Dienstag, 23. Oktober 2018

MANDY (2018)





MANDY

USA 2018
Regie: Panos Cosmatos
DarstellerInnen: Nicolas Cage, Andrea Riseborough, Linus Roache, Ned Dennehy, Olwen Fouéré, Richard Brake u.a.

Inhalt:
Red und Mandy leben zurückgezogen auf dem Land. Red arbeitet als Holzfäller, Mandy in einer Tankstelle. Eines Tages kreuzt sich Mandys Weg mit dem des verrückten Sektenführers Jeremiah Sand. Jeremiah beauftragt daraufhin seine Gefolgschaft, Mandy zu kidnappen. Die Ärmste wird schließlich vor den Augen ihres Liebsten bestialisch ermordet. Reds Rachefeldzug beginnt...


Red (Cage) leidet... noch


Jeremiah (Roache) triumphiert... noch


(Und schon melde ich mich kurz aus der groß angekündigten Blogpause zurück – ich war nämlich letzte Woche im Kino und es juckt mich gerade in den Fingern...)

Als wir den Trailer von "Mandy" gesehen haben, stand für uns fest: diesen Film müssen wir auf einer großen Leinwand erleben! Also machten wir uns vor ein paar Tagen zum zweiten Mal (siehe Bericht über das Argento Double Feature) auf den Weg in das gemütliche und sympathische Zebra Kino in Konstanz.
Manchmal kommt man sich in Gesellschaft von Cineasten ja ein bisschen vor wie in einer Geheimloge. Als wir die Treppe zum Kino hoch gingen, kam uns ein netter Mensch entgegen, der uns mit einem Grinsen und in verschwörerischem Tonfall fragte: "Wollt ihr zu Mandy?"
Was wir natürlich sogleich bejahten, woraufhin er uns erklärte, dass gerade noch eine Vorstellung läuft, aber er uns schon mal das Foyer aufsperrt, wenn wir leise sind.
Manchmal frage ich mich, wie solche Dialoge wohl auf Unbeteiligte wirken mögen...
Vor dem Film gab es ein paar einleitende Worte und sogar eine Verlosung.
So lieben wir Kino!

"Mandy" ist zwar ein durch und durch düsterer Film, der aber – ähnlich wie man es von Comic Verfilmungen kennt – von einem augenzwinkernden Humor begleitet wird. Besonders ins Auge springen natürlich sofort die bis zum Exzess verwendeten Filter: Viele Szenen sind in rotes oder andersfarbiges Licht getaucht, Landschaften und auch Kampfszenen zum Teil stark abgedunkelt.
Bei dieser visuellen Reizüberflutung in Kombination mit den wummernden Bässen des wuchtigen Soundtracks entsteht schnell das Gefühl, gerade einen legendär verrückten Alptraum mit Nicolas Cage als Hauptakteur zu haben.
Die Laufzeit von zwei Stunden für diesen Film kann man getrost als mutig bezeichnen. Immerhin ist der Inhalt des Drehbuchs auf zwei Sätze reduzierbar. Es passiert im Grunde genommen tatsächlich Nichts, was nicht vorhersehbar wäre.
Doch bei "Mandy" trifft so deutlich wie selten zu: Der Weg das Ziel. Es geht nicht darum, was passiert bzw. passieren wird, sondern wann und in erster Linie wie. Denn (Hab ich es bereits erwähnt? Egal!) - optisch und musikalisch ist dieser Film eine absolute Wucht.
Ein irrer Trip, bei dem sich das Publikum gemeinsam mit Red (Cage) in einen Wut, Blut- und Drogenrausch begibt. Ein Abschied von der Realität, die es ohnehin nie gegeben hat.
Das Over-Acting und die Selbstironie sowohl von Cage als auch Linus Roache, der den egomanischen Sektenführer Jeremiah Sand verkörpert, machen den Film zu einem unvergesslichen Erlebnis.


Mandy (Riseborough) mit ihrem Black Sabbath Shirt


Auch Andrea Riseboroughs Performance als introvertierte Mandy und die absolut schrägen Hillbilly NebendarstellerInnen hinterlassen einen bleibenden Eindruck.


Eine Delegation direkt aus dem Hellraiser-Universum?


Und für die wahren Freaks unter uns bietet "Mandy" zahlreiche mehr oder weniger versteckte Hommagen an das Genrekino der letzten Jahrzehnte. Pinhead und Butterball ("Hellraiser") lassen grüßen. Manchmal denkt das goreverseuchte Hirn unweigerlich an "Tanz der Teufel" und Peter Jacksons "Braindead". Wir dürfen einem Kettensägen Duell ähnlich dem in "Texas Chainsaw Massacre 2" oder "Phantasm 2" beiwohnen. Erinnerungen an die Traumsequenz in "Das Schweigen der Lämmer" werden geweckt. "Mad Max" und sogar die "Ghoulies" winken uns imaginär zu. Diese schrecklich nervigen satanischen Ghoulies? Ja, genau die!
Angesichts des gerade erlebten Grauens und Entsetzens in stumme Agonie versunken sieht sich Red nach dem gewaltsamen Tod seiner großen Liebe im Fernsehen einen Werbespot an.
Im TV zu sehen ist ein grünes Monster (das an den Toiletten Ghoulie erinnert) namens Cheddar-Goblin, das vor Freude juchzenden Kindern einen breiten Schwall des leckeren gelben Käses über die Köpfe kotzt. Der Slogan "Nothing is better than Cheddar" setzt dem Ganzen noch die Krone auf.
Diese Absurdität des TV-Programms, das einerseits Normalität vermittelt und doch so seltsam deplatziert wirkt, hat eine dezent verstörende Wirkung. Ähnlich wie in der Traumszene in American Werewolf, in der David zuhause bei seiner Familie eine gewalttätige Folge der Muppetshow ansieht – bekommt man trotz oder gerade wegen dieses einerseits banalen und doch seltsam wirkenden Kinderprogramms unweigerlich das Gefühl, irgendetwas an dieser Welt ist nicht in Ordnung.

