Montag, 18. August 2014

DUE ONCE DI PIOMBO (1966)














IL MIO NOME È PECOS (ital. Alternativtitel)
JONNY MADOC

Italien 1966
Regie: Maurizio Lucidi
DarstellerInnen: Robert Woods, Pier Paolo Capponi, Lucia Modugno, Peter Carsten, Luigi Casellato, Cristina Iosani, Umberto Raho, Gigi Montefiori (aka George Eastman), Salvatore Borghese, Orso Maria Guerrini, Pietro Martellanza (aka Peter Martell) u.a.


Inhalt:
Der Mexikaner Pecos Martinez (in der deutschen Fassung: Jonny Madoc) hat noch eine Rechnung offen mit dem gewalttätigen Tyrannen Joe Kline, der mit seiner Bande in Houston sein Unwesen treibt.
Jonny plant nämlich für den Mord an seiner Familie Vergeltung zu üben.
Die Schurken und ihr Anführer Kline sind gerade auf der Suche nach dem Geld, das sie bei einem Banküberfall erbeutet und durch einen Verrat in den eigenen Reihen wieder verloren haben.
Jonny weiß, wo es ist und stellt sich der gefährlichen Meute in den Weg...


Alle gegen einen - Jonny bezieht Prügel


Die mutige Ester


Nach Sichtung des meiner Meinung nach nicht schlechten, aber doch relativ braven und überbewerteten "Sartana" und dem etwas einfallslosen und seicht vor sich hindümpelnden "Lanky Fellow" habe ich mir vom dritten Film, der in der Italowestern-Enzyklopädie Nummer 3 von Koch veröffentlicht wurde, nicht allzu viel erwartet.
Und wurde positiv überrascht.

Ich weiß gar nicht genau, wo ich anfangen soll. Vielleicht ist meinen Stammlesern und -Leserinnen (ha, ich bin ja heute bescheiden...) aufgefallen, dass die Aufzählung der DarstellerInnen dieses herausragenden Italowesterns etwas umfangreicher ist als üblich.
Der Grund dafür ist, dass ich auf keinen dieser Namen verzichten wollte und konnte. Auch wenn in "Jonny Madoc" ein paar der oben genannten Darsteller nur kleine Rollen spielen, habe ich mich über das Auftreten jedes Einzelnen von ihnen gefreut.
Es sind schließlich alle sozusagen alte Bekannte aus meinen Lieblingsfilmen.
Regisseur Maurizio Lucidi, der im von mir heißgeliebten Giallo Der Todesengel Regie führte, hat außer diesem Western nicht viele nennenswerte Beiträge innerhalb des Metiers der Filmkunst geleistet.
"Abrechnung in San Franzisko" und "Nosferatu in Venedig" sind meiner Meinung nach keine besonderen Referenzen. Ist aber nicht dramatisch. Immerhin gibt es genügend Regisseure, deren Namen nicht ein einziges Mal in den Credits eines wirklich guten Films auftaucht.

Robert Woods spielt den wortkargen Mexikaner mit dem flinken Finger am Abzug, der aus unerfindlichen Gründen für den deutschsprachigen Raum von Pecos Martinez in Jonny Madoc umbenannt wurde. Mit etwas Phantasie oder dem Wissen um die Umbenennung des Protagonisten sollte die Szene, in der "Jonny Madoc" vor dem Grab der Familie Martinez steht, hinreichend erklärt sein.
Die Augen des U.S. amerikanischen Schauspielers Robert Woods wurden etwas übertrieben geschminkt, weshalb er auch locker als Mongole durchgehen könnte, aber wir wollen es mal nicht so genau nehmen.

Dieser wortkarge und schießwütige Mexikaner benutzt die Beute des Raubüberfalls lediglich als Mittel zum Zweck. Das Geld ist ihm nicht wichtig, er hat ein persönliches Motiv: Rache für den Mord an seiner Familie.
Seinen Namen verrät er nur den Toten (die er selbst kurz zuvor mit Blei gefüllt hat), weshalb seine Identität längere Zeit vor den Bösewichten verborgen bleibt.
Von manchen Bewohnern Houstons bekommt er trotz seiner Außenseiterrolle (Kline bezeichnet ihn als dreckigen Mexikaner und einige andere Mitbürger stellen ihre Xenophobie sehr unverhohlen zur Schau) tatkräftige Unterstützung. Doch die meisten dieser Idealisten bezahlen dafür mit ihrem Leben.

