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Freitag, 31. Dezember 2021

DÈMONI (1985)








DÄMONEN 2

Italien 1985
Regie: Lamberto Bava
DarstellerInnen: Urbano Barberini, Natasha Hovey, Paola Cozzo, Karl Zinny, Fiore Argento, Nicoletta Elmi, Alex Serra, Michele Soavi, Bettina Ciampolini, Sally Day, Bobby Rhodes, Giovanni Frezza u.a.

Inhalt:
Studentin Cheryl wird in einer Berliner U-Bahn Station von einem mysteriösen Fremden, der Flyer verteilt, zu einer Gratis Kinovorstellung eingeladen. Sie nimmt ihre Freundin Liz mit. Als eine Frau aus dem Publikum sich in einen Dämon verwandelt und Cheryl und die anderen BesucherInnen feststellen, dass sie im Kino eingeschlossen sind, beginnt der verzweifelte Kampf um Leben oder Tod…


Die Platzanweiserin (Nicoletta Elmi)


Frauen sind generell ängstliche zarte Wesen


Unsere Hauptdarstellerin Cheryl (Natasha Hovey) wirkt schon in den ersten Minuten des Films wie eine eher furchtsame Person, wenn sie in der U-Bahn ihren Blick mit weit aufgerissenen Augen unsicher über die mitfahrenden Punks streifen lässt. Sie strahlt etwas Kindliches und Naives aus – eine klassische Klischee-Frauenrolle, wie sie öfters in Produktionen dieser Zeit, die mit dem Namen Argento irgendwie in Verbindung stehen, zu identifizieren sind.

Die Frauen in "Dämonen 2" sind genau genommen durch die Bank entweder ziemlich (durchtriebene) Luder, Flittchen oder eben arme ängstliche Mädchen, die von den Männern mit besonders maskuliner Ausstrahlung und strammen Körperbau (Urbano Barberini oder Bobby Rhodes) gerettet werden müssen und selbstverständlich auch wollen.
Auf der anderen Seite könnte man auch sagen, dass der Film mit diesen Frauenbildern dem (Kino-)Publikum der Achtziger Jahre einen Spiegel vor die Augen hält, in den man heute vielleicht eher nicht mehr gerne länger hinein blickt oder in dem man meint, sich selbst nicht zu reflektieren...

Das handlungstechnisch omnipräsente Spiel mit den verschiedenen Ebenen der Wahrnehmung, also was sich zwischen der Leinwand und dem Publikum im Film und zwischen uns als ZuschauerIn abspielt, ist mit einem verschmitzt-sympathischen Augenzwinkern versehen. Die Handlung ist scheinbar nebensächlich. Dem Kinopublikum in "Dämonen 2" geht es vornehmlich darum, sich zu gruseln und genau das ist es, was wir uns selbst vorrangig von diesem Film erwarten dürfen.
Die Effekte sind bunt und gespickt mit Referenzen an das phantastische Kino der Achtziger Jahre. Die Verwandlungsszenen und Effekte wecken Reminiszenzen an "Tanz der Teufel" (nicht nur beim Namen der Protagonistin "Cheryl"), American Werewolf (nicht nur die körperliche Transformation sondern auch die ähnlich inszenierte Sequenz mit den Punks in der U-Bahn), "Nosferatu – Phantom der Nacht" (von dem auch ein Filmplakat im Hintergrund zu sehen ist). Bei der Gruppe von Punks, die als Unbeteiligte verspätet ins Metropol gelangen und auch der Auswahl von Musik entdeckt man (unbeabsichtigte) Parallelen zu einem unter Horrorfans bis heute noch populären Film wie Return of the living dead, der ebenfalls im Jahr 1985 entstand.


Michele Soavi verteilt Flyer

Mit dem Schauspieler und Regisseur Michele Soavi wurde jemand gecastet, der mit seinen Arbeiten nicht nur selbst wunderbare Beiträge zum Genrekino abgeliefert hat, sondern sich auch durch seine Zusammenarbeit mit Dario Argento auszeichnete und als Nebendarsteller in Lucio Fulcis Ein Zombie hing am Glockenseil einen denkwürdigen Auftritt hatte.

Nicoletta Elmi in der Rolle einer geheimnisvoll wirkenden Platzanweiserin stellt sogar eine Querverbindung zwischen dem Namen Bava und Argento her. Immerhin spielte sie als einstige Kinderdarstellerin mit mysteriöser Aura und ernstem Blick sowohl in mehreren Produktionen Mario Bavas als auch in "Profondo Rosso" von Dario Argento eine wichtige Rolle.

