Mittwoch, 23. Mai 2018

PARANOIA (1970)















PARANOIA

Italien, Frankreich, Spanien 1970
Regie: Umberto Lenzi
DarstellerInnen: Carroll Baker, Jean Sorel, Luis Dávila, Alberto Dalbés, Anna Proclemer, Hugo Blanco, Marina Coffa u.a.


Inhalt:
Rennfahrerin Helen folgt der Einladung ihres Exmannes Maurice in eine Villa am Meer.
Vor Ort erfährt sie, dass Maurice wieder verheiratet ist, und zwar mit der reichen Constance, die sich alle Mühe gibt, Freundschaft mit Helen zu schließen. Nach ein paar Tagen sind sich die beiden Damen einig – Maurice muss weg, dann sind alle glücklicher. Und so schmieden sie einen Mordplan. Da es an der Ausführung hapert, kommt es völlig anders als gedacht und plötzlich dreht sich alles um ein (unfreiwilliges) Mordkomplott, Lügen, Intrigen und so weiter...


Maurice - der Traum jeder Frau?!


Rennfahrerin Helen, etwas irritiert


Es ist auf den ersten Blick etwas schwer nachzuvollziehen, was die Damenwelt an Dandy Maurice (Jean Sorel, u.a. bekannt aus Nackt über Leichen, Malastrana) so umwerfend findet.
Etwa sein Hang zu extravaganten Farben bei seiner Kleidung (rosafarbene oder hellblaue Pullis und Kombinationen wie man es nur von einem Farbenblinden erwarten würde)? Vielleicht sein schmieriges selbstgefälliges Grinsen oder sein Narzissmus? Dass der Gute notorisch pleite ist und sich prinzipiell von seinen Frauen aushalten lässt? Wohl eher nicht!
Oder wäre es tatsächlich möglich, dass er – wie er von sich selbst behauptet – so gut im Bett ist, dass er sogar Frauen von Frigidität heilen kann?
Eines ist jedoch sicher. Maurice bringt das Blut von Frauen in Wallung und manchmal schlagen die Wogen von Begehren, Liebe, aber auch Hass (das soll ja alles ziemlich nahe beieinander liegen) so hoch, dass es für den Schönling sogar lebensgefährlich wird.
Immerhin hat Helen (Carroll Baker) vor der Trennung schon einmal mit einer Waffe vor seinem Gesicht rumgefuchtelt und Constance schmiedet in aller Heimlichkeit Pläne, wie sie ihren Mann um die Ecke bringen kann.
Die beiden Frauen sind sich bald einig, dass Maurice wie eine Droge ist. Er raubt ihnen den Verstand und macht sie willenlos und süchtig nach seiner Zuwendung.
Die einzig korrekte Schlussfolgerung und Rettung aus dieser Misere kann logischerweise nur sein, ihn zu töten. Zumindest für Constance, die Helen um Mithilfe bei ihrer Selbstbefreiungsaktion bittet.

Das Unterhaltsame an diesem liebenswerten Giallo sind neben der absolut dekadenten Gesellschaft, in der sich die ProtagonistInnen bewegen, die schrullig-verworrene Handlung und die Psycho-Spielchen zwischen Helen, Constance, Jean sowie der später auftauchenden erwachsenen Stieftochter.
Der Titel "Paranoia" wirkt nämlich auf den zweiten Blick gar nicht so verkehrt. Helen gerät in ein Katz und Maus Spiel zwischen Maurice und seiner Frau. Sie wird von beiden Seiten umgarnt und auch die Freunde des Ehepaars geizen nicht mit verbalen Anzüglichkeiten und zweideutigen Kommentaren. Irgendwie liegt ständig Spannung in der Luft.
Mit fortschreitender Laufzeit des Films häufen sich die nicht eindeutig interpretierbaren Blicke, die sich das unglückselige Dreiergespann Helen, Maurice und Constance zuwerfen. Es ist nicht klar vorherzusehen, wer jetzt gerade mit wem paktiert.
Besonders die Szene, in der Rennfahrerin Helen mit einem zunehmend blassen und nervösen Maurice auf dem Beifahrersitz im Sportwagen die schmale, kurvige und abschüssige Küstenstraße entlang rast und ihm trocken an den Kopf wirft, dass er sich keine Sorgen um sie machen muss, da ja immerhin er sich auf dem Todessitz befindet, treibt die (An-)Spannung, die permanent zwischen den Hauptpersonen des Films vorherrscht, auf die Spitze.
Als dann etwas später die Tochter Susan unverhofft in einem delikaten Moment auftaucht, werden die Karten im Intrigenspiel nochmal neu gemischt.

Alle, die noch keine Fans dieses Urlaubs-Krimis sind, könnte die jüngste Veröffentlichung des Labels X-Rated vielleicht etwas umstimmen.
Die eigens für die Veröffentlichung angefertigte deutsche Synchronisation passt nicht nur hervorragend zu der etwas hanebüchenen Geschichte, sondern verströmt auch etwas Flair der 70er Jahre Synchros.
Von den mittlerweile drei oder vier Sichtungen dieses Films hat die deutsche Fassung, die auf sympathische Weise in manchen Momenten ähnlich Banane ist wie die Handlung, bei mir jedenfalls für zusätzliches Amüsement gesorgt.

Wer nicht nur die Slasher-artigen italienischen Krimis mag, sondern sich auch für Gialli mit leiseren Tönen, gemächlicherem Tempo und Urlaubsatmosphäre begeistern kann, wird "Paranoia" bestimmt genießen. Vielleicht sogar stilvoll mit einem Glas J&B oder alternativ mit einem tatsächlich schmackhaften und trinkbaren (Long-)Drink. Selbstverständlich mit ganz vielen Eiswürfeln im Glas.




Foto: BD von X-Rated