Interessant ist besonders die Rolle der Mexikanerin Ester, die Jonny mutig zur Seite steht und ihn mit Intelligenz und Geschick aus einer lebensbedrohlichen Situation rettet.
Frauen, die einen Namen und mehrere Dialogszenen haben und sogar noch heldinnenhaft sein dürften, stellen im Genre des Italowestern eine wahre Rarität dar.
Umso erfreulicher und erfrischender ist hier der souveräne Auftritt der beeindruckenden Cristina Iosani (Ester).

Für exzellente Unterhaltung und unvergessliche Momente sorgen auch die anderen Charaktere.
Umberto Raho (I lunghi capelli della morte, "La danza macabra", Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe) schleicht als hinterlistiger Totengräber Morton durch den Ort.
Dieser beobachtet das Treiben zwischen der Bande und Jonny zuerst von Außen und kommentiert das Geschehen ungefragt. Morton spielt sich gerne als Prophet auf und wirkt dabei hinterlistig und undurchsichtig. Und das nicht nur wegen seiner Angewohnheit, sich in Rätseln auszudrücken und dabei Bibelzitate zu verunstalten.

"Also nicht mal wenn sie tot sind, können sie einen in Ruhe lassen. Die Söhne des Bösen entkommen ihrer Strafe nicht, denn deine Hand, oh Herr, liegt schwer auf deinen Feinden." 
Morton im Gespräch mit sich selbst

Der bigotte Totengräber weiß viel, aber was stellt er mit seinem Wissen an?
Auf welche Seite wird er sich stellen?


Morton - was führt er im Schilde?


Pier Paolo Capponi (spielte Duca Lamberti in Note 7 – Die Jungen der Gewalt, auch bekannt aus Frauen bis zum Wahnsinn gequält oder Der Teufel führt Regie) ist als Bandenanführer Kline einer der fiesesten und skrupellosesten Schurken des Wilden Westens.
Obwohl alle mehr als Respekt vor dem sadistischen Hundling haben, scheinen ihm seine Untergebenen nicht immer ganz zu gehorchen und erschießen schon mal "aus Versehen" oder einem spontan frei erfundenen Grund irgendeinen bemitleidenswerten Mann, ohne von Kline einen dezidierte Anweisung erhalten zu haben. Durch dieses Verhalten kommen sie ihrem Boss manchmal sogar richtig in die Quere.
Auch Foltermethoden werden von der schwindligen Truppe hin und wieder angewendet und wehe den Frauen, die den Weg der Ganoven kreuzen!
Überhaupt wird in "Jonny Madoc" nicht gerade mit Blut und Gewaltszenen gegeizt. Ähnlich bei wie Töte, Django handelt es sich um einen Western der härteren Gangart.

Zu den Schergen von Kline zählen u.a. der allein schon wegen seiner 2,06 (!) Metern Körpergröße imposante George "Man-Eater" Eastman (auch unschlagbar cool als der Bösewicht Trentadue in Mario Bavas Wild Dogs), Orso Maria Guerrini (der engagierte Tontaubenschützenmeister aus Racket), Salvatore "Sal" Borghese (der Rollen in über 100 italienischen Filmen spielte und überall aufzutauchen scheint) und last but not least Peter Martell ("Seine Kugeln pfeifen das Todeslied" oder La morte accarezza a mezzanotte).
Und über den sympathischen Barkeeper (Luigi Casellato) freut sich wahrscheinlich jeder, der Der Todesengel, Fango Bollente und "Die letzte Rechnung schreibt der Tod" kennt.

Aber zurück zum düsteren und storytechnisch angenehm minimalistischen "Jonny Madoc".
Für mich gehört er zu der Kategorie Italowestern, in der nicht einfach nur mühevoll versucht wurde, die amerikanischen Vorbilder zu kopieren. "Jonny Madoc" ist mehr. Er beinhaltet einige (nicht alle) der wichtigsten Elemente, die einen guten Italowestern ausmachen:
Schön fotografierte Landschaftsaufnahmen, böse Schurken, eine gewisse Kompromisslosigkeit, überzeichnete Charaktere, stilisierte Gewalt, viel Staub und Dreck und eine zum Film passende Melodie, die sich nicht nur in das Gesamtergebnis einfügt, sondern die Intensität einzelner Szenen um mehrere Nuancen steigert.
Dieser Film kann den großartigten und unbestrittenen Klassikern des "Spaghetti Western" zwar nicht das Wasser reichen, aber nimmt mit heutigem Datum einen würdigen Platz in meinen persönlichen Top 25 Western all'italiana ein. Amen.




Foto: Italowestern Enzyklopädie No. 3 von Koch Media (lohnt sich!)




Sonntag, 17. August 2014

ZOMBI 2 (1979)














WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES

Italien 1979
Regie: Lucio Fulci
DarstellerInnen: Tisa Farrow, Ian McCulloch, Richard Johnson, Al Cliver, Auretta Gay, Olga Karlatos, Ugo Bologna, Omero Capanna u.a.