Argento selbst soll laut überlieferten Aussagen des Regisseurs Lamberto Bava nicht nur als Produzent fungiert, sondern großen inhaltlichen Einfluss auf das Drehbuch und die Gestaltung des Films genommen haben.


Das Kino

Kino sowohl im übertragenen als auch im ganz substanziellen, wörtlichen Sinn, ist das zentrale Thema bei "Dämonen 2".
Der Filmpalast namens Metropol, in dem sich die Dämonen und das anfangs noch ahnungslose Publikum befinden, wirkt auf den wenigen Außenaufnahmen selbst wie eine mächtige, dunkle Entität. Ein architektonisch gewaltiger Klotz, der in den dunkelrot glühenden Horizont ragt. Wenn das mal kein (schlechtes) Omen ist.


Grüner Schleim, rot-orange Augen. Hauptsache bunt

Auf jeden Fall sehe ich mir diesen Film immer wieder gerne an, weil er laut und bunt, bisweilen skurril und schlichtweg ein charmantes Produkt seiner Zeit ist. Die quirlige Lebendigkeit der actionreichen Handlung und die Exzentrik der einzelnen Charaktere sind ein Zeugnis von Kreativität, Ideenreichtum und Experimentierfreude. Diese Zuschreibungen können auch als wunderbar passende Allegorie zum Drehort Berlin gelesen werden.
Lamberto Bava war sich auch nicht zu schade für skurrile Wendungen und schelmischen Humor.


Zuerst blind, jetzt auch noch ohne Augäpfel

Als Beispiel kann der blinde Kinobesucher, der von seiner attraktiven Frau während des Films im Nebenraum betrogen wird benannt werden. Oder der Zuhältertyp und seine Begleiterinnen, die sich in der ersten Reihe wie renitente Jugendliche benehmen und kichern, als sie vom Kinopersonal aufgefordert werden müssen, das Rauchen einzustellen. Oder der Mini-Dämon, der ähnlich wie das Alien in Ridley Scotts gleichnachmigen Film aus einem menschlichen Körper herausbricht. Bisweilen wirkt "Dämonen 2" sogar wie ein schrilles Musikvideo.

Überraschenderweise ändert sich die zwar gorige, aber doch eher spaßige Atmosphäre radikal nach dem Durchbruch des Hubschraubers durch die Kinodecke. Cheryl und George können dadurch zwar der klaustrophobischen Enge des Gebäudes entkommen, finden sich jedoch in einem noch schlimmeren Alptraum wieder, denn die Welt ist während ihrem Überlebenskampf im "Metropol" bereits komplett aus den Fugen geraten. So steuern sie unerwartet auf ein apokalyptisches Ende zu, das ganz in der Tradition von Altmeister Lucio Fulci steht und an dessen düsterste Horrorfilme wie Woodoo-Schreckensinsel der Zombies, Ein Zombie hing am Glockenseil oder Über dem Jenseits erinnert.

Wie ich diversen Kommentaren in den Untiefen des Internets entnehme, kommt "Dämonen 2" bei allen, die ihren eigenen Begriff von Logik über den Wert von Unterhaltung stellen, nicht wirklich gut weg.
Ich denke, dies kann man - je nach persönlicher Präferenz - getrost als berechtigten Einwand, Warnung, vielleicht aber auch als paradoxe Form von Empfehlung verstehen.




Foto: DVDs vom Label Dragon und Raptor




Foto: XT Hartbox und XT Mediabook




Foto: Arrow 4K UHD Veröffentlichung




Foto: Der Soundtrack auf blauem Vinyl



Sonntag, 12. März 2017

IL MEDAGLIONE INSANGUINATO (1975)















THE NIGHT CHILD
THE CURSED MEDALLION (Alternativtitel)

Italien 1975
Regie: Massimo Dallamano
DarstellerInnen: Richard Johnson, Ida Galli (Evelyn Stewart), Nicoletta Elmi, Lila Kedrova, Joana Cassidy u.a.


Inhalt:
BBC Dokumentarfilmer und Kunstexperte Michael Williams reist in Begleitung seiner Tocher Emily und dessen Kindermädchen Jill nach Spoleto, Italien. Hier soll sein nächster Film gedreht werden, in dem es um die Darstellung des Teufels in Gemälden geht. Besonders das Gemälde mit einer brennenden Frau zieht Michael in seinen Bann. Es ist noch nicht lange her, dass seine eigene Frau, Emilys Mutter, bei einem Brandunfall ungeklärter Ursache ums Leben kam.
Emily verhält sich gegenüber ihrem Vater immer vereinnahmender und besitzergreifender. Auch ihre Anfälle, bei denen sie schreit und aggressiv wird, treten in Spoleto häufiger auf.
Contessa Cappelli, Kunstkennerin und Medium, warnt Michael vor dem Gemälde und dem Aufenthalt in Spoleto...


