Sonntag, 20. November 2016

NERO VENEZIANO (1977)














DIE WIEGE DES TEUFELS
DIE HÖLLE SCHICKT IHREN SOHN (Videotitel)
SCHWARZES VENEDIG (Alternativtitel)

Italien 1977
Regie: Ugo Liberatore
DarstellerInnen: Renato Cestiè, Rena Niehaus, Yorgo Voyagis, José Quaglio, Olga Karlatos, Lorraine De Selle, Angela Covello, Fabio Gamma, Ely Galleani u.a.


Inhalt:
Die Waisenkinder Mark und Christine leben bei ihrer Großmutter in Venedig. Mark ist seit drei Jahren blind und permanent auf fremde Hilfe angewiesen. Seine Schwester Christine, die mit dem Künstler Giorgio liiert ist, kümmert sich nur widerwillig um ihren Bruder. Als die Oma bei einem etwas eigenartigen Brandunfall in der Kirche ums Leben kommt und die Geschwister bei Onkel und Tante in deren Hotel einziehen, häufen sich Marks Visionen. Immer wieder begegnet ihm darin ein unheimlicher dunkel gekleideter Mann, der eines Tages plötzlich real erscheint und im Familienhotel ein Zimmer bezieht. Marks Bedenken und Ängsten schenkt niemand Glauben.
Welche Bedrohung geht von dem mysteriösen Fremden aus und was plant dieser Mann?


Marc verzweifelt, Christine genervt


Der böse fremde Mann


Die Lagunenstadt Venedig verströmt, besonders wenn der Nebel um die maroden Hausfassaden und Brücken zieht, immer eine ästhetische Morbidität.
Auch Regisseur Ugo Liberatore ließ es sich nicht nehmen, seinen Horrorfilm in dieser Umgebung zu drehen.
Dennoch wurde mit der etwas wirren Geschichte und den unfreiwillig komischen Charakteren ein etwas anderer Weg eingeschlagen als beispielsweise bei einem Wenn die Gondeln Trauer tragen.
Mark (Renato Cestiè) und Christine (Rena Niehaus) sind wirklich ein lustiges Gespann.

Christine zu Mark: "Giorgio hat gerade gesagt, dass er zu tun hat. Bist du außer blind auch noch schwerhörig?"
Christine zur Großmutter, die sie auf ihre Unpünktlichkeit anspricht: "Du hast leicht reden. Du musst ja auch nicht den Blindenhund spielen von morgens bis abends."

Am Anfang habe ich mich noch gefragt, ob die deutsche Synchro einfach so asozial wirkt oder ob die Rolle von Christine als zickende Schreckschraube tatsächlich so derb angelegt ist.
Ich gehe nun in der Tat davon aus, dass Letzteres zutrifft.
Fakt ist: der arme blinde Junge wird von Anfang bis zum Ende nur schwach angeredet, belächelt und beleidigt.
Nicht nur, dass er permanent von Christine und anderen Spott und Hohn ertragen muss. Er leidet auch noch unter schrecklichen Visionen, wofür er sich ebenfalls Einiges anhören muss.
Zudem rempelt er wiederholt lautstark gegen irgendwelche Gegenstände und muss in plötzlich aus dem Wasserhahn auftauchende Regenwürmer und anderes ekliges Zeug greifen. Nein, der Junge hat es wahrlich nicht leicht.
Spätestens im ersten Drittel des Films, als Mark von den anderen unbeobachtet in der Kirche gegen eine Kerze poltert, die daraufhin das Kleid der Großmutter entzündet, wird es merkwürdig.
Das Gewand der Oma geht in Sekunden in Flammen auf, als wäre es zuvor mit Brandbeschleuniger übergossen worden.