Inhalt:
Anne Bowles ist auf der Suche nach ihrem Vater, der auf einer Karibik-Insel namens Matul verschollen zu sein scheint. Zumindest wurde sein Boot führerlos vor der Küste New Yorks gefunden. Naja, nicht ganz führerlos. Ein dicker Zombie, der jedoch sofort von der Hafenpolizei erschossen wird (allerdings vorher noch einen Polizisten tot beißt) und ins Wasser fällt, schlurfte noch durch die Kajüte.
Mithilfe des neugierigen Reporters Peter West gelangt Anne nach Matul – wo die beiden das pure Grauen erwartet...


Wem würdet ihr lieber Unterwasser begegnen?
Dem Zombie oder dem Hai?


Verstehen sich nicht mehr so gut - Dr. Menard und
seine Frau mit den schönen Augen (Olga Karlatos)


Der exzentrische Regisseur Lucio Fulci wird ebenso verehrt wie verachtet. Der Künstler, um den sich viele Gerüchte ranken und der erst post mortem eine gewisse Berühmtheit erlangte, wird von den einen glorifiziert, von den anderen als stümperhafter Regisseur, der nur billige Auftragsarbeiten ablieferte, abgestempelt.
Zu letztgenannter Gruppe zähle ich definitiv nicht! Fulci hat nämlich einige meiner absoluten Lieblingsfilme gedreht, die da wären:
Ein Zombie hing am Glockenseil, Über dem Jenseits, Das Haus an der Friedhofmauer, Non si sevizia un paperino, Una lucertola con la pelle di donna, Verdammt zu leben - verdammt zu sterben und Das Syndikat des Grauens.

Erstmalig habe ich "Woodoo" – wie viele andere Fans auch – in schlechter Qualität auf VHS gesehen.
Seine Popularität verdankt der Film nicht nur seiner Optik, sondern auch der Tatsache, dass er in Deutschland indiziert wurde und in England als "Video Nasty" bis vor wenigen Jahren beschlagnahmt war.
Folglich war "Woodoo" für jeden Horrorfilmfan ein brandheißes Objekt der Begierde.
Dass der Faktor "Knappheit" ein wichtiges, nicht zu unterschätzendes Element in der Verkaufspsychologie ist und im Besonderen für eine stärkere Nachfrage sorgt, scheint den Zensoren und den von Regierungen ernannten Hütern der Moral nicht bewusst oder egal zu sein.
Wie auch immer. Zugegebenermaßen war ich anno dazumal nur mäßig begeistert. Einerseits, weil ich eine stringente und konsequente Handlung ähnlich den George Romero-Zombiefilmen erwartet hatte, andererseits wegen dem ungewohnten Gernre-Mix und vermutlich auch, weil "Woodoo" erst beim Ansehen mit mindestens einer weiteren Person so richtig spaßig wird.
Mittlerweile habe ich den Film unzählige Male in diversen Fassungen im TV, auf der heimischen Leinwand und auf 35mm im Kino und in einer zunehmend besseren Qualität (siehe Foto der Veröffentlichungen) sowie in guter Gesellschaft genießen dürfen.
"Woodoo" ist einer der wenigen Horrorfilme, der für mich über die Jahre hinweg zunehmend an Bedeutung gewonnen hat und der heute endlich in einer Qualität, die diesem Meisterwerk des Splatterfilms gerecht wird, verfügbar ist.
Die Blu Ray von Arrow stellt meiner Meinung nach das Non Plus Ultra unter den Veröffentlichungen dar.

"The boat can leave now. Tell the crew.“

Dr. Menard

Bei "Woodoo" weiß man angenehmerweise sofort, was einen erwartet. Ohne Umschweife stürzen wir gleich mitten ins Geschehen. Bereits in den ersten Sekunden werden wir ZeugInnen von einem Kopfschuss, der mit einer Nahaufnahme des undefinierbaren Beuschels, das Spekulationen zufolge Hirnmasse darstellen soll aber auch einem Wiener Würstchen mit Ketchup verblüffend ähnlich sieht, endet. Kein Film für Zartbesaitete und auch tendenziell eher riskant als Filmwahl einen romantischen Abend.

