Sonntag, 11. Dezember 2016

DOOMSDAY (2008)














DOOMSDAY – TAG DER RACHE

Deutschland, Großbritannien, Südafrika, USA 2008
Regie: Neil Marshall
DarstellerInnen: Rhona Mitra, Bob Hoskins, Adrian Lester, David O'Hara, Malcolm McDowell, Nora Jane-Noone, Craig Conway


Inhalt:
Der tödliche Reaper Virus bricht in Glasgow aus und verbreitet sich in rasender Geschwindigkeit unter der Bevölkerung Schottlands. Um einen weltweiten Ausbruch zu verhindern, werden Barrikaden und Mauern gebaut, die Schottland vom restlichen Großbritannien teilen. Die Menschen auf der "falschen Seite" werden sich selbst überlassen.
Über zwei Jahrzehnte später bricht das Virus überraschend in London aus. Die Regierung lüftet nun zwangsweise ein lange gehegtes Geheimnis: Es gibt Überlebende des ersten Ausbruchs. Spezialagentin Eden Sinclair wird mit einem Team nach Schottland geschickt. Ihr Auftrag: Sie hat 48 Stunden Zeit, den berühmten Dr. Kane, der einst an einem Impfstoff gegen das Virus gearbeitet hatte, zu finden...


Soldatin Eden Sinclair


Sol, umgeben von seiner Gefolgschaft


Diese Killer-Viren-Thematik löst seit jeher bei mir immer eine besonders intensive Beklemmung aus.
Die Horrorszenarien von überfüllten Krankenhäusern, die explosionsartige Verbreitung der Seuche gerade in Ballungsräumen und der Ausbruch von Chaos bis hin zum Zusammenbruch der Gesellschaft erscheint mir entsetzlich lebensnah.
Die Regeln der modernen Zivilisation, die in Extremsituationen nichts mehr Wert sind und Militär und Regierung, die durch Abschottung ganzer Landstriche versuchen, eine Eindämmung der Krankheit zu erreichen, wirken so bedrohlich nahe an der Realität.
Einzelne Menschen werden von einem Tag auf den anderen rechtlos und wertlos. Es zählt nur noch die zu schützende Mehrheit der Weltbevölkerung. Schottland von der Außenwelt abtrennen? Muss sein, bevor noch mehr Frauen, Männer und Kinder dem Virus zum Opfer fallen.
Neil Marshalls dritter Spielfilm beginnt mit einem starken Einstieg in genau dieses Katastrophenszenario, hebt sich im Verlauf aber deutlich ab von Seuchenfilmen wie "Outbreak" oder "Contagion".
Es wäre zu kurz gegriffen, ihn auf dieses Thema zu reduzieren. Denn "Doomsday" ist und kann noch viel mehr.

Die Story an sich ist absolut simpel, dafür sind die Charaktere umso sorgfältiger ausgearbeitet.
Die smarte und kampferprobte Heldin Eden Sinclair wird von der britischen Sängerin und Schauspielerin Rhona Mitra verkörpert. Gamer könnten die britische Schönheit als Live-Double des Computerspiel-Charakters Lara Croft (Tomb Raider) bereits registriert haben. Sie wirkte außerdem in diversen Filmen mit, u.a. an der Seite von berühmten Hollywood-Stars wie Kevin Spacey, Kate Winslet oder Jim Carrey und hatte ein paar Auftritte in TV-Serien.
Eden Sinclair ist eine Einzelkämpferin. Eine Frau, die sich von Befehlshabern nicht zur Marionette degradieren lässt und ihre Ziele mit eisernem Willen und Ehrgeiz verfolgt. Sie offenbart anderen nicht viel von ihrem Innenleben und vertraut niemandem. Sie ist eine Überlebende des ersten Ausbruchs und die Erfahrungen ihrer Kindheit haben sie deutlich geprägt.
Ihr Vorgesetzter und väterlicher Schirmherr/Berater Bill Nelson (ebenfalls toll besetzt durch den sympathischen Bob Hoskins) stellt den Gegenpol zu ihrem skrupellosen Auftraggeber Canaris, dem Vize Premier Minister von Großbritannien, dar.
Letzterer wird vom schottischen Darsteller David O' Hara zu einem markanten Charakter geformt. O'Hara dürfte eher niemandem aus dem Achtziger Jahre Tierhorrorfilm Link, der Butler (ich liebe ihn), aber Vielen als der verrückte Ire aus "Braveheart" bekannt sein. Vielleicht erinnert sich auch jemand an O'Hara als leicht debilen Fitzy in "Departed - Unter Feinden". Was auch immer dieser Mann in den letzten Jahren mit seiner Stimme angestellt hat – diese Tonlage und seine Art zu sprechen sind der Wahnsinn und verleihen der Rolle das markante, unverkennbare Etwas.
Originalton lohnt sich bei "Doomsday - Tag der Rache" auf jeden Fall. 

