THE SECT
Italien 1991
Regie: Michele Soavi
DarstellerInnen: Kelly Curtis, Herbert Lom, Mariangela Giordano, Michel Adatte, Giovanni Lombardo Radice (aka John Morghen), Donald O'Brien u.a.
Inhalt:
Amerika in den 70ern. Eine Hippie
Kommune erhält Besuch von einem mysteriösen Fremden namens "Damon".
Nach gemütlichem Beisammensein erleben sie in der Nacht eine
unliebsame Überraschung.
Frankfurt in den 90ern - ein
unscheinbarer Familienvater begeht Selbstmord, nachdem er von
Polizisten wegen eines bestialischen Mords an einer jungen Frau
gefasst wird - das "corpus delicti" (in dem Fall das Herz seines
Opfers) noch in der Hand.
Nur wenige Tage später, in der Nähe von Offenbach. Die junge Lehrerin Miriam nimmt einen alten Mann, den sie versehentlich mit dem Auto angefahren hat, zu sich nach Hause mit und gerät dabei in die Fänge einer satanischen Sekte...
Nur wenige Tage später, in der Nähe von Offenbach. Die junge Lehrerin Miriam nimmt einen alten Mann, den sie versehentlich mit dem Auto angefahren hat, zu sich nach Hause mit und gerät dabei in die Fänge einer satanischen Sekte...
Charismatisch - Herbert Lom |
Kelly Curtis - das Grauen steht ihr ins Gesicht geschrieben |
Es erscheint mir eine schwierige
Aufgabe, über einen Film zu schreiben, von dem ich einerseits das Gefühl
habe, dass es wichtig ist, nicht zu viel von der Handlung zu verraten
und dem man andererseits mit bloßen Beschreibungen und der
Aneinanderreihung von Attributen nur schwer gerecht wird.
Es wäre aber auch jammerschade, nicht
dezidiert auf dieses Kleinod des 90-er Jahre Horrorfilms hinzuweisen.
Bei dem nur wenig bekannten "La Setta" handelt es sich nach "Aquarius" und "The Church" um den dritten Spielfilm des talentierten
italienischen Regisseurs Michele Soavi.
Ähnlich wie bei "The Church" wurde der Film hierzulande ausschließlich unter dem Namen Dario Argento,
der in großen Lettern auf dem VHS-Cover prangte und wohl suggerieren
sollte, es mit einem "reinrassigen" Argento-Film zu tun zu
haben, vermarktet.
Seine Rolle war jedoch (lediglich)
die des Produzenten und des -laut Soavi- Kontrolle ausübenden "väterlichen" Regiekollegen, der versuchte, Soavi zu
beeinflussen und in seiner künstlerischen Freiheit etwas zu
begrenzen.
"La Setta" ist ein herausragendes
Glanzstück des italienischen Horrorfilms und einer der schaurigsten
und alptraumhaftesten Filme nach dem "Mario-Bava-Zeitalter",
der je in Bella Italia entstanden ist.
Kaum ein Film weist eine derartige
Dichte an verstörenden und doch lyrisch anmutenden
Alptraum-Sequenzen voller Symbolik auf wie "La Setta".
Wo die Leiter wohl hinführt? |
Miriam (Kelly Curtis, die hübsche
Schwester von Scream-Queen Jamie Lee Curtis) lebt zusammen mit ihrem Hasen in
einem alten Haus am Waldrand, recht abgelegen von der Zivilisation.
Sie ist eine unsichere, aber
hilfsbereite Frau und fühlt sich in der Gegenwart des alten Mannes
(Charaktergesicht Herbert Lom!) unwohl.
Auch dem Hasen scheint der neue Gast
nicht zu behagen.
Für Miriam wird die Begegnung mit dem
mysteriösen alten Mann zu einem einschneidenden Erlebnis. Der Beginn
eines nicht enden wollenden Höllentrips und einer von Paranoia
getränkten Atmosphäre.
Der Kontakt mit dem alten Mann ist für
Miriam zugleich die Einleitung einer unaufhaltsam voranschreitenden
Entfremdung: vom eigenen Heim, sogar von ihrem Haustier und
schließlich ihrem Arbeitsplatz und Menschen, die ihr einst nahe
standen.
Sie kann niemandem mehr trauen, sich an
keinem Ort mehr sicher fühlen, weder in der Realität noch in ihren
nächtlichen Träumen.
Ähnlich wie das nachfolgende
Soavi-Meisterwerk Dellamorte Dellamore fasziniert "La Setta" durch ästhetische Bildkompositionen, einen einprägsamen
Soundtrack (Pino Donaggio!) und einer obskuren Handlung, in der
Realität und Traum stark ineinander verwoben und nicht immer
eindeutig zu unterscheiden sind.
Will man die beiden Filme direkt
vergleichen, so könnte man "La Setta" als die düstere und
etwas ernsthaftere Schwester des etwas bekannteren, bunteren und
schwarzhumorigen Bruders Dellamorte Dellamore bezeichnen.
Das Problem von "La Setta",wenn man es als dies bezeichnen möchte, ist wohl, dass der Film zwar
vielen Anforderungen an einen guten Horrorfilm entspricht, die
Wünsche des potentiellen Zielpublikums aber nur bedingt zu erfüllen
imstande ist:
Auf der einen Seite hätten wir da die
Fans von eher subtilem und bavaeskem Gotik-Horror, deren Sehvergnügen
durch allzu harte Gore-Szenen bzw. der vielfach gerügten und gerne
zitierten "selbstzweckhaften Gewaltdarstellung" getrübt
wird.
Auf der anderen Seite wären da die
Kollegen aus der Gore-Bauern-Szene, für die "La Setta" zu
langsam erzählt ist, zu viel Wert auf Atmosphäre legt und eindeutig
zu wenige explizite Blut und Eingeweide-Szenen bietet.
Und zu guter Letzt hätten wir da noch
Filmfreunde, die große Ansprüche an eine nachvollziehbare Story
ohne von ihnen genauestens definierten "Logik-Lücken"
wünschen.
Auch die werden mit diesem Okkultfilm nicht glücklich.
"The Sect" ist also der perfekte Film für
ein aufgeschlossenes Publikum, das bereit ist, sich auf einen dunklen
Horror-Trip einzulassen, sich nicht vor Gore-Szenen scheut und
zugunsten von Optik auch auf ein durch und durch stringentes
Erzählkino verzichten kann.
Empfehlenswert ist die italienische DVD
von Cecchi Gori, durch deren Veröffentlichung dankenswerterweise der
Film ungekürzt mit englischer Tonspur erhältlich wurde.