Verängstigte Emily


Gräfin Cappelli warnt vor dem Gemälde


Als wir in einem Kaufhaus in Genua im Jahr 2007 die italienische Silberling-Veröffentlichung von "Il medaglione insanguinato" in den Händen hielten, war unsere Vorfreude auf den Film immens.
Wir hatten das erhabene Gefühl, gerade einen kleinen cineastischen Schatz aus den Untiefen der DVD Abteilung gehoben zu haben. Immerhin galt dieses Massimo Dallamano Werk damals noch als Geheimtipp. Zuerst nur in Japan in digitaler Form veröffentlicht, wurde "Il medaglione insanguinato" 2005 auf der Biennale anlässlich der Ausstellung "Storia segreta del Cinema Italiano" gezeigt und war seitdem auch in Italien erhältlich.

Wir sollten nicht enttäuscht werden. Es war Liebe auf den ersten Blick. Die leicht verworrene Story rund um das verfluchte Medaillon und Emilys Besessenheitszustände klärt sich bis zum Ende nicht bis ins Detail auf. Aber sie dient als gelungener Rahmen für die atmosphärischen Bilder von Spoleto und das stimmungsvolle Schauspiel von Kinderstar Nicoletta Elmi in der Rolle der Emily (The Child - Die Stadt wird zum Alptraum, Spuren auf dem Mond, Baron Blood u.a.).
Die junge Elmi beweist auch in "Medaglione", dass sie ihrer kindlichen Unschuld zum Trotz die zwielichtige, dämonische Seite ausdrucksstark auf der Leinwand zur Geltung bringen kann.

Durch das intensive Schauspiel Elmis und den Verzicht auf reißerische Effekte wird Emily als innerlich zerrissene, leidende Seele dargestellt.
Über einen längeren Zeitraum wird nicht klar, ob das frühpubertäre Mädchen unter einem Problem lediglich psychologischer Natur leidet oder ob tatsächlich übernatürliche Kräfte oder gar der Teufel selbst mitmischen.
Woher der häufig bemühte Vergleich mit "Der Exorzist" oder Das Omen kommt, erschließt sich mir auch nach wiederholter Sichtung nicht wirklich.  Die diabolische Besessenheit wird in Dallamanos Film weniger plakativ und exploitativ als in "Der Exorzist" oder ähnlichen Werken präsentiert.
Für mich steht bei "Il medaglione insanguinato" keine Besessenheits-Geschichte im Vordergrund und Emily ist auch sicher nicht die Antichristin. Eher die Reinkarnation einer gewissen Emilia, deren Geschichte sich durch Emily wiederholen soll/wird...

Der britische Schauspieler Richard the boat can leave now – tell the crew Johnson überzeugt in der Rolle des Vaters und die in anderen Filmen tendenziell extravagant wirkende Ida Galli (Un bianco vestito per Marialé) bleibt tatsächlich in ihrem Auftreten so blass wie das unscheinbare Kindermädchen, das sie mimt.
Lila Kedrova, die im selben Jahr gemeinsam mit Nicoletta Elmi für Bazzonis Meisterwerk Spuren auf dem Mond vor der Kamera stand, überzeugt als medial begabten Gräfin.


Spoleto düster


Spoleto in der Vergangenheit


Die Ausleuchtung der verwinkelten Gassen und historischen Gemäuer Spoletos und die von diffusem Licht dominierten Traum- und Vergangenheits-Szenen zeugen von Liebe zum ästhethischen Detail. Sonnenuntergänge, die den Himmel in phantastischen Farben zum Leuchten bringen sind ebenso morbide in Szene gesetzt wie die von Verfall bedrohten Gemäuer. Das Spiel von Licht und Schatten, das in dem diabolischen Gemälde, das Michael so fasziniert, sehr prägnant ist, begegnet uns wieder in den changierenden Farben und Lichtverhältnissen des Films.
Der etwas beschwingt wirkende Soundtrack aus der Feder Stelvio Ciprianis täuscht nur in Ansätzen und vor allem durch sein Tempo über das eher von Melancholie bestimmte Thema der Musik hinweg und gehört für mich zweifelsohne zu Ciprianis besten Scores.

Das Ende ist von unglaublichem Fatalismus geprägt. Niemand kann und soll seiner Vorherbestimmung entfliehen.
Massimo Dallamano hat mit "Il medaglione insanguinato" einen Film geschaffen, der ganz in der Tradition des Gotik-Kinos eines Mario Bava oder Riccardo Freda steht und einen Vergleich mit den genannten Regisseuren nicht scheuen muss.
Unverständlicherweise wird diesem Film nach wie vor auch in der Italokino-Fangemeinde nicht die gebührende Wertschätzung zuteil.