Wem das nicht skurril genug ist, der darf sich über die (laut ihrem Liebhaber frigide) Jungfrau Christine freuen, die nach dem Tod von Tante und Onkel im geerbten Hotel ein Bordell eröffnet.
Dies wird allerdings von niemandem kommentiert, geschweige denn problematisiert. Man sieht nur, dass sie plötzlich ständig von "Freundinnen" umgeben ist und erfährt in lapidaren Nebensätzen, dass diese als Prostituierte für sie arbeiten.
Ihr Geschäft wird mit einer Selbstverständlichkeit dargestellt als hätte sie eine Pizzeria eröffnet.
Ihren Freund Giorgio scheint Christines Betätigung als Puffmutter nicht zu kümmern. Wenigstens hat er so die Möglichkeit, sich ab und zu eine der Angestellten seiner Frau "auszuleihen". Mal so für zwischendurch, ganz nebenbei.
Und als Christine von dem ominösen Fremden (von dem Marks Visionen handeln) auf biologisch unerklärliche Weise geschwängert wird, heiratet Giorgio seine untreue Geliebte und beginnt, ein Evangelium zu schreiben.
Genau, ein Evangelium! Eine logische Schlussfolgerung. Was soll er denn sonst tun? Schließlich hat dieser schlaue Mann den Verdacht, dass es ein Kind des Teufels ist und sieht sich fortan in der Rolle eines Chronisten.
Klingt das nicht nach herrlich verrücktem, deliriösem Fiebertraum?

Der ominöse Fremde selbst, der Mark in seinen Visionen heimsucht und den Teufel darstellen soll, erinnert mich von seinem Erscheinungsbild sehr an Freddie Mercury, was der Aura des Diabolischen nicht gerade zuträglich ist.


Olga zählen macht Laune


Die schöne Olga Karlatos ("Keoma", Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies) taucht zu Beginn in Marks Visionen auf. In einer küsst sie den Freddie Mercury ähnlichen Beelzebub, vor dem Mark solche Angst hat. Zum zweiten Mal sieht er sie in einer Gondel vorbeifahren. Giorgio erhascht ebenfalls einen Blick auf die Frau mit Kapuze.
Unerklärlicherweise ist es dann wieder Olga Karlatos, aber mit anderem Outfit und Style, die die Tante von Mark und Christine spielt.
Etwas betrübt war ich, dass diese dann schon sehr frühzeitig im Film ihr Leben lassen muss.
Ähnlich muss es Ugo Liberatore gegangen sein, der offenbar beschlossen hat, ihr dafür einige weitere Auftritte in "Die Wiege des Teufels" zu verschaffen.
Frau Karlatos taucht nämlich unverhofft als Mutter einer Freundin von Mark wieder auf und spielt zu einem späteren Zeitpunkt eine Hebamme. Am Ende des Films sitzt sie in einem bunten Poncho auf einem Stuhl und redet mit Mark. Wer sie (nun) ist, bleibt ohne Erklärung.


Würdet ihr diesem Priester eure Sünden beichten?


Der unverkennbar fies und finster aussehende José Quaglio, der den meisten aus The Child - Die Stadt wird zum Alptraum und Malastrana bekannt sein dürfte, mimt in "Die Wiege des Teufels" einen hinterhältigen Priester, der ganz offensichtlich mehr weiß als er zugibt.

Die Ekel- und Brutalo-Szenen erscheinen im Vergleich zu dem generell etwas schleppenden Tempo des Drehbuchs dezent übertrieben, aber immerhin gut platziert.

Dieser Film ist eine eigenwillige, aber unterhaltsame Verwurstung des Themas von "Rosemary's Baby", gespickt mit ein paar Ekelszenen, nackten Mädchen und atmosphärischen Aufnahmen des winterlichen Venedigs. Brian DePalmas Haus- und Hofkomponist Pino Donaggio hat dem Film einen verträumten Soundtrack beigesteuert.
Wer findet, dass Ugo Liberatores Erotikdrama "Bora Bora" etwas schräg ist, kann sich bei "Die Wiege des Teufels" auf eine deutliche Steigerung gefasst machen.




Ein paar Orte kamen mir nur allzu bekannt vor. Ich habe wohl einen ähnlichen Geschmack wie Ugo Liberatore...


1977


1977


Mein Foto aus dem Jahr 2013


1977


Eines meiner Fotos vom Friedhof 2009