Und es wird im Lauf der Geschichte munter weiter geschnetzelt: Köpfe zermatscht oder halbiert, Finger abgetrennt, lebende und tote Körper angefressen und ausgeweidet et cetera et cetera. Schaufeln kommen genauso gegen weiche Zombie-Körper zum Einsatz wie herkömmliche Waffen und zum Ende auch Molotov-Cocktails. Ein Splatter-Fest. Fulcis Faible für Würmer, Maden und Tausendfüßer ist auch in "Woodoo" unverkennbar.
Der Maskenbildner und kreative Maestro der Spezialeffekte Gino De Rossi (nicht zu verwechseln mit seinem Berufskollegen Gianetto De Rossi!) hat mit ein bisschen Ton, Kunstblut und ein paar selbst gebauten Requisiten viel zur unvergleichlichen Atmosphäre des Films beigetragen.
Weil er das so gekonnt bewerkstelligt hat, durfte er kurz darauf auch in Ein Zombie hing am Glockenseil, "Die Rückkehr der Zombies" und "Die Rache der Kannibalen" für gepflegte Ekel-Atmosphäre sorgen.


Was man nicht alles aus ein bisschen Terracotta und
Kunstblut machen kann


Tisa Farrow, die kleine Schwester der Hollywood-Schönheit Mia Farrow, spielt die vom Vater verlassene Anne Bowles. Sie sieht mit ihren Sommersprossen wirklich herzig aus und ihr selbstbewusster Gesichtsausdruck verleiht der Rolle eine gewisse Glaubwürdigkeit. Nicht, dass dies bei so einer Art Film besonders wichtig wäre, aber es ist trotzdem von Vorteil.
Die Filmographie Farrows ist eher kurz und umfasst laut ofdb lediglich vierzehn Filme, davon zumindest einen weiteren nennenswerten Klassiker, nämlich "Man-Eater". In den Achtzigern hängte sie zugunsten eines Jobs als Krankenschwester ihre Filmkarriere an den Nagel.

Eine ganz ordentliche Performance liefert auch der schottische Schauspieler Ian McCulloch als Reporter Peter West ab, der in "Woodoo" seine erste Erfahrung an einem italienischen Filmset machte. Mit den beiden darauf folgenden kultigen Trash-Granaten "Zombies unter Kannibalen" und "Astaron - Brut des Schreckens" endete allerdings seine Karriere in Bella Italia auch schon wieder.


Ian McCulloch und Tisa Farrow


Der britische Theaterschauspieler Richard Johnson war die perfekte Besetzung für die Rolle des zwielichtigen und vom Ehrgeiz besessenen Dr. Menard. Er bringt seine kurzen Dialogzeilen mit einer großen Ernsthaftigkeit rüber.

Der rothaarige und hellhäutige Schauspieler Al Cliver, der mehrmals mit Fulci arbeitete, tut mir immer ein bisschen leid. Die Karibik als Drehort ist für einen Menschen mit einem solchen Hauttyp schon Herausforderung genug und in den Szenen, die auf dem Boot spielen, sieht er aus wie ein gekochter Hummer.
Auretta Gay, ihres Zeichens ein Model und keine professionelle Darstellerin, hatte laut Ian McCulloch keine Freude am Set, da sie von Fulci ständig gepiesakt und äußerst fies behandelt wurde.

Die gebürtige Griechin Olga Karlatos ("Keoma", Oben ohne, unten Jeans) hat sich mit ihrer Rolle als Paula Menard und im Besonderen mit ihrem filmischen Schicksal ein ewiges (hölzernes) Denkmal in der Splatterfilmgemeinde gesetzt.

Der Kampf zwischen dem Zombie und dem Hai ist meiner Meinung nach eine der bemerkenswertesten Szenen der Filmgeschichte, die berühmte „Holzsplitter-Szene“ wird bis heute (meist eher erfolglos) kopiert und die klaustrophobische apokalyptische Stimmung des Films kann sich mit anderen Zombiefilmen sehr wohl messen.
Das Besondere an "Woodoo" und weshalb der Film seinen Kultstatus zu Recht innehat sind neben den meisterhaften Gore-Effekten und dem realistischen Zombie-Makeup von Gino de Rossi die Mischung zwischen Karibik-Abenteuer, Seuchenfilm und Untoten-Thematik sowie der unheilschwangere düstere Synthie-Soundtrack aus der Feder von Fabio Frizzi.


Was für eine atmosphärische Umgebung für eine
Zombie-Epidemie!


Niemand weiß, warum auf Matul diese Seuche ausgebrochen ist. Manche Eingeborenen verwandeln sich nach einer vorhergehenden Erkrankung in Zombies, andere durch Bisse. Doch auch bereits vor Jahrhunderten Verstorbene erheben sich plötzlich aus ihren erdigen Ruhestätten und machen sich auf die Suche nach Menschenfleisch.
Die Ursache des Zombie-Debakels bleibt ebenso wie andere Handlungsstränge im Unklaren, aber das macht überhaupt nichts. Die staubigen Untoten sind einfach da und schlurfen und schmatzen sich durch "Woodoo - Schreckensinsel der Zombies".
Wer den Film zu ernst nimmt, ist selbst schuld.