Fotos vom Drehort Spoleto gibt es hier zu sehen.





Foto: IIF Home Video, Arrow Video (vlnr.)



Freitag, 12. Februar 2016

LE ORME (1975)














SPUREN AUF DEM MOND

Italien 1975
Regie: Luigi Bazzoni
DarstellerInnen: Florinda Bolkan, Nicoletta Elmi, Peter McEnery, Caterina Boratto, John Karlsen, Esmeralda Ruspoli, Luigi Antonio Guerra, Ida Galli, Lila Kedrova, Klaus Kinski u.a.


Inhalt:
Die in Rom lebende Dolmetscherin Alice Cespi ist überarbeitet, nimmt zu viele Psychopharmaka und hat Wach- und Alpträume über den Mond. Darin werden von einem gewissen Professor Blackmann Menschenexperimente durchgeführt. Seit Neuestem leidet Alice an einer rätselhaften Amnesie. Sie kann sich an die letzten drei Tage ihres Lebens partout nicht erinnern. Eine Postkarte, die sie in ihrer Wohnung findet, zeigt das Hotel Garma, das sich  in dem gleichnamigen geheimnisvollen Ort befindet.
Alice bucht den nächsten Flug nach Garma, wo sie in besagtem Hotel eincheckt und feststellt, dass es hier offenbar Menschen gibt, die sich an sie zu erinnern scheinen.
Allerdings behaupten das Mädchen Paula und andere, dass sie eine gewisse Nicole sein soll und vor ein paar Tagen bereits hier war. Alice begibt sich auf Spurensuche, doch die ganze Angelegenheit wird immer verstörender und verwirrender...


Auch diese Frisur mindert nicht die Ausstrahlung einer Bolkan


Nicoletta Elmi zeigt sich wie so oft mysteriös


Luigi Bazzonis fünfter und letzter Spielfilm "Spuren auf dem Mond" erinnert formal und thematisch sehr an sein Erstlingswerk La donna del lago.
In beiden Regiearbeiten Bazzonis geht es um die nur allzu schnell verschwimmenden Grenzen zwischen Realität und wahnhaftem Erleben. In beiden muss sich der Protagonist respektive die Protagonistin der Frage stellen, was objektive Tatsachen und was subjektive Interpretation ist. Was entspringt der eigenen Phantasie, was findet nur im  Kopf statt und was nicht?
Und beide sind einsam und auf sich allein gestellt auf der Suche nach der Wahrheit. Gerade dieses Bestreben nach einer Aufklärung bestimmter Ereignisse scheint sie von ihren Mitmenschen regelrecht zu entfremden. Das Misstrauen in einer als feindlich wahrgenommenen Welt ist allgegenwärtig.
Somit schließt sich der von Bazzoni gezogene Kreis, wenn sich Alice ähnlich wie der Autor Bernard durch eine von Alpträumen verdunkelte Welt kämpft.

Florinda Bolkan, die Alice Cespi spielt und bei Una lucertola con la pelle di donna ebenfalls eine Frau verkörpert, die psychisch instabil und fragil wirkt, kann man einfach nur bewundern.
Nicht nur wegen ihrer Vielseitigkeit als Schauspielerin, sondern auch, weil sie es schafft, in "Spuren auf dem Mond" trotz dieser befremdlich wirkenden Großmutter-Kurzhaarfrisur Respekt einflößend und stolz zu wirken und dabei zunehmend verunsichert und perspektivlos.
Der Ausstrahlung der faszinierenden Florinda Bolkan ist es unter anderem zu verdanken, dass man in "Spuren auf dem Mond" rapide hineingezogen wird in diesen Sog von Paranoia und unwillkürlich vom rationalen Ufer abgetrieben wird von dieser Welle der Verstörung, Verunsicherung und Verwirrung.


Was sagt uns diese Wohnung über ihre Bewohnerin?


Ausgangspunkt für diese dramatische Geschichte ist Alices Wohnung in Rom. Diese erweckt den Eindruck, als wäre ihre Bewohnerin oder ein Teil von ihr niemals dort angekommen. Es gibt keine Farben, keine Bilder an der Wand, die Regale sind nur spärlich belegt.
Es finden sich keine Hinweise auf ihre Interessen oder Einrichtungsgegenstände, die etwas über ihren Charakter aussagen könnten. Das dominierende Weiß und Grau wirkt wie eine Metapher, die Farben wie eine Manifestation der Persönlichkeit dieser einsamen Frau. Eine Frau, die nicht so recht weiß, wer sie ist und wohin sie will.

