie-Entwicklung oder Identifikation. Daher bleibt die Tätergeschichte stets präsent und dominant.
Ich frage mich manchmal, ob es eine Bezeichnung für dieses Phänomen gibt, das man aufgrund dieser einseitigen Betrachtungsweise bisweilen auch bei psychiatrisch-forensischen Gutachtern erlebt, die sich öffentlich voller Faszination und Bewunderung über die Intelligenz oder andere "Qualitäten" von sadistischen oder skrupellosen Schwerverbrechern äußern.
Jedenfalls evoziert der Charakter Frank Zito einen solchen Effekt beim Publikum.
Frank Zito nimmt uns jedenfalls nicht nur mit auf seine mörderischen Streifzüge durch
das nächtliche New York, sondern auch in die tiefsten und dunkelsten Winkel seiner Seele.
Wenn allerdings manche Rezipienten so weit gehen, dem Film eine gewisse
Tiefgründigkeit zu unterstellen oder gar ein Psychogramm des Killers umreißen
zu wollen, geht das für meine Begriffe eindeutig zu weit.
"Maniac" ist trotz beachtlicher erzählerischer Kniffe im Endeffekt ein astreiner schmieriger Exploitationfilm, wenn
auch mit einer unbestreitbaren Aura von Ernsthaftigkeit und Tendenz zur Tragik inszeniert, die nicht viele Filme seiner Art umgibt.
Der ausgesprochen
melancholische Soundtrack ist dem Gesamteindruck außerordentlich zuträglich und
unterstreicht die erschütternden Lebensumstände und trostlosen Aspekte der Psyche des Hauptcharakters Frank Zito.
Die Klänge im Hintergrund wecken bei mir Erinnerungen an die Metallspieluhren,
die in den Achtzigern in jedem Kinderzimmer zu finden waren und deren Melodien
wegen abgebrochener Metallzinken (und sie sind trotz pfleglicher Behandlung
immer abgebrochen!) oft nur noch mit viel Fantasie zu erkennen waren.
Es erscheint mir jedenfalls als stimmiges Sinnbild für Zitos zerbrochene
Seele und seine verstörenden Kindheitserfahrungen.
"Maniac" ist definitiv kein Party- oder Popcornfilm für einen gemütlichen Abend in lockerer Runde.
Aber als "Midnight Madness" in Gesellschaft von Genrefans oder (ganz Pandemie-tauglich) allein an einem
regnerischen Sonntag konsumiert, beschert uns dieser Klassiker des Exploitationkinos auf jeden Fall eine emotional herausfordernde filmische (Grenz-)Erfahrung.