Das Bonusmaterial auf der Arrow Blu Ray ist eines der informativsten, das ich je zu dem Film gesehen habe – es verfügt über ein Special über die Werke von Gino de Rossi, ein ausführliches Interview mit dem sympathischen Ian McCulloch und die sehenswerte Dokumentation mit dem Titel "From Romero to Rome", in der Experten und Fans zu Wort kommen.
Das knapp 40-seitige Booklet behandelt u.a. die Zensurgeschichte in England und wartet mit einem Interview mit Olga Karlatos auf.

Wer ebenso wie ich „Woodoo“ in englischer Sprache favorisiert, darf auf den Kauf der Arrow-VÖ nicht verzichten!




Foto: Dragon DVD, Laser Paradise, Shriek Show 25th Anniversary Edition, Blue Underground (Blu Ray), XT Video Mediabook, CMV Retro Edition


Verrückten Fans reicht nicht nur eine VÖ


Foto: empfehlenswerte Blu Ray im Steelbook von Arrow





Foto: Blu Underground UHD




Lohnt sich für Fans: Die Ausgabe von "CREEPY IMAGES" mit dem kompletten Foto-Aushangsatz




Foto: Soundtrack von Death Waltz Records





Montag, 11. August 2014

LA MORTE ACCAREZZA A MEZZANOTTE (1972)














DEATH WALKS AT MIDNIGHT

Italien, Spanien 1972
Regie: Luciano Ercoli
DarstellerInnen: Nieves Navarro (aka Susan Scott), Simón Andreu, Pietro Martellanza (aka Peter Martell), Claudie Lange, Luciano Rossi u.a.


Inhalt
Die schöne Valentina ist Fotomodell. Ihrem Freund, dem Reporter Gio Baldi und dessen Karriere zuliebe, experimentiert sie mit einer neuen Droge. Gio hegt nämlich den Plan, eine Reportage über Valentinas Drogenrausch zu schreiben, selbstredend völlig anonymisiert. Während ihres Trips sieht sie einen grausamen Mord. Ein hässlicher Mann mit Sonnenbrille zerfetzt einer Frau mit einem stachelbesetzten Eisenhandschuh das Gesicht.
Als Valentina wieder nüchtern ist, hat sich ihr Leben verändert. Nicht nur, dass sie am nächsten Tag feststellen muss, dass Gio sie hintergangen hat und unter der Titelschlagzeile Valentina on  HDS: "I saw a woman being murdered." ihr Foto veröffentlicht hat. Seit Erscheinen des Artikels erhält sie seltsame anonyme Botschaften, wird von dubiosen Gestalten verfolgt und es dauert nicht lange, bis der Mörder aus ihrer Vision live und in Farbe vor ihr steht...


Die Mordwaffe


Keine Freunde - Valentina und die Polizei


Die Filmographie des Regisseurs Luciano Ercoli umfasst lediglich acht Arbeiten.
Dennoch sollte er eingefleischten Eurocult-Fans ein Begriff sein, denn seine Gialli Frauen bis zum Wahnsinn gequält, "La morte cammina con i tacchi alti" und "La morte accarezza a mezzanotte" zählen zu den absolut sehenswerten Genre-Beiträgen.

Letzterer startet ohne langatmiges Vorgeschichten-Geplänkel mit dem Drogenexperiment Valentinas und ihrer Vision, in der ein Mann mit Sonnenbrille einer jungen Frau mit einer Art mittelalterlichem Folterinstrument das Gesicht zermatscht.
Das rasante Tempo, das bereits zu Beginn vorgelegt wird, hält mit kurzen Einbrüchen bis zum blutigen Finale an und macht "La morte accarezza a mezzanotte" zu einem bemerkenswert spannenden Giallo, der nicht ganz so bierernst und düster wie seine Genre-Kollegen ist und durchgängig Spaß macht.

In nicht unwesentlichem Maße trägt dazu die Leinwandpräsenz der spanischen Schönheit Nieves Navarro, die einfach in jeder Lebenslage bezaubernd aussieht, bei.
Valentina unterscheidet sich auf erfrischende Weise deutlich von den Frauencharakteren, die von Edwige Fenech (Der Killer von Wien oder "Die Farben der Nacht") und anderen Giallo-Königinnen dargestellt werden.
Sie ist eine reife Persönlichkeit, eine selbstbewusste und wehrhafte Frau, die Konflikte nicht scheut und sich kein X für ein U vormachen lässt. Lautstark flucht sie wie ein Kesselflicker vor dem Zeitungsstand drauf los, als sie den Artikel von Gio entdeckt und auch dem unfähigen Kommissar, der ihr keinen Glauben schenken will, sagt sie deutlich ihre Meinung, bevor sie ihn zum Teufel jagt:

"Wenn ich Ihnen sagen würde, was ich von Ihnen halte, würden Sie mich verhaften. Auf Wiedersehen, Commissario."