Neben Florinda Bolkan muss selbstverständlich Nicoletta Elmi ("Profondo Rosso", The Child - Die Stadt wird zum Alptraum, Baron Blood) erwähnt werden.
Sie spielt das geheimnisvoll wirkende Mädchen Paula, Alices erste Begegnung am Strand von Garma. Paula wirkt dubios, als wisse sie um ein Geheimnis, das sie vor Alice verbirgt.
Nicht nur, dass Paula die Dolmetscherin anfangs für eine gewisse Nicole hält. Das rothaarige Mädchen mit dem ernsten Gesicht erweckt den Eindruck als sei sie ständig auf der Hut, vielleicht sogar auf der Flucht. Wovor? Vor wem?

Lila Kedrova, die im selben Jahr für Il medaglione insanguinato gemeinsam mit Elmi vor der Kamera stand, ist als die exzentrische ältere Dame Mrs. Heim sehr passend besetzt. Diese Lady wirkt auf den ersten Blick warm und herzlich. Doch kann Alice ihr wirklich trauen?
Klaus Kinski tritt in einer kleinen Nebenrolle als ominöser Professor Blackmann in Erscheinung, der Alice in ihren bizarren Träumen begegnet. Oder ist es gar eine vage Erinnerung an die Vergangenheit? Eine Zukunftsvision? Manche Neuropsychologen bezeichnen Träume auch schlicht und einfach als "eine Form des Wahnsinns"...


Wunderbarer Schauplatz


Ein weiterer Grund, warum "Spuren auf dem Mond" bannt und fasziniert, sind die Außenaufnahmen: Der Strand im fiktiven Ort Garma (gedreht wurde in der Türkei), der Friedhof, die imposanten grauen Mauern, an denen Alice wiederholt vorbei läuft, die Ruinen dieser antiken römischen Handelsstadt in einem Pinienwald am Meer.
Wunderschöne Aufnahmen und dennoch so von der Kamera eingefangen, dass eine wirkliche Urlaubsstimmung partout nicht aufkommen will. Es gibt keine Strandidylle, kaum Sonnenstrahlen und keinen Ort der Ruhe und Geborgenheit.
Alice wandelt wie eine Getriebene durch die Sets. Rastlos und ruhelos.
Nicht einmal die imposanten Räumlichkeiten, in die Harry sie einlädt, verhelfen Alice zu einem Gefühl der Sicherheit. Die Atmosphäre in den prunkvoll eingerichteten Räumen mit farbenprächtigen Glasmalereien verändert sich sehr schnell und ist abhängig von den gerade vorherrschenden Lichtverhältnissen.
Das Wechselspiel von Licht und Beleuchtung ist von einer besonderen Ästhetik, die neben dem Regisseur wohl auch dem geschulten Auge von Kameramann Vittorio Storaro (sorgte auch für das besondere optische Etwas in Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe) zu verdanken ist.

Der elegische und einprägsame Soundtrack des Oscar prämierten Komponisten Nicola Piovani, der eine für den Film ganz wesentliche Wirkung entfaltet, wurde in der synchronisierten deutschen Fassung (O-Ton: Englisch) durch eine ganz andere Melodie ersetzt.
Die im Vergleich recht seelenlos wirkende Musik der deutschen Fassung weckt bei mir Assoziationen zu TV-Serien der Achtziger Jahre. Unwillkürlich musste ich beim erstmaligen Hören an "MacGyver" denken. Ob es tatsächlich eine Ähnlichkeit gibt oder mir schlicht und einfach mein Fernsehserien-verseuchtes Gehirn einen Streich spielt?
Ich vermag es nicht genau zu sagen. Und schon fühle ich mich wie die Protagonistin in "Spuren auf dem Mond". Was ist schon real, was Einbildung? Wie anfällig unsere Wahrnehmung doch für Täuschungen ist...

Aufgrund der unaufdringlichen, sanften Art der Inszenierung und der Langsamkeit der Erzählung erreicht und berührt "Spuren auf dem Mond" bestimmt nicht jedes Cineastenherz. Dieser Film zählt definitiv zu den Werken, die eine starke Tendenz haben, ihr Publikum zu spalten.

Dezent umformuliert trifft mein Fazit von La donna del lago interessanterweise sogar fast noch besser auf "Spuren auf dem Mond" zu, weshalb ich wieder mit einer Parallele zwischen den beiden Spielfilmen abschließen möchte:
"Spuren auf dem Mond" kommt auf leisen Sohlen, verbreitet Gefühle von Beklemmung und Unbehagen und hinterlässt seine Fußabdrücke auf unserer Seele.
Nicht nur auf dem Mond.




