STADT DER TOTEN
HORROR HOTEL (Alternativtitel)
Großbritannien 1960
Regie: John Llewellyn Moxey
DarstellerInnen: Patricia Jessel,
Dennis Lotis, Christopher Lee, Tom Naylor, Betta St. John, Venetia
Stevenson, Valentine Dyall u.a.
Inhalt:
Studentin Nan Barlow lässt sich weder
von ihrem Geliebten noch von ihrem Bruder überreden, einem
Familienfest beizuwohnen und reist stattdessen aufgrund einer
Empfehlung ihres Geschichtsprofessors Driscoll in das entlegene Dorf
Whitewood. Dort möchte sie der Legende um einen Hexenfluch
nachforschen. Als sie nicht zu der vereinbarten Zeit zurückkommt und
sich auch nicht mehr meldet, machen sich die beiden Männer selbst
auf den Weg in das mysteriöse Dorf...
Wer den stilprägenden und
unvergleichlichen italienischen Kultfilm "Die Stunde wenn Dracula kommt" kennt,
dem werden bereits zu Beginn von "Stadt der Toten" einige
unverkennbare Parallelen ins Auge stechen.
Im Grunde genommen gibt es doch kaum
eine trefflichere Formulierung als "ins Auge stechen" im
Zusammenhang mit dem Horror Genre. Altmeister Lucio Fulci hätte mir
da zu seinen Lebzeiten vermutlich zugestimmt.
Jedenfalls ähnelt diese britische
Produktion dem italienischen Klassiker insofern, dass sie im selben
Jahr in Schwarz-Weiß gedreht wurde und mit einer öffentlichen
Hexenverbrennung beginnt.
Da es sich nicht um eine geschichtliche
Aufarbeitung des Themas, sondern um einen Genrefilm handelt, versteht
es sich von selbst, dass hier keine Unschuldige auf dem
Scheiterhaufen vor sich hin brutzelt. Wie der Hexe Asa in "Die Stunde..." gelingt es
auch der bösen Zauberin Elizabeth Selwyn vor ihrem Flammentod noch
einen Fluch auszusprechen, der die Dorfbewohner und deren Nachkommen
hart treffen soll.
"Stadt der Toten" steht eindeutig in der Tradition der Hammer Studios. Er ist trotz (im Hinblick auf seine Entstehungszeit) eines beachtlichen Bodycounts und einigen sehenswerten
Effekten erzähltechnisch weniger ernsthaft als "Die
Stunde wenn Dracula kommt".
Was man an Moxeys Werk jedenfalls positiv hervorheben kann, ist die rasant erzählte Geschichte und eine geradezu
frivole Anhäufung und Übersteigerung von allen damals gängigen
Gruselfilmklischees (Nebel, Kreuze, Spinnweben etc.), garniert mit der ein oder anderen skurrilen Begebenheit.
Nebel so weit das Auge reicht |
Dass Nan ihrem dubiosen, leicht
griesgrämigen, wild mit den Augen rollenden Professor Driscoll (Christopher Lee), der
eine offensichtliche Tendenz zu dogmatischer Lehre im Unterricht
hat, mehr Vertrauen schenkt als ihrem Freund oder Bruder lassen wir
mal so durchgehen. Immerhin ist sie – wie man es von Frauen in den
60er Jahren gemeinhin erwartete – getrieben von Neugier und Naivität.
Doch dass sie durch die dicksten
Nebelschwaden aller Zeiten allein nach Whitewood reist und mitten auf
einer einsamen Landstraße den erstbesten Anhalter mitnimmt, grenzt beinahe schon an ein infantiles Vertrauen in die Menschheit. Nicht
einmal die bösesten Blicke der gespenstisch zwischen Nebelschwaden auftauchenden
dunkel gekleideten DorfbewohnerInnen vermögen es, das sonnige Gemüt
von Nan zu trüben.
Sie ist so gutherzig, dass sie
sich nicht einmal über die Lärmbelästigung in ihrem Zimmer im Raven's Inn beschwert. Weder die choralen Gesänge,
die direkt aus der Luke im Boden aus dem Keller zu kommen scheinen, noch die Tanzveranstaltung, die eines Abends direkt vor ihrer
Zimmertür stattfindet, bringen sie aus der Fassung.
Auch dass ihr ein wertvolles Schmuckstück, noch dazu ein Unikat, scheinbar aus ihrem Zimmer entwendet wurde, nimmt sie sichtlich gelassen. Wird schon wieder auftauchen meint sie sinngemäß noch zu Mrs. Knowless, die ihren jungen Gast wie immer mit unverhohlener Arroganz behandelt.
Auch dass ihr ein wertvolles Schmuckstück, noch dazu ein Unikat, scheinbar aus ihrem Zimmer entwendet wurde, nimmt sie sichtlich gelassen. Wird schon wieder auftauchen meint sie sinngemäß noch zu Mrs. Knowless, die ihren jungen Gast wie immer mit unverhohlener Arroganz behandelt.
Nan bleibt auch in dieser Situation höflich und guter Dinge. Sie ist in der Tat das beste Opfer, das
man sich als Zirkel von TeufelsanbeterInnen so wünschen kann.
Die ganze Chose wird durch zahlreiche schrullige Charaktere und den heldenhaften Aktionismus von Nans
Männern, die sich schon bald auf die Suche nach der schönen
Studentin begeben, enorm aufgelockert. So läuft man wenigstens nicht Gefahr, in das
allseits bekannte Wachtraum-Delirium, das bei manchen Hammer Filmen
ausgelöst werden kann, zu verfallen.
Patricia Jessel als Hexe Selwyn - beeindruckend! |
In Puncto Ausstrahlung und
Leinwandpräsenz steht Patricia Jessel als Hexe Elizabeth Selwyn bzw.
Pensionsbesitzerin Mrs. Knowless dem charismatischen Christopher Lee
in nichts nach.
Valentine Dyall (u.a. bekannt aus "Bis
das Blut gefriert") als mysteriöser Jethrow Keane ist ebenfalls
eine hervorragende Besetzung für diese Rolle.
Blinde Priester, die mehr wissen, als
ihnen gut tut und eine Aura des Prophetischen verströmen, sind natürlich für jeden Genrefilm eine Bereicherung. Diesen Effekt hat (später) nicht nur
George Romero ("Zombie") genutzt.
Norman MacOwan als blinder Mann Gottes
war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits über Achtzig und gab für
die letzte Performance seines Lebens sein Bestes. Er gehört
ebenfalls zu den Persönlichkeiten, die im Gedächtnis bleiben.
"Die Stadt der Toten" ist ein äußerst erquicklicher früher Okkult Grusler, der trotz oder gerade wegen eher geringer Ernsthaftigkeit so viel Charme und Leidenschaft
versprüht, dass er es keinesfalls verdient hat, im Nebel der
Vergessenheit zu versinken. Sogar wenn die Schwaden so dicht sein mögen wie auf dem Filmset.
Foto: DVD vom Label VCI und Blu Ray von Arrow Video