Ihrem verlogenen Reporter-Freund wirft sie Büroutensilien hinterher und einen Stein ins Fenster und von ihrem gelegentlich auftauchenden Liebhaber Stefano (Peter Martell) lässt sie sich auch nicht alles gefallen.
Valentina ist kein naives Opfer, das in gefährlichen Momenten in eine hysterische Starre verfällt, sondern ihre Fäuste, Ellbogen, Knie und nicht zuletzt ihre Handtasche gezielt gegen Angreifer einsetzt.

"La morte accarezza a mezzanotte" verführt uns mit einer herrlich verworrenen Story, die dem Giallo-Genre alle Ehre macht.
Nicht nur diverse trügerisch ausgelegte rote Heringe, die stylische Seventies-Atmosphäre und die exquisiten Drehorte (Mailand, eine Villa am Comer See, eine Disco, ein Friedhof und eine Irrenanstalt mit bröckelndem Verputz), sondern auch schräge Figuren beleben die Erzählung und sorgen für wahrhaft gediegene Unterhaltung.

Immer wieder tauchen einprägsame Gestalten wie der seltsame, auf Krücken laufende Arzt, der Valentina bei ihrem Ausflug in eine Irrenanstalt vordergründig freundlich doch zugleich subtil feindselig begegnet oder die undurchsichtige Schwester einer Deutschen, die vor sechs Monaten auf die selbe Art gemeuchelt wurde wie in Valentinas Vision auf und verschwinden wieder.
Allen voran ist allerdings Luciano Rossi zu erwähnen. Rossi, dem man in unzähligen Western, Poliziotteschi und Exploitation-Krachern begegnet, zählte zu seiner Zeit zu den begehrtesten Nebendarstellern des italienischen Genrekinos.


Hans Krutzer


Die Rollen des buckligen Schauspielers mit den schmierigen Frisuren waren größtenteils festgelegt auf (sadistisch veranlagte) Bösewichte wie in Das Syndikat des Grauens oder Camorra – Ein Bulle räumt auf.
In "La morte accarezza..." mimt er einen psychopathischen Gangster namens Hans Krutzer (was für ein Name!), der permanent wie von Sinnen in irritierend hohen Tonlagen vor sich hin kichert und ausgestattet mit einer Sonnenbrille und einer Art Rücken-Korsett, das getrost als übrig gebliebene Requisite aus einem Endzeit-Film durchgehen könnte, so richtig die Sau rauslässt.
Meiner Meinung nach eine seiner besten und denkwürdigsten Rollen.


"La morte..." - Ein Beispiel für 70er Jahre Ästhetik


Neben Nervenkitzel, Erheiterndem und einer fabelhaften Film-Ästhetik, die den Regisseuren scheinbar in den Achtziger Jahren irgendwie abhanden gekommen ist und spätestens in den 90ern gänzlich verloren ging, rundet der stimmige Soundtrack aus der Feder des Komponisten Gianni Ferrio (u.a. verantwortlich für die Musik in Blutspur im Park , Das Grauen kam aus dem Nebel oder Django, unbarmherzig wie die Sonne) das cineastische Erfolgsrezept von "La morte accarezza a mezzanotte" ab.

Allen, denen es bei Gialli in erster Linie um hohe Bodycounts, Nudity und Fetisch geht, rate ich ausdrücklich von diesem Film ab. Genauso wie den professionellen Logiklücken-Suchern.
Allen anderen wünsche ich bei diesem kurzweiligen Ausflug in die frühen Siebziger Jahre viel Vergnügen!




Foto: U.S.-DVD von NoShame und die britische Mondo Macabro-VÖ




Foto: Blu Ray Box von Arrow Video



Samstag, 9. August 2014

GOODBYE E AMEN (1977)














GOODBYE UND AMEN

Frankreich, Italien 1977
Regie: Damiano Damiani
DarstellerInnen: Tony Musante, Claudia Cardinale, Renzo Palmer, John Forsythe, John Steiner, Angela Goodwin, Luciano Catenacci u.a.


Inhalt
John Dhannay ist ein erfolgreicher CIA Agent, der in Rom stationiert ist.
Gerade plant er mit seiner Spezialeinheit einen wichtigen Einsatz, als sein alter Freund und ehemaliger Botschaftsmitarbeiter Harry Lambert plötzlich Amok läuft und von einem Hoteldach aus Passanten erschießt.
Dem nicht genug, nimmt Lambert auch noch zwei Geiseln, um die Polizei zu erpressen.
John ändert seine Pläne und fährt zum Hotel. Bald kommen John Zweifel an der Identität des Amokläufers. Er ermittelt in alle Richtungen. Kann er herausfinden, wer sich dort wirklich bewaffnet im Hotel verschanzt hat und gleichzeitig seinen (politisch zweifelhaften) Auftrag ausführen?