Fotos: Die DVD von Shameless und die wunderbare VÖ von Koch Media




Freitag, 23. Oktober 2015

GLI ORRORI DEL CASTELLO DI NORIMBERGA (1972)














BARON BLOOD

Deutschland, Italien 1972
Regie: Mario Bava
DarstellerInnen: Elke Sommer, Joseph Cotten, Antonio Cantafora, Massimo Girotti, Rada Rassimov, Umberto Raho, Luciano Pigozzi, Nicoletta Elmi u.a.


Inhalt:
Es waren düstere Zeiten, als der sadistische Baron Otto von Kleist noch  in seinem Schloss hauste und seine Folter- und Mordwerkzeuge an unschuldigen Bürgern testete. Doch diese sind schon lange vorbei. Peter Kleist, seines Zeichens ein Nachfahre des berüchtigten Barons, reist aus Amerika nach Österreich, um seinen Onkel zu besuchen und das Schloss seines berüchtigten Ahnen zu besichtigen. Im Gepäck hat er eine Beschwörungsformel der Hexe Elisabeth Holly, die den blutrünstigen Baron einst ins Jenseits befördert haben soll.
Da Peter ein experimentierfreudiger junger Mensch ist, schleicht er sich mit seiner neuen Bekannten Eva des nächtens ins Schloss, um die magischen Worte vor Ort auszusprechen. Fortan geschieht Unheimliches und die Morde rund um das Schloss mehren sich. Wurde der bösartige Baron durch die magischen Worte tatsächlich wiedererweckt?


Die HauptdarstellerInen in einem Bild


Angst


"Baron Blood" ist im Vergleich zu "Die Stunde wenn Dracula kommt" und anderen gotischen Gruselfilmen des Meister-Regisseurs Mario Bava nur wenig populär. Während andere seiner Filme mittlerweile Kultstatus erlangt haben, wird "Baron Blood" selbst unter Genre-Kennern eher marginal, wenn überhaupt, erwähnt.
Auch ich war von diesem Film über den wiedererweckten bösen Vorfahren bei der ersten Sichtung etwas enttäuscht. Und doch habe ich ihn über die Jahre und bei wiederholtem Ansehen immer mehr zu schätzen gelernt und möchte ihn in meiner persönlichen Film-Schatzkiste nicht missen.
Lieb gewonnen habe ich "Baron Blood" als ich gelernt habe, über schwache Drehbücher augenzwinkernd hinweg zu blinzeln und als ich endlich die Erkenntnis erlangte, dass es der Sache nicht dienlich ist, diese DVD nach 20 Uhr in den Player zu schieben... Es sei denn, man hat Einschlafprobleme - was bei mir ganz eindeutig nicht der Fall ist.

Heute sehe ich den Film mit anderen Augen und erfreue mich an der sympathischen Elke Sommer, die in aufreizenden kurzen Röcken und mit kunstvollem Augen-Make Up durch die Kulissen stolziert und die drollige Angewohnheit hat, sich vor Angst mehrere Finger in den Mund zu schieben und ihr Gesicht dadurch zu einer lustigen Grimasse zu verzerren.
Joseph Cotten, dessen Tendenz zum Over-Acting in diesem Film deutlich weniger ins Gewicht fällt als in Insel der neuen Monster beeindruckt durch seine bedrohliche Aura. Der amerikanische Schauspieler befand sich in dieser Phase seiner Karriere nicht gerade am Höhepunkt, und soll sich laut Insidern am Set sehr arrogant und zickig verhalten haben. Vermutlich benötigte er gerade etwas Geld, was erklären würde, weshalb er in den Siebzigern so manchem europäischen B-Movie auftaucht.
Rada Rassimov, die Schwester ihres ungleich bekannteren Bruders Ivan, gibt ihrer Rolle durch ihre enorme Leinwandpräsenz eine Glaubwürdigkeit, von der sich alle anderen Mitwirkenden mehr als eine Scheibe abschneiden könnten.


Faszinierend: Rada Rassimov


Das unheimlichste rothaarige Mädchen, das Italien zu bieten hatte, war ohne Zweifel Nicoletta Elmi. Die augenscheinlich sehr begabte Kinderdarstellerin, die von einer Minute auf die andere von einem einnehmenden kindlichen Charme zu einem geheimnisvollen dämonischen Gesichtsausdruck wechseln konnte, mimt ein übersinnlich begabtes Mädchen mit einer sinistren Aura.
Ähnlich wie in "Profondo Rosso" und Il medaglione insanguinato gibt Elmi ihren überzeugenden finsteren Blick zum Besten und trägt einen wesentlichen Teil zur schaurigen Atmosphäre von "Baron Blood" bei.

