USA 2018
Regie: Panos Cosmatos
DarstellerInnen: Nicolas Cage, Andrea
Riseborough, Linus Roache, Ned Dennehy, Olwen Fouéré, Richard Brake
u.a.
Inhalt:
Red und Mandy leben zurückgezogen
auf dem Land. Red arbeitet als Holzfäller, Mandy in einer
Tankstelle. Eines Tages kreuzt sich Mandys Weg mit dem des verrückten
Sektenführers Jeremiah Sand. Jeremiah beauftragt daraufhin seine
Gefolgschaft, Mandy zu kidnappen. Die Ärmste wird schließlich vor
den Augen ihres Liebsten bestialisch ermordet. Reds Rachefeldzug
beginnt...
Red (Cage) leidet... noch |
Jeremiah (Roache) triumphiert... noch |
(Und schon
melde ich mich kurz aus der groß angekündigten Blogpause zurück –
ich war nämlich letzte Woche im Kino und es juckt mich gerade in den Fingern...)
Als wir den Trailer von "Mandy" gesehen haben, stand für uns fest: diesen Film müssen wir auf einer großen
Leinwand erleben! Also machten wir uns vor ein paar Tagen zum zweiten Mal (siehe Bericht über das Argento Double Feature) auf den Weg in das gemütliche und
sympathische Zebra Kino in Konstanz.
Manchmal kommt man sich in Gesellschaft
von Cineasten ja ein bisschen vor wie in einer Geheimloge. Als wir
die Treppe zum Kino hoch gingen, kam uns ein netter Mensch entgegen,
der uns mit einem Grinsen und in verschwörerischem Tonfall fragte: "Wollt ihr zu Mandy?"
Was wir natürlich sogleich bejahten,
woraufhin er uns erklärte, dass gerade noch eine Vorstellung läuft,
aber er uns schon mal das Foyer aufsperrt, wenn wir leise sind.
Manchmal frage ich mich, wie solche
Dialoge wohl auf Unbeteiligte wirken mögen...
Vor dem Film gab es ein paar
einleitende Worte und sogar eine Verlosung.
So lieben wir Kino!
"Mandy" ist zwar ein durch und
durch düsterer Film, der aber – ähnlich wie man es von Comic
Verfilmungen kennt – von einem augenzwinkernden Humor begleitet
wird. Besonders ins Auge springen natürlich sofort die bis zum Exzess verwendeten Filter: Viele Szenen sind in rotes oder andersfarbiges Licht
getaucht, Landschaften und auch Kampfszenen zum Teil stark abgedunkelt.
Bei dieser visuellen Reizüberflutung
in Kombination mit den wummernden Bässen des wuchtigen
Soundtracks entsteht schnell das Gefühl, gerade einen legendär
verrückten Alptraum mit Nicolas Cage als Hauptakteur zu haben.
Die Laufzeit von zwei Stunden für diesen Film kann man getrost als mutig bezeichnen. Immerhin ist der Inhalt des Drehbuchs auf zwei
Sätze reduzierbar. Es passiert im Grunde genommen tatsächlich Nichts, was nicht
vorhersehbar wäre.
Doch bei "Mandy" trifft so deutlich
wie selten zu: Der Weg das Ziel. Es geht nicht darum, was passiert
bzw. passieren wird, sondern wann und in erster Linie wie. Denn (Hab ich es bereits erwähnt? Egal!) - optisch
und musikalisch ist dieser Film eine absolute Wucht.
Ein irrer Trip, bei dem sich das
Publikum gemeinsam mit Red (Cage) in einen Wut, Blut- und Drogenrausch
begibt. Ein Abschied von der Realität, die es ohnehin nie gegeben hat.
Das Over-Acting und die Selbstironie sowohl von Cage als auch Linus Roache, der den egomanischen Sektenführer
Jeremiah Sand verkörpert, machen den Film zu einem unvergesslichen
Erlebnis.
Mandy (Riseborough) mit ihrem Black Sabbath Shirt |
Auch Andrea Riseboroughs
Performance als introvertierte Mandy und die absolut schrägen
Hillbilly NebendarstellerInnen hinterlassen einen bleibenden
Eindruck.
Und für die wahren Freaks unter uns
bietet "Mandy" zahlreiche mehr oder weniger versteckte Hommagen
an das Genrekino der letzten Jahrzehnte. Pinhead und Butterball ("Hellraiser") lassen grüßen. Manchmal denkt das goreverseuchte Hirn unweigerlich an "Tanz der Teufel" und Peter Jacksons "Braindead". Wir dürfen einem Kettensägen Duell
ähnlich dem in "Texas Chainsaw Massacre 2" oder "Phantasm 2" beiwohnen. Erinnerungen an die Traumsequenz in "Das Schweigen der
Lämmer" werden geweckt. "Mad Max" und sogar die "Ghoulies" winken uns imaginär zu. Diese schrecklich nervigen satanischen Ghoulies? Ja, genau die!
Angesichts des gerade erlebten Grauens und Entsetzens in stumme
Agonie versunken sieht sich Red nach dem gewaltsamen Tod seiner
großen Liebe im Fernsehen einen Werbespot an.
Im TV zu sehen ist ein grünes Monster (das an den Toiletten Ghoulie erinnert) namens Cheddar-Goblin, das vor Freude juchzenden Kindern einen breiten Schwall des leckeren gelben Käses über die Köpfe kotzt. Der Slogan "Nothing is better than Cheddar" setzt dem Ganzen noch die Krone auf.