Düster in Szene gesetzte menschenleere Straßen, verlassene Städte, die von der Natur zurückerobert werden ("12 Monkeys" lässt ebenfalls grüßen) und raue schottische Hügellandschaften dominieren die pessimistische Bildsprache. Gebäude und verlassene Siedlungen als stumme Zeugen einer menschlichen Tragödie stehen wie Mahnmale inmitten einer langsam verfallenden Szenerie.
In einer unwirtlichen heruntergekommenen Stadt hat sich die wilde Punk-Meute um den charismatischen Sol, der sich wie ein Rockstar gebahrt, versammelt. Sie sind mit aufgemotzten schnellen Fahrzeugen unterwegs, feiern ausgelassene Parties (mit lässigem Sound von "Siouxsie and the Banshees" und "Fine young cannibals") und gönnen sich auch schon mal Menschenfleisch vom Grill.
Eine andere Gruppe von Menschen hat sich in den Schutz von alten Festungsmauern zurückgezogen und die Zeit der Ritter und Burgherren wieder aufleben lassen. Die Gemeinde rund um den paranoiden Wissenschaftler Kane spielt Mittelalter und lässt ihre Feinde bei Gladiatorenkämpfen in einer Art Arena antreten.
Als Drehort für die Innenaufnahmen und als Kulisse für Außenaufnahmen diente das Blackness Castle im schottischen Ort Blackness. Was für ein toller Name für ein Dorf!
("Zufällig" war ich dieses Jahr vor Ort, Drehort-Special hier.)

Kommerziell wenig erfolgreich und sein Publikum sehr spaltend, kann "Doomsday" aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Auf der einen Seite wird er von einem Teil des Publikums als unausgegorener Genremix zwischen Seuchen- Endzeit und Actionfilm verunglimpft. Nach Marshalls kommerziell erfolgreichen The Descent - Abgrund des Grauens dürfte sein darauf folgendes Werk viele Erwartungen enttäuscht haben.
Es gibt aber bestimmt auch genügend Leute, die wie ich schätzen, was für eine liebevolle Hommage an das Actionkino der End- 70er/Anfang 80er Jahre der Regisseur da für uns gebastelt hat.
Alle, die "Die Klapperschlange", "Mad Max 2", "Die Warriors", "Coffy die Raubkatze" oder "Aliens – Die Rückkehr" zu ihren Lieblingsfilmen zählen, können sich mit einem genüsslichen Grinsen zurücklehnen, die dynamische Action in Kampf- und Verfolgungsjagd-Sequenzen genießen und sich freuen, wie Marshall seinen Vorbildern huldigt.
Als Neuem gegenüber aufgeschlossener Fan dieser Werke kommt man auf jeden Fall auf seine Kosten.

Wichtig: Auf jeden Fall die österreichische Veröffentlichung kaufen, die deutsche ist um ca. 10 Minuten gekürzt.




Foto: NSM VÖ