Einige im Vergleich zu anderen Bava-Filmen blutrünstige, gut gemachte Effekte und geschickt platzierte Eigenzitate (man vergleiche zum Beispiel das vermeintliche Ende der bösen Hexe Asa Vajda in "Die Stunde wenn Dracula kommt" mit der Eisernen-Jungfrau-Szene Pigozzis in "Baron Blood") bewahren den Film vor allzu vielen Belanglosigkeiten.
Dass "Baron Blood" stilistisch nicht ganz so exakt durchkomponiert ist wie beispielsweise Blutige Seide oder Die drei Gesichter der Furcht wird wiederum durch die besonders schöne österreichische Burg Kreuzenstein als Kulisse wieder etwas ausgeglichen. (Fotos von der Burg findet ihr hier).
Wie man in der "Bava-Bibel" des Experten Tim Lucas nachlesen kann, soll der Maestro den Produzenten Alfredo Leone vor Freude über die Wahl des Drehorts sogar umarmt und geküsst haben. Kein Wunder beim Anblick dieses die Phantasie anregenden Bauwerks.

Äußerst gelungen sind besonders die trippigen Töne des Soundtracks (besonders der Song "Black Magic"), komponiert vom vielseitigen Komponisten Stelvio Cipriani.

"Baron Blood" ist der letzte Gotik-Film dieses Meisterregisseurs. Zugegeben kein Meisterwerk, aber im Vergleich zu dem meines Erachtens in vielen Szenen peinlicheren Shock ein sehenswerter Gruselfilm. Empfohlen für fortgeschrittene Bava KennerInnen.


Aktuelle Fotos des Drehorts Burg Kreuzenstein und Screenshots findet ihr hier




Foto: Die Sammlung eines Fanatikers




Foto: Wunderschöne VÖ von Koch Media






Sonntag, 30. November 2014

CHI L'HA VISTA MORIRE? (1972)














THE CHILD – DIE STADT WIRD ZUM ALPTRAUM

Italien 1972
Regie: Aldo Lado
DarstellerInnen: George Lazenby, Anita Strindberg, Peter Chatel, Adolfo Celi, Nicoletta Elmi, José Quaglio, Alessandro Haber u.a.


Inhalt:
Ein rothaariges Mädchen wird in Frankreich ermordet. Sein Kindermädchen kommt gerade noch rechtzeitig, um einer schwarz gekleideten Gestalt mit Trauerflor vor dem Gesicht am Tatort zu begegnen. Das Verbrechen wird nie aufgeklärt, die Akte geschlossen.
Ein paar Jahre später.
Franco freut sich über den Besuch seiner Tochter Roberta (ebenfalls rothaarig), die mit ihrer Mutter Elizabeth in London lebt. Er hat sich in Venedig als Künstler niedergelassen und in gewissen Kreisen auch etabliert.
Leider währt die Wiedersehensfreude nur kurz – Roberta verschwindet (währenddessen er sich mit einer Geliebten vergnügt) spurlos. Auch in ihrer Nähe wurde eine ominöse, schwarz gewandete Person gesehen. Am nächsten Morgen treibt Robertas Leiche im Canal Grande. Elizabeth und George kommen sich durch die gemeinsame Trauer wieder näher, aber George kann nicht loslassen und sucht unablässig nach dem Mörder seiner Tochter...


Bezaubernd: Roberta


Hobby: auf Tauben schießen. Ein Venezianer.


"The Child – Die Stadt wird zum Alptraum" ist nach seinem fulminanten Erstling Malastrana der zweite Film des gebürtigen Venezianers Aldo Lado. In Interviews berichtet der Regisseur gerne, wie sehr er sich gefreut hat, einen Film in den Gefilden seiner Kindheit drehen zu können.
Eindeutig profitiert "The Child" von seinen Insider-Kenntnissen über sehenswerte venezianische Gemäuer. Lado hat für Schlüsselszenen bewusst Plätze und Gassen, die etwas weniger touristisch okkupiert sind, gewählt.
Gedreht wurde der Giallo im Spätherbst des Jahres 1972, also zu einer Jahreszeit, in der man die berühmte Lagunenstadt des Öfteren in Nebel getaucht sieht.

"Chi l'ha vista morire?"

aus einem Kinderlied ("Wer hat sie sterben gesehen?")

In erster Linie lebt der Film von der unheimlichen nebelverhangenen Atmosphäre Venedigs, gekonnt intensiviert von einem Ennio Morricone-Score. Selten hören sich Kindergesänge so unheimlich und traurig, doch gleichzeitig irritierenderweise einnehmend und einlullend an wie in dieser Komposition des Maestros.

