Sonntag, 7. Juni 2020

THE CITY OF THE DEAD (1960)














STADT DER TOTEN
HORROR HOTEL (Alternativtitel)

Großbritannien 1960
Regie: John Llewellyn Moxey
DarstellerInnen: Patricia Jessel, Dennis Lotis, Christopher Lee, Tom Naylor, Betta St. John, Venetia Stevenson, Valentine Dyall u.a.

Inhalt:
Studentin Nan Barlow lässt sich weder von ihrem Geliebten noch von ihrem Bruder überreden, einem Familienfest beizuwohnen und reist stattdessen aufgrund einer Empfehlung ihres Geschichtsprofessors Driscoll in das entlegene Dorf Whitewood. Dort möchte sie der Legende um einen Hexenfluch nachforschen. Als sie nicht zu der vereinbarten Zeit zurückkommt und sich auch nicht mehr meldet, machen sich die beiden Männer selbst auf den Weg in das mysteriöse Dorf...


Nan - neugierig und viel zu nett


Patricia Jessel und Christopher Lee - ein Dreamteam des Bösen


Wer den stilprägenden und unvergleichlichen italienischen Kultfilm "Die Stunde wenn Dracula kommt" kennt, dem werden bereits zu Beginn von "Stadt der Toten" einige unverkennbare Parallelen ins Auge stechen.
Im Grunde genommen gibt es doch kaum eine trefflichere Formulierung als "ins Auge stechen" im Zusammenhang mit dem Horror Genre. Altmeister Lucio Fulci hätte mir da zu seinen Lebzeiten vermutlich zugestimmt.
Jedenfalls ähnelt diese britische Produktion dem italienischen Klassiker insofern, dass sie im selben Jahr in Schwarz-Weiß gedreht wurde und mit einer öffentlichen Hexenverbrennung beginnt.
Da es sich nicht um eine geschichtliche Aufarbeitung des Themas, sondern um einen Genrefilm handelt, versteht es sich von selbst, dass hier keine Unschuldige auf dem Scheiterhaufen vor sich hin brutzelt. Wie der Hexe Asa in "Die Stunde..." gelingt es auch der bösen Zauberin Elizabeth Selwyn vor ihrem Flammentod noch einen Fluch auszusprechen, der die Dorfbewohner und deren Nachkommen hart treffen soll.

"Stadt der Toten" steht eindeutig in der Tradition der Hammer Studios. Er ist trotz (im Hinblick auf seine Entstehungszeit) eines beachtlichen Bodycounts und einigen sehenswerten Effekten erzähltechnisch weniger ernsthaft als "Die Stunde wenn Dracula kommt".
Was man an Moxeys Werk jedenfalls positiv hervorheben kann, ist die rasant erzählte Geschichte und eine geradezu frivole Anhäufung und Übersteigerung von allen damals gängigen Gruselfilmklischees (Nebel, Kreuze, Spinnweben etc.), garniert mit der ein oder anderen skurrilen Begebenheit.


Nebel so weit das Auge reicht


Dass Nan ihrem dubiosen, leicht griesgrämigen, wild mit den Augen rollenden Professor Driscoll (Christopher Lee), der eine offensichtliche Tendenz zu dogmatischer Lehre im Unterricht hat, mehr Vertrauen schenkt als ihrem Freund oder Bruder lassen wir mal so durchgehen. Immerhin ist sie – wie man es von Frauen in den 60er Jahren gemeinhin erwartete – getrieben von Neugier und Naivität.
Doch dass sie durch die dicksten Nebelschwaden aller Zeiten allein nach Whitewood reist und mitten auf einer einsamen Landstraße den erstbesten Anhalter mitnimmt, grenzt beinahe schon an ein infantiles Vertrauen in die Menschheit. Nicht einmal die bösesten Blicke der gespenstisch zwischen Nebelschwaden auftauchenden dunkel gekleideten DorfbewohnerInnen vermögen es, das sonnige Gemüt von Nan zu trüben.
Sie ist so gutherzig, dass sie sich nicht einmal über die Lärmbelästigung in ihrem Zimmer im Raven's Inn beschwert. Weder die choralen Gesänge, die direkt aus der Luke im Boden aus dem Keller zu kommen scheinen, noch die Tanzveranstaltung, die eines Abends direkt vor ihrer Zimmertür stattfindet, bringen sie aus der Fassung.
Auch dass ihr ein wertvolles Schmuckstück, noch dazu ein Unikat, scheinbar aus ihrem Zimmer entwendet wurde, nimmt sie sichtlich gelassen. Wird schon wieder auftauchen meint sie sinngemäß noch zu Mrs. Knowless, die ihren jungen Gast wie immer mit unverhohlener Arroganz behandelt.
Nan bleibt auch in dieser Situation höflich und guter Dinge. Sie ist in der Tat das beste Opfer, das man sich als Zirkel von TeufelsanbeterInnen so wünschen kann.

Die ganze Chose wird durch zahlreiche schrullige Charaktere und den heldenhaften Aktionismus von Nans Männern, die sich schon bald auf die Suche nach der schönen Studentin begeben, enorm aufgelockert. So läuft man wenigstens nicht Gefahr, in das allseits bekannte Wachtraum-Delirium, das bei manchen Hammer Filmen ausgelöst werden kann, zu verfallen.


Patricia Jessel als Hexe Selwyn - beeindruckend!


In Puncto Ausstrahlung und Leinwandpräsenz steht Patricia Jessel als Hexe Elizabeth Selwyn bzw. Pensionsbesitzerin Mrs. Knowless dem charismatischen Christopher Lee in nichts nach.
Valentine Dyall (u.a. bekannt aus "Bis das Blut gefriert") als mysteriöser Jethrow Keane ist ebenfalls eine hervorragende Besetzung für diese Rolle.
Blinde Priester, die mehr wissen, als ihnen gut tut und eine Aura des Prophetischen verströmen, sind natürlich für jeden Genrefilm eine Bereicherung. Diesen Effekt hat (später) nicht nur George Romero ("Zombie") genutzt.
Norman MacOwan als blinder Mann Gottes war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits über Achtzig und gab für die letzte Performance seines Lebens sein Bestes. Er gehört ebenfalls zu den Persönlichkeiten, die im Gedächtnis bleiben.

"Die Stadt der Toten" ist ein äußerst erquicklicher früher Okkult Grusler, der trotz oder gerade wegen eher geringer Ernsthaftigkeit so viel Charme und Leidenschaft versprüht, dass er es keinesfalls verdient hat, im Nebel der Vergessenheit zu versinken. Sogar wenn die Schwaden so dicht sein mögen wie auf dem Filmset.




Foto: DVD vom Label VCI und Blu Ray von Arrow Video