Das dynamische Duo - Musante und Palmer


Fies und unberechenbar - John Steiner als Amokläufer


"Goodbye und Amen" ist ein leider kaum bekannter spannender Agententhriller von Regisseur und Drehbuchautor Damiano Damiani (u.a. verantwortlich für "Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?" und den meiner Meinung nach zu Unrecht unterschätzten Amityville 2 – Der Besessene).

Neben kurzweiliger actionlastiger Unterhaltung darf man sich bei diesem italienischen testosteronschwangeren Agentenfilm über mal mehr, manchmal weniger beabsichtige lustige Szenen freuen.

Wenn der etwas korpulente zwölf Jahre alte Sohn des (vermeintlichen) Amokläufers seine Mutter für das Verschwinden des Vaters verantwortlich macht und brüllt, sie sei eine schlechte Frau, wirkt es eher amüsant als tragisch.
Vor allem wenn er rumhüpft wie Rumpelstilzchen und in seinem Strampelanzug-ähnlichen Schlafanzug aussieht wie ein grantiger Hobbit. (Anmerkung: grantig = umgangssprachlich österreichisch für: übel gelaunt, ärgerlich).
Die Ansätze von Familientragödie lösen sich in seichter Unterhaltung auf. Was aber kein Fehler ist.

Besonders gelungen sind die Szenen im Hotelzimmer, die auch den größten Raum der Handlung einnehmen.
Der Amokläufer (bedrohlich: John Steiner; u.a. "Mannaja - Das Beil des Todes" oder Verdammte, heilige Stadt) nimmt sich ausgerechnet die neureiche Unternehmer-Ehefrau Signora de Mauro (immer sehenswert: Claudia Cardinale, u.a. in Die Rache der Camorra) und deren eitlen, jungen Schauspieler-Liebhaber als Geiseln.

Schon als der aufstrebende Mime dem Gangster splitterfasernackt, lediglich mit einem Cowboy-Hut bekleidet, die Tür aufmacht, schwant dem Geiselnehmer wohl Böses.
Er hat sich auf kein leichtes Spiel eingelassen mit dem Liebespaar. Während sich der Möchtegern-Filmstar als waschechter schwächlicher Jammerlappen entpuppt, der ans Bett gefesselt ständig nach Beruhigungsmitteln verlangt und damit nicht nur seiner Liebhaberin, sondern auch dem bewaffneten Eindringling massivst auf die Nerven geht, liefert sich Signora De Mauro ein kleines Psycho-Duell subtilerer Art mit dem Bösewicht.
Auf der anderen Seite der Tür trägt die Polizei mit Anrufen und Megaphondurchsagen das Ihrige dazu bei, um das Nervenkostüm von "Lambert" zu strapazieren. (Anm.: Ob es sich bei dem Übeltäter tatsächlich um Lambert handelt, ist für den Zuschauer wie für die Protagonisten im Film eine geraume Zeit nicht überprüfbar).

Die Geschichte funktioniert und ist schlüssig, auch wenn auf irgendeine Art von Tiefgang beinahe gänzlich verzichtet wurde.
Aber auch Filme, bei dem der Faktor Spannung im Vordergrund steht, haben im Poliziottesco-Genre ihre Berechtigung.
In erster Linie ragt "Goodbye und Amen" aber wegen der fantastischen Schauspielerriege aus der Masse heraus. Tony Musante (bekannt aus Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe oder "Mercenario") und der sympathische und authentisch wirkende Renzo Palmer (Racket, Ein Bürger setzt sich zur Wehr, Die Killer der Apokalypse) sind schon rein optisch ein cooles Gespann und haben immer einen lockeren Spruch auf den Lippen.
Der drahtige John Steiner sieht in seinen Schlaghosen lässig und beängstigend zugleich aus.
Und Claudia Cardinale darf in ihrer Rolle als distinguierte und recht abgeklärte Frau aus der Oberschicht zeigen, was für eine großartige Diva in ihr steckt.

Das simple, aber effektive Soundtrack-Gedudel der De Angelis-Brüder ist ebenfalls eine lobenswerte Erwähnung wert.

Alles in Allem: Gutes Schau-Spiel, Spaß, Spannung - fehlt nur noch die Schokolade.
"Goodbye und Amen" ist keine exquisite Praline, aber ein leckeres Überraschungsei, das hält, was die Werbung verspricht.