Bestimmt hält es niemand für einen Zufall, dass Mandy und Red ausgerechnet am Crystal Lake ("Freitag der 13.") wohnen. Ebenso wenig wie Jeremiah ganz in Frank Booth-Manier ("Blue Velvet") in einer Szene hysterisch "Don't you fucking look at me" brüllt.
Neben den stimmungsvollen Klängen des Filmsoundtracks spielt auch die nicht hörbare Musik eine essenzielle Rolle in "Mandy".
Red und Mandy sind Metal Fans, Mandy trägt Shirts von Black Sabbath und Möetley Crüe. Die Schriftzüge des Filmtitels sehen aus wie ein Logo einer Metal Band (mir fallen dabei unweigerlich die ausgewaschenen Mayhem, Darkthrone und Gorgoroth Shirts meines Exfreunds ein). Wenn man sich daran erinnert, dass in den 90er Jahren in Norwegen, der Geburtsstätte des Black Metals, um die 50 Kirchen im Jahr angezündet wurden, sieht man eine ganz bestimmte Szene auch mit etwas anderen Augen.

An Zynismus kaum zu überbieten ist auch die Sequenz, in der Red gegen Brother Swan kämpft. Letzterer war derjenige, der Mandy angezündet hat und dies bösartigerweise mit dem Satz "The darker the whore the brighter the flame." kommentierte.
Bei der finalen Auseinandersetzung zwischen Red und dem Sektenbruder nimmt dieser Bezug auf Mandys Tod indem er Neil Youngs Song "Hey  hey, my my (into the black)" zitiert: 
"It's better to burn out than to fade away".
Eine etwas eigenwillige und zu wörtlich genommene Interpretation dieses Satzes. So haben dies natürlich weder Neil Young in seinem Song noch Kurt Cobain in seinem Abschiedsbrief interpretiert...

"Mandy" ist ein Film voll unerbittlicher Zerstörungswut, der den abgründigen Geist von norwegischem Black Metal verströmt und sich nicht scheut, sein Publikum mit alptraumhaften Visionen in komprimierter Form zu verwirren.
Cosmatos huldigt seinen dramaturgischen Inspirationen und musikalischen Vorbildern ohne dabei aufdringlich zu wirken.
Nicolas Cage zeigt wie ein verliebter Holzfäller zu einer wahnsinnigen Kampfmaschine voller blinder Zerstörungswut mutiert. Seine anfänglich zur Schau gestellte Verzweiflung entbehrt jedoch nicht einer gewissen Komik, die zum Teil bewusst eingebaut wurde.
Ein Film mit einem prinzipiell ernsten Thema und drastischer Gewalt, der sich aber selbst nicht zu ernst nimmt. Cosmatos präsentiert uns die Wechselwirkung zwischen Gemetzel und Humor auf so herrliche unbedarfte und erfrischende Art, wie man es im Speziellen vom Horror- und Actionkino der Achtzigerjahre kennt. Die Handlung soll übrigens im Jahr 1983 spielen. Ein Zufall? Vermutlich nicht.
Thematisch und optisch gibt es nicht zu verleugnende Parallelen zu "The Crow". Auch einer dieser Filme, der das Publikum spaltet.

Ich behaupte an dieser Stelle aus tiefster Überzeugung, dass "Mandy" nur im Originalton zur Gänze verstanden werden kann, allein schon wegen den oben angeführten Zitaten.
Wer etwas genauer recherchiert oder sich in diesem Gebiet besser auskennt, wird übrigens auch Anspielungen auf prominente amerikanische Killer entdecken.
Man hat am Ende das dumpfe Gefühl, etwas (noch) nicht erfasst zu haben.

FreundInnen von Action-Kino, Funsplatter und Backwoodhorror werden bei "Mandy" jedenfalls voll auf ihre Kosten kommen. Durch den Trailer erhält man einen relativ präzisen ersten Eindruck, worum es bei diesem Trip Film (nicht) geht.
Wie meine Cousine gestern treffend bemerkte: "Hahaha, der Trailer ist ja der Hammer! Ich hab keine Ahnung worum's geht! Rache und Gemetzel? Sieht crazy aus."
Diese Worte beschreiben "Mandy" ziemlich akkurat.

Jedenfalls freue ich mich schon sehr auf ein baldiges Wiedersehen mit "Mandy" - für November hat KochMedia eine Veröffentlichung angekündigt.





Foto: Mediabook von Koch Media