Die äußert begabte Kinderdarstellerin Nicoletta Elmi (Roberta), die in Filmen wie beispielsweise Baron Blood oder Il medaglione insanguinato  Rollen finsterer Natur innehatte, spielt in "The Child" zur Abwechslung ein halbwegs fröhliches, kindliches Mädchen.
Dennoch wirkt sie in vielen Szenen etwas in sich gekehrt und nachdenklich. Fast, als ob sie ihr grausames Schicksal bereits ahnt. Die Bedrohung rückt auch für das Auge des Zuschauers und der Zuschauerin immer näher, wird aber (vorerst noch) im letzten Moment durch Auftauchen anderer Personen abgewendet.

Das Drehbuchkonstrukt ist vergleichbar mit dem des später entstandenen Venedig-Giallos Blutiger Schatten, sprich: es gibt so einige hübsche fette rote Heringe, die zum Miträtseln einladen.
Beinahe alle ProtagonistInnen verhalten sich auf die ein oder andere Art suspekt, wenn sie auf Roberta treffen. Alle sind von dem Mädchen und seinem herzlichen naiv-verspielten Gemüt verzaubert, die Blicke und Hände der Erwachsenen ruhen etwas länger auf ihr als nötig und sie bekommt überall viel Aufmerksamkeit.
Der Kreis der Verdächtigen setzt sich zusammen aus im Giallo-Genre populären Stereotypen – da wären der herrschsüchtige, undurchsichtige Kunsthändler und Kaufmann Serafian (großartig: Adolfo Celi, Yankee), der angeblich pädophile Rechtsanwalt namens Bonaiuti (José Quaglio, ebenfalls dubios in Malastrana), der Reporter (und Freund von George), der fast schon obligatorische Priester und ein paar andere Nebencharaktere, die prinzipiell auch nicht als Täter ausgeschlossen werden können.

Mittendrin taumelt der von seinen Schuldgefühlen getriebene Vater auf der Suche nach dem Mörder (der drahtige George Lazenby aka James Bond in "Im Geheimdienst Ihrer Majestät") von einem fragwürdigen Zeitgenossen zum nächsten. Apropos Gefühle: die ganz großen Gefühle wie Trauer, Verzweiflung oder Liebe werden eher verhalten dargestellt und es fällt auf, dass vermeintlich hoch emotionale Szenen entweder ganz ausgespart oder frühzeitig durch einen Schnitt unterbrochen werden. Dies verhindert zwar ein unnötiges Abdriften in die depressiven Untiefen eines Dramas. Dafür büßt die Geschichte dezent an Authentizität ein.
Auch die Mutter des verstorbenen Kindes (Anita Strindberg, Una lucertola con la pelle di donna) macht angesichts der großen Tragödie einen erstaunlich gefassten und vernünftigen Eindruck.

Das Hauptaugenmerk richtete Aldo Lado auf die Krimi-Elemente und die Frage nach dem Täter und seinem Motiv für das abscheuliche Verbrechen.
Die Kamera filmt immer wieder aus der Ego-Perspektive des Mörders (der Mörderin?), aber auch aus der Sicht von Roberta. Durch das für uns ZuschauerInnen mithilfe dieses Stilmittels eingeschränkte Blickfeld wird die Spannung und das beklemmende Gefühl von Bedrohung zusätzlich intensiviert.

"The Child" ist ein visuelles und atmosphärisches Meisterwerk mit einem Venedig, das von Schleiern des Nebels verdunkelt und von Spuren des Verfalls gezeichnet ist.
Die alptraumhafte Atmosphäre der Handlung ist, ähnlich wie im zeitlich später entstandenen Wenn die Gondeln Trauer tragen, durch eine düstere Symbiose mit dem morbiden Drehort verbunden.
Lado erläutert im Bonusmaterial, welche Ängste und Traumata er aus seiner Kindheit in sein Werk eingebaut hat. Dieses Bestreben war eindeutig von Erfolg gekrönt. Sogar die hektischen Flügelschläge der Tauben auf dem Markusplatz werden gekonnt als Stilmittel eingesetzt und erzeugen eine verstörende Beklemmung.
Aldo Lado transportiert durch seine Aufnahmen, Kameraführung und Schnitt ein durchgängig unbehagliches Gefühl, das nicht zuletzt durch Morricones Musik vertieft wird.

Ich habe diesen Film schon unzählige Male gesehen. Und ich lasse mich immer wieder gerne von dem eigenartigen Zauber der geschichtsträchtigen Lagunenstadt und ihrer geheimnisvollen BewohnerInnen einfangen – cineastisch und in der Realität.
Wie sieht es mit euch aus?


Einen Bildvergleich der Locations aus dem Jahr 1972 und 2014 gibt es hier.




Foto: Koch Media Giallo Collection Teil 2, Eyecatcher, Shameless und Anchor Bay Giallo Collection


Eine VÖ ist nicht genug