Im TV zu sehen ist ein grünes Monster (das an den Toiletten Ghoulie erinnert) namens Cheddar-Goblin, das vor Freude juchzenden Kindern einen breiten Schwall des leckeren gelben Käses über die Köpfe kotzt. Der Slogan "Nothing is better than Cheddar" setzt dem Ganzen noch die Krone auf.
Diese Absurdität des TV-Programms, das
einerseits Normalität vermittelt und doch so seltsam
deplatziert wirkt, hat eine dezent verstörende Wirkung. Ähnlich wie
in der Traumszene in American Werewolf, in der David zuhause
bei seiner Familie eine gewalttätige Folge der Muppetshow ansieht – bekommt man trotz oder gerade wegen dieses einerseits banalen und doch seltsam wirkenden Kinderprogramms
unweigerlich das Gefühl, irgendetwas an dieser Welt ist nicht in
Ordnung.
Bestimmt hält es niemand für einen
Zufall, dass Mandy und Red ausgerechnet am Crystal Lake ("Freitag
der 13.") wohnen. Ebenso wenig wie Jeremiah ganz in Frank
Booth-Manier ("Blue Velvet") in einer Szene hysterisch "Don't
you fucking look at me" brüllt.
Neben den stimmungsvollen Klängen des Filmsoundtracks spielt auch die nicht hörbare Musik eine essenzielle Rolle in "Mandy".
Red und Mandy sind Metal Fans, Mandy
trägt Shirts von Black Sabbath und Möetley Crüe. Die Schriftzüge
des Filmtitels sehen aus wie ein Logo einer Metal Band (mir fallen
dabei unweigerlich die ausgewaschenen Mayhem, Darkthrone und Gorgoroth Shirts meines
Exfreunds ein). Wenn man sich daran erinnert, dass in den 90er Jahren in Norwegen,
der Geburtsstätte des Black Metals, um die 50 Kirchen im Jahr angezündet
wurden, sieht man eine ganz bestimmte Szene auch mit etwas anderen
Augen.
An Zynismus kaum zu überbieten ist
auch die Sequenz, in der Red gegen Brother Swan kämpft. Letzterer
war derjenige, der Mandy angezündet hat und dies bösartigerweise
mit dem Satz "The darker the whore the brighter the flame." kommentierte.
Bei der finalen Auseinandersetzung
zwischen Red und dem Sektenbruder nimmt dieser Bezug auf Mandys Tod
indem er Neil Youngs Song "Hey hey, my my (into the black)" zitiert:
"It's better to burn out than to fade away".
Eine etwas
eigenwillige und zu wörtlich genommene Interpretation dieses
Satzes. So haben dies natürlich weder Neil Young in seinem
Song noch Kurt Cobain in seinem Abschiedsbrief interpretiert...
"Mandy" ist ein Film voll
unerbittlicher Zerstörungswut, der den abgründigen Geist von
norwegischem Black Metal verströmt und sich nicht scheut, sein Publikum mit alptraumhaften Visionen in komprimierter Form zu verwirren.
Cosmatos huldigt seinen dramaturgischen
Inspirationen und musikalischen Vorbildern ohne dabei aufdringlich zu
wirken.
Nicolas Cage zeigt wie ein verliebter
Holzfäller zu einer wahnsinnigen Kampfmaschine voller blinder
Zerstörungswut mutiert. Seine anfänglich zur Schau gestellte
Verzweiflung entbehrt jedoch nicht einer gewissen Komik, die zum Teil
bewusst eingebaut wurde.
Ein Film mit einem prinzipiell ernsten
Thema und drastischer Gewalt, der sich aber selbst nicht zu ernst
nimmt. Cosmatos präsentiert uns die Wechselwirkung zwischen Gemetzel und Humor auf so
herrliche unbedarfte und erfrischende Art, wie man es im Speziellen vom
Horror- und Actionkino der Achtzigerjahre kennt. Die Handlung soll
übrigens im Jahr 1983 spielen. Ein Zufall? Vermutlich nicht.
Thematisch und optisch gibt es
nicht zu verleugnende Parallelen zu "The Crow". Auch einer dieser
Filme, der das Publikum spaltet.
Ich behaupte an dieser Stelle aus
tiefster Überzeugung, dass "Mandy" nur im Originalton zur Gänze
verstanden werden kann, allein schon wegen den oben angeführten
Zitaten.
Wer etwas genauer recherchiert oder
sich in diesem Gebiet besser auskennt, wird übrigens auch
Anspielungen auf prominente amerikanische Killer entdecken.
Man hat am Ende das dumpfe Gefühl, etwas (noch) nicht erfasst zu haben.
FreundInnen von Action-Kino,
Funsplatter und Backwoodhorror werden bei "Mandy" jedenfalls voll auf ihre Kosten kommen. Durch den Trailer erhält man einen relativ präzisen ersten Eindruck,
worum es bei diesem Trip Film (nicht) geht.
Wie meine Cousine gestern treffend
bemerkte: "Hahaha, der Trailer ist ja der Hammer! Ich hab keine
Ahnung worum's geht! Rache und Gemetzel? Sieht crazy aus."
Diese Worte beschreiben "Mandy" ziemlich akkurat.
Diese Worte beschreiben "Mandy" ziemlich akkurat.