Foto: DVD vom Label Cinekult



Sonntag, 3. August 2014

YANKEE (1966)














L'AMERICANO (Alternativtitel)

Italien, Spanien 1966
Regie: Tinto Brass
DarstellerInnen: Philippe Leroy, Adolfo Celi, Mirella Martin, Tomás Torres, Francisco Sanz, Víctor Israel u.a.


Inhalt
Der unter dem Namen "Yankee" bekannte Kopfgeldjäger hat es auf das Gold und den Kopf des Großen Concho abgesehen und unternimmt jeden Versuch, den Tyrannen und seine Männer aus der Reserve zu locken. Als Yankee die Frau das Großen Concho entführt, geht er zu weit.
Das blutige Spiel um Leben und Tod eskaliert...


Der Yankee guckt unterm Hut hervor


Der Große Concho - schwierig und schmierig


Es macht mich immer etwas stutzig, wenn ich ohne Mühe eine Inhaltsangabe in drei Zeilen verpacken kann.
Es gibt allerdings (zumindest in meinem cineastischen Universum) mehr als genug Filme, die auch ohne vielschichtige oder komplexe Story funktionieren.
"Yankee" ist einer dieser Filme.
Denn er ist ein außergewöhnlich fotografierter Italowestern mit für Genre-Verhältnisse beinahe exzentrisch anmutenden Aufnahmen und eigenwilligen Kameraspielereien.

Als Lager dient dem Großen Concho und seinen Männern eine verlassene Kirche.
Diese ist ausgestattet mit bunten Mosaikfenstern und einer Art Thron, von dem aus der Große Concho seine Befehle erteilt, bisweilen mit seiner Peitsche ausholt und Erinnerungen an einen römischen Imperator weckt.


Der Große Concho auf seinem Thron


An den Wänden hängen Portraitbilder, die seinen Mut und seine Stärke illustrieren sollen. Ja, der gute Mann hat einen Hang zum Größenwahn. Denn er ist das Gesetz.

"Und wenn du durch das Dorf reitest, versuch den Atem anzuhalten. Hier gehört sogar die Luft dem Großen Concho und er mag es nicht, wenn jemand sie ihm wegatmet."
Einer von Conchos Männern belehrt den Yankee

Des Großen Conchos Skrupellosigkeit und seine sadistischen Neigungen unterstreichen seinen schmierigen Charakter zusätzlich.

"Ich habe einen Grundsatz. Er lautet: Verbrenne die andern, damit sie dich nicht verbrennen."
Der Große Concho himself

Adolfo Celi (ebenfalls fabelhaft in Django – unbarmherzig wie die Sonne oder Der Mafiaboss), von Natur aus mit einer markanten Visage ausgestattet, wurde von den Maskenbildnern ein vernarbtes Auge verpasst, um noch fieser auszusehen. Dieses spezielle Gimmick verfehlt seine Wirkung nicht.

Der französische Schauspieler Philippe Leroy (Femina Ridens, Milano Kaliber 9), der seine großen Erfolge vornehmlich in Italien feierte und dort unter der Anleitung von namhaften Regisseuren wie Carlo Lizzani, Riccardo Freda, Fernando Di Leo, Sergio Sollima oder Steno arbeitete, ist der Yankee.
In dieser Rolle wirkt er zwar dezent unterfordert, aber auch Banalitäten wie in der Gegend herumstehen, verschmitzt unter dem Hut hervorlugen und kleine Stunts vollführen meistert er bravourös.
Und ans Rad gefesselt macht er mit seinem athletischen Körper eine gute Figur.


Was für ein farbenprächtiges Bild - der Yankee am Rad


Die Musik dümpelt ebenso gemächlich vor sich hin wie die Handlung, verfügt aber über einen passablen Wiedererkennungswert und hält gut bei Laune.

Regisseur Tinto Brass, der später durch seine erotischen Filme und im Besonderen sein Faible für Großaufnahmen von wohlgeformten weiblichen Hinterteilen von sich Reden machte, legte auch in seinem einzigen Western Wert auf weibliche Reize – beispielhaft dafür ist die Kamera, die beinahe ins Dekolleté einer Schauspielerin zu fallen scheint oder die verführerischen Halbnackt-Szenen mit Conchos Frau (die schöne Mirella Martin).

"Yankee" - bisweilen bunt wie ein Pop Art Portrait, gemächlich wie ein altersschwacher Gaul, ungewöhnlich wie Schnee im Sommer und ausreichend ausgestattet mit markigen Sprüchen ist ein netter Italowestern-Leckerbissen für zwischendurch.




Foto: DVD Nr. 2 der "Regenbogen-Collection" von Koch Media